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Die Rolle von Nahrungszubereitung, -konsum und -verteilung

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VII.1 Rekonstruktion lokaler und überregionaler Identitätsgruppen

VII.1.5 Die Rolle von Nahrungszubereitung, -konsum und -verteilung

In der Herstellung von Nahrung verschmelzen die Konzep-te und Aufgaben des domus und agrios: Die außerhalb des faktischen Haushaltes (als Ort und soziale Gruppe) erwirt-schafteten Produkte wurden in der häuslichen Gemeinschaft zubereitet, verteilt und verzehrt. Hinweise auf Tätigkeiten in diesem Bereich liefern v. a. die keramischen Zeugnisse, wo-bei angesichts der Schwierigkeit, bestimmte Gefäßformen mit konkreten Verarbeitungs- bzw. Zubereitungsschritten sicher zu verbinden, eher Rückschlüsse auf den Konsum und die Vertei-lung der Nahrung zulässig erscheinen1092.

Die Ausstattung mit keramischen Beigaben ist – mit Aus-nahme der Kindergräber – über die bereits genannten Kate-gorien hinweg sehr einheitlich. Wenn die Annahme zutrifft, dass das keramische Ensemble auch lebensweltliche Zustände und Nutzungsschemata abbildet, kann dies als Zeichen dafür erachtet werden, dass die Rolle als Versorger der Familie bei-den Geschlechtern zufällt. Allerdings lassen sich lokale Unter-schiede in den Zuständigkeiten für die Zubereitung einzelner Nahrungsmittel festmachen: Fleischspieße scheinen in Ripa-candida Männern vorbehalten zu sein, an anderen Stätten, al-lerdings meist in elitärem Kontext, sind sie auch in Gräbern von Frauen zu finden1093. Fleisch mag als Nahrungsmittel eine besondere Bedeutung und einen hohen Stellenwert gehabt haben. Was den sonstigen Nahrungskonsum angeht, lassen sich aber auch in Ripacandida eigentlich keine Unterschiede feststellen – es sei denn, man versucht die archäologischen Evi-denzen in bestimmte Richtungen zu zwingen, indem man die Befunde und Funde mit anderweitig belegten Geschlechterrol-len assoziiert und in diesem Sinne deutet: etwa einen Krater im Frauengrab ausschließlich mit Zubereitung verbindet, dasselbe Gefäß in einem Männergrab aber als Konsumanzeiger auffasst.

Eine solche Vorgehensweise ist angesichts des Mangels an zeit-genössischen Sekundärquellen wie Bildsprache oder schrift-lichen Nachrichten, die Entsprechendes nahelegen würden,

1092 Dazu kommt, dass Keramik wahrscheinlich eher als Tafelgeschirr diente, während besonders bei Verarbeitung und Zubereitung von Nahrungsmitteln sicherlich auch Gefäße aus Materialien wie Leder, Holz oder Weide (Körbe etc.) zum Einsatz kamen, die meist nicht mehr erhalten sind.

1093 Dies deckt sich auch mit dem Messerbefund: In süditalienischen Frauengräbern finden sich Messer oft zusammen mit Objekten der Spinnerei und Weberei, wahrscheinlich als Gegenstand für damit zusammenhängende Tätigkeiten. In den zugehörigen Männergrä-bern scheint das Messer auch nur als Werkzeug gemeint zu sein.

Bei manchen Frauengräbern des 8. Jh. in Latium allerdings schei-nen Größe und hohes Gewicht der Messer auch auf die Funktion des Zerteilens von Fleisch hinzudeuten; Bianco Peroni 1976, 11.

