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Kritik am Verhaltensmodell der Neuen Institutionenökonomik Das soeben beschriebene Verhaltensmodell der Neuen Institutionenökonomik Das soeben beschriebene Verhaltensmodell der Neuen Institutionenökonomik

2 Methodische Grundlagen

2.3 Das Forschungsprogramm der Ökonomischen Theorie des Rechts Nachfolgend wird ein Überblick über das Forschungsprogramm der Nachfolgend wird ein Überblick über das Forschungsprogramm der

2.3.1 Der positive Forschungsansatz

2.3.1.3 Kritik am Verhaltensmodell der Neuen Institutionenökonomik Das soeben beschriebene Verhaltensmodell der Neuen Institutionenökonomik Das soeben beschriebene Verhaltensmodell der Neuen Institutionenökonomik

wird in der Literatur in unterschiedlichen Punkten kritisiert. Gegenstand der Kritik ist die Modellhaftigkeit und Realitätsferne des Verhaltensmodells und das damit beschriebene verkürzte Menschenbild des homo oeconomicus. Die Kritik setzt insbesondere an den beschränkten kognitiven Fähigkeiten der Akteure an und stellt das von dem Eigennutztheorem beschriebene Konzept des Maximanden in-frage.56 Die Annahme des Rationalverhaltens erfährt unter Berufung auf empiri-sche Erkenntnisse zu Verhaltensweisen von Menempiri-schen insbesondere Kritik aus dem Feld des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes der Ökonomik.57 Die einzel-nen Kritikpunkte an dem Verhaltensmodell werden nachfolgend beleuchtet.

2.3.1.3.1 Kritik am Modell des homo oeconomicus

Die Kritik an dem modellhaften Menschenbild der Neuen Institutionenökonomik von Seiten der Rechtswissenschaften betrifft vor allem den Fall, in dem normative Aussagen auf der Grundlage von Erkenntnissen getroffen werden, die unter An-wendung des ökonomischen Verhaltensmodells gewonnen wurden.58 In diesem Zusammenhang wird insbesondere angeführt, der REMM sei nicht der Mensch eines verfassungsgestaltenden Privatrechts in einer offenen Gesellschaft der Grundrechtsdemokratie,59 und eine Rechtsplanung nach dem ökonomischen Kal-kül führe das Recht in die Irre.60 Dieser Einwand muss so verstanden werden, dass

56 Vgl. Aaken (2003), S.82; Erlei/Leschke/Sauerland (2007), S.7.

57 Vgl. Schäfer/Ott (2000), S.63ff.; Kirchner (1997), S.14.

58 Vgl. zur detaillierten Darstellung des Problems Aaken (2003), S.40; Kirchner (1997), S.14;

Behrens (1986), S.40.

59 Vgl. Fezer (1986), S.822.

60 Vgl. Fezer (1988), S.223.

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Rechtsänderungen, die sich an Verhaltensprognosen des positiven Forschungsan-satzes orientieren, dazu führen, dass die Menschen ihr Verhalten entsprechend dem ökonomischen Kalkül hinter den Rechtsänderungen anpassen werden, anstatt dieses an den Wertungen der Verfassung auszurichten.61 Die Gefahr wird darin gesehen, dass, wenn Entscheidungen nach dem Ansatz des sogenannten Konse-quentialismus,62 also unter Berücksichtigung der Folgen dieser Entscheidung ge-troffen werden und sich die Folgeprognosen an dem Modell des homo oeconomi-cus orientieren, kein Platz mehr für die moralische Komponente im Recht bleibt, die der Verwirklichung der Wertordnung der Verfassung dient.63

