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Die Geschichte der Verwendung des Namens Gottes

Im Dokument DISSERTATION / DOCTORAL THESIS (Seite 166-172)

Seit dem Altertum wurde der heilige Name Gottes für magische Zwecke gebraucht und missbraucht. Es wäre richtiger zu sagen, für das Gelingen der magischen Handlung hat der Magier sich mit dem Namen Gottes „absichern“ wollen.

Man verwendete für verschiedene Rituale und Zaubereien verschiedene Namen, wie gesprochen, so auch geschrieben. Nach der jüdischen Tradition wurde besondere Kraft dem

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Namen Gottes und denjenigen Namen zugeschrieben, welche als Bestandteil einen der Gottesnamen enthalten. Auch jeder Engel hat eine Tafel auf seinem Herzen, und der Name Gottes ist mit dem Namen eines jeden Engels verbunden, wie Michael, Rafael. Gott verbindet seinen Namen nur mit dem Guten, aber nicht mit dem Bösen, denn es heißt Gen.1, 5, „Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis Nacht“.487

Nach jüdischer Überlieferung sind am mächtigsten die Wirkungen des Namens Tetragrammaton, des unausprechbaren göttlichen Namens aus vier Buchstaben. Gott bedarf keiner Kriegswerkzeuge, er kämpft mit seinem Namen, wie es bei David heißt: “ich komme zu dir mit dem Namen JHWH Sabaoth“488, und wie auch im Psalm 20,8 gesagt wird „diese mit Wagen und mit Pferden, wir aber mit dem Namen JHWH unseres Gottes“489.

Aus dem Altertum kommt der Brauch, den menschlichen Körper, Vieh und Eigentümsgegenstände durch Einzeichnung von Gottesnamen zu schützen und unversehrt zu halten490.

Wenn der Magier den richtigen Namen im richtigen Zeitpunkt anzurufen wusste, hatte er gewonnenes Spiel, denn dem Namen konnten Götter und Dämonen nicht widerstehen; wenn sie gerufen wurden, mussten sie erscheinen. Für die Zauberer also, gleichviel ob jüdische oder heidnische, war die Kenntnis des Eigennamens des israelitischen Gottes von praktischem Nutzen; sie waren gewiss bestrebt, das Geheimnis zu erfahren.491

Blau Ludwig zieht die Parallelen zur Lehre des Valentinus: die ersten Buchstaben des Namens JH entsprechen dem griechischen IA. Genau das finden wir bei Valentinus als den allmächtigen Namen Jao!

„Wer also im Besitze des Buchstaben des Namens ist, wird unbezwinglich[…]“492.

Den Namen zu kennen, und ihn zu verwenden wissen, so lautet also die Aufgabe des Magiers.

Der Name wird als machtvolles „Gerät“ angesehen, machtvoll genug, um allen anderen Geistern und Dämonen Angst zu machen und sie zu verjagen. Der Name Gottes ist auch ein

487 Vgl. Genesis rabba c.3 Nr.6 p.27 b.

488 I Samuel 17,45.

489 Mechilta 38 a 24 zu Exodus 15,3.

490 Blau Ludwig, Das altjüdische Zauberwesen, Budapest 1898, S.122.

491 Blau Ludwig Ebd. S.123.

492 Ebd. S.125.

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Schild, welcher den Magier vor den oben erwähnten Geistern schützt. Er bildet die Abwehr von all dem Bösen, was ein Magier während der Operation zu erwarten hat, falls sie nicht erfolgreich sein sollte. Man möchte sich absichern, oder zumindest den Rückschlag des Dämons (von einem Dämon, den man exorzieren will) dämmen und erreichen, dass der Schlag nicht kräftig, mit voller Wucht folgt.

„[…]Es gab nämlich ein Gebiet, wo sich Juden, Christen und Heiden begegneten, - die Zauberei. […] Da die Magie sozusagen interconfessionell und international war, steht es außer Zweifel, dass die in den Zauberformeln gebrauchten jüdischen Gottesnamen von den Juden herstammen, selbst in den Fällen, wo die Formel selbst sicher heidnisch ist.“ 493

Das können wir auch von der Renaissancezeit behaupten, plötzlich war es für die Christen, die sich mit der Magie beschäftigten, nicht mehr wichtig, ob die Namen Gottes, die sie in der Zeremonie verwendeten, aus dem jüdischen Glaubenszeremoniell oder aus der christlichen Theologie stammten, viel wichtiger war der scheinbare Erfolg, den sie damit erzielten.

Das Interesse der christlichen Gelehrten für die jüdisch- kabbalistischen Namenslehren und deren Gebrauch führte zur Entwicklung eines neuen, gestiegenen jüdischen Selbstwertgefühls; die Juden wurden stolz auf ihre Fähigkeiten, was wiederum als Ansporn für neue produktive Zusammenarbeit der Juden und Christen diente.494 Die Beeinflussung war reziprok. Die Gestalt des europäischen Magiers der Renaissance wurde von dem „bisher bescheidenen und zurückhaltenden Ba´al Schem“495 beeinflusst.

