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Pythagoräismus in den Werken der christlichen Kabbalisten

Im Dokument DISSERTATION / DOCTORAL THESIS (Seite 148-152)

Kabbalistisches Gedankengut wurde angenommen und in den Werken der Renaissancegelehrten und -magier mannigfaltig verarbeitet. Diese Kenntnisse sind das, was die Renaissancemagie von der Magie des Altertums und des Mittelalters unterscheidet. Die magische Operation ist wesentlich „geistiger“, „mentaler“, und weniger umständlicher geworden. Man operierte nicht „mit Dingen“ sondern mit Buchstaben und Namen, als ob sie

„Gegenstände“ wären. Gerade das hat die Magier zu einer Art „Elite“ erhoben, einer im Sinne von „Wissen-habende“ und „Kenntnis-habende“, wissenschaftliche Elitegruppe. Diese besaß also Kenntnisse, die nur einer hochstehenden „Kaste“ zukommen konnten.

Picos Kenntnisse vor allem des Hebräischen und sein Verständnis der Kabbala der Juden, die er in seinen 900 Thesen zum Einladen zur Disputation einsetzt, die spätere Erklärung in den Conclusiones der kabbalistischen Lehre, die zum Nutzen für Christen bedacht wird, zusammen mit seinen „Erklärungen“ an Magie, wurden ihm zum Verhängnis. Er kann dem päpstlichen Bann nicht entfliehen, wird exkommuniziert, flieht nach Paris und schreibt seine Apologia, die seine Ansichten an den 900 Thesen erklären sollen. Erst als Borgia Papst wird, lässt er die Beschuldigungen gegen den Grafen fallen, und Pico darf in die Heimat zurückkehren.416

In den 900 Thesen schrieb Pico della Mirandola begeistert, dass nichts dem jüdischen Alphabet ähnlich sei: „There are no letters in the whole Law which their forms, conjunctions, separations, crookedness, straightness, defect, excess, smallness, largeness, crowning, closure, openness, and order, do not reveal the secrets of the ten numerations.”417

Pico vereinigt synkretisch Gematria und andere Techniken418, er nennt das via numerorum und möchte mithilfe dieser Technik alles verstehen, was es zu verstehen gilt.

7>11. Per numeros habetur uia ad omnis scibilis inuestigationem et in/tellectionem;

416 Vgl. Schmidt- Biggemann, Wilhelm, Geschichte der Kabbala, Band 1, 15. Und 16 Jahrhundert, Fromman- Holzborg Verlag, Stuttgart- Bad Cannstadt 2012.

417 Syncretism in the West: Pico´s 900 Theses(1486). The Evolution of Traditional Religious and Philosophical Systems. With Text, Translation, and Commentary by S. A. Farmer, Medieval& Renaissance Text & Studies Tempe, Arizona 1998 Arizona Board of Regents for Arizona State University second Printing 2003.

418 Ebd. S 65.

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ad cuius conclusionis uerificationem polliceor me ad infrascriptas .Ixxiiii. questiones per uiam numerorum responsurum. <26r/26v>419

Sein Ziel war, den numerologischen Symbolismus der Pythagoräer, der in der Antike mit neoplatonischer Metaphysik synkretisch vereinigt worden war, mit der Gematria und weniger formellen Arten des Zahlensymbolismus in den Schriften der Kirchenväter der katholischen und orthodoxen Kirche und in verschiedenen scholastischen und esoterischen Schriften zu vereinigen, um die Geheimnisse der Harmonie zu enthüllen.420

Später bezweifelt Pico die Wirkung und die Bedeutung der Zahlen, in seiner Apologia meinte er, dass einige Zahlen im Laufe der Zeit verschiedene Bedeutungen angenommen haben, eine Zahl sei Glückszahl, die andere Unglückszahl. Man möchte das menschliche Schicksal dadurch erklären, dass man diese Ansichten mit der Lehre des Pythagoras verbindet. Für Pico sind das keine einfachen Zahlen, sondern sie besitzen die Bedeutung wirkungskräftiger Prinzipien. Er sieht ohne Begeisterung zu, wie mit den einzelnen Zahlen mal diese, mal jene Bedeutung für die Gestaltung des menschlichen Geschickes beigegeben wird.

So hat Hieronimus die Zahl zwanzig als eine Unglückszahl bezeichnet und folgende Erklärung dazu gemacht: zwanzig Jahre musste Jakob dienen, zwanzig Jahre war Joseph alt, als er verkauft wurde. Die Zahlen verknüpft er mit den biblischen Geschichten.

Die Zehnzahl (denarium) hingegen rühmt er als Glückszahl. An einer anderen Stelle bemerkt er, daß hinter dem Berichte über den zweiten Schöpfungstag der Satz fehle:

“Und Gott sah, daß es gut war“. Daraus folgert Hieronymus, daß die Zweizahl (binarius) zu den ungünstigen Zahlen gehöre. Aus diesem Grunde bekämpft er auch die Bigamie.

