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Einfluss des Pythagoräismus

Im Dokument DISSERTATION / DOCTORAL THESIS (Seite 144-148)

Die Idee, dass die Buchstaben gleichzeitig auch als Zahlen verwendet werden, war nicht neu.

In Nomoi 895 D-E spricht Platon über die Namen, die durch Zahlen repräsentiert werden. Die antiken Völker haben die Gematria als eine Methode der Transformation der Buchstaben in die Zahlen und umgekehrt verwendet. Auch die Bibel zeugt von diesen Berechnungen (Die Offenbarung des Johannes 13,18).407

Die Kabbala verwendet dieselbe Idee und beschränkt sich auf Gottes- und Engelsnamen und den Namen des Bösen.

Eine Schrift, die neben der Merkaba-Gnosis sehr große Bedeutung für die Ausformung der Kabbala als solche und insbesondere für die Renaissancezeit hatte, war das „Buch der Schöpfung“, Sepher Jezira, ein kleiner Text von wenigen Seiten, der eine sehr starke Verbreitung erfuhr und sehr großen Einfluss auf die weiteren kabbalistischen Texte ausübte.408

Der Autor- Verfasser des Buchs wurde von griechischen Quellen beeinflusst und bringt seine Anschauungen mit den talmudischen Lehren der Schöpfung und Merkawa zusammen.

“In 32 wunderbaren Wegen der Weisheit hat Gott […](hier folgt eine Reihe biblischer Epitheta für Gott)[…] seine Welt eingegraben und geschaffen. “409

Die 32 Wege der Sophia (Gottes Weisheit, die Hokhma) sind die zehn Urzahlen und die 22 Konsonanten des hebräischen Alphabets, die als Elemente und Bausteine des Kosmos ihre Bedeutung haben. Die „Wege der Sophia“ sind die Instrumente der Schöpfung. Sie sind, wie in der alten Vorstellung, die Sophia selbst, in sie oder durch sie – die hebräische Präposition verträgt beide Übersetzungen - hat Gott, also der Herr der Sophia, die Schöpfung

„eingegraben“. Das sind also Grundkräfte, die von ihr ausgehen oder in denen sie sich darstellt.410

407 Vgl. Farmer, Introduction, Pico 900 Theses, S. 63.

408 Sepher Jezira existiert in einigen Versionen: 1)Kurze Version, 2) Lange Version, 3) Saadia Version und 4) Version Gra. Die Unterschiede zwischen den Versionen sind jedoch sehr gering. Die kurze Version besteht aus 1300 Wörtern und die lange ist ungefähr zweimal so lang.

409 Vgl. Scholem, G., Ursprung und Anfänge der Kabbala, Walter de Gruyter & Co. Berlin 1962.S.22

410 Vgl. Ebd. S.22.

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Die zehn Urzahlen-Sephiras sind keine gewöhnlichen Zahlen, sondern Emanationen aus Gott, was erst durch die spätere Umdeutung des Textes in ihn hineingelesen werden konnte.411 Anfang und Ende aller Sephiroth sind miteinander verbunden und gehen ineinander über, so dass also jene Ur-Dekas eine Einheit bilden, die aber mit der Gottheit selbst keineswegs identisch ist. Die Sephiroth sind „lebendige Zahlenwesen“.

Jede dieser Urzahlen ist einer bestimmten Schöpfungs-Kategorie zugeordnet, die ersten vier Sephiroth emanieren auseinander. Diese Idee beruht vermutlich auch auf pythagoräischem Gedankengut.

Vier Sephirot erinnern uns an die heilige Tetraktys der Pythagoräer. Die Tetraktys und die

„vollkommene“ Zehn betrachtete man als für die Weltordnung grundlegend.

Die Pythagoräische Lehre vertritt die Grundüberzeugung, dass der Kosmos eine auf der Basis der Zahlen und Zahlenverhältnisse aufgebaute Einheit sei. Demnach ist die Kenntnis der Zahlenverhältnisse maßgeblich für die Erkenntnis der Gesetzmäßigkeiten im gesamten Kosmos.

Die erste Sephirot ist das Pneuma des lebendigen Gottes Ruah` Elohim hajim.

Aus ihm geht als Verdichtung der „Hauch vom Hauche“ das Element „Luft“ hervor. Aus der Urluft wird Wasser und Feuer emaniert. Aus der Urluft schuf Gott 22 Buchstaben, aus dem Urwasser das Kosmische Chaos. Und aus dem Urfeuer wurden der Thron der Herrlichkeit und die Ordnungen der Engel geschaffen. Interessanterweise scheint es, dass das aristotelische Element der Erde dem Autor nicht als Urelement bekannt ist.412

Gerschom Scholem macht uns darauf aufmerksam, dass der Autor das Wort Schaffen nicht benutzt, sondern die Worte für eingraben und aushauen, wie man einen Stein aus dem Fels aushaut. Ob sein Kerngedanke darauf ruht, dass es schon alles existiert, Gott muss es „nur“

aushauen und formen?

Die letzten sechs Sephiroth stellen die sechs Richtungen des Raumes dar, sind anders als die ersten definiert. Von diesen letzten sechs wird nicht gesagt, dass sie aus den früheren Urelementen emaniert seien.

Die anderen 22 Wege der Weisheit entsprechen den 22 Konsonanten des Hebräischen Alphabets. Und diese Idee ist als innerjüdisch zu verstehen.413

411 Ebd.

412 G. Scholem, Ursprung und Anfänge der Kabbala, Walter de Gruyter & Co. Berlin 1962.S.22 .

413 Ebd. S.24.

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Nach der Vorstellung des Autors besitzen die Buchstaben magisch-schöpferische Kraft, sie sind mehr als nur Charaktere. Wenn man sie zu verwenden weiß und deren Kraft und Wirkungsweise beherrscht, kann man die Schöpfung nachahmen.