Das bezeugen die Werke der Kabbalisten. In seinem Werk De arte Kabbalistica schreibt Reuchlin über den göttlichen Namen: „[…]es muss uns genug sein, dass wir von ihm wissen, was er selbst uns über sich offenbart hat; dass er der Anfang ist das Alef, und das Tetragramm, das durch Alef bezeichnet wird und die Essenz Gottes bedeutet, nichts anderes jedenfalls als hojeh, also „ist“, was gewiss ungefähr dasselbe ist wie die Essenz, JHWH.“496

Der Unterschied zu den jüdischen Kabbalisten war, dass die Juden von 72 Namen Gottes sprachen, die Christen haben sich nicht an diese 72 Namen gehalten (obwohl sie sie

493 Blau Ludwig ,Das altjüdische Zauberwesen, Budapest 1898,S.129.

494Grözinger, Wundermann, Helfer und Fürsprecher, S.181.

495 Ebd.

496 Johannes Reuchlin, Sämtliche Werke, Band II,1 De arte cabalistica libri tres.

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kannten497), sie verwendeten einige von ihnen und erfanden noch zusätzlich eigene Versionen.498

Grundlegend für das Verständnis der Funktion des Namens in der Zauberei ist die antike Vorstellung von der magisch-sympathischen Kraft, welche die ganze belebte und unbelebte Welt durchzieht. Es ist das Bestreben des Magiers, diese Kräfte für seine Zwecke zu mobilisieren. Zu immateriellen Zaubermitteln, die ihm zur Verfügung stehen, gehört das Wort, das aus Buchstaben besteht, die zu einem Namen geformt werden können. Hier muss man unbedingt das Werk Sefer Jetzirah nennen, das einen großen Einfluss auf die Namenslehre geübt hat. Man vermutet, es entstand im 2. Jahrhundert, aber das Werk enthält auch viel ältere Passagen, es sind gnostische Einflüsse sichtbar, phythagoräischer Einfluss, aber auch die astrologische Lehre von Zodiakzeichen, wie auch die Emanationslehre. Es ist trotz dieser sichtbaren Einflüsse ein eigenständiges Werk der jüdischen Mystik. Das Werk seinerseits beeinflusste sowohl die Werke der Juden, als auch der Humanisten und Magier.

Wir sind sicher, dass Pico, Ficino durch Pico, Brunos Lehre der Gegensätze in Umbris Idearum und die paracelsischen Werke, Werke John Dees und viele andere magischen Werke aus der Renaissance die Spuren der Sefer Jetzirah feststellen lassen.

Alles entstand durch die 22 Buchstaben des Hebräischen Alphabets. Gott schuf die Welt mithilfe derer, besagt das Buch.

Für uns, die im 21. Jahrhundert leben und mit geschriebenen und gesprochenen Worten unser Leben umgeben, ist unvorstellbar, was genau ein Wort, ein Name damals bedeutete und bewirken konnte. Wir sind es gewonhnt, die Schrift zu lernen und damit zu handeln, so wie es uns gefällt. Wenn man sich dagegen mit ein wenig Vorstellungskraft um Jahrtausende zurückversetzt und sich in einer Gesellschaft vorstellt, wo nur die Auserwählten die Schrift kannten und beherrschten, wird es leichter werden, das Phänomen zu begreifen.

Man darf die höchste Konzentration beim Schreiben jedes Wortes nicht außer Acht lassen, das wird uns zur Erkenntnis verhelfen, dass in der Vorstellung des Schreibers, der auch als

497 „Man darf also behaupten, dass der 72 Name spätestens in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts schon vorhanden war. Sowohl die uns überlieferten Angaben als auch innere Gründe sprechen dafür, dass der älteste mystische Gottesname der 12 buchstabige ist, aus welchem in natürlicher Entwickelung der 42 und 72 Bstb. enthaltende Name hervorgegangen ist. Vielleicht übte auch der Ausdruck der

„grosse Name“(I Könige 8, 42; II Chronik 6, 32; Jeremia 44, 26; Ezechiel 36,23) einen Einfluss auf die Ausbildung der vielbuchstabigen Namen. Thatsächlich wird ein solcher mit dem „grossen Namen“ gemeint in Sanhedrin 60 a.“ Blau Ludwig ,Das altjüdische Zauberwesen, Budapest 1898, S.140.

498 Butler, E.M., Ritual Magic, Cambridge at the University Press 1949, S.39.

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Magier fungierte, die Hantierung mit dem Wort auch die Hantierung mit dem Inhalt bedeutete, was ihn und die Umgebung bewundern ließ. Wichtig ist zu begreifen, dass es einen ganz anderen Zugang zur Bedeutung des Wortes und auch des Buchstabens gab.

“Wird der Name eines höheren Wesens ausgesprochen, so gerät etwas von seiner magischen Kraft in Bewegung, der Magier kann seiner habhaft, unter Umständen sogar eins mit der Gottheit werden.“499

Die Kraft des Wortes, geleitet vom göttlichen Namen, ist so stark, dass der Magier seine Kraft abbekommt und sich mit ihm vereinigt. Wir sprechen hier von der großen Inspiration, von der psychologisch-meditativen Kraft, die einen glauben lässt, dass er die unsichtbare Kraft empfängt, und mit ihr wirkt.

