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Westküste (Südkampanien)

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V.1 Die Regionen des eisenzeitlichen Süditalien

V.1.1 Westküste (Südkampanien)

Im Süden Kampaniens spielen im 9./8. Jh. vor allem die Ein-flüsse aus der Villanova-Kultur eine wichtige Rolle, die sich in ihrer stärksten Ausprägung in Stätten wie Capua und beson-ders Pontecagnano fassen lassen722. Die Stätte und das Umland von Pontecagnano zeigt starke Verbindungen nach Etrurien, was auch literarische Zeugnisse belegen723. Während die Struk-tur der Siedlung selbst noch relativ unbekannt ist, wurden über 8000 Bestattungen auf zahlreichen Nekropolen aus dem 9. bis 4. Jh. aufgedeckt. Deren früheisenzeitlicher Bezug zur Villanova- bzw. Protovillanova-Tradition lässt sich an der typi-schen Brandbestattung in Urnen ablesen. Wie in Etrurien war hier in der ersten Hälfte des 9. Jh. die Brandbestattung v. a. für Männer und in der zweiten Hälfte des 9. Jh. auch für Frauen die übliche Bestattungsform und die Auswahl der Grabbeiga-ben erfolgte nach geschlechtstypischen Gesichtspunkten. Die

717 Carollo – Osanna 2009, 388.

718 Horsnæs 2002, 56–57.

719 Horsnæs 2002, 53–55; Kammergräber werden erst ab dem 4. Jh.

gebräuchlich.

720 Vgl. Henning 2010.

721 Horsnæs 2002, 68. 94 unterscheidet für das 6.–5. Jh. vier Gebiete („cultural units“) im westlichen Süditalien (also grob dem späteren Lukanien), von denen drei indigener Natur sind: 1) Norden: Valle Platano-Kultur; 2) Zentrum: Vallo di Diano/Palinuro-Kultur; 3) Süden: Agri-Sinni-Kultur; 4) Küste: griech. Apoikiai (Poseidonia, Velia).

722 Ridgway 1992, 121–125. Zu den Nekropolen von Capua s. Thier-mann 2012. Auch Stätten wie Arenosola (Ruby 1995) zeigen diesen Einfluss, der sich vor allem in Grabritus und Sachkultur manifes-tiert.

723 Plin. nat. 3, 60.

sellschaftlichen Situation bieten, die sich im in dieser Studie untersuchten Zeitraum im Mezzogiorno darbot – und die den Hintergrund für die ab dem 8. Jh. einsetzende wechselseiti-ge Auseinandersetzung mit den Neuankömmlinwechselseiti-gen aus dem Ostmittelmeerraum und ihrer Ideen- und Sachkultur bildete.

V.1 Die Regionen des eisenzeitlichen Süditalien

Da die Architektur der einheimischen Gesellschaften des ge-samten Binnenlands bis ins 6. und 5. Jh. nahezu ausschließlich aus vergänglichen Materialien besteht, sind es weiterhin Nek-ropolen, die für die Erforschung der einheimischen Gruppen die erste und wichtigste Quelle bilden712. Insbesondere anhand des Bestattungsrituals, der Grabarchitektur, Art der Niederle-gung der Toten und ihrer Beigaben kann eine regionale Eintei-lung vorgenommen werden713.

Die Bestattungen des Untersuchungsgebiets lassen sich in wenige Grabtypen gliedern. Am häufigsten sind fossa-Gräber, simple Grabgruben, bei denen in einigen Fällen eine Hol-zauskleidung festgestellt werden konnte714. Eine Untergrup-pe bilden die sogenannten cassa- bzw. Steinkistengräber, die eine Umhegung der Bestattung bzw. eine Auskleidung der Grabgrubenwände mit aufrechten Steinplatten aufweisen. Die wichtigste Unterscheidung im Bestattungsbrauch betrifft die Totenlage: Westlich des Apennin, zum tyrrhenischen Meer, do-miniert die ‚oinotrische‘ gestreckte Rückenlage715. Demgegen-über wird die östlich des Apennin, zur Adria hin, verbreitete Niederlegung der Toten in Hockerlage (meist semirannicchia-ta) v. a. im 7.–5. Jh. mit ‚iapygisch-daunischem‘ Bestattungs-ritus assoziiert716. Die Nordost-Grenze dieser Bestattungssitte fällt mit dem Oberlauf des Ofanto zusammen und mit der Li-nie des Apennin-Höhenzuges. Auch die Gesellschaften des die

712 In den meisten Fällen ist zudem die topographische Beziehung zwi-schen Siedlung und Friedhof unklar, denn meist ist nur eines von beiden bekannt oder ergraben; Horsnæs 2002, 52.

