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Magie der Spätantike

Im Dokument DISSERTATION / DOCTORAL THESIS (Seite 34-38)

In der Magie der Renaissance finden wir mehrere Elemente spätantiker Philosophie, die eine praktische Weiterbildung des stoischen Weltbildes ist. Die Idee, dass alles miteinander durch ein heiliges Band verflochten ist, wird zu Grundidee der Magie der Renaissancezeit. Auch die Hochschätzung der Sprachgrammatik, für die Renaissance von enormer Wichtigkeit, hatte die Stoa dargelegt.

Wie entstand nun die Magie mit Imaginatio und Phantasmenlehre, die die hellsten Köpfe der Renaissance beunruhigte? Es lässt sich ein zeitlich weiter Bogen spannen, der von den Renaissancelehren über Imaginatio und Phantasmata reichte, also eine große Synthese von Lehren der Denker der Antike, der Gnostischen Lehre mit Lehren und geistigen Strömungen des 12. Jahrhunderts in Spanien zur Zeit der Reconquista mit dem Einfluss der Hauptfiguren der arabischen Philosophie, mit den Kabbalistischen Lehren der Juden, die ganz besonders in

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der Renaissancephilosophie eine Rolle spielten, und diese Synthese hat eine ganz spezifische Prägung in der Renaissance des 14.-16. Jahrhunderts angenommen.

6.Die Gestalt des Magiers

Das Wort „Magier“ wird meistens assoziiert mit Faszinierendem, Glamourösem, gleichzeitig aber auch mit Verbotenem, mit etwas, was über enorme Anziehungskraft verfügt.

Wenn man die Bild-Portraits der Männer ansieht, die als Magier bekannt sind, seien dies Ficino, Paracelsus, Dee, Pico, Agrippa, Bruno, sieht man wenig von „Glamour“ und Faszination. Auch von etwas, was Angst und Schrecken einflößen sollte, ist keine Spur vorhanden. Man könnte nun denken, diese Männer verfügten über eine Kraft, eine Macht, ein besonderes Charisma und physische Merkmale, die Außenstehende leicht in ihren Bann zogen und eine besondere Beziehung zu ihnen schaffen sollten.

Hier die Zitate aus der Geschichte der Philosophie von D. Wilhelm Gottlieb Tenneman - so schrieb einer seiner Schüler, Johannes von Nostitz, der sich stolz „Iordani Bruni genuini discipuli“ nennt, folgendes: “annus nunc agitur rertius et trigesimus, cum Lutetiae Paris.

Primum Iordanum Brunum arte Lulliana et Mnemonica multos ad se discipulos atque auditors allicere menini. Quo factum, ut - ego quoque, quid illud esset mirificae artis cogniturus, non simper interfuerim. Ac ipsius Iordani peritiam et promptitudinem, quam postulato quovis disputandi et e (vel eo) tempore copiose de eo perorandi argument, oftendabat, vehementer admirabar.” 92

Die engsten Begleiter der Begeisterung und Bewunderung waren Furcht, Feindseligkeit, die den Magiern entgegengebracht wurden. Öfters haben sie um die eigenen Kenntnisse und Stellung in der Gesellschaft kämpfen müssen. In fast allen Fällen mussten die Magier sich in große, nicht immer wissenschaftliche Kriege begeben, die kein Ende hatten und haben konnten, da sie die Interessen von vielen verschiedenen Menschen aus verschiedenen Schichten der Gesellschaft berührten. Das Involvement war unglaublich tief, den Kampf führten die Kirche, die Ärzte, die Philosophen, die Regierungen, man kann sich kaum vorstellen, wie die Magier in der Zeit der Renaissance gebraucht und gehasst wurden. Als

92 Tennemann, Gottlieb, D.W., Geschichte der Philosophie, 9. Band, Verlag Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1814, S. 378.

