• Keine Ergebnisse gefunden

Die Tätigkeiten des Haushalts (domus)

Im Dokument x!7ID9F4-jadcgj! ITALIKÁ ITALIKÁ (Seite 164-0)

VII.1 Rekonstruktion lokaler und überregionaler Identitätsgruppen

VII.1.3 Die Tätigkeiten des Haushalts (domus)

Mit Tätigkeiten des Haushalts sind hier Aktivitäten nicht al-lein wirtschaftlicher Art gemeint, sondern auch solche ideel-ler Natur, deren Ausführung jedoch hohe Bedeutung für die Hausgemeinschaft hatte. Damit ist allerdings nicht impliziert, dass es sich um Tätigkeiten handelte, die im Innern einer Be-hausung durchgeführt wurden und ortsfest bzw. ortsgebunden waren. Diese eher konzeptionelle Auffassung von Haushalt und das damit verknüpfte Spektrum von Tätigkeiten soll hier als domus bezeichnet werden1069.

Die Kernfamilie war als soziale Einheit unmittelbar dem Wohlergehen des Haushalts verpflichtet. Konkrete diesbezüg-liche Aufgaben umfassen beispielsweise die Kindererziehung sowie Pflege. Für Erstere lassen sich nach Position der Kin-dergräber auf den ersten Blick keine klaren Zuständigkeiten erkennen. Auf den zweiten Blick jedoch kristallisieren sich einzelne Hinweise heraus: Spinnwirtel in Gräbern von jungen Individuen deuten darauf hin, dass diese relativ einfache Tätig-keit schon von Kindern ausgeführt werden konnte. Wie oben

1069 Die im Folgenden angestellten Überlegungen orientieren sich an dem v. a. von Hodder 1990 entwickelten Modell von domus und agrios als soziale Aktionssphären des „Drinnen“ und „Draußen“.

Die Terminologie von Hodders strukturalistisch angelegter Studie wird hier leicht abgewandelt gebraucht.

ratur (vgl. königliche Weberinnen wie Arachne, Penelope oder Philomela) sowie Befunde aus anderen, italischen Stätten der Zeitregion: Große Webstühle finden sich etwa in Torre di Sat-riano sowohl in der residenza ad abside als auch im Vestibül des späteren anaktoron. Die Tätigkeit des Webens wird allerdings in den Gräbern kleinerer Stätten ohne bekannte architektoni-sche Reste wie Ripacandida oder Ruvo del Monte nur spärlich durch echte oder symbolische Webgewichte angedeutet, wobei unklar bleiben muss, ob dies dadurch begründet ist, dass sie von der dort bestattenden Gemeinschaft nur in kleinem Aus-maß durchgeführt wurde. Im Zusammenhang mit Textilverar-beitung könnten als Mehrzweckwerkzeug auch kleine Messer stehen, die sowohl für Tätigkeiten wie die Herstellung von Textilverarbeitungswerkzeug als auch den Verarbeitungsvor-gang selbst genutzt worden sein könnten – Messer diesen Typs unterscheiden sich in Ripacandida von den in Männergräbern deponierten, sichelförmigen und größeren Exemplaren1076.

Daran anschließend soll noch ein Gedanke geäußert wer-den, der sich nur schwer anhand der Befunde belegen lässt:

Wie gezeigt, ist Textilproduktion in Ripacandida und im weiteren Umkreis der Zeitregion ausschließlich für Frauen belegt. Ebenso finden sich die Erzeugnisse der lokalen Ke-ramikwerkstatt, die figürliche Darstellungen tragen, nur in Frauengräbern. Auf einer dieser figürlichen Szenen, auf dem Askos in Grab 46, ist wahrscheinlich eine Figur mit Hand-webstuhl dargestellt (vgl. Abb. 44). Wie auch die Szene auf der Kanne in Grab 14 (vgl. Abb. 46) sind die menschlichen Figuren schematisch dargestellt, in einer Art und Weise, die an die Umsetzung komplizierter Formen in einfache Webmus-ter erinnert1077. Die Motivik der geometrischen griechischen und der subgeometrischen italischen Vasenmalerei ist stark