Einen möglichen Bezug dieser Praxis zu homerischen, auf Gast-freundschaft bezogenen Verhaltensweisen herzustellen, macht die Untersuchung von Wagner-Hasel 2000, 117–122 zu den Verben xeinizein (ξεινίζειν; den Gast von Männern mit dem Fleischanteil versorgen) und komizein bzw. phileein (κομίζειν/φιλέειν; den Gast eher von Frauen mit Nahrung, Kleidung und Bad versorgen) ver-führerisch, ist aber archäologisch kaum beweisbar.

schen Erforschung des spätarchaischen (Bankett-)Hauses der Stätte1099: Sie setzen wie Dietler die gemeinschaftliche Mahlzeit (feasting) ins Zentrum sozialer Begegnung und Interaktion1100. Im indigenen Umfeld des süditalischen Binnenlandes sind die möglichen Funktionen von solchen Aktivitäten, die mit größe-ren architektonischen Struktugröße-ren in Verbindung standen, noch nicht in befriedigender Weise untersuchbar, v. a. aufgrund des Fehlens aussagekräftiger Befunde. Hinzu kommt die Tat sache, dass die materiellen Hinterlassenschaften, die zur Analyse einer Konsumarchäologie herangezogen werden müssten – insbesondere archäobotanische und archäozoologische Reste – bisher bei Grabungen nur wenig Beachtung fanden, auch im kontextuellen Zusammenhang ihrer Deponierung bzw.

Auffindung1101. In Süditalien sind die bereits erwähnten reprä-sentativen Bauten von Torre di Satriano, Braida di Vaglio und an weiteren Orten der Zeitregion sehr wahrscheinliche Kandi-daten für die Veranstaltung solcher Zusammenkünfte1102. VII.1.6 Prozesse der Elitenbildung

Die Beschäftigung mit überfamiliären Gastmählern, deren architektonischer und kulinarischer Gestaltung sowie ihrer soziopolitischen Funktion führt zurück zur Frage nach dem Status ihrer Veranstalter und Teilnehmer. Es ist anzunehmen, dass solche Ereignisse mit dem Streben nach oder der Erhal-tung von einer Autoritätsposition verbunden waren. Genauere Aufschlüsse zu solchen Prozessen lassen sich wiederum aus den Grabbefunden herauslesen, die ungleich reicheres Material bieten als die Siedlungen.

Auf allen Friedhöfen des nordlukanisch-nordapulischen Raums sind anhand der Beigaben Statusunterschiede zu erken-nen, selbst auf kleinen und bescheiden ausgestatteten Nekro-polen wie Ripacandida. In kleinen familiären Gruppen ist an-zunehmen, dass umfangreich mit Grabbeigaben ausgestattete Individuen dem Familienvorstand angehörten und Autorität mit der Verantwortung für Wohlergehen und Zusammenhalt des Haushaltes einherging. Es ist wahrscheinlich, dass in klei-nen lokalen Gemeinschaften Status den erfahrensten, ‚funk-tionell potentesten‘, charismatischsten oder ältesten Mitglie-dern des Haushalts- oder Gemeinschaftsverbandes zugeschrie-ben wurde und dies Frauen wie Männern sein konnten. Die Grabbeigaben selbst der reichsten Bestattungen Ripacandidas stehen jedoch weit hinter dem zurück, was auf anderen Nekro-polen in den sog. tombe principesche deponiert wurde1103.

Die besten Kandidaten im näheren Umfeld von Ripacan-dida für Personen, die als zentrale Autoritäten an der Spitze

1099 Vgl. Dietler 2006; Kistler – Ulf 2005, 273.

1100 Kistler – Öhlinger 2015; Kistler – Mohr 2015.

1101 Das ändert sich aber in neueren Grabungen, s. etwa die Untersu-chung von Gefäßinhalten in der residenza ad abside von Torre di Satriano, bei denen Reste von Wein gefunden wurden; Pepe u. a.

2009.

1102 s. o. Kap. VI.1.1.

