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4 Die übernahmespezifischen Interessen der Akteuren aufseiten des Zielunternehmens Akteuren aufseiten des Zielunternehmens

4.1.3 Die Interessen der unterschiedlichen Anlegergruppen

In Anbetracht der dargestellten Gewinnpotentiale öffentlicher Übernahmeangebo-te liegt der Schluss nahe, dass die AnÜbernahmeangebo-teilseigner des ZielunÜbernahmeangebo-ternehmens ein gleich-gerichtetes Interesse an der Realisierung dieser Gewinnpotentiale haben.

365 Vgl. Coppik (2007), S.105; Dimke (2007), S.53.

366 Vgl. Bradley (1980), S.364f. mit empirischen Untersuchungen zum Einfluss von Übernahme-angeboten auf den Börsenkurs des Zielunternehmens in den USA.

367 Vgl. Herkenroth (1994), S.140; Mühle (2002), S.27; bezugnehmend auf § 32 WpÜG Beck-mann/Kerstin/Mielke (2003), S.85ff.

368 Vgl. Kirchner (2000b), S.1822.

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folge würde sich ihr Interesse zunächst einmal ganz allgemein auf die Funktions-fähigkeit des Markts für Unternehmenskontrolle mit möglichst intensivem Wett-bewerb richten, damit es überhaupt zu der Abgabe von Übernahmeangeboten kommt.369 Konkret würde sich das Anteilseignerinteresse darauf richten, dass die Handlungsoptionen nicht von dritter Seite vereitelt werden und sie die, für sie am vorteilhaftesten erscheinende Option, ungestört und informiert realisieren können.

Mit der Möglichkeit des Managements, das Übernahmeangebot auf eigene Initia-tive zu vereiteln, würde darüberhinaus die Vorteile, die aus der disziplinierenden Wirkung des Übernahmeangebots resultieren können, abnehmen, da das Ma-nagement dann nicht mehr in dem Maße von der Gefahr der Absetzung infolge der Übernahme betroffen wäre.370

Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Aktionäre einer Publi-kumsgesellschaft regelmäßig keine homogene Einheit bilden. Vielmehr kann es auch unter den Aktionären zu Interessendivergenzen kommen, die im Wider-spruch zueinander stehen können.371 Neben persönlichen Absichten ist dies insbe-sondere auf Unterschiede in deren Risikobereitschaft, dem Zeithorizont ihrer An-lagen sowie die Liquidität der Anteile zurückzuführen.372 Unter persönlichen Absichten kann die Motivation hinter der Beteiligung verstanden werden. Diese muss nicht nur von Renditeorientierung geprägt sein, sondern kann beispielsweise auch in der Verfolgung strategischer oder unternehmerischer Ziele begründet lie-gen. Aber auch moralische, ethische oder ideelle Motive können zu den persönli-chen Absichten gezählt werden.373 Bei dem Vorliegen unternehmerischer Motive muss davon ausgegangen werden, dass der Anleger der Übernahme tendenziell ablehnend gegenübersteht, da der Kontrollwechsel eine Gefahr für die Verwirkli-chung seiner strategischen oder unternehmerischen Absichten bergen kann. Der Grad der Risikoaversität hängt insbesondere damit zusammen, wie stark das Port-folio der Anleger diversifiziert ist.374 Risikoaverse Anleger werden dem Über-nahmeangebot tendenziell kritischer gegenüberstehen. Der Zeithorizont besagt, ob die Zahlungsströme aus der Investition kurz-, mittel- oder langfristig erwartet werden. Ein langfristiger Zeithorizont lässt darauf schließen, dass sich der

369 Vgl. Immenga/Noll (1990), S.36.

370 Vgl. Ruffner (2000), S.222.

371 Vgl. unter konkreter Bezugnahme auf die Übernahmesituation Birke (2006), S.192; Dimke (2007), S.46ff.; Heiser (1999), S.91; allgemein Bonin (2004), S.200f.; Rock (1991), S.467;

Ruffner (2000), S.458.

372 Vgl. Rock (1991), S.467ff.; Ruffner (2000), S.458ff.

373 Vgl. Birke (2006), S.202.

374 Vgl. Ruffner (2000), S.460f.

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ger auf lange Sicht positive Zahlungsströme aus seinem Investment erwartet. Er wird dem Übernahmeangebot deshalb trotz der Kontrollprämie kritischer begeg-nen. Die Liquidität der Anteile richtet sich sowohl nach den Märkten auf denen investiert wird, als auch nach der Größe des Anteilspaketes; große Beteiligungen können nicht ohne die Gefahr veräußert werden, dass es zu Preisverzerrungen kommt. Übernahmeangebote bieten auch Anteilseignern mit großen Beteiligungen die Möglichkeit, ihre Anteile ohne die Gefahr von Preisverzerrungen zu veräu-ßern.