1076 Bianco Peroni 1976, 10.

1077 Der Gedanke der Herleitung von Motiven der geometrischen Va-senmalerei aus Erzeugnissen der Webkunst ist nicht neu, wird aber

zelnen Arbeitsschritten (Kardieren/Kämmen, Spinnen, teil-weise sogar Weben) auch mobil durchführen. Die Herstellung von Textilien stellt jedoch kein einfaches, selbsterklärendes Handwerk dar, sondern einen komplexen Vorgang, der in sei-nen unterschiedlichen Arbeitsschritten erlernt werden muss.

Das gilt insbesondere für das Weben, das neben dem meis-ten know-how auch die aufwendigsmeis-ten Planungen, Handgriffe, Gerätschaften und Zeitaufwand verlangt1074. Archäologische Zeugen textilverarbeitender Tätigkeit wie Spinnwirtel und Webgewichte sind in Gräbern grundsätzlich von Waffen ge-trennt und legen eine Assoziation mit den weiblichen Gemein-schaftsmitgliedern nahe – allerdings kommen sie auf den Nek-ropolen nicht besonders häufig vor1075. Zudem finden sie sich in Ripacandida nicht in allen Clustern und über Gräber ganz unterschiedlich reicher Ausstattung verteilt, was eine Zuschrei-bung an bestimmte Alters- oder Statusgruppen verhindert.

Zumindest scheint es sich dabei um eine weibliche Aufgabe zu handeln, die von erwachsenen Männern nicht ausgeführt wurde. Dass Textilverarbeitung dabei keineswegs gesellschaft-lich als niedere Arbeit angesehen werden muss, belegen zahl-reiche Zeugnisse aus dem griechischen Mythos und der

Lite-1074 Dass in der Zeitregion wahrscheinlich auch Brettchenweberei prak-tiziert wurde, zeigen die mit aufwendigen Säumen/Bordüren ver-sehenen Trachten der daunischen Stelen; die Technik ist auch auf Geweberesten in Ripacandida selbst nachgewiesen, s. Gleba u. a.

2018.

1075 Tatsächlich ist die Ansprache vieler Objekte hinsichtlich ihrer Rolle in der Textilverarbeitung äußerst schwierig. Beispielsweise werden runde, mittig gelochte „Zierscheiben“ oft als Schmuckteil angespro-chen (vgl. Norman 2008) – dabei wird außer Acht gelassen, dass scheibenförmige Objekte dieser Form, oft dekoriert, jahrhunderte-lang als Spinnwirtel genutzt wurden. In der modernen Forschung jedoch werden meist nur kleine kürbisförmige oder doppelkonische Objekte aus Stein oder Ton als Spinnwirtel identifiziert, obwohl ethnographische und ethnoarchäologische Beobachtungen zeigen, dass Objekte aus unterschiedlichsten Materialien und in verschie-densten Formen als Spinnwirtel genutzt werden können.

Abb. 70 Vergleich lokaler Ollae aus Grab 25 und 27 von Ripacandida

in Ripacandida wie auch an anderen Orten Teil der Grabgrup-pen. Weitere Kennzeichen lassen sich aber kaum feststellen.

Die Trachtausstattung ist normalerweise weniger umfangreich als die der weiblichen linken Hocker, neben einer geringeren Anzahl an Fibeln lässt sich auch das Fehlen von Ringen oder Ketten konstatieren. Die Ikonographie der Waffenträger ist in-teressanterweise oft auf Erzeugnisse des griechischen, nicht des indigenen Kunstschaffens beschränkt: In Ripacandida zeigen die beiden schwarzfigurigen griechischen Trinkgefäße 1/1 und 73/9 Motive von Kampf und Pferdebesitz. Auch auf anderen indigenen Nekropolen sind Importgefäße mit griechischer Ikonographie in Männergräbern zu finden. Objekte wie die apulo-korinthischen Helme, die in süditalischen Werkstätten entwickelt wurden, tragen figürliche Darstellungen, die mit dem Bereich des agrios verbunden sind, wie etwa Eber, Schlan-gen o. Ä.1082.