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objektive Notwendigkeit waren sie da, um die Gesellschaft anzuspornen voranzugehen, in Fächern wie Medizin, Philosophie und Theologie, aber auch subjektiv gesehen standen sie mehreren berühmten Schulmedizinern und anderen Fachmännern im Wege, da sie etwas wussten und konnten, was die anderen nicht einmal zu begreifen imstande waren. Und so kam es, dass „schwarze“ Männer ihnen auf Schritt und Tritt folgten.

„Unser krieg ist lang gangen gegen einander, sie triben mich aus Littau, darnach aus Preussen, darnach aus Poland, war nicht genug. Ich gefil den Niderlendern auch nicht, den universiteten nicht, weder Jüden noch münchen. ich dank aber got, den kranken gefiel ich, so ich mein regel braucht, aber so ich Avicennam braucht, so war ich niemants wert[…]“(VI, 180)93. In Paris im Jahre 1518 zieht er wegen seiner Heilungen der Krebskrankheit mit ungewöhnlichen Methoden den Hass dortiger Ärzte auf sich, vernichtende Erlasse gegen Paracelsus sollten auch die anderen stoppen, seine Heilmethode zu verwenden.

Am Rande erwähnt: Der Hass gegen Bruno war so groß und das Begehren, ihn auszuschalten und auszuradieren, so mächtig, dass man ihm mit der Einladung nach Venedig, um dort zu lehren, eine Falle stellte.

Es ist auch hochinteressant zu wissen, wie die Magier aussahen, wie waren sie als Menschen, als Männer? Wirkten sie als besondere Männer, Gelehrte, die Unmögliches möglich machen?

Um sich ein Bild zu machen, haben wir nicht vieles in der Hand. Einige Bilder-Portraits, die mehr oder weniger der Realität entsprochen haben könnten, sonst nur Vermutungen wie folgende zu ihrer Charakterisierung:

We may picture him in the traditional state of the sorcerer- poor, proscribed, envious, ambitious, and having no capacity for legitimate enterprises. Unable to earn money, he hankers after hidden treasures, and haunts those spots up and down the country-side which are reputed to conceal them…He does not long hesitate when he learns that the Grimoires of Black Magic are full of darksome rites and fell, mysterious words which compel or expel the guardians.94

Die Männer, die sich selbst als Magier sahen, waren relativ einfach, was das äußere Erscheinungsbild betrifft. Die Bilder, die von ihnen übrig blieben, zeugen davon. Das sind

93 Naber, Helga, Probleme einer Pracelsus- Biographie: sein Leben im Spiegel seiner Werke, Hrsg. Ulrich Müller, Franz Hundsnurscher, Cornelius Sommer, Verlag Kümmerle, Göppingen 1998, S.22.

94Butler E.M., Ritual Magic, Cambridge at university press, 1949, S.213, nach Waite (Waite, op.cit.pp.114 f.).

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ganz „normale“ Männer, in der Kleidung, die der Mode und den Sitten der Länder, wo sie lebten oder sich aufhielten, entsprach, keine sonderlichen, ins Auge stechenden positiven oder negativen Merkmale, wie z. B.: Paracelsus hat „so zu trinken gelernt, daß er ganze Tische voll Bauern zum trinken herausforderte und auch im Trinken und Saufen gewann, ab und zu seinen Finger in den Hals steckend und so einem Schwein gleichend.“95

Was ließ sie anders sein: das Innere, das Geistige, das Beflügelte?

Es waren Männer mit reichem Innenleben, mit großer und blühender Fantasie, die sich mit beispielloser Hingabe an uraltes Wissen, hauptsächlich ihrer Intuition folgend, annäherten und an eigenen Kenntnissen und an deren Verschmelzung mit dem überlieferten Wissen arbeiteten. Die Magier hatten eine außerordentliche Ausbildung, vor allem Selbstausbildung, die sie ihrer Zeit weit vorangehen ließ.