Eine solche Sichtweise verkennt jedoch, dass es der Ökonomischen Theorie des Rechts mit dem Rückgriff auf das Verhaltensmodell der Neuen Institutionenöko-nomik nicht darum geht, die Menschen dazu zu bewegen, sich dem Verhaltens-modell anzupassen. Um zu gewährleisten, dass gesetzgeberische Ziele effizient umgesetzt werden können, interessiert sich die Ökonomische Theorie des Rechts vielmehr dafür, wie sich Menschen tatsächlich verhalten und bedient sich keines optimistisch gefärbten Wunschbildes des Menschen.64 Dieses Bestreben der Öko-nomischen Theorie des Rechts schließt natürlich nicht aus, dass eine moralische Komponente, wie beispielsweise die Signalisierung eines höheren Unrechtgehalts im Strafrecht, als Bestandteil der Präferenzen der Normadressaten in die Verhal-tensprognose mit einfließt.65 Darüberhinaus muss beachtet werden, dass, wenn von dem „tatsächlichen“ Verhalten der Menschen die Rede ist, nicht vergessen werden darf, dass es sich bei dem homo oeconomicus um ein Modell handelt, des-sen Verwendung in der Ökonomischen Theorie heuristisch gerechtfertigt wird.66 Durch den Rückgriff auf ein modellhaftes aber an die Realität angenähertes Men-schenbild, soll vermieden werden, dass Rechtsänderungen durch fehlerhafte Prog-nosen ihre Wirkung verfehlen. Selbstverständlich kann nicht ausgeschlossen wer-den, dass sich Menschen aus reiner Rechtstreue an Gesetze halten, jedoch wird angenommen, dass in den meisten Fällen das eigennützige Verhalten überwiegt.67 Davon ausgehend versucht die Ökomische Theorie des Rechts auf der Grundlage der Erkenntnisse des positiven Forschungsansatzes anreizkompatible Regelungen zu schaffen, die gewährleisten, dass sich Individuen auch jenseits moralischer

61 Vgl. Eidenmüller (2005), S.37.

62 Vgl. zum Konsequentialismus Kirchner (1997), S.30; Schäfer/Ott (2000), S.2.

63 Vgl. Fezer (1988), S.224.

64 Vgl. Ruffner (2000), S.67; Eidenmüller (2005), S.37.

65 Vgl. Kirchner (1997), S.17.

66 Vgl. Aaken (2003), S.29ff.

67 Vgl. Blankart (2001), S.10.

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Motivation in einer Weise verhalten, die zu möglichst vernünftigen gesellschaftli-chen Ergebnissen und letztlich auch zu der Verwirklichung der verfassungsgege-benen Werteordnung führt.68

2.3.1.3.2 Kritik am Konzept des Maximanden: Das satisficing Modell

Ausgangspunkt der Kritik an dem Konzept des Maximanden ist die Erkenntnis, dass Akteure über beschränkte kognitive Fähigkeiten verfügen und deshalb nicht in der Lage sind, während des Entscheidungsprozesses alle denkbaren Alternati-ven wahrzunehmen, alle Konsequenzen denkbarer AlternatiAlternati-ven abzuschätzen und eine vollständige und konsistente Bewertung möglicher Ergebnisse vorzuneh-men.69 Diesem Umstand passen sich die Individuen an, indem sie nicht mehr ma-ximieren, sondern im Rahmen ihrer beschränkten Möglichkeiten versuchen, durch Such- und Entscheidungsverfahren zu lediglich befriedigenden Lösungen zu ge-langen.70 Nur wenn ein bestimmtes Anspruchsniveau unterschritten wird, begin-nen die Individuen mit der Suche nach alternativen Handlungsmöglichkeiten.71 Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Grad des Strebens nach Nutzenmaximie-rung mit dem Grad der Transparenz der Entscheidungssituation und den Kosten für suboptimale Entscheidungen wächst. Anreize zu maximierendem Verhalten sind beispielsweise auf Kapitalmärkten besonders hoch.72 Auf der Grundlage die-ser Überlegungen wurde das saitisficing Modell entwickelt, in dem das Konzept des Maximanden aufgegeben und durch das des satisficing man ersetzet wird.73 Dem satisficing-Modell ist zugute zu halten, dass es einen Ansatz bietet, mit des-sen Hilfe das ökonomische Verhaltensmodell den realen Verhaltensweides-sen von Menschen angenähert werden kann. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Qualität von Prognosen nicht allein von dem Genauigkeitsgrad der ihnen zugrunde liegenden Annahmen abhängt. Auch die Praktikabilität des verwendeten Modells wirkt sich auf die Qualität des Prognoseergebnisses aus.74 Dem Anliegen der dargestellten Kritik, ein realistischeres Verhaltensmodell zu entwerfen, kann dem Argument begegnet werden, dass die Güte des verwendeten