An den einzelnen Stätten unterscheidet sich die Präsenz von Waffengräbern mitunter relativ stark. Dies kann als Hin-weis darauf gewertet werden, dass der Waffenträgeraspekt eine unterschiedliche Bedeutung in diesen Stätten bzw. Regionen besaß. So sind in der Nekropole von Chiaromonte Waffen-träger stark vertreten, und außer mit Speeren zudem oft mit Schwert und Helm versehen, was auf eine Betonung der Kriegerrolle hindeutet. In Alianello dagegen fanden sich nur sehr wenige ‚Krieger‘ mit Schwert (und dort ohne Helm)1083. Schwerter als reine Kriegswaffen kommen insgesamt seltener vor als Speere und weisen eine große typologische Bandbreite auf. So ist davon auszugehen, dass sie auch in der Kriegsfüh-rung eine eher untergeordnete Rolle spielen, die im 5. Jh. noch weiter sinkt. Auch sie mögen deshalb v. a. symbolischen Wert besessen haben, der im 6. Jh. auch in kleineren Gemeinschaf-ten wie Ripacandida etwa den sozial herausgehobenen Status ihrer Träger (als Familienoberhäupter o. Ä.) verdeutlichen soll-te. Eine exklusive Beteiligung von Schwertträgern an kriege-rischen Auseinandersetzungen ist auszuschließen, zumal die einzige schriftliche Quelle von einem Speerwerferkontingent berichtet1084.

Jagd kann nur indirekt über Speere nachgewiesen werden, zusätzlich noch durch die Analyse von Tierknochen, die aller-dings fast ausschließlich aus Siedlungs- und nicht aus Grab-kontexten stammen. Die Situation in Süditalien zum gegen-wärtigen Zeitpunkt ist also doppelt unglücklich: Erstens sind die meisten Stätten nur in ihren Nekropolen bekannt und zweitens sind archäozoologische Untersuchungen an vielen Stätten nicht durchgeführt worden. Zudem können Speere auch nur zur (prestigeträchtigen?) Jagd von größerer Beute wie Wildschwein oder Hirsch eingesetzt worden sein1085. Eindeu-tiger bei der Jagd auch auf kleinere Tiere genutzte Waffen wie

1082 Vgl. z. B. die Helmdarstellungen aus Gräbern der Nekropolen von Melfi und Lavello; Popoli Anellenici 1971, 105. 115. 130.

1083 Tagliente 1999, 20.

1084 Thuk. 7, 33.

1085 Die Hirschjagd mit Speeren ist ab dem 5. Jh. auch in der indigenen Ikonographie belegt, s. Whitehouse u. a. 2000, 170–172; D’Andria 1988, Abb. 665.

an Textil- bzw. Webmusterungen orientiert (vgl. Abb. 45). Es ist also denkbar, dass die Frauen auch für die Herstellung der lokalen Töpfererzeugnisse zuständig waren1078. Auf zumindest fallweise Hausproduktion deutet die Unterschiedlichkeit der lokalen Keramikerzeugnisse hin: Charakteristische Grundform und Dekoration sind identisch, aber Machart (handgemacht oder auf der Töpferscheibe gefertigt) und Qualität variieren stark, sogar bei fast zeitgleichen Produkten (Abb. 70)1079. Zu-dem fanden sich die typischen Gefäße der lokalen Produktion nahezu ausschließlich in der örtlichen Nekropole. Dies spricht für eine sehr geringe Produktionsmenge und nur sporadische Fertigung, was auch der Grund für die Qualitätsunterschiede sein könnte. Einen weiteren Hinweis mag Objekt 36/e aus ei-nem prominenten lokalen Frauengrab liefern: Es kann als ein Gerät zur Tonaufbereitung gedeutet werden oder in Verbin-dung mit der Reibschale 36/f als Stößel zur Nahrungs- oder Pastenzubereitung (evtl. auch Heilsalben) gedient haben1080. VII.1.4 Die Tätigkeiten im ‚Draußen‘ (agrios)

