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Die Seele wird von den Magiern als Mittelstufe der Schöpfung gesehen. Wenn wir das Universum als fünfstufiges Geschöpf, als Wesenheit sehen, dann befindet sich die Seele in der Mitte, als Mittlerin, sagt Ficino. Sie ist unsterblich.252 Ganz nach Platons Lehre ist sie „das wahre Band der Welt“. Dieses wunderbare Wesen ist standhaft, obwohl es sich nach oben zum Göttlichen genauso sehnt, wie es sich nach unten zum Körperlichen hingezogen fühlt, sie zerreißt die Bande nicht und bleibt dadurch genauso beiden Seiten „verbunden“. Sie ist „der Spiegel des Göttlichen, das Leben der Sterblichen, beider Band.“ Der Spiegel wird immer wieder bei unseren Magiern zum Vorschein kommen, bei Pico und Bruno des öfteren.

Eines ist sicher: die Seele ist göttlich, sie kommt von oben herunter, tritt in den Körper ein, ist dabei an keinen Punkt des Körpers gebunden. Die Bewegung geht immer durch diese mittlere Dritte Wesenheit: von oben zum Körper nach unten und auch von unten nach oben. Aus dem Licht in „den Schlamm“, in den Schatten. Er vergleicht dies mit dem Fall aus dem prallen Licht der Sonne in die Dunkelheit der Hölle, in die Finsternis und in ein dunkles Gefängnis, und beschreibt das mit Worten Vergils. Die Seele, die durch den Körper beschmutzt im Dunklen tappt, hat leider nur eine schwache Lampe zur Verfügung, die keine große Hilfe ist.

Der engste Verbündete der Seele ist der Geist.

Im Traktat De vita sana wird der Geist als „leuchtender Dunst des Blutes“ definiert. Ficino schreibt, dass der Geist „von den Ärzten als ein sanguiner, reiner, subtiler, warmer und leuchtender Dunst des Blutes definiert wird. Er wird von der Wärme des Herzens, und zwar vom subtileren Blut erzeugt, er fliegt zum Gehirn empor; die Seele gebraucht ihn bei der beständigen Ausübung sowohl der inneren und als auch der äußeren Sinne.“253

Ficino:

252Platon, Menon, in: Gedächtnislehren, S.9., Vgl. 81B.

253 Vgl. Ficinus, Ficini De triplici vita, 1401-1500, Bibliotheca medicea, Laurenziana Firenze, S. 19-20.

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Seele und Körper sind durchaus verschiedener Natur und werden durch das Mittel des Lebensgeistes verbunden. Dieser ist ein äußerst feiner und durchsichtiger Dunst, der durch die Wärme des Herzens aus dem dünnsten Teile des Blutes entsteht. Von dort aus verbreitet er sich durch alle Glieder, nimmt die Kräfte der Seele auf und teilt sie dem Körper mit. Andererseits nimmt er mittels der Sinneswerkzeuge die Bilder der Körper der Außenwelt auf, die in der Seele nicht haften können, weil diese als unkörperliche Substanz, die höherrangig als die Körper ist, von ihnen nicht durch Aufnahme der Abbilder unmittelbar geformt werden kann. Vielmehr nimmt die Seele, weil sie in jedem Teile dem Lebensgeist gegenwärtig ist, die aus ihm wie aus einem Spiegel zurückstrahlenden Abbilder der Körper mit Leichtigkeit wahr und bildet durch sie ihr Urteil über die Körperwelt. Diese Erkenntnisweise heißt bei den Platonikern der Sinn. Indem nun die Seele jene Bilder anschaut, entwirft sie in ihrem Inneren ihnen ähnliche, jedoch viel reinere Bilder. Dieses Vorstellungsvermögen heißt Einbildungskraft oder Phantasie. Die derart gewonnenen Bilder werden im Gedächtnis aufbewahrt.254

Befindet sich der Geist zwischen der Seele und dem Körper? Und ist der Geist eine Art Diener der Seele, ein Helfer, der zum Gehirn fliegt und der Seele hilft?