68 Vgl. Ruffner (2000), S.67f.; Eidenmüller (2005), S.37.

69 Vgl. Erlei/Leschke/Sauerland (2007), S.7 m.w.N.

70 Vgl. Aaken (2003), S.82 Fn.318.

71 Vgl. Voigt (2002), S.30.

72 Vgl. Ruffner (2000), S.62; Kirchgässner (1991), S.32; so zu verstehen auch Schäfer/Ott (2000), S.63.

73 Vgl. Erlei/Leschke/Sauerland (2007), S.7.

74 Vgl. Aaken (2003), S.33; Erlei/Leschke/Sauerland (2007), S.11.

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Verhaltensmodells nicht anhand der Realitätsnähe, sondern anhand der Aussage-kraft der abgeleiteten Hypothesen bestimmt werden sollte.75 Mit der Integration des satisficing-Modells müsste die Bestimmung des Anspruchsniveaus der unter-suchten Gruppe von Normadressaten neben die Bestimmung der jeweiligen grup-penspezifischen Prämissen treten. Eine entsprechende detaillierte Anleitung zur Integration des satisficing-Modells konnte bisher nicht entwickelt werden.76 Auch fehlt es an verwertbaren empirischen Erkenntnissen. Die Umsetzung des satisfi-cing-Modells würde folglich einen erheblichen Zuwachs an Komplexität mit sich bringen, was die Praktikabilität des gesamten Verhaltensmodells und damit auch die Prognoseergebnisse beeinträchtigen würde. Solange das Modell des homo oeconomicus gute Ergebnisse liefert, besteht somit keine Grund dieses zu verwer-fen.77

2.3.1.3.3 Kritik auf der Grundlage empirischer Erkenntnisse

Auf der Grundlage empirischer Erkenntnisse wurde aufgezeigt, dass Akteure über das beschränkt rationale Verhalten hinaus, systematisch, also nicht zufällig auf-grund individueller Besonderheiten, sondern stets in gleichförmiger Weise von der Rationalitätsannahme der Neuen Institutionenökonomik abweichen.78 Die Forschungsrichtung, die sich mit der Systematisierung der empirischen Erkennt-nisse zu Verhaltensanomalien in Bezug auf das ökonomische Verhaltensmodell befasst, ist die Verhaltensökonomik (behavioral economics).79

Für die auch als bias bezeichneten Verhaltensanomalien seien nachfolgend einige Beispiel genannt.80 Nach der Prospekttheorie tendieren Investoren dazu, Verluste glattzustellen und Gewinne zu früh zu veräußern. Nachgewiesen wurde ferner, dass Menschen zu einem übertriebenen Vertrauen in ihre Einsichts- und Prob-lemlösungsfähigkeiten neigen (Selbstüberschätzungsanomalie), und im Nach-hinein die Wahrscheinlichkeit, mit der sie ein Ergebnis vorhergesagt hätten, er-heblich überschätzen, wenn sie das Ergebnis zum Zeitpunkt der Einschätzung bereits kannten (hindsight bias). Mit anchoring und adjusting wird eine

75 Vgl. Friedman (1953), S.3ff.; kritisch hierzu Erlei/Leschke/Sauerland (2007), S.10f.

76 Vgl. Aaken (2003), S.2 Fn.318; Schäfer/Ott (2000), S.63.

77 Vgl. Erlei/Leschke/Sauerland (2007), S.11.

78 Vgl. Aaken (2003), S.82.

79 Vgl. zur grundlegenden Darstellung des Ansatzes der bahavioral economics, Jolls/Sunstein/Thaler (1998), S.1471ff.; Kahneman/Tversky (1986), S.251ff.