Die Aktivitäten im Bereich außerhalb des domus sollen hier als Spektrum des agrios adressiert werden1081. Damit ist der Bereich gemeint, der die Begegnung mit dem ‚Draußen‘ um-fasst, sowohl im Sinne von natürlichen Gegebenheiten als auch externen personellen Kontakten. Hinweise auf Tätigkeiten in diesem Kontext lassen sich in den Gräbern fast nur in Form von Waffen finden – als Geräte für den Schutz und/oder die Jagd (Speere) sowie für den Krieg (Schwerter) ist ihr Anwen-dungsgebiet klar außerhalb des domus zu verorten. Es konnte wahrscheinlich gemacht werden, dass ihre in rechter Hocker-lage bestatteten Träger Männer waren, die in der Regel das Erwachsenenalter erreicht hatten. Somit lässt sich männliche Selbstauffassung bzw. materiell archäologisch klar formulierte Hexis am ehesten durch die Ausstattung mit Waffen und da-mit Verantwortlichkeiten im agrios fassen. Die Speerträger sind in Ripacandida dabei fest in die Haushaltscluster eingegliedert, und auch Individuen, die zusätzlich ein Schwert tragen, sind

selten thematisiert; vgl. dazu neuerdings Wagner-Hasel 2002, 149 mit Anm.

1078 Ein direker Beweis für diese These ist aber kaum möglich – mög-licherweise ließen sich Hinweise für die Frage nach Geschlecht und Alter der Töpfer erlangen, wenn sich auf der lokalen Keramik Fingerabdrücke finden; allerdings ist die Paläodermatoglyphik ein noch relativ junges Forschungsfeld und mit vielen Unsicherheits-faktoren belastet; s. Králík – Novotný 2003.

1079 Die Annahme wandernder Töpfer (wie von Osanna – Carollo 2009, 408 vorgeschlagen) kann nur schwer die Qualitätsunterschie-de erklären.

1080 Den Hinweis auf die Tonaufbereitung (als impastatoio) verdanke ich Francesco Meo; vgl. ein funktionell ähnliches, aber deutlich elabo-rierteres Exemplar aus Herakleia mit kalos-Inschrift: Neutsch 1967, 165–166 Taf. 25, 1–3. Typologisch ähnliche, aber ebenfalls sorg-fältiger ausgearbeitete Stücke des 4. Jh. befinden sich in Kalabrien, Museum Catanzaro (scheda ICCD RA: 18-00140168) und Cro-tone (scheda ICCD RA: 18-00096078-0). Zur Verwendung von Mörsern und Stößeln in süditalischen Heiligtümern (z. B. Deme-terheiligtum von Herakleia/Policoro) mit Heilaspekt, insbesondere durch Frauen, s. Gertl 2013.

1081 Wiederum basierend auf Hodder 1990.

Bewaffnungs- und Kampfesweise verwendeten Terminus auch in Abwandlung in die Irre und sollte vermieden werden1089.