713 Durch die in der Forschung oft auf die modernen politischen Re-gionen/Verwaltungsbezirke (für die vorliegende Studie handelt es sich um Kampanien, Kalabrien, Basilikata und Apulien, die jeweils eigene Denkmalbehörden besitzen) beschränkten Untersuchungen wird die Skizzierung eines überregionalen Überblicks erschwert.

714 Es handelt sich hierbei auch um den ältesten Typ, der an der Ost-küste vom 9. bis ins 3. Jh. vorkommt. Optional sind die Deckung des Grabes mit Steinplatten und die Auskleidung des Bodens mit Steinplatten oder Kieselbett. Die Länge der Grabgruben differiert von weniger als 1 m bis über 2 m, die Breite zwischen ca. 0,5 m bis 1,5 m. Manche in den Fels eingetiefte Gräber zeigen auch eine Verzierung der Grabwand, oft durch weißen Verputz mit roten Streifen, der z. T. auch in Erdgräbern nachgewiesen werden konnte.

Ab dem fortgeschrittenen 6. Jh. erscheint der Typus des Sarkophag-grabes (tomba a sarcofago): ovaler oder rechteckiger Sarkophag aus Tuff oder Kalkstein mit Deckplatten, z. T. innen bemalt; Greiner 2003, 99–100.

715 Sie findet sich in großen Flusstälern des Landesinneren und in den westlichen Küstengebieten, Lombardi 1996, 16.

716 Bianco 1990, 8; vgl. Karte in Greiner 2005, Abb. 45. Die Sitte der Hockerbestattung reicht z. T. weit nach Westen (bis nach Santa Ma-ria d’Anglona) während im oberen Teil der Agri- und Sinni-Täler die gestreckte Rückenlage dominiert; Gras 1998, 68.

Küstenstelle Kampaniens. Siedlung und Nekropole wurden auf der Tempa della Guardia, etwas zurückgesetzt vom eigent-lichen Landsporn, lokalisiert732. Auf der ca. 130 m hohen Ak-ropolis fanden sich die archäologischen Reste von rechtecki-gen Bauten mit losem Steinfundament und Lehmziegel- bzw.

Piséaufbau – die Nutzung von Fachwerktechnik ist unwahr-scheinlich, da keine Holzspuren aufgefunden wurden733. Be-reits in der zweiten Hälfte des 6. Jh. wurde die Siedlung mit ei-ner ersten Stadtmauer umgeben, hört jedoch schon kurz nach 500 auf zu existieren734. Die dokumentierten Gräber stammen ausschließlich aus diesem Zeitraum735. Etruskischer Einfluss manifestiert sich auch in Palinuro in der Brandbestattungssit-te736. Die Deponierung des Leichenbrandes erfolgte sowohl in kreisförmigen Gruben („a pozzo“) als auch in Ziegelkammern.

Für die letztgenannte Form wurde aufgrund des Fehlens von indigener Keramik angenommen, dass hier Griechen bestattet wurden – ein Beleg dafür fehlt737. Bei einigen Körpergräbern wie Grab A lässt sich aber eine Orientierung an griechischen Sitten feststellen, denn sie enthalten fast nur griechisches Sach-gut738. Solche Bestattungen könnten als bewusste Annäherung lokaler Gruppen an griechische Vorbilder gedeutet werden.