1103 Wobei unklar ist, was genau man sich unter diesen principi vorzu-stellen hat; s. etwa d’Agostino 1977, Bottini 1982a, Cassano 1992, Obojes 2018 und viele weitere Beispiele.

sondern ergänzen es nur. Später kommen als Importformen auch Groß- und Schüttgefäße griechischen Stils hinzu (Kratere und Oinochoen, seltener und später Amphoren). Auch diese treten oft nur neben das weiterhin im Grab vorhandene ein-heimische Set, ohne es zu ersetzen. Erst im Verlauf des 5. Jh., lange Zeit nach ihrem erstmaligen Vorkommen und zu einer Zeit, als Drehscheibenware in Süditalien weit verbreitet war, kommt es zur Verdrängung traditioneller Formen wie Olla, Kanne und Schöpftasse durch griechische Modelle – die in den meisten Fällen aber kaum noch Importe aus Griechenland oder den apoikiai gewesen sein dürften, sondern nun regelhaft auch in italischen Werkstätten produziert wurden. Die neuen keramischen Formen, ob importiert oder lokaler Produktion, finden sich grundsätzlich über den gesamten Untersuchungs-zeitraum unterschiedslos und ohne erkennbares Muster so-wohl in männlich wie in weiblich konnotierten Gräbern. Auch angesichts des meist weiterhin vorhandenen italischen Form-sets ist trotz des im griechischen Bereich mit Gefäßen wie Kra-ter und Trinkschale assoziierten gehobenen Weingenusses im Rahmen eines männlich dominierten Kontextes die Übernah-me des Symposiums in seiner gesellschaftlichen ZusamÜbernah-menset- Zusammenset-zung durch die italische Bevölkerung daher abzulehnen. Ban-kettausrüstung war vielmehr immer wichtiger Bestandteil der Gräber, und muss demnach nicht griechischem Einfluss zu-zuschreiben sein – zumal insbesondere die wertvollen Metall-gefäße, v. a. bronzene Kessel und Oinochoen, nicht unbedingt griechischer, sondern etruskischer Herkunft sein konnten1097.

Die generell große Bedeutung, die der Veranstaltung von Gastmählern bzw. Festen für gesellschaftliche Formation zu-kommt, hat Dietler in mehreren Studien aufgezeigt. Er benutzt für diese Art sozialer Einflussnahme den Begriff der „kommen-salen Politik“: In jüngeren Untersuchungen hat sich immer mehr die Bedeutung von Festen bzw. öffentlichen Bewirtungs-kontexten als Arena intra- und interkultureller (bzw. -gemein-schaftlicher) Kohäsion, Integration und v. a. Distinktion he-rausgestellt. Gestützt auf ethnosoziologische Untersuchungen begreift Dietler gemeinsame Mahlzeiten, insbesondere mit dem Konsum vornehmlich alkoholischer bzw. psychoaktiver Getränke wie Bier und Wein, auf nahezu allen sozialen Ebenen als eines, wenn nicht das wichtigste Mittel gesellschaftlicher und politischer Autoritätsgewinnung und -stabilisierung1098. Feste zur Erzeugung sozialer Asymmetrien bedienen sich ritu-eller Formen (bestimmter Kodex, bestimmtes Prozedere), de-ren grundlegende Symbolik auf die Struktude-ren des alltäglichen Haushaltskonsums zurückgehen kann, sich aber in öffentli-chen Festen von diesem unterscheiden muss. Sehr ähnliche Ansätze verfolgen Erich Kistler und seine Kollegen auf dem Monte Iato in Zusammenhang mit der

konsumarchäologi-1097 An Stätten mit überregionaler Vernetzung (zur zentralen Lage von Vaglio s. Mertens-Horn 1992, 79) jedoch deutet sich an, dass die dortige Gastgeberrolle (im Gegensatz zu den egalitären Zuständen in Ripacandida) zunehmend von Männern wahrgenommen wurde, worauf noch einzugehen ist.

1098 Vgl. insbesondere Dietler 2006, 543–548; dazu auch Kistler 2014, 83–87.

unterschiedlichen Begleitprozessen: Etwa der Etablierung von temporären Allianzen zwischen regionalen Eliten, die ihren lockeren Verbund durch rituelle und vertragliche Begegnun-gen regelten und auch aktiv externe Partner zur Untermaue-rung der eigenen Position suchten. Ob und wann es in diesem hochdynamischen Prozess, in dem auch kriegerische Ausein-andersetzungen und/oder militärische Bündnisse eine Rolle gespielt haben könnten1109, zur Ausbildung von überregio-nalen Herrscherdynastien kam, ist gerade angesichts der sehr spärlichen Zeugnisse in den schriftlichen Quellen fraglich.