Ein weiteres Tätigkeitsfeld außerhalb des domus ist die Nahrungserzeugung in Form von Landwirtschaft und Vieh-zucht, die Aktivitäten im näheren oder weiteren Umkreis erfor-derte. Direkte Hinweise auf landwirtschaftliche Betätigungen, etwa in Form von Sicheln, Mahlsteinen, Pflügen etc. finden sich kaum, in Ripacandida fehlen sie gänzlich (wenn nicht die großen gebogenen Messer Typ 1 in diese Richtung gedeutet werden können). Zwar kann dieses Fehlen nicht als Argument gegen Aktivitäten auf diesem Gebiet gewertet werden, auffällig ist es jedoch allemal. Für die Praxis der Viehhaltung dagegen lassen sich einige Hinweise finden: Neben den Textilwerkzeu-gen und ihrem indirekten Hinweis auf Wollverarbeitung im domus und damit Schafhaltung im agrios könnten auch die zahlreich anzutreffenden Speere als Schutz der Hirten und Herden gegen wilde Tiere gedient haben.

Weitere Indizien für Pastoralismus oder zumindest eine hohe Bedeutung und Wertschätzung von Viehbesitz liefern in Ripacandida indirekt die lokalen Askoi mit ihren plastischen Rinderkopfprotomen. Ausschließlich auf Grundlage dieses Verzierungselements lässt sich nicht zwingend auf tatsächli-chen Viehbestand schließen, jedoch legt die exklusive Assozia-tion des Elements mit einer bestimmten Gefäßform nahe, dass diese eine besondere Beziehung zu Rindern hatte und mög-licherweise im Zusammenhang mit sekundären Produkten der Rinderhaltung und ihrer Weiterverarbeitung (z. B. Milch/

Käse) Verwendung fand1090. Einen weiteren ikonographischen Hinweis auf die Bedeutung von Tierhaltung liefern in Ripacan-dida auch die zoomorphen Bronzeanhänger 34/c und 102/e:

Der in Form eines Widders gestaltete Anhänger gibt Hinweis auf eine weitere Nutztierart, die direkt mit den Textilverarbei-tungswerkzeugen der Frauengräber in Verbindung gebracht werden kann. Der schwieriger zu deutende, eventuell hunde-förmige Anhänger könnte auf die Bedeutung dieses Tieres als Helfer bei der Hirtentätigkeit gewertet werden1091. Interessant ist, dass sich sowohl diese Anhänger als auch die potenziellen Satyr- und Mänaden/Nymphen-Köpfchen in weiblich konno-tierten Gräbern fanden, was nahelegt, dass möglicherweise die bewahrende und sorgende Rolle der Frauen sich nicht nur auf den Haushalt und dessen menschliche Mitglieder beschränkte.

Vielmehr bezog sie sich auf die Gesamtheit lebender Wesen, die Teil der Familie oder mit ihr assoziiert waren, und beinhal-tete auch den spirituellen Schutz im agrios, der physisch von den bewaffneten Männern gesichert werden sollte.

1089 Zudem ist der Hoplit als Teil einer Phalanx definiert, einer Kampf-taktik, wie sie im archaischen Süditalien weder literarisch noch künstlerisch belegt ist.

1090 Weitere Überlegungen zur Deutung der Askoi s. o. S. 43–44.

1091 Insbesondere in der Gestaltung des Kopfes ähnelt der Anhänger aus Ripacandida dabei sehr den häufigen plastischen Appliken Ofanto-subgeometrischer Ollae und Anhängern aus Minervino Murge, vgl.

Mazzei 2010, 78 und Yntema 1985, 347 Abb. 232.

Pfeil und Bogen oder Schleuder sind nur sehr selten als Grab-beigaben dokumentiert, was andeuten mag, dass deren Jagd nur wenig praktiziert oder zumindest gesellschaftlich nicht be-sonders hoch angesehen war1086.

Elemente wie Schwert, Helm und die seltener belegten Rundschilde bei den italischen Waffenträgern führten in der Forschung oft zum Vergleich mit griechischen Hopliten und der Annahme, dass diese Objekte von Teilen einer Hopliten-ausrüstung adaptiert wurden. Ob der Vergleich mit diesen As-soziationen sinnvoll ist, bedarf einer kritischen Überprüfung.