80 Einen umfassenden Überblick zu den einzelnen Formen der Verhaltensanomalien bieten Schä-fer/Ott (2000), S.63ff.

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tensanomalie bezeichnet, nach der selbst vorgegebene Richtwerte ein Endurteil stärker beeinflussen als von außen hinzutretende Informationen. Daneben besteht die Neigung, neue Informationen, die einen frischen Eindruck hinterlassen haben stärker zu gewichten, da diese schneller und leichter verfügbar sind (availability bias). Nach der Opportunitätskostenanomalie werden häufig solche Kosten, die zu unmittelbaren Geldabflüssen führen, höher als andere Opportunitätskosten beur-teilt.

Die Verhaltensökonomik leitet aus ihren Erkenntnissen nicht die Forderung ab, die Rationalitätsannahme des ökonomischen Verhaltensmodells aufzugeben. Im Hinblick auf die bereits oben angesprochene Gefahr, dass das Verhaltensmodell zulasten der Praktikabilität zu komplex wird,81 soll dieses weiterhin als Referenz-modell dienen, von dem nur in speziellen Fällen abgewichen werden und welches nur in bestimmten Situationen Modifikationen erfahren sollte.82 Bei einer Integra-tion der Anomalien in das ökonomische Verhaltensmodell, ist jedoch deshalb mit Vorsicht zu verfahren, weil davon ausgegangen werden muss, dass die Anomalien nicht stabil sind.83 Diese Annahme ist zum einen darauf zurückzuführen, dass Ak-teure, die ausgeprägten Verhaltensanomalien unterliegen, durch rationaler han-delnde Akteure vom Markt gedrängt werden, womit im Durchschnitt der Grad der Abweichung vom Rationalverhalten sinkt. Zum anderen können sich Verhal-tensanomalien, je nach institutionellem Umfeld und dem Kreis der von der unter-suchten Norm betroffenen Akteure, durch Lerneffekte infolge von Konkurrenz- und Kostendruck, selbst abmildern. Auch wird die Bedeutung der Anomalien mit der These infrage gestellt, dass sich bei Verhaltensaggregationen verschiedene Anomalien in ihrer Wirkung aufheben.84 Dennoch wird von gewichtigen Stimmen gefordert, die Einwände der Verhaltensökonomik bezüglich der Rationalitätsan-nahme ernst zu nehmen.85 Unter Einbeziehung der empirisch nachgewiesenen Anomalien in das ökonomische Verhaltensmodell könne es in einigen Bereichen des Rechts gelingen, bessere Prognosen zu leisten, bestehende Rechtsnormen bes-ser erklären zu können und Anomalien zu mindern oder zu beheben, indem sie überhaupt in die Untersuchungen miteinbezogen werden.86 Von denselben Stim-men wird jedoch auch anerkannt, dass die Berücksichtigung von

81 Vgl. Gliederungspunkt 2.3.1.3.2.

82 Vgl. Aaken (2003), S.86 m.w.N.

83 Vgl. Schäfer/Ott (2000), S.67; so zu verstehen auch Kirchgässner (1991), S.150.

84 Vgl. Schäfer/Ott (2000), S.67; zum Ausgleich der Anomalien infolge von Verhaltensaggregation auch Kirchgäsnser (1991), S.153.

85 Vgl. Aaken (2003), S.86; Kirchner (1997), S.14.

86 Vgl. Aaken (2003), S.86f.

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malien wegen des zu erwartenden Ausgleichs der Anomalien durch Verhaltensag-gregation auf der Makroebene insbesondere im Zusammenhang mit Untersuchun-gen auf der Mikroebene erfolUntersuchun-gen sollte.87 Außerdem fordern auch die Befürworter die Einbeziehung von Lerneffekten infolge von Konkurrenz- und Kostendruck in die modifizierte Annahmenstruktur, entsprechend dem untersuchungsspezifischen institutionellen Umfelds und der Akteure.88 Im Bezug auf das Kapitalmarktrecht-recht wird in diesem Zusammenhang eine behutsame Integration empirisch erhär-teter Verhaltensmuster und eine allmähliche Verfeinerung des rechtsökonomi-schen Apparates gefordert.89