Nachfolgend werden zunächst die Interessen der Kleinanleger dargestellt, um an-schließend untersuchen zu können, inwieweit die Interessen der Paketaktionäre, institutionellen Anleger und Belegschaftsaktionäre von denen der Kleinaktionäre abweichen.

4.1.3.1 Kleinanleger

Kleinanleger werden wegen ihres regelmäßig diversifizierten Portfolios eine eher risikoneutrale Investitionsstrategie verfolgen. Hinsichtlich ihres Zeithorizontes und ihrer persönlichen Absichten können keine verallgemeinernden Aussagen getroffen werden.

Da sich den Kleinanlegern mit dem Übernahmeangebot ein Bündel unterschiedli-cher Handlungsoptionen bieten, die darin bestehen können, zu versuchen, als Minderheitsaktionäre in der Gesellschaft zu verbleiben, darauf zu spekulieren das Angebot mit dessen Ablehnung scheitern zu lassen oder ihre Anteile an den Bieter oder an der Börse zu verkaufen bzw. in andere Wertpapiere umzutauschen, sind sie mit dem Problem konfrontiert, dass eine fundierte Bewertung der Hand-lungsoptionen mit einem erheblichen Informationsaufwand verbunden ist. Hinzu tritt der Umstand, dass die Realisierung der Handlungsoptionen – mit Ausnahme der Veräußerung der Aktien - von dem Vorgehen der anderen Anteilseigner ab-hängt.375 Das Interesse der Kleinanleger wird sich also auch grundsätzlich darauf richten, dass, zur Reduzierung von Entscheidungsunsicherheiten, Transparenz- und Informationspflichten für den Bieter sowie für die Organe des Zielunterneh-mens bestehen376 und ihnen ausreichend Zeit bleibt, die notwendigen Informatio-nen zu verarbeiten. Soweit die Realisierung der HandlungsoptioInformatio-nen, wie bei-spielsweise im Falle der Abwehr des Angebots, von den Entscheidungen der übrigen Anteilseigner abhängt, wird sich das Interesse der Kleinaktionäre auf die Installation von Koordinierungsmechanismen richten. Ist eine Koordinierung der

375 Vgl. Birke (2006), S.197.

376 Vgl. Coppik (2007), S.150.

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Anteilseigner während des Übernahmeprozesses nicht möglich, so müssen alter-native Lösungen gefunden werden, um der Gefahr vorzubeugen, dass die Anteils-eigner nicht aus der Angst, nach der Ablehnung des Angebots als Minderheitsak-tionäre ausgebeutet zu werden, unter einen faktischen Verkaufszwang geraten. An dieser Stelle muss allerdings bereits betont werden, dass das Interesse der Klein-anleger im Zusammenhang mit der Informationsbereitstellung und –verarbeitung sowie den Koordinationsmechanismen nur so weit reicht, wie der mit der infor-mierten und koordinierten Wahrnehmung der Handlungsoptionen verbundene Kostenaufwand im Verhältnis zu dem erwarteten Nutzen steht.377

Darüberhinaus haben die Kleinaktionäre ein Interesse an einer möglichst hohen Übernahmeprämie. Deshalb kann es im Interesse der Anteilseigner liegen, dass dem Bieter möglichst ausführliche Informationen über das Zielunternehmen be-reitgestellt werden, damit dieser die Gewinnpotentiale der Übernahme genau iden-tifizieren und sie in der Kontrollprämie berücksichtigen kann. Daneben kann eine Konkurrenzsituation zwischen mehreren Bietern zu einer Erhöhung der Kontroll-prämie führen.378 In diesem Zusammenhang werden die Kleinaktionäre ein Inte-resse daran haben, dass das Management des Zielunternehmens die Möglichkeit hat, nach einem konkurrierenden Angebot zu suchen. Solange sich Verteidi-gungsmaßnahmen an dem Nutzen der Aktionäre ausrichten und nicht von dem Management zu eigennützigen Vereitelung des Übernahmeangebots missbraucht werden, können diese geeignet sein, den Bieter zu einer Nachbesserung des Über-nahmeangebots durch die Steigerung der Kontrollprämie zu bewegen.379 Zu be-achten ist jedoch, dass die Kleinanleger das Übernahmeangebot nicht insoliert anhand der Höhe der Kontrollprämie bewerten werden. Sie werden das Übernah-meangebot vielmehr erst dann als vorteilhaft erachten, wenn die erwarteten Zah-lungen (diskontiert auf ihren Barwert) bei der Annahme des Angebots höher lie-gen, als solche, die bei einer erfolgreichen Abwehr des Übernahmeangebots zu erwarten sind.380

4.1.3.2 Paketaktionäre

377 Vgl. zu dem Problem der kollektiven Entscheidung und insbesondere der sog. rationalen Apa-thie Gliederungspunkt 7.2.2.1.

