• Keine Ergebnisse gefunden

Picos Kabbala wäre besonders zu erwähnen, da er der erste christliche Gelehrte war, der sich ernsthaft für diese Lehre interessierte.430 Wir wissen auch, dass durch die Übersetzungen von Flavius Mithridates einige Fehler in die Kabbala des Pico eintraten.

Pico versucht die Kabbala und die christliche Lehre, hermetische Lehren und Magie

„schnittlos“ zusammenzufügen.431 Die zehn Gebote werden den Sefiroth zugeordnet:

11>49. Anyone who knows the correspondence of the Ten Commandments through conjunction of astrological truth with theological truth will see from the foundation that I set out in the preceding conclusion, whatever other Cabalists say, that the first commandment corresponds to the first numeration, the second to the second, the third to the third, the fourth to the seventh, the fifth to the fourth, the sixth to the fifth, the seventh to the ninth, the eighth to the eighth, the ninth to the sixth, the tenth to the tenth.

Diese Übereinstimmung ist mit den Planetenlehren verknüpft:

“11>48. Whatever other Cabalists say, I say that the ten spheres correspond to the ten numerations like this: so that, starting from the edifice, Jupiter corresponds to the fourth. Mars to the fifth, the sun to the sixth, Saturn to the seventh, Venus to the eighth, Mercury to the ninth, the moon the tenth. Then, above the edifice, the firma-ment to the third, the primum mobile to the second, the empyrean heaven to the tenth [sic].”432

Somit werden den Sephirot Planeten zugeordnet, wobei unter den Planeten deren mythologische Eigenschaften gemeint werden.433 Die Eigenschaften dienen als Erklärungen für weitere Konklusionen:

430 Saverio Campanini nannte Pico „der vermeintliche Begründer der christlichen Kabbala“, da seine Arbeit von den Übersetzungen des getauften Juden Flavius Mithridates abhing. Siehe Campanini, Saverio, Die Geburt der Judaistik, in: Gottes Sprache inder philologischen Werkstatt, Brill, Leiden Boston 2004, S.143.

431 Farmer unterscheidet zwischen der ersten Gruppe (erstem Satz) von Picos Thesen und der zweiten, die seine Meinung wiedergeben (according to his own opinion). Er unterstreicht, dass in dem ersten Satz (first set) Pico von den göttlichen Geheimnissen der Kabbala spricht. Erst in dem zweiten Satz (second set) findet die Verknüpfung mit der christlichen Lehre statt.

432Pico, 900 Theses, Farmer, p.541.

433 Vgl. Greive, Hermann, Die christliche Kabbala des Giovanni Pico della Mirandola, in: Archiv für Kulturgeschichte : AKG | Archiv für Kulturgeschichte - 57 Aufsätze, S.149

153

11>51. Just as the full moon was in Solomon, so the full sun was in the true Messiah, who was Jesus. And concerning the diminished correspondence in Zedekiah434 anyone can conjecture, if he is profound in the Cabala.435

Salomon wird der Sefirah 10 zugeordnet und Jesus der Sefirah 6, die Bedeutung liegt nahe, dass Jesus-Sonne im Zentrum ist. Die andere Verknüpfung führt uns zu den Lehren des Hermes, in Übereinstimmung mit ihnen ist die Sonne der sichtbar gewordene Gott. Aber er platziert den Sohn-Jesus nochmals in der zweiten Sefirah der Weisheit436:

11>61. Through the same conclusion one can know that the same Son, who is the Wisdom of the Father, is he who unites all things in the Father, and through whom all things were made, and by whom all things are converted, and in whom at last all things sabbatize.437

Die Kabbalistisch-messianische Idee im Sohar besagt, dass die Ankunft Messias dazu beitragen wird, dass die Sefiroths Tipheret und Malkhut sich einigen und zwischen ihnen Harmonie herrscht. Den Messiah selbst platziert der Sohar in der Sefirah Malkuth.438