Bei anderen Bestattungen in gestreckter Rückenlage jedoch sind Menge, Anordnung und Art der Beigaben heterogen739: Sie enthielten im Unterschied zu den Brandgräbern italische Keramik, darunter sog. Palinuro-Krüge, zusätzlich aber auch westgriechische Formen v. a. zum Konsum von Getränken, wie etwa Knickrandschalen, Typ C-Kylikes, Streifennäpfchen, Oinochoen, Kratere etc. Auch an dieser Stätte findet sich die ganze Bandbreite keramischer Formen in männlichen wie weiblichen Gräbern. Ebenso verhält es sich mit Fibeln, wo-bei in Frauengräbern Schmuckelemente weiter verbreitet sind.

Die mit Speeren ausgestatteten Waffengräber stechen in an-derer Hinsicht nicht aus den übrigen Bestattungen heraus – das Tragen von Waffen scheint per se kein Merkmal für eine sozial herausgehobene Stellung gewesen zu sein740. Insgesamt steht der Friedhof von Palinuro, trotz zahlreicher Importstücke und dem besseren Zugang zu qualitätvollen Stücken (einige schwarzfigurige Gefäße wie Kleinmeisterschalen etc.) als in binnenländischen Stätten, ganz in italisch-einheimischer

Tra-732 Naumann 1958, 9–15 Abb. 1 Taf. 1–3 Karte 2.

733 Naumann 1958, 16–27.

734 Naumann 1958, 35–38; Naumann – Neutsch 1960, 16.

735 Naumann – Neutsch 1960, 18.

736 Ungewöhnlich ist die Praxis, Urnen mit einem zum menschlichen Gesicht umgearbeiteten Stein zu verschließen, s. Fiammenghi 1985, 8–10 Abb. 1–3. Der Ausgräber vermutete auf Grundlage ei-nes Kommentars von Servius bei Verg. Aen. 6, 378, dass die Brand-gräber auch auf eine Pestepidemie zurückzuführen sein könnten, was weder wahrscheinlich noch beweisbar ist; Sestieri 1949/1950, 50 (vgl. den Kommentar von Naumann – Neutsch 1960, 16).

737 Fiammenghi 1985, 11.

738 Fiammenghi 1985, 13–15.

739 Naumann – Neutsch 1960, 17.

740 Fiammenghi 1985, 12–13.

meisten Nekropolen in Pontecagnano waren eher klein. Sie wurden oft nach einer Generation aufgegeben, Kinderbestat-tungen sind unterrepräsentiert. Den Höhepunkt seiner inter-nationalen Vernetzung erreichte Pontecagnano in der Orien-talisierenden Zeit (letztes Viertel des 8. Jh. bis erstes Viertel des 6. Jh.), wobei sich die enge kulturelle Orientierung zur Villanova-Kultur zusehends auflöst724. Im Bestattungsbrauch setzt sich bald die Körperbestattung in gestreckter Rückenlage in Erdgruben durch. Insbesondere in sehr reichen und promi-nenten Gräbern ist in seltenen Fällen, wie etwa den ‚Fürsten-gräbern‘ 926-28 und 4461, die Kremation und Anleihen an sie noch länger gebräuchlich725. Im späten 8. Jh. beginnen mehre-re elitämehre-re Gruppen neue Gräberfelder anzulegen und Grabkul-te einzurichGrabkul-ten, die bis ins 5. Jh. fortbesGrabkul-tehen726.

Von der über Capua und Pontecagnano vermittelten Villa-nova-Tradition beeinflusst, bildeten sich im 9./8. Jh. in diesem Gebiet weitere lokale Gruppen, die ihr zwar in der Sachkultur ähneln, im Bestattungsritus jedoch abweichen: Die Stätten der sog. Cumae-Gruppe bilden einen Ring um Capua und Ponte-cagnano, führen aber im Gegensatz zur Villanova-Kultur Kör-perbestattungen durch. Sie sind Teil der sog. Fossa-Kultur, die sich an der Küste Kampaniens und im Binnenland ausbildet und nicht nur im vorgriechischen Cumae, sondern auch auf Ischia, im Sarno-Tal und der nördlichen kampanischen Ebene zu finden ist. Tiefer im Inland zeigt jedoch Sala Consilina in der frühen Eisenzeit starke Verbindungen zur ansonsten küs-tennahen Villanova-Tradition: Hier ist die Brandbestattung in Urnen, die bei Männern oft mit helmförmigen Deckeln ver-sehen sind, in der frühen Eisenzeit die gebräuchlichste Bestat-tungsform727. Gelegen im Vallo di Diano an einer Route, die direkt über den in den Sele mündenden Tanagro durch das Gebiet der nordlukanischen Oliveto-Cairano-Gruppe bis nach Pontecagnano führt, wirkt dieser Ort damit wie ein fremdar-tiger Keil in der umgebenden indigenen Bevölkerung728. Im Laufe der Zeit ändert die Stätte ihre Rolle allerdings grundle-gend: In der zweiten Phase der Eisenzeit (etwa ab dem zweiten Viertel des 8. Jh.) werden die Verbindungen zwischen dem Diano-Tal und der tyrrhenischen Küste unterbrochen und Brandgräber verschwinden zugunsten der fossa-Gräber729. In dieser Zeit wird Sala Consilina zu einer italisch geprägten Sied-lung und einem bedeutenden lokalen Zentrum730.