Selbst im Zuge der Berichte des Livius zu den Kampagnen des Alexander Molossus in Süditalien im späten 4. Jh. wird nur allgemein von elitären lukanischen Familien und Generälen gesprochen, niemals jedoch ein Herrschergeschlecht nament-lich genannt1110. Demgegenüber lässt sich die Ausbildung und Existenz von Eliten und Zentralorten in Nordapulien anhand der Grabbefunde bis in diese Zeit gut nachverfolgen1111. Trotz des Fehlens von archäologischen Hinweisen auf ein zentrales

‚Königtum‘ in dieser Region ist anzunehmen, dass sich mit der Zeit und ab dem 7./6. Jh. im Konkurrenzprozess der regio-nalen Eliten für einige von ihnen, die ihren Einfluss über ein weiteres Territorium ausdehnen konnten, eine Vormachtstel-lung entwickelte1112. Dabei könnten Angehörige der jeweils lokalen Führungsschicht in kleineren Gemeinschaften die Rolle als deren örtliche Repräsentanten übernommen und in einem wechselseitigen Prozess zur Zementierung dieses Ein-flusses beigetragen haben, indem die lokalen ‚Statthalter‘ erste Loyalität der überregionalen, zentralen Autorität zollten, die ihrerseits die Rolle dieser lokalen Statthalter sicherte. Im ar-chäologischen Fundgut lassen sich Hinweise auf einen solchen Zugriff von überregionaler Autorität auf kleinere und remotere Gemeinschaften bei genauerer Untersuchung ab dem 6./5. Jh.

beobachten – und damit die regionale Machtbasis von solchen sich entwickelnden und um weitergehenden Einfluss konkur-rierenden Eliten wie derjenigen, die sich in Braida di Vaglio in ihren reichen Grablegen mit dynastischen Statusaspirationen und dem assoziierten Banketthaus auch materiell sichtbar ma-nifestiert1113. In diesem Zusammenhang spielen Bestattungen wie die bei der Analyse der Gemeinschaft von Ripacandida besonders hervorstechenden beiden Männerbestattungen des 5. Jh. eine Rolle, die einheitlich mit funktionslosen, aber

kost-1109 Und auch dies mit externen Partnern, wie das Beispiel des Artas zeigt, s. o. S. 17. 100. 149.

1110 Vgl. Livius 8, 24; zu einer Sammlung der schriftlichen Nachrichten über die Bewohner Apuliens s. Lombardo 2014.

1111 Steingräber 2000.

1112 Zum Konkurrenzgedanken s. Osanna 2013a, 49, der in den elitä-ren (durch Architektur und Grabbefunde so interpretierten) Stätten Nordlukaniens wie Torre di Satriano (Apsidenhaus vs. anaktoron) des 5. Jh. autonome, nebeneinander existierende Einheiten sieht, denen jeweils ein Anführer („capo“) vorsteht.

1113 Solche Prozesse entsprechen der gängigen Forschermeinung, dass die eisenzeitlich-archaische süditalische Bevölkerung tribale Struk-turen im Sinne von Häuptlingstümern aufwies, bei der die Macht in der Hand starker Individuen und ihrer Abstammungslinien liegt und durch Verwandtschaftsbeziehungen und Patronageverhältnisse verstärkt wurde; Herring 2000, 53.