Die 22 Konsonanten wurden in drei Gruppen angeordnet. Die erste umfasst die drei Mutterbuchstaben: Aleph, Mem, Schin. Ihnen entsprechen die drei Elemente: Äther, Wasser und Feuer, und auch die drei Jahreszeiten und drei Teile des Körpers: Kopf, Brust, Bauch.

Die zweite Gruppe bilden die sieben Doppelkonsonanten B G D K P R T. Ihnen entsprechen die sieben Planeten, die sieben Himmel, die sieben Wochentage und die sieben Öffnungen des Körpers. Nach der Vorstellung des Autors entsprechen diesen auch die sieben Grundgegensätze des Lebens: Leben und Tod, Friede und Unheil, Weisheit und Torheit, Reichtum und Armut, Anmut undHässlichkeit, Aussaat und Verwüstung, Herrschaft und Knechtschaft. Und der Tempel im Zentrum der Welt, der sie alle trägt (IV, 1-4), und auch die sechs Himmelsrichtungen entsprechen diesen sieben Doppelkonsonanten, und diese sind durch die sechs „Siegel“ „seines großen Namens Jaho“(JHW) versiegelt (I, 13).

Die anderen zwölf „einfachen“ Konsonanten entsprechen den zwölf Haupttätigkeiten des Menschen, den zwölf Monaten, den zwölf Hauptorganen im menschlichen Körper und den Bildern des Tierkreises.

Die Buchstaben des Alphabets besitzen außer ihrem symbolischen Sinngehalt auch einen Zahlenwert. Mit drei grundlegenden kabbalistischen Methoden ist es möglich, mit ihnen so umzugehen und sie so zu manipulieren, dass in Worten versteckte und geheime Interpretationen zu finden sind. Hier ist die Grundüberzeugung der Pythagoräer erkennbar, dass die gesamte erkennbare Welt auf Grund der Zahlen und deren Verhältnissen aufgebaut sei und eine Einheit bilde. Auch die Kabbalisten betrachten die Kenntnis der maßgeblichen Zahlenverhältnisse als den Schlüssel zum Verständnis der Weltzusammenhänge.

Mit Hilfe folgender drei Methoden haben die Kabbalisten ihre Untersuchungen durchgeführt.414

Gematria, die erste Methode, fußt auf der Idee, dass ein Wort durch ein anderes ersetzt werden kann, immer vorausgesetzt, dass die Summe der Zahlen in beiden Wörtern dieselbe ist.

Die zweite Methode ist Notarikon. Jeder Anfangs- oder Endbuchstabe eines Wortes steht für ein anderes Wort, woraus sich wiederum neue Wörter oder Sätze ergeben. Wie zum Beispiel der magisch-mystische Gottesname AGLA. Der Name besteht aus den ersten Buchstaben

414 Vgl. Butler, Ritual Magic, Cambridge University Press, Cambridge 1979, pp. 38-39.

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jedes Wortes aus dem Satz „Aieth Gadol Leolam Adonai“(Adonai ist groß bis in alle Ewigkeit).

Die dritte ist die Methode der Umstellungen und Kombinationen - Temura. Das Verfahren scheint einfach zu sein: Man legt mit den Buchstaben des Alphabets einen Kreis aus, danach einen zweiten genau innerhalb des ersten Kreises. Somit haben wir zwei ineinander liegende Kreise jeweils mit einem Alphabet. Das Wort, welches erläutert oder entschlüsselt werden soll, wird aufgeschrieben. Nun verdreht man den inneren Kreis um einen oder mehrere Buchstaben.(Diese Methode kommt bei Bruno vor.)

Die Kompliziertheit eines anderen Verfahrens besteht darin, dass das Alphabet geteilt wird, wobei die ersten 11 Buchstaben auf den äußeren Kreis und die anderen 11 Zeichen auf den inneren geschrieben werden. Mit Drehung des inneren Kreises bekommt man in der Folge sehr komplizierte Schlüssel. Auf diese Weise findet man die den einzelnen Buchstaben entsprechenden Partner heraus.

(Weil das hebräische Alphabet keine Vokale hat und nur aus Konsonanten besteht, gibt es mehrere Interpretationsmöglichkeiten für mögliche Vokalisationen der jeweiligen Wörter.) Auf den ersten Blick scheint es sich um eine arithmetisch-grammatische Mentalfertigkeit zu handeln, freilich nicht für Kabbalisten. Für sie waren das ganz selbstverständliche Instrumente der geistigen Betätigung, Verfahrensweise und Manipulation. Man glaubte mit Hilfe dieser Vorgehensweise praktische Wirkungen zu erzeugen.

In der Renaissance hat die Kabbala eine enorme Verbreitung und Beliebtheit erlebt. Die kabbalistischen Namen und deren entsprechende Zahlen wurden von allen Magiern für magische Operationen benutzt und für verschiedene Zwecke eingesetzt: einerseits, um Wunder zu vollbringen, Krankheiten zu heilen, und andererseits auch, um verschiedene Lebenssituationen zu meistern, sowie um Macht zu erlangen. Dies geht aus den verschiedenen Siegeln und Talismanen hervor, die wir in den Schriften der Magier der Renaissance finden.

„Die Vorstellung, dass unser Text nicht nur theoretische Absichten verfolgte, sondern auch zu thaumaturgischem Gebrauch bestimmt war, ist keineswegs absurd.“415

415 G.Scholem, Ursprung und Anfänge der Kabbala. Walter de Gruyter & Co. Berlin 1962,S.26.

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