Gut dokumentiert sind die archaischen Befunde von Pali-nuro731. Der Fundort liegt auf einem Kap an einer exponierten

724 Greiner 2003, 44.

725 Cuozzo 2007, 229–233. Diese sind teils als ‚Ahnengräber‘ anzu-sprechen, die von Männern wie von Frauen stammen können; s.

etwa im Norden des Ostfriedhofs Grab 2465 mit Tumulus, das kein benachbartes männliches Gegenstück besitzt; Cuozzo 2007, 235.

726 Cuozzo 1994.

727 Kilian 1964, Kilian 1970. Allerdings auch schon in der Bronzezeit;

La Genière 1979, 65.

728 D’Agostino 1998, 25.

729 La Genière 1979, 78–79.

730 D’Agostino 1989, 216; d’Agostino 1998, 27; De Juliis 1996, 61–

731 Horsnæs 2002, 52.66.

einem runden Graben umgeben. Es handelt sich fast aus-nahmslos um Inhumationen, wobei es eine Entwicklung von der Hocker- zur Rückenlage im Niederlegungsbrauch gibt:

Die ältesten Toten wurden in Hockerlage ins Grab gebettet, die jüngsten in gestreckter Rückenlage. Der Übergang er-folgt nicht abrupt, sondern über eine Zwischenstufe, analog zu den Zuständen in den binnenländischen Nekropolen des 6./5. Jh., in gestreckter Rückenlage mit leicht zu einer Seite angewinkelten Beinen (semirannicchiata). Die Bestattungen des Tumulus lassen sich in sieben aufeinanderfolgende Phasen unterteilen: Gruppe A (um 800) und Gruppe B1 (frühes 8.

Jh.) mit stark kontrahierten Hockerbestattungen, Gruppe B2 (Mitte 8. Jh.) und Gruppe C (spätes 8. Jh.) mit zuerst leichter Kontraktion und Übergang zur gestreckten Rückenlage sowie ersten Importen. In Gruppe D (ca. 700–670) findet sich ein Frauengrab, das erstmals exklusiv mit griechischer Importke-ramik attischer und korinthischer Herkunft ausgestattet ist, ab Gruppe E (ca. 670–650) und Gruppe F (ca. 650–600) auch fossa-Gräber ohne kleinen Tumulus und mit beginnender steti-ger Abnahme des Beigabenreichtums. Gruppe G (erste Hälfte des 6. Jh.) zeigt kurzfristig wieder reichere Beigaben in Form von B2-Knickrandschalen als qualitätvolle Trinkgefäße747. Die Entwicklung von der Hocker- zur Rückenlage vollzieht sich in dieser Region offensichtlich in der zweiten Hälfte des 8. Jh.

und wird von ersten Zeugnissen des Kontaktes zum griechi-schen Bereich begleitet, was allerdings auf einer italisch beleg-ten Nekropole nicht bedeutet, dass dieser Wechsel unmittelbar auf externen, griechischen Einfluss zurückzuführen ist748.