[…] Marsilio Ficino, the fifteenth-century Florentine whose work was patronized by three generations of the Medici and who was one of the most interesting and exotic luminaries of the European Renaissance. Translator from the Greek and commentator;

Christian apologist, theologian, teacher, exegete, priest; musical theorist and notable performer; mythologist, metaphysician, lapsed astrologer; belletrist, ethician, versifier, dialectician; medical theorist and practitioner and love theorist; psychiatrist, Thomist, demonologist; Hermetist, Orphic, Augustinian, Dantean, dietician; historian of poetry, religion, philosophy, and pleasure; quietist, mystic, mage, humanist, wit; devout son and timid sycophant; above all, Neoplatonist, Ficino was highly derivative and original, conservative and bizarre, sunccinctly repetitive scholar-thinker, as difficult for us to assess in detail now as in entirety.96

Die These der vorliegenden Dissertation behauptet, dass der Magier in der Renaissance nicht nur keine Zufallserscheinung war, sondern als eine gesetzmäßige Notwendigkeit zu verstehen ist. Die Kategorien „Magier als Vorgänger des heutigen Wissenschaftlers“ und „Magier-Zauberer-Dämonenbeschwörer“ beeinflussen sich abwechselnd.

Der Magus in der Renaissance in seinem philosophisch-kabbalistischen Umfeld muss als ein komplexer Bestandteil der Renaissance gesehen werden, mit seinen magischen, hermetischen Ansichten, die dahinter stehen.

Die magisch- kabbalistische Weltanschauung des Magus ist ein Gebilde, welches, obwohl aus

„unvereinbaren“, widersprüchlichen philosophischen Anschauungen bestehend, eine

95 Zit. nach Pächter, Heinz, Paracelsus, Büchergilde Gutenberg, Zürich 1955, S.186.

96 Allen, Michael J. B., Marsilio Ficino and the Phaedran Charioteer, University of California Press, Berkley, Los Angeles, London 1981, p.2.

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eigenständige synkretische Theorie ist, die zum Handeln gedacht wurde. Sie wurde durch die Werke der Magier zum Leben gerufen und durch ihr Handeln zum Ausdruck gebracht.

Die Philosophen, die in vorliegender Arbeit behandelt wurden, Giovanni Pico della Mirandola, Marsilio Ficino, Giordano Bruno, John Dee, Theophrastus Paracelsus, Agrippa aus Nettesheim, werden immer nach ihren spezifischen Anschauungen und Abweichungen im Gesamtbild hervorgehoben.

Das magisch-hermetisch-kabbalistische System gab den Magiern einen Rahmen, der die auseinanderstrebenden und widersprüchlichen Arbeitsfelder zusammenführte. Um das System des Magiers zu verstehen, werden die systemstiftenden und synthesefähigen Bestandteile dieser Philosophie aus hermetischen Postulaten, kabbalistischen Lehren und Magie in ihren Zusammenhängen im ersten Schritt erschlossen. Die Magier, obwohl im Rahmen einer und derselben Philosophie, haben, der eine mehr und der andere weniger, sich auf Details dieser Weltanschauung konzentriert. Aus diesem Sichtpunkt werden sie in der vorliegenden Arbeit behandelt. Die Magier postulieren eine Welt, in der alle Teile zusammenhängen und mit unsichtbaren Bänden verbunden sind. Das Weltgebäude ist ein Konstrukt, welches es zu untersuchen gilt. Wie Weltseele, als auch menschliche Seele, spielen eine wichtige Rolle in der Philosophie der Magier. Durch sie können Magier die materielle Welt formen und verändern. Die Beachtung der Geheimnisse des Hermes des Dreimalgroßen legitimiert die Vorstellung der Magier, dass es Gesetze gibt, die für das ganze Universum gültig sind.

Ein Ziel meiner Arbeit ist, das Verhältnis dieser Traditionen zu Philosophie und Wissenschaft besser verständlich zu machen, und zwar insbesondere durch eine Untersuchung des Typus des Magus in seinem sozialen Umfeld zur Zeit der Renaissance.

6.1.Der vorchristliche Magier

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