In antiken Zaubertexten, in griechischen Zauberpapyris, auf Zauberschalen, Amuletten und Fluchtafeln findet man den Beweis, wie wichtig sich der Name erweist. Er war eigentlich das wichtigste Instrument des Zauberers. Der Zauberer konnte die Geister oder Dämonen mit der Hilfe des Namens hervorrufen und auch verbannen.

„Die Formel „der genannt wird“ weist auf eine Praxis hin, in der neben dem offiziellen Namen z.B. eines Engels auch ein geheimer, mystischer Name genannt wird, wodurch dessen magische Potenz offenbar erst richtig erschlossen wird.“500 Der geheime Name ist niemandem bekannt, niemand darf ihn wissen, und der, der ihn kennt, bekommt den wahren Schlüssel, die wahre Macht über den Engel oder Dämon.

„ „Im Namen Gabriels, der genannt wird `LPSS, und im Namen Michaels, der genannt wird (…)TJH“ (Wo)

Oder:

„Der Engel, der elf Namen hat“(Go)

„Die 365 Namen des großen Gottes“(PGM)

Vernichtung des Namens bedeutet Entmachtung seines Trägers:

„Dein Name ist zerstört, zerstört“(Ma)“501

499 J.-H. Niggemeyer, Beschwörungsformeln aus dem „Buch der Geheimnisse“, Georg Olms Verlag Hildesheim. New York 1975. S.74.

500 Ebd.

501 Ebd.

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Die Grimoire sprechen auch dafür, dass sehr viel mit den Gottesnamen aus dem Hebräischen operiert wird, manches Mal sind das vermeintliche hebräische Namen, die man benutzt, um die Glaubwürdigkeit der Operation zu erhöhen.

Die Grimoire sind ein Beispiel dafür, wie die Magier verschiedene Namen aus unterschiedlichsten Bereichen und Sprachen zusammenfügten, um den Eindruck zu erwecken, dass etwas Magisches im Gange ist:

The Grimoire of Honorius: „I conjure thee by the ineffable name of God, ON, ALPHA and OMEGA, ELOY, ELOYM, YA, SADAY, LUX, MUGIENS, REX, SALUS, ADONAY, EMMANUEL, MEssIAs; and I adjure, conjure, and exorcise thee by the names which are declared under the letters V, C, X, as also by the names

YEHOVAH[…]“502

Des Weiteren sollen wir auch den Namen Jesu nennen, es werden Heilungen auch in seinem Namen vollbracht. Apg 9,34, Apg 19,13-16. Laut Lukas 9, 49-50 wurde der Name Jesu als ein nützliches und mächtiges Wort beim Exorzismus angewandt und dazu gebraucht, Dämonen als nomen barbarum oder als eine vox magica auszutreiben. Wenn der Magier den Namen Jesu als wirkungskräftiges Wort benutzt, ist es für die christlichen Magier selbstverständlich, wogegen er von den jüdischen Kabbalisten nicht verwendet und nicht anerkannt wurde.

Es wäre erwähnenswert zu sagen, dass es seit der Entstehung des Christentums Entsetzen hervorrief, den Namen Jesu in rabbinischen Kreisen zu nennen und damit zu heilen. So standen die Juden den Christen feindlich gegenüber, was die heiligen Namen, die zu Heilungen und Zeremonien generell verwendet werden sollten, betraf. 503 Es war inakzeptabel, den Namen Jesu bei einer medizinischen Heilung oder sogar einem Notfall zu verwenden und damit Veränderung zu bewirken. Die Rabbiner fanden es besser zu sterben, als mit dem Namen Jesu geheilt zu werden. Man soll bedenken, dass seit der Zeit der Entstehung des Christentums die Übergriffe und Anfeindungen an der Tagesordnung waren.

Außerdem ließ man das Judentum unter der christlichen Führung nicht unbeobachtet. Die

502Vgl. The Grimoire of Honorius.

503 Vgl. Böttrich, Christfried, Eißler, Friedmann, Ego, Beate, Jesus und Maria in Judentum, Christentum und Islam, Vandenhoeck &

Ruprecht , Göttingen 2009.

Vgl. auch Stemberger, Günter, Juden und Christen im spätantiken Palästina Hrsg. Christoph Markschies, Martin Wallraff, Walter de Gruyter Verlag , Berlin 2007.

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Konversion zum Christentum nahm im 4. und 5. Jahrhundert zu, es gab auch viele Judenchristen.

Es sei am Rande gesagt, dass es auch reziproke Versuche gab: der Gelehrte Abraham Abulafia hatte es zu seiner Aufgabe gemacht, den damaligen Papst Nikolaus III. zum Judentum zu konvertieren. Als selbstverständliche Folge wurde er festgenommen und zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Dies geschah im Jahr 1280 (jüdisches Jahr 5041). Da der Papst einige Tage vor dem Verbrennungstermin nach einem plötzlichen Schlaganfall starb, wurde Abulafia frei gelassen, die nächsten Jahre musste er vor der Inquisition fliehen.

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