Zur Siedlungstopographie Kalabriens in der frühen Eisen-zeit ist nur sehr wenig bekannt749. Das beste Beispiel bilden die Reste auf dem Timpone della Motta, einem dem Fried-hofsareal von Macchiabate benachbartem Hügel750. Von be-sonderer Bedeutung ist ein großes Apsidenhaus: Die noch im 9. Jh. aus Holz erbaute Hütte hat eine Fläche von 112 m² und besitzt einen Herdbereich, der durch Objekte wie Fibeln, Bronzespiralen, aber auch kleine Bronzestatuetten als Altar mit zugehörigen Votivgaben angesprochen wird. Außerdem markieren zahlreiche große, schwere Webgewichte die Position eines Standwebstuhls. Mit Textilverarbeitung können auch in der Nähe gefundene große Gefäße verbunden werden, die viel-leicht zum Färben der Wolle dienten751. Das Gebäude scheint eine herausragende Bedeutung als zentrales Bauwerk für Tex-tilverarbeitung innegehabt zu haben – wobei die aufwendig verzierten Webgewichte andeuten könnten, dass hier über die reine Produktion hinaus auch damit verbundene rituelle Aspekte oder eine Kultpraxis eine Rolle spielte. Darauf und auf die Verehrung einer indigenen weiblichen (mit dem Web-handwerk verbundenen?) Gottheit an dieser Stätte deutet auch

747 Kleibrink 2004, 61–69.

748 Bianco 1996c, 45. Die Rückenbestattung ist auch an der gesamten ionischen Küste die Regel. Zum Zeitpunkt der ersten Importe in Macchiabate s. auch Quondam 2009, 162.

749 Russo Tagliente 1992, 32.

750 Kleibrink 2004, 54–74.

751 Kleibrink 2004, 75–78, Burgers 2004, 260.

dition741. Auch die Körperbestattungssitte muss nicht zwin-gend auf griechische Einflüsse zurückgeführt werden742. V.1.2 Südwestküste (Nordkalabrien)

Die Nekropole von Macchiabate bei Francavilla Marittima in der Gegend von Sybaris wurde durchgehend vom 9.–6. Jh. be-legt743. Sie besteht aus mehreren Gruppen von Bestattungen, von denen noch nicht alle ergraben wurden.

Der Strada-Tumulus744, der um das Ende des 9. Jh. datiert werden kann, imitiert mit seiner apsidialen Form eine einhei-mische Hütte. Unter den zahlreichen Beigaben im Tumulus, deren Gesamtensemble auf eine Frauenbestattung mit Kind hindeutet, findet sich auch eine kunstvoll und figürlich de-korierte Bronzeschüssel phönizischer Machart, bei der es sich um eine lokale Imitation handeln könnte. In jedem Fall kann dies als Beleg dafür gewertet werden, dass schon in dieser Zeit Kontakte mit Auswärtigen und ein Interesse an fremder und vor allem exotisch-wertvoller Sachkultur bestand. Das etwa zeitgleiche zentrale Grab des Cerchio Reale-Tumulus imi-tiert wie beim Strada-Tumulus die Hüttenform. Es ist trotz fehlenden Knochenmaterials aufgrund der Beigaben wie der eines Hammers wohl als Männergrab anzusprechen. Um das zentrale Grab herum waren insgesamt 13 weitere Frauen- und Kindergräber angelegt, die in runde oder ovale Strukturen aus Bruchsteinen gebettet waren. Nur eines der umliegenden Grä-ber enthielt die sterblichen ÜGrä-berreste eines weiteren Mannes.

Der Grund für dieses starke Übergewicht der Frauen ist unbe-kannt. Entweder sind die Männer in der Zusammensetzung ihres Beigabenensembles nicht erkennbar und wurden auf andere, archäologisch nicht sichtbare Art bestattet oder waren vom Bestattungsritual in diesem Areal ausgeschlossen. Dass der Tumulus einer in sich geschlossenen, von einem bestimm-ten Zusammengehörigkeitsgefühl geprägbestimm-ten Personengruppe als Grablege diente, legt die Tatsache nahe, dass er schon kurz nach der Mitte des 8. Jh. von einer runden Bruchsteinmauer umgeben wurde und danach keine Bestattungen mehr erfolg-ten745. Der Cerchio Reale-Tumulus bildet aber nicht zuletzt im Hinblick auf die ungleiche Geschlechterverteilung einen Sonderfall, denn später wird die Bestattung von Männern mit reicher Ausstattung häufiger und das Geschlechterverhältnis ausgeglichener746.