größerer regionaler Gemeinschaften und tatsächlich an der Grenze zu ‚fürstlicher‘ Dynastiebildung standen, sind die in Melfi-Chiuchiari und Braida di Vaglio auf kleinen und sehr reich ausgestatteten Gräberfeldern bzw. separierten Grabbezir-ken bestatteten Individuen1104. Neben der generell sehr reichen Ausstattung liefern die eindeutigsten Hinweise auf eine gesell-schaftlich herausgehobene Position vor allem Objekte, die auf den Besitz von Pferden hindeuten. Pferdegeschirr und Pfer-deschmuck finden sich tatsächlich nur bei den am üppigsten ausgestatteten Männergräbern, bei weiblichen oder gemischt-geschlechtlichen Bestattungen dienten vermutlich Wagenteile (v. a. Räder) demselben Zweck1105. Die Darstellungen von Rei-tern bzw. Pferdebesitzern auf den Dachterrakotten von Braida di Vaglio, Torre di Satriano und die Bronzestatuette des sog.

Reiters von Grumentum können insofern am ehesten dem Idealbild führender Mitglieder der italischen Eliten des 6. Jh.

entsprechen1106. Zudem sind Pferdebilder auf ansonsten mit hohem Prestige verbundenen Objekten wie beispielsweise Hel-men zu finden1107.

Obwohl auf Grundlage der archäologischen Zeugnis-se kaum beweisbar, ist nicht unwahrscheinlich, dass in den reichsten Gräbern an Stätten von überregionaler Bedeutung wie Chiaromonte, Baragiano oder Braida di Vaglio die Per-sonen bestattet sind, denen die griechischen Schriftquellen

„königlichen“ Rang attestieren1108. Konkretere Aussagen zur hierarchischen Struktur und zur Ausdehnung des jeweiligen Einflussbereichs solcher Eliten sind jedoch schwierig, insbe-sondere angesichts der engen Verteilung von reichen Gräbern des 6./5. Jh. im Melfese (Chiuchiari, Leonessa, Pisciolo). Es ist unwahrscheinlich, dass jede der nur maximal etwa zwei Dutzend Kilometer voneinander entfernt bestattenden Ge-meinschaften einen eigenen ‚Häuptling‘ besaß, dem von den griechischen Historiographen ein „königlicher“ Rang zuge-standen wurde oder worden wäre. Zweifellos sind die reichen Gräber aber ein Zeichen lokaler Elitenbildungen – die Vermu-tung liegt nahe, dass das 6./5. Jh. eine Zeit intensiver sozialer Umstrukturierungen war, mit elitärer Konkurrenz und ihren

1104 Dass nicht nur Einzelpersonen den neuen Status erhielten und beim Tod verloren, sondern ihn auch weitergaben, zeigen reiche Frauengräber in Melfi- oder Siris-Gebiet sowie vereinzelt auch sehr reiche Kindergräber (Valle Sorigliano, Chiaromonte-Sotto la Cro-ce); Bianco 1996, 33.

1105 Vgl. Melfi-Chiuchiari, Grab F, und das Grabpaar 64/65 von Ruvo del Monte. In Canosa, Via San Paolo Grab 32 fand sich eine reiche Frauenbestattung des frühen 6. Jh. mit darüber liegender Pferde-bestattung; Montanaro 2010, 105–106.

1106 Zum Reiter von Grumentum und ähnlichen Kleinbronzen vgl.

Russo Tagliente 1998 und weiterführende Literatur. Interessant werden in diesem Zusammenhang sicher auch die Ergebnisse einer zurzeit von Ted Robinson (pers. Mitt.) durchgeführten Studie zu Vorkommen und Zeitstellung von Sporen im vorrömischen Südita-lien sein.

1107 z. B. Lavello, Grab 56 (5. Jh.); Popoli Anellenici 1971, 130. Sie tau-chen aber auch auf einfacheren Objekten auf, wie z. B. einer Olla in Miglionico, Grab 10 (1. Hälfte 5. Jh.); Popoli Anellenici 1971, Taf.

1108 Torelli 1996, 125–126.7.

denfalls, dass sie Teil der elitären sozialen Kompetitionsfelder der traditionellen Gesellschaft wurden.

