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Die Geschichte der Imagination

Im Dokument DISSERTATION / DOCTORAL THESIS (Seite 100-103)

Die Magie der Renaissance ging viel weiter, sie verband den Erfolg der Operation mit der menschlichen Imagination, was bisher nicht passierte. In der Renaissance wurden der Mensch als solcher und seine Imagination gründlich untersucht. Dies kommt ebenso in zahlreichen Werken der Philosophen dieser Zeit deutlich zum Ausdruck.

Wie entstand nun die Magie mit Imaginatio und einer Phantasmenlehre, die die hellsten Köpfe der Renaissance beunruhigte? Es wurde eine lange Zeitstrecke gespannt, die zu Renaissancelehren über Imaginatio und Phantasmata reichte. Es fand eine große Synthese

268 Ebd.S.49.

269 Ebd. S. 198.

270 Culianu, Eros und Magie, S.190.

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statt von Lehren der Denker der Antike, der Gnostischen Lehre mit Lehren und geistigen Strömungen des 12. Jahrhunderts in Spanien zur Zeit der Reconquista.

„Das größte und schönste Vermögen, das es gibt, ist das Gedächtnis; es ist zu allem nütze, zum Erkennen und zum Leben.“271

Aristoteles sagt in De anima, dass die Seele mit phantasmata denke.272 Platon verwendet den Begriff der phantasia als Ergänzung zu den Begriffen aistesis (sinnlicher Eindruck), doxa (Meinung) und danoia (Denken).273

Mehrere Denker haben im Laufe der Zeit versucht, eine Definition der Magie zu geben und sie so als Wissenschaft zu begründen. Al-Kindi (Abū Yaqūb ibn Ishāq al-Kindī) meinte, dass die menschliche Vorstellungskraft Strahlen auf Gegenstände aussenden könne, welche die reale Form auf Grund von Sprache und Bewegung entsprechend „verwandelten“. Die Welt ist ein Werk Gottes, dessen Wirken von oben nach unten vermittelt wird: alles Höhere beeinflusst das Niedere, nicht aber das Verursachte auf seine - über ihm auf der Stufe des Seins stehende – Ursache, sie ermöglicht es, Zukünftiges vorherzusagen.

Natürlich fließt das aristotelische Gedankengut in diesem Zusammenhang in die Definitionen, die zum Begriff phantasia führen. Die phantasia ist „Bewegung, die als Ergebnis einer tatsächlichen Sinneswahrnehmung stattfindet.“274 Phantasie ist ein Zustand, ein Gefühl, oder

„das, kraft dessen wir sagen, dass uns ein Bild erscheint“.275

Augustinus übersetzt aus dem Griechischen ins Latein das Wort phantasia mit imaginatio.

Das ist kein einfacher Akt der Übertragung von einer Sprache in die andere, hiermit kommt es zu einer Veränderung, einer anderen Qualität, aus einer Wahrnehmung durch die Sinne wird

„Seelenvermögen“.276

Das ist sehr ähnlich dem Gedanken der späteren Denker, die die Phantasia und Imaginatio verbinden. Er gibt sogar eine Erklärung des Prozesses: die Eindrücke von Sinnesorganen werden zum Herzen „übertragen“, weil das Herz der Sitz des Wahrnehmungsvermögens ist.

Später werden Galen, Platon und die Stoiker diesen in das Hirn verlegen.

271 Anonymus, Dialexeis, in: Gedächtnislehren und Gedächtniskünste in Antike und Frühmittelalter, Hrsg. Berns, Jörg Jochen, Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2003, S. 3.

272 Vgl., Aristoteles, De Anima, 421a8-17.

273 Platon, Der Sophist, 263 e- 264.

274 Aristoteles, De anima, III,3;429a1-2.

275Ebd., III,3;428a1-2.

276 Vgl.Schmaus, M.,Kommentar, in: Augustinus, Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit, hg. Und übers. V. M. Schmaus, Bd. 2., München 1936, S.54.