Sicherlich sind einige Elemente der italischen Waffenausstat-tung griechisch bzw. griechisch beeinflusst (nicht zuletzt in ih-rer Verzierung), darunter die Schilde (siehe beispielsweise das Schildband aus Braida di Vaglio, Grab 101), Pferderüstung (prometopidia) und auch korinthische Helme – aber gerade letztere werden mit der Entwicklung des apulo-korinthischen Typs sehr schnell in eigenes Formgut übersetzt. Außerdem sind die in dieser Zeit und in diesem Raum verbreiteten Schwertty-pen zum großen Teil nicht von griechischen Formen abhängig, ebenso wenig wie die nordapulisch-binnenländischen cinturo-ni. Der in Grabfunden und Bildkunst überlieferte Typus des süditalischen ‚Reiterhopliten‘ des 5. Jh. hat keine zeitgleiche griechische Entsprechung. Zwar finden sich in der korinthi-schen, attischen und chalkidischen Vasenkunst vom 7. bis in die zweite Hälfte des 6. Jh. immer wieder Darstellungen von berittenen Kriegern, teilweise auch mit Schild. Insbesondere auf Bildern des 6. Jh. sind diese jedoch eher als aristokratische Chiffren zu deuten, denn in dieser Zeit hatte sich die Pha-lanx als Kampfesweise durchgesetzt, die nur noch von leich-ter Kavallerie unleich-terstützt wurde1087. Darstellungen wie die der Terrakottafriese von Braida di Vaglio und Torre di Satriano, die Hoplitenkrieger zeigen, deren berittene und das Pferd des Kämpfers am Zügel mitführende Knappen den zu Fuß aus-geführten Kampf ihrer abgesessenen Herren mit ansehen, be-sitzen dagegen gute Parallelen in der griechischen Vasenmale-rei1088. Angesichts der in den Gräbern des 5. Jh. in Süditalien aufgefundenen, oft eher symbolischen Defensivwaffen scheint es deshalb wahrscheinlicher, dass diese ein italisches Schema darstellen, dessen Repräsentationscharakter eindeutig, dessen tatsächlicher Kampfwert jedoch eher zweifelhaft ist. Insofern führt aber die Nutzung des in Griechenland für eine bestimmte

1086 Pfeilspitzen sind generell in den eisenzeitlich-archaischen Gräbern Süditaliens selten; Beispiele sind etwa aus Palinuro (Naumann – Neutsch 1960, 35. 52. 180–181) und aus Buccino (Johannowsky 1985, 122–125) bekannt; allerdings sind, wie im Vorangehenden geschildert, Reste von Bögen auch auf der Nekropole von Ruvo del Monte (Grab 65) und aus dem anaktoron von Torre di Satriano bezeugt.

1087 Vgl. Greenhalgh 1973, 84–152.

1088 Und erinnern damit an die griechisch-aristokratische Rollenver-teilung des Hippobatas (Hoplit, der zu Pferd in den Kampf reitet und zu Fuß kämpft) und Hippostrophos (Knappe, der während des Kampfes das Pferd des Kriegers führt); vgl. Mertens-Horn 1992;

Scheibler 1987, 78–82 und dort angegebene weiterführende Litera-tur.

nicht zulässig1094. Wenn sich also grundsätzlich aufgrund des Vorkommens von Keramik, und meist eines festen Sets, davon ausgehen lässt, dass dies die Teilnahme an Mahlzeiten verdeut-licht (wobei die fehlenden Großgefäße bei Kindern ihre nicht vorhandene Rolle in der Vorbereitung, Bereitstellung und Zu-bereitung spiegelt, die sie in frühem Alter auch kaum gehabt haben können), deutet das Vorkommen aller Formen in allen Gräbern an, dass Erwachsene beiden Geschlechts in gleicher Form an Ess- und Trinkzusammenkünften teilhatten1095.