Der Geist ist ein Helfer, oder helfender Verbündeter der Seele, die Seele ist dem Geist überlegen, aber ohne ihn steht sie einigermaßen „machtlos“ der physischen Welt gegenüber;

der Geist, der als einziger die Bilder der Welt ansammelt, lässt die Seele von sich „ablesen“

und erst dann ist sie imstande zu beurteilen.255

Die wichtigste Rolle auf dem Weg der Entstehung von Bildern spielt das Sehen. Und das Phänomen des Sehens ist beim Ficino ganz nach der Platonischen Timaios Definition.

Unter den Sinneswerkzeugen bilden sie [die Götter] zuerst die lichtbringenden Augen, die sie aus folgendem Grund anbrachten. Soviel von dem Feuer zwar nicht die Eigenschaft besaß, zu brennen, wohl aber, mildes Licht zu gewähren, das ließen sie zur eigentümlichen Substanz eines jeden Tages werden. Sie bewirken nämlich, daß das in uns befindliche, diesem verwandte lautere Feuer durch die Augen glatt und dicht hervorströme, indem sie das ganze Auge, vorzüglich aber dessen Mitte, so verdichteten, daß es dem übrigen gröberen Feuer durchaus den Durchgang wehrt und nur derartiges in reiner Form hindurchfiltert. Umgibt nun des Tages Licht den Strom des Sehens, dann fällt Ähnliches auf Ähnliches, verbindet sich und tritt zu einer einheitlichen, verwandten Substanz immer dort zusammen, wo das von innen Herausdringende sich dem entgegenstellt, was von den Dingen außen mit ihm zusammentrifft. Nachdem es nun als Ganzes vermöge seiner Ähnlichkeit den gleichen

254 Ficino,Über die Liebe oder Platons Gastmahl, Blum,S.100.

255 Siehe De amore(VI, 6):Andererseits nimmt (der Geist) mittels der Sinneswerkzeuge die Bilder der Außenwelt befindlichen Körper auf, welche in der Seele nicht haften können, weil diese eine unkörperliche Substanz und vorzüglicher als die Körper ist, mithin von ihnen nicht durch Aufnahme der Bilder unmittelbar beeinflusst werden kann. Die Seele aber nimmt, weil sie dem Geiste in jedem Teile gegenwärtig ist, die aus ihm wie aus einem Spiegel zurückstrahlenden Bilder der Körper mit Leichtigkeit wahr und bildet hierdurch ihr Urteil über jene Körper.“

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Einwirkungen unterliegt, verbreitet es die Bewegungen desjenigen, womit es und was mit ihm je in Berührung kommt, durch den ganzen Körper bis zur Seele und erzeugt diejenige Sinneswahrnehmung, mittels derer wir, wie wir sagen, sehen. Schwand aber das Feuer gegen Nacht, dann ist es abgeschnitten; denn indem es zu etwas ihm Unähnlichen herausdringt, erfährt es selbst eine Veränderung und erlischt, indem es nicht mehr mit der benachbarten Luft verschmilzt, da diese kein Feuer hat, so hört es auf zu sehen.256

Diese Definition wird uns in der Renaissance immer begleiten und als Grundlage für die Überlegungen, wie die Magie „funktioniert“, dienen. Die Augen tragen ein Feuer in sich, beim Sehen wird ein feuerartiger Strahl nach außen durch die Augäpfel gesendet, dieser Strahl trifft auf das „äußere Feuer“ des Körpers, der sinnlich wahrgenommen wird, und nach außen strahlt. Beim Sehen und nur beim Sehen wird die Seele „beeindruckt“ und nur auf diesem Wege kann man die Zauberei bewirken.

Das Echo dieser Vorstellungen werden wir in einigen Jahrhunderten wie beim Ficino, auch beiGiordano Bruno, Agrippa und anderen Magiern wiederfinden:

“Eyes, flames, and bow of my lord, twofold fire in the soul, and arrows in the heart, because the languishing is sweet to me, and the fire is dear.”257

Beim Akt des Sehens vermischt sich pneumatischer Dunst mit dem „dünnen Blut“ und mit

„innerem Feuer“, dringt durch die Augen hinaus (De amoreVII, 4) und kann in einigen Fällen, wie z.B. Verliebtheit, den pneumatischen Organismus schwächen und zugrunderichten (De amore VII, 4).258

Der gleichen Meinung ist auch Agrippa aus Nettesheim: Die Strahlen werden durch die Augen zum Herzen des „Zubezaubernden“ geschickt.