In seiner Buchstaben-Symbolik verwendete Pico Gematria, seine radikal-exegetischen Methoden erlaubten ihm ganze Traditionen umzuschreiben, falls er das für sinvoll hielt. Viele von diesen Methoden konnte er seinen kabbahstischen Quellen entnehmen, er fand sie auch breit gefächert in griechischen, arabischen und lateinischen Texten. Diese Methoden basierten auf dem traditionellen Glauben, dass die tiefsten Bedeutungen von Heiligen Texten weiter hinausreichen, als die offensichtliche Bedeutung uns zu bieten hat. Darüber hinaus konnten die Bedeutungen sich sogar auf die isolierten Formen der Buchstaben erstrecken.439Thus in Pico's first or historical set of Cabalistic theses, we find that there is no letter or even part of a letter in the Torah that does not conceal divine secrets[…]”.440

434 Könige 24:18ff, Vgl. Pico, 900 Theses, Farmer, p. 541.

435 Pico, 900 Theses, Farmer, p.541.

436 Vgl. Copenhaver, Brian, "Giovanni Pico della Mirandola", The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2016 Edition), Edward N.

Zalta(ed.).

437 Pico, 900 Theses, Farmer, p.547

438 Liebes, Yehuda, Studies in the Sohar, State University of New York Press, Albany1993, S.2.

439 Siehe Farmers Introduction zu Picos 900 Thesen, p. 63.

440 Ebd. Farmers Introduction, Pico 900 Theses, p. 63.

154

20.Die Macht des Wortes

Der Gebrauch der Psalmen und Gebete

Der Glaube, dass die Worte eine enorm große Macht haben, bildet die Basis der magischen zeremoniellen Praxis. Es wird behauptet, dass jeder Buchstabe, zusammen mit anderen in bestimmte Worte geformt, oder bestimmte Sätze, die richtig ausgesprochen aus dem Munde des Zauberers herauskommen, eine große Kraft bekommen, dass sie lebendig werden und sogar töten können, oder den Toten auferstehen lassen.

Magier, Zauberer, Schamanen beziehen sich auf die Macht des Wortes, also auf Zaubersprüche441, deren Wirkung sich bei bestimmten astrologischen Konstellationen noch steigert.

Die Elemente sind beeinflussbar von Stimmen und Worten, welche Blitze, Bilder, Lichterscheinungen etc. bewirken können. Die “richtigen“ Worte vermögen solche Erscheinungen hervorzurufen, wie Figuren, Schriftzeichen, Symbole, Tränke, Amulette und Opfergaben. Jeder dieser Gegenstände sendet Strahlen aus, welche ihrerseits auf Grund der herrschenden Sternenkonstellation ihre Wirkung entfalten. Auch Schriftzeichen, genau wie die Gegenstände, können gesund oder krank machen. Es wurde dem Wort die Kraft zuerkannt, dass mit seiner Hilfe dieselben Wirkungen vollbracht werden könnten, die mit anderen Dingen möglich wären. Die Wörter konnte man heraussenden (im Sinne von schicken, abschicken), wie Boten des Hexers oder des Schamanen, die in seinem Dienste die eine oder andere Tat vollbringen sollten.442 Man nahm an, dass die Worte und die Buchstaben lebendig sind. Besonders klar kommt das zum Vorschein in der Kabbala, die von der Magie der Renaissance verwendet wird.

Wie oben erwähnt, wird die Faszination der jüdischen Geheimlehre so groß, dass sie in „aller Munde“ zu sein scheint. Alles fängt mit dem Grafen della Mirandola an, der genügend Kühnheit besitzt, den Gelehrten christlicher Welt die Kabbala zu präsentieren. Auch die anderen kennen mittlerweile die Lehren der Juden, aber niemand wagt es, die Büchse der

441 Malinowski, Bronislaw, Magic, Science and Religion and Other Essays, BeaconPress: Boston, Massachusetts, The Free Press: Glencoe, Illinois 1948, S.54.

442 Malinowsky, S. 54-55.

155

Pandorra zu öffnen und der Welt, die von der Heiligen Kurie „regiert“ wird, den Handschuh zu werfen.