Verschiebungen in sozialen Rollen und Zuständigkeiten

Mit der Elitenbildung des 7.–5. Jh. scheint ein weiterer Pro-zess verknüpft zu sein, der ebenso tiefgreifende Konsequenzen hatte: Insbesondere zu Beginn dieses Zeitraums präsentieren sich weibliche Bestattungen als reich ausgestattet, im 8./7. Jh.

teilweise mit reichen parures1118. Sie gehören nicht selten zu den frühesten Bestattungen der bekannten Gräberfelder, im Fall von Ripacandida stehen sie sogar am Beginn der gesamten Nekropole und sind Ausgangspunkt der wichtigsten Cluster.

Diese frühen, relativ umfangreich mit Schmuck ausgestatteten Frauengräber können teilweise allein stehen wie in Ripacan-dida, teilweise sind sie mit männlichen Bestattungen verbun-den. Dabei ist durchaus denkbar, dass gerade bei den Frauen-trachten zumindest einzelne Elemente symbolisch aufgeladen waren1119. Auszugehen ist davon, dass die reich ausgestatteten Frauengräber Individuen hohen gesellschaftlichen Ranges bar-gen1120.

Im Laufe der Zeit scheint es jedoch zur Zurücknahme der Bedeutung der weiblichen Bestattungen zu kommen – zwar fin-den sich weiterhin reiche Frauengräber; diese sind aber immer häufiger mit männlichen Bestattungen bzw. umfangreich aus-gestatteten Waffengräbern verknüpft. Gleichzeitig manifestiert sich im elitären architektonischen Kontext in der Ikonogra-phie der Dachterrakotten und in den mit solchen Banketthäu-sern assoziierten Bestattungen eine klar gesteigerte Rolle der

1118 Robb 1997, 52. Dabei muss im Auge behalten werden, dass eine reiche Schmuck- und besonders Fibeltracht potenziell auf weitere wichtige Statusanzeiger wie sehr reiche Gewänder, die in der Regel vergangen sind, hinweisen kann. Dies trifft besonders auf die Aus-stattung weiblicher Individuen zu, die im gesamten süditalischen Gebiet stärker mit Schmuck- und Trachtbestandteilen versehen sind. Elemente wie Ohrschmuck und Ketten bzw. Anhänger, aber auch eine Ringtracht erscheinen nahezu ausschließlich bei Frauen.

Befunde wie der aus Grab 1 von Matera, Contrada San Francesco (letztes Viertel 7. Jh.), wo ein Eisenschwert mit einem Bronzearm-ring und Bernsteinanhängern vergesellschaftet ist, sind sehr selten und ungewöhnlich; Colucci 2009, 110 Abb. 14.

1119 Ob beispielsweise Objekte wie silberne Haarspiralen, die nur bei erwachsenen Individuen auftreten, als Zeichen für Mutterschaft, Lebenspartnerschaft (eher unwahrscheinlich, da nicht regelhaft bei paarigen Bestattungen aufgefunden) oder Kennzeichen für ei-nen anderweitigen besonderen sozialen Status dieei-nen sollten, oder einfach als Schmuckelement getragen wurden, ist auf derzeitiger Befundlage nicht zu klären. Dass aber mit einer Symbolfunktion der Trachtelemente zu rechnen ist, und sei es nur in Hinsicht auf geschlechtertypisch unterschiedliche Mode, deuten Befunde an an-deren Stätten an, wie etwa auf der Nekropole von Osteria dell’Osa:

Hier waren Schlangenfibeln bei geschlechtsbestimmten Individuen zu 95 % Männern zugeordnet (bei Objekten wie Rasiermessern waren es 100 %), während Bogenfibeln, Ringe, Perlen, Haarreifen, Anhänger und Hängeringe (suspension rings) sowie eine Mehrfibel-tracht dagegen zu fast 100 % mit weiblich bestimmten Individuen vergesellschaftet waren; vgl. Bietti Sestieri 1992.