Die Bezauberung ist ein Bannen, das von dem Geiste des Zauberers ausgehend, durch die Augen des Bezauberten bis zu dem Herzen desselben gelangt. Das Werkzeug der Bezauberung ist der Geist, d.h. ein gewisser reiner, heller, feiner, von der Wärme des Herzens aus dem reineren Blute erzeugter Dunst, der stets ihm ähnliche Strahlen durch die Augen aussendet. Diese ausgesandten Strahlen führen den geistigen Dunst mit sich, der Dunst aber das Blut, wie man bei triefenden und roten Augen sieht, deren bis zu den Augen eines Andern gesandter Strahl zugleich den Dunst des verdorbenen Blutes mit sich führt und die Augen des Begegnenden mit einem ähnlichen Übel ansteckt.259

256 Timaios 45 B-D.

257 Bruno, Heroic Frencizes.

258 Also ähnlich an Platonische Erklärung der Liebe als einer Art Augenkrankheit (oftalmia: Phaidros 255 CD).

259 Agrippa von Nettesheim, Magische Werke, Fünfzigstes Kapitel.

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Auch für das andere Genie der Renaissance - Pico della Mirandola - steht der Mensch in der Mitte der Schöpfung. Er und nur er, nicht die Engel oder Tiere wurden von Jesus beauftragt, die göttliche Botschaft kund zu tun. Sein Körper ist irdisch, aber sein Geist ist himmlisch.

Die kabbalistische Definition der Seele kommt von Pico, er sieht sie als ein Gerüst aus den Sefirot, hier ist alles gut durchdacht, zu jeder Sefirot hat er eine Eigenschaft angepasst:

11>66. I adapt our soul to the ten sefirot thus: so through its unity it is with the first, through intellect with the second, through reason with the third, through superior sensual passion with the fourth, through superior irascible passion with the fifth, through free choice with the sixth, through all these as it converts to superior things with the seventh, through all these as it converts to inferior things with the eighth, through a mixture of both of these—more through indifferent or alternate adhesion than simultaneous inclusion—with the ninth, and through the power by which it inhabits the first habitation with the tenth.260

Paracelsus versucht in seiner Gabalia die Herkunft der menschlichen Seele zu erklären, und die Seele ist bei ihm als eine Matrix gedacht, die Adam genannt wird, weiter im Laufe des Falls dividiert sie sich in kleine Partikelchen und kommt so auf der Erde an. Da wurde an die kabbalistische Vorstellung von Adam Kadmon gedacht. Das ist eine kabalistische Sicht der Herkunft der Seele, leider nur teilweise. Obwohl er das Gabalia nennt, ist die Vorstellung mit den Biblischen Erzählungen von Adam, Eva und Teufel verknüpft. Das Wort Gottes ist die Seele Adams geworden: „Das Wort aber, das durch den Mund Gottes geht, ist das aeternum id est verbum fiat, aus dem die Seele Adami geschaffen ist, wie ihr in dem Evangelium Johannis deutlich lest, da geschrieben steht, daß Gott das Wort gewesen sei und noch ist, und solches Wort sei Fleisch geworden.“261

Paracelsus nennt einen Ort, wo die Seele ihre „Behausung“ hat, das Herz. Auch vom Geist spricht er, der Geist, der gleichzeitig mit dem Menschen geformt wurde, ist kleiner als das Herz, das „auf dem Wasser der capsulae cordis schwebt“262, er ist nicht die Seele, aber die

„niedere“, wie er sagt, „elementarische Seel“, und von ihm hängt das Leben des Menschen ab.

„Also ist dieser Geist neben dem Herzen zwischen dem dünnen Häutlein der capsula,

260 Pico della Mirandola, Giovanni, 900 Theses, Transl. A. Farmer, Syncretism in the West: 900 Theses (1486)

261 Theophrastus Paracelsus Werke, Band V, Pansophische, magische und Gabalische Schriften, besorgt von Will- Erich Peuckert, Schwalbe

&Co. Verlag, Basel/Stuttgart, S. 350.

262 Ebd. S.341.

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zwischen dem Herzen auf dem Wasser.“263 Die Seele ist unsterblich, sie kann nicht getötet werden264 ,„[…]des Todes ist allein die imaginatio hominis[…]“265.

Die Imaginatio ist das, wonach wir die Seele und ihre Eigenschaften weiterverfolgen werden.