In der Apologie wendet sich der bejubelte Graf klar an die heiligen Väter: “Der Gegensatz zwischen unserer und der jüdischen Religion ist bloß ein scheinbarer. Er beruht allein darauf, daß die Juden nur den Buchstaben des Gesetzes, der immer tötet, ins Auge fassen, während wir seinen Geist, der da Leben schafft, zu ermitteln suchen.“443

Das ist ein Wagnis, der Autor musste entweder frech, jung, gut ausgebildet sein und einer mächtigen Familie entstammen oder verrückt sein, um diese Worte niederzuschreiben; auf Pico traf das alles zu.

Über die jüdische Philosophie zu urteilen und darüber Werke zu schreiben, war sein vorrangiges Anliegen. Er lernte nicht nur die Sprache, er engagierte die bestmöglichen Kabbalisten, die willens waren, ihn zu unterrichten und für ihn die kabbalistischen Werke zu übersetzen, was den Juden streng verboten war.

Am Rande gesagt, das betraf nicht nur das Hebräische und die Kabbala. „Pico moved everywhere with a train of tutors and translators, classicists and poets, and philosophers and theologians from different „schools “who advised him. From an early date his education was self-consciously aimed at collecting material from all the battling sects of his period, which he hoped to pacify in his dispute.”444

Picos Idee, diese zwei Religionen zu verbinden, glückt ihm nicht. Wir wissen, dass ihm viele Werke der Juden bekannt waren bzw. für ihn übersetzt wurden.

Übersetzungen aus den aramäischen und arabischen Texten von Rabbi Johanan Alemanno und Flavius Mithridates waren für Pico zugänglich.445 Wir wissen auch, dass Elijah Delmedigo einige Übersetzungen für Pico tätigte.446 Wie zum Beispiel, die Werke des Averroes aus den mittelalterlichen hebräischen Texten, da keine Originale auf Arabisch existierten.

Somit will Graf Mirandola Platon mit Aristoteles versöhnen, auch die Konflikte mit der jüdischen und arabischen Philsophie wollte er in Rom durch seine Thesen lösen.447

443 Pico della Mirandola, Giovanni , Ausgewählte Schriften, übersetzt und eingeleitet von Arthur Liebert, Eugen Diederichs Verlag, Jena und Leipzig 1905, S. 231.

444Vgl., Farmer, S. A., Syncretism in the West: 900 Theses (1486).

445 Mithridates, Flavius, The Gate of Heaven, Latin Translation, the Hebrew Text, and an English Version Edited with Introduction and Notes By Susanne Jurgan and Saverio Campanini with a Text on Pico By Giulio Busi, Editore N. Aragno,Torino 2012.

446 Vgl. Ogren, Brian, The Beginning of the World in Renaissance Jewish Thought: Ma`aseh bereshit in Italian Jewish philosophy and Kabbalah 1492-1535, Brill, Leiden, Boston 2016, S.9.

447 Vgl. S. A. Farmer, Syncretism in the West.

156

Papst Innozenz VIII setzt eine Kommission der Inquisition ein, um diese Thesen zu untersuchen, sechzehn Theologen gingen ans Werk. Das Urteil: 13 Thesen sind häretisch.

Pico dachte an die Verteidigung, als er die Apologia schrieb, und genau dadurch erlebte er den Zorn des Papstes: am 4. August 1487 wird die Bulle, die schon erlassen, aber noch nicht veröffentlicht war, verbreitet, derzufolge wurden alle 900 Thesen verurteilt, alle Exemplare sollten verbrannt und vernichtet werden.

Die Apologia wird Pico zum Verhängnis, da sie als Auflehnung der Kurie und dem Papst gegenüber betrachtet wurde, der Papst fordert seine Festnahme.

In seinen als ketzerisch denunzierten Thesen will Mirandola das Christentum mithilfe der Kabbala erklären, selbstverständlich wirkte sie auf die vom religiösen Eifer geblendeten Kirchenmänner verdächtig (insgesamt 13, von denen 7 als ketzerisch, 6 als suspekt bezeichnet wurden).

Obgleich einige seiner kabbalistischen Einzelbegriffe Ungereimtheiten zeigen448, wurde Pico durch seine kabbalistischen Thesen als Gründer der christlichen Kabbala angesehen; er war überzeugt, dass keine andere Wissenschaft von der Gottheit Christi so überzeugend sei wie Magie und Kabbala.

Im Dokument DISSERTATION / DOCTORAL THESIS (Seite 152-156)