Über die Versorgung der Kernfamilie hinaus kann das Ge-schirr aber auch in ähnlicher Funktion für die Rolle als Gast-geber größerer und überfamiliärer Zusammenkünfte, die nicht der nahrungstechnischen Grundversorgung, sondern der fest-lichen Bewirtung dienten, genutzt worden sein und gedeutet werden. Bei umfangreich ausgestatteten Gräbern sind es in der Regel sowohl die akeramischen wie auch die keramischen Bei-gaben, die das durchschnittliche Maß überschreiten. Im ke-ramischen Ensemble bedeutet die Überausstattung allerdings nicht eine einfache und wahllose Vervielfachung einzelner Formen oder des gesamten Geschirrs, sondern meist die Ver-doppelung bestimmter Formen, von denen das Großgefäß, ob Olla oder Krater, ausgeschlossen ist. Normalerweise beziehen sich die vervielfachten Formen auf Schöpf- und Gießgefäße so-wie offene Trinkformen. Da auch einfache Geschirrsets in der Regel alle Formen jeweils einmal beinhalten, könnte eine mit entsprechend mehr Geschirr (über das persönliche Einzelset hinaus) ausgestattete Person die zusätzlichen Geschirrteile als Zeichen der Bewirtung anderer Personen mit ins Grab gelegt bekommen haben. Ob sich an der Zahl der zusätzlichen Ge-fäße der Umfang bzw. die Rolle der Bewirtungstätigkeit und damit ein konkreter gesellschaftlicher Status ablesen lässt, ist sehr spekulativ1096, zumal in kleinen Gemeinschaften wie Ri-pacandida: Weder über die Gastgeber, Art der Bewirtung, Zu-sammensetzung der Speisen und Getränke noch über die Her-kunft der Gäste eventueller überfamiliärer Gastmähler können auf archäologischer Grundlage mangels weiterer mit solchen Aktivitäten verbundener Reste Aussagen getroffen werden.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Rolle von Importgütern. Tongefäße griechischer Machart dienen primär dem Konsum von Getränken und entsprechen der zeitgenössi-schen Formentwicklung (Knickrandschalen und später Kylikes Typ C). Diese Formen verändern oder verdrängen das typische italische Set von Olla, Kanne und Schöpfkännchen aber nicht,

1094 Trotzdem tut man sich auch in neueren Studien schwer mit „ge-schlechtlich gemischten“ Bestattungsensembles: Befunde mit

‚weiblichen‘ Beigaben wie Spinnwirtel in Waffengräbern etwa werden als Männerbestattungen mit einzelnen von weiblichen Ver-wandten mitgegebenen Objekten angesprochen; Gleba 2008, 173, mit Verweis auf Nielsen 1998b, 70 und Bartolini 2000, 273.

1095 Dies ähnelt auffällig den für Etrurien ikonographisch in den Grä-bern belegten Zuständen; vgl. z. B. Falchetti – Romualdi 2001, 40–41.

1096 Ähnliches hat kürzlich Steinmann 2012, 312–329 bezüglich der spätbronzezeitlich-ägäischen Waffengräber versucht, konnte jedoch nach Ansicht des Autors nicht zu überzeugenden Ergebnissen ge-langen.

VII.1.5 Die Rolle von Nahrungszubereitung, -konsum und -verteilung

In der Herstellung von Nahrung verschmelzen die Konzep-te und Aufgaben des domus und agrios: Die außerhalb des faktischen Haushaltes (als Ort und soziale Gruppe) erwirt-schafteten Produkte wurden in der häuslichen Gemeinschaft

In der Herstellung von Nahrung verschmelzen die Konzep-te und Aufgaben des domus und agrios: Die außerhalb des faktischen Haushaltes (als Ort und soziale Gruppe) erwirt-schafteten Produkte wurden in der häuslichen Gemeinschaft

Im Dokument x!7ID9F4-jadcgj! ITALIKÁ ITALIKÁ (Seite 164-0)