13.Imagination

Die schöpferische Imagination ist das andere wichtige „Instrument“ des Magiers. Sie ist eine der wesentlichsten Fähigkeiten des Magiers und hat die Kraft, allen Ideen Form zu verleihen und sie mit Hilfe der Weltseele als Wirklichkeit in Erscheinung treten zu lassen.

Wie oben gesagt, war erstens die Beherrschung der eigenen Imagination und der Imagination der anderen wichtig, wohl durch direkte Beeinflussung, als auch durch die Einwirkung der Weltseele. Da alles in der Welt in einer Verbindung steht, ist es möglich, sich selbst und die anderen, sowie die ganze Welt und das ganze Universum, zu beeinflussen und zu verändern.

Obwohl der Magier mächtig und sich dessen auch bewusst ist, ist der Vollbringer der Veränderungen der „Himmel“, damit wurde die Gott-Weltseele-Liebe gemeint.

Auch bei Paracelsus findet sich dieser Gedanke sehr klar:

„Der Himmel ist ein Vollbringer der von ihm vorgenommenen Werke, welche er nach rechter Ordnung vollbringen soll; darin kann und soll er nichts übersehen und in nichts fehlen. Nun regiert der Himmel alle lebendigen Kreaturen, auch alle, welche kein Leben haben […]“266 Generell neigen die Magier nicht dazu, sich dem Schöpfer-Gott gleich zu setzen, ihre Frömmigkeit, wie oben erwähnt, trug auch nicht wenig dazu bei. Ebenso hatten sie Angst, für die Überheblichkeit bestraft zu werden. Ganz klar ist für Paracelsus, dass „der Himmel der Bereiter und Koch, der Geist und Formierer alles Samens ist.“267

Der Himmel kann aber auch zur Rechenschaft ziehen. Denn er ist als „Strafer über uns

263 Ebd.S.340.

264 Ebd. S.341.

265 Ebd.S. 341.

266 Paracelsus Theophrastus: Werke, Band V Pansophische,magische und Gaballische Schriften.Besorgt von Will-Erich Peuckert.Schwabe &

Co Verlag.Basel-Stuttgart 1968 Wissenschaftliche Buchgesellschaft ,Darmstadt (S.198).

267 Ebd. Paracelsus Theophrastus: Werke, Band V Pansophische,magische und Gaballische Schriften.Besorgt von Will-Erich Peuckert.Schwabe & Co Verlag.Basel-Stuttgart 1968 Wissenschaftliche Buchgesellschaft ,Darmstadt (S.198).

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gesetzt, wenn wir die scientiam nit recht brauchen.“ Da die Weltseele, bei Paracelsus Himmel genannt, nicht nur den Gedanken eine Form verleiht, sondern sie vollbringt, beinhaltet hiermit jeder Missbrauch auch eine Strafe. Die Weltseele ist uns gegeben, damit wir die Kenntnisse nicht missbrauchen.

Die Weltseele ist eigenständig.

“[…]der Himmel ist eine Quinta Essentia oder das fünfte Wesen der Elemente.“268

In den Werken des Paracelsus ist ganz klar zu erkennen, wie die Weltseele im Makrokosmos wirkt, und wie ähnlich der Verlauf der Dinge im Mikrokosmos ist. Paracelsus nennt als Sitz der Imagination das Herz. Das Herz des Menschen ist mit dem Herzen des „macrocosmi“

verbunden.

Nun, alles Imaginieren des Menschen kommt aus dem Herzen; das Herz ist im microcosmo die Sonne. Und alles Imaginieren im Menschen, aus der kleinen Sonne microkosmi geht in die Sonne der großen Welt, in das Herz macrocosmi. So ist die imaginatio microcosmi ein Same, welcher materialisch wird, und wird durch den Vater die Sonne macrocosmi, praepariert und getrieben in den acker aquae, welcher Acker nichts anderes ist als das Element Wasser.269

Bei der Forschern der Renaissance-Magie kann der Eindruck erweckt werden, „als wären ihre wesentlichen Entwicklungslinien ebenso mannigfaltig“, wie die Vielfalt ihrer Vertreter, dem sei nicht so, weil sie sich als verhältnismäßig einfach erweisen, so Culianu.270

Im Dokument DISSERTATION / DOCTORAL THESIS (Seite 95-100)