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Die späteren Autoren erfanden die drei Ventrikel des Hirns, die der Sitz der Phantasia sein können. Das Hirn wurde in drei Teile geteilt, und man vermutete, dass in einem dieser Teile der Sitz der Einbildung sei.277

Bemerkenswert ist die Erklärung Epiktets. Den höchsten Wert misst er der Vorstellung bei. In Diatriabai schreibt er, dass man nichts anderes besitzt, nicht einmal der Körper gehöre einem, er hat nur die Vorstellung, so spricht Zeus zum Philosophen:

this body is not yours, but it is clay finely tempered. And since I was not able to do for you what I have mentioned, I have given you a small portion of us, this faculty of pursuing an object and avoiding it, and the faculty of desire and aversion, and, in a word, the faculty of using the appearances of things; and if you will take care of this faculty and consider it your only possession, you will never be hindered, never meet with impediments; you will not lament, you will not blame, you will not flatter any person.278

Man stellt sich etwas vor und handelt danach. Es wäre lebensnotwendig, die eigenen Taten durch die Vorstellung zu kontrollieren und zu korrigieren. Plotin geht weiter und spricht von der Vorstellung, die manches durch die Gefühle, die durch sie entstehen können, willkürlich in Bewegung zu setzen scheint.279

Später wird die Vorstellung in Werken des Augustinus behandelt, genannt imaginatio, mit deren Hilfe die Seele das Bild Gottes sehen kann.280 Er untersucht die Mechnismen des Gedächtnisses. „Im Innern, in den weiten Räumen meines Gedächtnisses tue ich das. Da sind mir Himmel und Erde und Meer zur Hand samt allem, was ich jemals wahrnehmen konnte, mit einziger Ausnahme dessen, was ich vergessen habe. Dort begegne ich auch mir selbst und erinnere mich, was, wann und wo ich etwas und in welcher Stimmung ich es getan habe. Dort befindet sich also, wessen ich mich erinnere, habe ich es nun selbst erfahren oder auf das Wort anderer angenommen.“281

277 Vgl. Sudhoff ,Walter, Die Lehre von den Hirnventrikeln in textlicher und graphischer Tradition des Altertums und Mittelalters, in: Archiv für Geschichte der Medizin 7, 1914, S. 149-205.

278 Vgl.Epictetus, Discourses, chapter 1, Book 1.

279 Vgl. Plotin, Enneaden, übers. Müller, J. F., Weidmannsche Buchhandlung, Berlin 1878, Dritte Enneade, 6. Buch, Kap.14-16, S. 232.

280 Augustinus, Des heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus Bekenntinsse, aus dem Lateinischen übersetzt von Dr. Alfred Hofmann.

(Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 18; Augustinus Band VII) München 1914, Buch 10, Kap. 6, S. 124.

281 Ebd., 1. Reihe, Band 18; Augustinus, Band VII, München 1914, Buch 10, Kap. 8, S. 126.

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Albertus Magnus in seinen De Apprehensione dividiert die Vorstellung in zwei Teile: es sind imaginatio und phantasia. Die wirken in verschiedenen Teilen des Hirns und haben unterschiedliche Aufgaben.

Genauso werden sich damit die Humanisten beschäftigen. Wie wir schon wissen, werden die antiken Werke neu übersetzt und kommentiert. Hier ist der Name von Marsilio Ficino für unsere Arbeit von größerer Bedeutung.

Ficinos Magieverständnis in der Theologia Platonica (geschrieben 1474, erschienen 1482) zeigt einen Einfluss, der mit dem von Avicenna übereinstimmt282.

Die paranormalen Phänomene, als auch außerordentliche Macht über die Natur, die der Mensch erlangen kann, sind ein wichtiger Teil der Magie des Ficino; die wichtigste Rolle spielt in der Philosophie Ficinos die Imagination.

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