Der Temparella-Tumulus ist eigentlich kein richtiger Tu-mulus, sondern vielmehr ein Hügel mit über 250 Einzelgrä-bern, jedes mit eigenem kleinen Steinkegel. Diese kleinen Tumuli wurden immer weiter übereinander gebaut und mit

741 Naumann – Neutsch 1960, 99–135; zu diesem binnenländischen Charakter kann auch der in den Gräbern deponierte Bernstein ge-zählt werden, der hier allerdings seltener ist als etwa in Ripacandida;

vgl. Naumann – Neutsch 1960, 173.

742 Naumann – Neutsch 1960, 19.

743 Kleibrink 2004, 54–74.

744 Kleibrink 2004, 57–59.

745 Eventuell ein Zeichen dafür, dass diese (Abstammungs- bzw. Kern-familien-)Gruppe, ausstarb oder nicht mehr auf diese Weise bestat-ten durfte.

746 Kleibrink 2004, 59–60.

Bewaffnung noch auf den Brauch, männliche Verstorbene be-waffnet zu bestatten757.

Die Entwicklung von der Eisenzeit bis in die Archaik lässt sich am besten auf dem Gräberfeld von Chiaromonte-Sotto la Croce (Abb. 60) nachvollziehen. Sein Belegungszeitraum reicht vom 8. bis in die Mitte des 5. Jh., die weitaus meisten Gräber stammen aus dem 6. Jh. Die Nekropole gliedert sich in unterschiedliche Bereiche bzw. Cluster, die sich um besonders reich ausgestattete Bestattungen gruppieren (z. B. Grab 71 und Grab 110, die jeweils eine Reiter- bzw. Pferdeausrüstung be-inhalten). Insgesamt ist der Anteil von reichen Männer- bzw.

Kriegerbestattungen sehr hoch – knapp 40 % der männlichen Bestattungen sind Waffengräber758. Dass der Reichtum der Stätte und ihrer Bewohner im 6. Jh. mit dem Kontakt zu den griechischen Neuankömmlingen im Küstenbereich zusam-menhängen könnte759, legen Befunde wie der des Grabes 216 nahe: Im Hüftbereich des Toten fanden sich Weinkerne, wahr-scheinlich von einer vom Verstorbenen gehaltenen Traube. Ob dies aber nur den Konsum der wilden Beeren meint oder ein Beleg für den Konsum des Getränks im elitären Rahmen mit griechischen Siedlern ist, bleibt ungeklärt760. Vielleicht noch früher als bei den Männern kommt es in Chiaromonte zu ei-ner stärkeren Akzentuierung der weiblichen Grabbeigaben:

Während im 7. Jh. Männergräber meist schmucklos und nur mit einzelnen Waffen ausgerüstet sind, entwickelt sich in den Frauengräbern eine Beigabensitte, die die Verstorbenen mit z.

T. sehr elaborierten Schmucktrachten zur letzten Ruhe bettet.

Diese parures liefern einen Hinweis auf die zentrale Bedeutung einzelner Frauen – zumal einige Frauengräber des 6. Jh. (Grä-ber 96, 154, 182 und 205) mit Bratspießen und Feuerböcken eher männlich konnotierte Beigaben enthielten, was sich mit dem Befund der Beigabensitten der späteren Phasen der bereits besprochenen Nekropolen deckt761.

In Chiaromonte sind für den gesamten Zeitraum der Ne-kropolenbelegungen keine Siedlungsfunde bekannt, aber auf-grund der Mehrzahl meist relativ kleiner Friedhöfe (nur im Gräberfeld Sotto la Croce wurden ca. 330 Bestattungen aufge-deckt, darunter wohl die ranghöchsten Gemeinschaftsmitglie-der) ist die Existenz unterschiedlicher kleiner Siedlungsnuklei im Gebiet der Stätte wahrscheinlich, wobei von einer Gesamt-bevölkerung von kaum mehr als 100 Personen gleichzeitig auszugehen ist762. Da die Anzahl der Bestattungen seit dem 7., v. a. aber dem 6. Jh. ansteigt, hat sich in dieser Zeit wahr-scheinlich auch die zugehörige Siedlung vergrößert und sozio-ökonomisch gefestigt – das späteste ‚Fürstengrab‘ wurde im

757 D’Agostino 1989, 199.

758 Bottini – Setari 1996, 59–60.

759 z. B. in Grab 76, das Beziehungen zu Griechen und nach Etrurien aufzeigt; Bianco 1996a, 133.