Und einen weiteren Beweis für diesen Charakter der Zweizahl entnimmt er dem göttlichen Gebote, nach dem von allem unreinen Getier nur je zwei Exemplare in die Arche Noahs eintreten durften, von dem reinen aber je sieben.421

Dass die Bedeutung der Zahlen mehrmals verändert wird, kann nicht richtig sein, dieselben Zahlen können bei einem Autor als Glückszahlen fungieren und der andere beschreibt sie als Unglückszahlen. „Bei anderen hingegen gilt die Zwei wieder als Glückszahl. Man weist nämlich auf die beiden Testamente auf, auf die beiden Cherubime an der Bundeslade, auf die

419 Ebd. S. 468.

420 Farmer, Pico 900 Thesen, S. 65.

421 Pico, Ausgewählte Schriften, S.229.

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beiden Anweisungen zur Nächstenliebe, auf die beiden ersten Weihen und auf die beiden ersten Völker hin.“422

Und um die Verwandtheit von Judentum und Katholizismus zu begründen, schreibt und bringt er die Kommentare der Kirchenväter vor. Die christlichen Kirchengelehrten begründeten in ihren Werken die Zahlen der Psalmen. Die Erklärung der Grundlagen der Psalmenzahlen ähnelte ihrer Meinung nach der kabbalistischen Gematria.

Wir sehen hier vergebliche Versuche Picos, zwei Religionen zu verbinden, für sie gemeinsame Gründe zu finden, damit sie ohne Feindschaft koexistieren könnten.

Das Einzige, was durch seine Überlegungen klar wird, ist, dass vielleicht sein Wunsch die 900 Thesen präsentieren zu wollen, nicht unbedeutend war.

Neben Pico wäre auch Ramon Lull zu erwähnen, mit dem eigentlich das Interesse für die Kabbala begann. Durch seine Kenntnisse des Hebräischen und des Arabischen konnte er die Lehren und Schriften, vor allem die kabbalistischen Schriften, kennengelernt haben, um sie später in seinem Werk weiterzuentwickeln. Es gibt keine Evidenzen, dass Lull die Werke der Kabbala übersetzt hätte, somit blieben sie für die lateinsprachige Welt verschlossen.

Die Werke Lulls unterscheiden sich so sehr voneinander, dass Waite drei unterschiedliche Autoren dahinter vermutete.423 In seinem Werk legte Waite den Fokus auf die Verbindung der christlichen Magier zur Kabbala und versuchte herauszukristallisieren, inwiefern die christlichen Kabbalisten die Werke der Kabbala kannten. Seiner Vorstellung nach ist Pico

„the first true Christian student of the Kabbalah[…].”424 Die Werke Picos wie auch Agrippas Schriften wären an einigen herausragenden Stellen sehr interessant zu lesen. Nun muss man von Pico keine jüdisch-esoterischen Spekulationen erwarten. Er war eher von den supernatürlichen Kräften der göttlichen Namen fasziniert, er wollte keine Thalismane herstellen oder Geister heraufbeschwören.425

In Agrippas Kabbala werden die Namen Gottes hervorgehoben wie in der Kosmologie des Sefer Yezirah oder in den Mysterien des Sohar, meint Waite.426

422 Ebd.

423 Waite, A.E., The holy Kabbalah, Dover Publications, Inc. Mineola, New York 2003, S. 442.

424 Ebd., S.443.

425 Ebd. S.444.

426 End.S. 453.

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Was die Literatur betrifft, haben wir keine Information, welche Texte Agrippa kannte. „He was in a position, however, to understand and expound the Mysteries of Divine Names and the Notaricon connected therewith. “427 Aller Wahrscheinlichkeit nach kam Agrippa zu seinen kabbalistischen Kenntnissen durch Picos Conclusiones, meint Waite: „there are serious errors in his division of the Hebrew alphabet which would not have been made by one who was acquainted with any authoritative source of knowledge, as, for example, the Book of Formation, not to speak of mistakes without number in the lettering of Divine Names, when the time came for his work to be printed.”428

Auch Paracelsus` Kenntnisse der Kabbala werden in Frage gestellt. Er erscheint als Kabbalist, der niemals die Originale in der Originalsprache kennengelernt haben soll: „His knowledge of the Kabbalah would be limited to what he could gather from authors who wrote in Latin or some current tongue; […].”429

Wir können Brunos Kenntnisse auch auf dieselbe Ebene stellen, so Waite. Seine Verwendung des hebräischen Alphabets in Umbris lassen uns vermuten, dass er mit Gematria, Notarikon und Themurah vertraut war. Die Kreise, mit denen er arbeitet und die er für sein Gedächtnissystem verwendet, wurden dem Beispiel der Themurah nachgemacht.

Hiermit wird behauptet, dass außer Pico, der die Sprache erlernte und seine Lehrer die Originale zu übersetzen beauftragte, kein Renaissancephilosoph die Werke der Kabbala kannte. Wahrscheinlich kannten alle anderen die Kabbala durch seine Werke oder zumindest durch die Übersetzungen, die er tätigen ließ.

427 Ebd.,S. 453.

428 Ebd., S.453.

429 Waite, A.E., The holy Kabbalah, Dover Publications, Inc. Mineola, New York 2003 S. 456.

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