1120 Nach demselben Muster, in dem auch in Etrurien reiche Frauengrä-ber in der Regel mehr Gold, SilFrauengrä-ber und Bernstein als vergleichbare Männergräber besaßen; Amann 2007, 118.

baren und repräsentativen Objekten, nämlich jeweils apulo-korinthischem Helm und breitem Bronzegürtel ausgestattet waren1114. Die Träger dieser ‚Uniform‘ lösen sich zusätzlich aus der Clusterorganisation des Friedhofs, was ihre Rolle als Prota-gonisten neuer sozialer Bezugssysteme suggeriert. Es erscheint plausibel, in Helm und cinturone materielle Zeichen der Ge-folgschaft zu erkennen, die ihren Trägern von einer überre-gionalen Autorität verliehen wurden – zumal solche Objekte auch Teil der Grabbeigaben reicher ausgestatteter, ‚fürstlicher‘

Gräber an zentraleren Orten sind1115. Interessant ist das Fehlen von Schwertern in den Gräbern vieler dieser Helmträger, das sich im gesamten regionalen Kontext beobachten lässt. Auch dies könnte als Hinweis auf die Entwicklung einer überregi-onalen Autorität an einem zentralen Ort und damit auf eine gesellschaftliche Umstrukturierung gewertet werden, im Sinne einer damit einhergehenden politischen Stabilität, die eine lo-kale Kriegerschaft nicht mehr benötigte – oder im Sinne der bewussten Entwaffnung zur Ausschaltung von potenziellen Unruheherden und zusätzlich der Vereinnahmung und Zen-tralisierung der Lösung von Streitfragen durch die höhere Au-torität1116.

Die Ankunft von und der Kontakt zu den ostmediterranen Neuankömmlingen könnte bei diesen eher indigenen Ent-wicklungen neue Stimuli in die alten Austauschnetzwerke und Hierarchien gebracht haben. Handel und Austausch(monopol) als möglicher Machtfaktor werden mit dem zunehmenden Er-starken der Küstenstädte immer wichtiger. Obwohl auch in früheren Zeiten Austauschnetze existierten, waren diese in der Vorkontaktzeit weniger anfällig für Neuverhandlungen und Reorganisation und deshalb als mögliche Machtarenen we-niger bedeutsam als zu der Zeit, als durch die Neuankömm-linge in diese Netzwerke neue Waren eingespeist wurden1117. Das Streben nach Kontrolle über den Handel mit den neuen Kontaktpartnern und deren Produkten mag die Machtbasis der alten Eliten und die skizzierten Prozesse verstärkt haben, könnte aber auch Änderungen des Sozialwesens hervorgerufen haben, etwa die Entstehung neuer Eliten oder die Anwendung neuer Methoden, um die alte Autorität zu sichern. Die schnel-le Übernahme neuer, griechisch beeinflusster Objekte zeigt

je-1114 Heitz 2016.

1115 Zumindest scheint eine solche Gabe von Prestigegütern auch ange-sichts der Tatsache wahrscheinlich, dass im homerischen Epos die Gabe von Waffen als kostbare Geschenke, die jedoch auch gleich-zeitig (gegenseitige) Obligationen mit sich brachten (etwa den Be-ginn einer Gastfreundschaft; z. B. Hom. Od. 21, 31–35), verbreitet ist; vgl. Wagner-Hasel 2000, 99–104.

1116 Ein solches System der Verleihung von Status(objekten) an Un-tergebene unter gleichzeitiger Sicherung der überlegenen Position ist vielfach kulturanthropologisch belegt und wurde auch in un-terschiedlichen archäologischen Kontexten als Erklärungsmo-dell herangezogen, vgl. etwa die Überlegungen von Frankenstein – Rowlands 1978 zu Objektverteilungen und Hierarchien in der

1116 Ein solches System der Verleihung von Status(objekten) an Un-tergebene unter gleichzeitiger Sicherung der überlegenen Position ist vielfach kulturanthropologisch belegt und wurde auch in un-terschiedlichen archäologischen Kontexten als Erklärungsmo-dell herangezogen, vgl. etwa die Überlegungen von Frankenstein – Rowlands 1978 zu Objektverteilungen und Hierarchien in der

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