760 Bianco 1999b, 368; vgl. den Befund von Baragiano, s. o. S. 175 Anm. 601.

761 Bianco 1999b, 369–370; s. auch Markantonatos 1998, 189–191 und Saltini Semerari 2007/2008, 120 Abb. 1.

762 Bianco 1996a, 133.

die Tatsache hin, dass das Areal in der weiteren Entwicklung zu einem großen Athenaheiligtum mit drei langrechteckigen Holztempeln ausgebaut wird. Aufgrund ihres Layouts vermutet Marianne Kleibrink den Einfluss von oder die Orientierung an den griechischen Neuankömmlingen. Einer dieser gegen Ende des 8. Jh. errichteten Tempel (Tempel V) überbaut das ältere Webhaus – ein Hinweis auf Kultkontinuität und damit den sakralen Charakter des Vorgängers. Die frühesten Tempel des in der zweiten Hälfte des 7. Jh. renovierten und teilweise neu errichteten Komplexes sind dabei zeitgleich mit den spätesten reichen Bestattungen auf Macchiabate752. In der Folge sinkt im benachbarten Temparella-Tumulus der Beigabenreichtum der Gräber der Gruppe F (ca. 650–600), während gleichzeitig viel Aufmerksamkeit auf das benachbarte Heiligtum gerichtet wird – dort finden sich weiterhin zahlreiche Votivgaben753.

V.1.3 Südküste am ionischen Golf und weiteres Binnenland (Basilikata)

Ein bedeutendes früheisenzeitliches Siedlungsgebiet zwischen ionischer und tyrrhenischer Küste nördlich der Sibaritide stellt das Territorium der Flusstäler von Agri und Sinni dar. Die hier untersuchten Stätten sind im Bestattungsbrauch eher der tyrrhenischen Küste, und zwar insbesondere der Fossa-Kultur verpflichtet. Bereits ab dem 8. Jh. herrscht in diesem Gebiet die gestreckte Rückenlage als Bestattungsform vor754.

Chiaromonte im Sinni-Tal liegt an der Achse zwischen ionischem und tyrrhenischem Meer und erhebt sich akropo-lisartig auf ca. 700 m Höhe ü NN. Verschiedene Nekropolen belegen die Bedeutung der Stätte von der frühen Eisenzeit bis ins 5. Jh.755 Auf der Nekropole von Chiaromonte-San Pasqua-le, deren Bestattungen noch aus dem 9. Jh. stammen, können Beigaben wie Fibeln mit vier Spiralen noch Beziehungen zum balkanischen Raum illustrieren756, während sich in dem etwas späteren Gräberfeld von Chiaromonte-Serrone, das während des 8. Jh. genutzt wurde, die Anzahl an Bronzeobjekten redu-ziert. Hier ist auch der Übergang von Bronze- zu Eisenwaffen

Chiaromonte im Sinni-Tal liegt an der Achse zwischen ionischem und tyrrhenischem Meer und erhebt sich akropo-lisartig auf ca. 700 m Höhe ü NN. Verschiedene Nekropolen belegen die Bedeutung der Stätte von der frühen Eisenzeit bis ins 5. Jh.755 Auf der Nekropole von Chiaromonte-San Pasqua-le, deren Bestattungen noch aus dem 9. Jh. stammen, können Beigaben wie Fibeln mit vier Spiralen noch Beziehungen zum balkanischen Raum illustrieren756, während sich in dem etwas späteren Gräberfeld von Chiaromonte-Serrone, das während des 8. Jh. genutzt wurde, die Anzahl an Bronzeobjekten redu-ziert. Hier ist auch der Übergang von Bronze- zu Eisenwaffen

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