378 Vgl. Immenga/Noll (1990), S.36; Winter/Harbarth (2002), S.4.

379 Vgl. Bergström/Högfeldt/Macey/Samuelson (1995), S.510; Brandi (2003), S.268; Kirch-ner/Painter (2000), S.357; Kuhner/Schilling (2002), S.461; ausführlich zu den positiven Effek-ten von Verteidigungsmaßnahmen Gliederungspunkt 7.1.2.1.

380 Vgl. Kirchner (2000a), S.109.

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Paketaktionäre werden in der Regel über keine optimal diversifiziertes Portfolio verfügen und daher im Vergleich zu den Kleinanlegern risikoaverser sein. Ten-denziell werden die Paketaktionäre strategische Beteiligungen halten, die auf ei-nen mittel- oder langfristigen Zeithorizont ausgelegt sind. Abweichungen der Inte-ressen der Paketanleger von denen der Kleinaktionäre sind insbesondere dann zu erwarten, wenn erstere unternehmerische Absichten mit ihrer Beteiligung verfol-gen, da sie Gefahr laufen, dass sich Änderungen in der Geschäftspolitik im Zuge einer Übernahme negativ auf ihre anderweitigen unternehmerischen Interessen auswirken.381 Paketanleger mit unternehmerischen Absichten werden dem Über-nahmeangebot folglich kritischer begegnen. Ist die Beteiligung der Paketaktionäre lediglich renditeorientiert, so ist mit einer weniger ablehnenden Haltung gegen-über dem Angebot zu rechen. Allerdings darf auch in diesem Fall die höhere Risi-koaversität der Paketaktionäre nicht außer Acht gelassen werden.382

4.1.3.3 Institutionelle Anleger

Zur Gruppe der institutionellen Anleger sind insbesondere Investmentfonds, Ver-sicherungen und andere Organisationen zu rechnen, die das ihnen zur Verfügung gestellte Kapital in großem Umfang auf dem Kapitalmarkt investieren.383 In dem Umfang ihrer Beteiligungen an den betroffenen Unternehmen sind institutionelle Anleger mit Paketaktionären vergleichbar, allerdings zeichnen sich institutionelle Anleger regelmäßig durch einen höheren Diversifikationsgrad aus384 und agieren demzufolge risikofreudiger. Da institutionelle Anleger in der Regel auch keine strategischen Absichten verfolgen, sondern lediglich renditeorientiert investieren, wird es insoweit zu Überschneidungen mit den Interessen der Kleinaktionäre kommen.

4.1.3.4 Belegschaftsaktionäre

Belegschaftsaktionäre sind Arbeitnehmer, die kleinere Beteiligungen an dem Un-ternehmen halten. Als Belegschaftsaktionäre in diesem Sinne sind auch Mitglieder des Managements zu verstehen, sofern diese Anteile an dem Unternehmen halten.

Zumindest bei den Belegschaftsaktionären, die nicht dem Management

381 Vgl. Birke (2006), S.198.

382 Vgl. Birke (2006), S.198; Ruffner (2000), S.461.

383 Vgl. Birke (2006), S.198; Heiser (1999), S.29.

384 Dies ist unter anderem auf die aufsichtsrechtlichen Vorschriften des § 60 InvG und der §§ 54, 54a Abs.4 VAG zurückzuführen. Weniger diversifiziert sind hingegen Hedgefonds, die aller-dings wegen des hohen Renditedrucks dennoch zu risikofreudigem Investitionsverhalten nei-gen; vgl. Birke (2006), S.198ff.

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ren, ist zu erwarten, dass ihr Portfolio einen geringen Diversifizierungsgrad auf-weist.385 Darüberhinaus werden sowohl bei den gewöhnlichen Arbeitnehmern als auch bei dem Management die Interessen von Bedeutung sein, die sich aus der vertraglichen Beziehung mit dem Unternehmen ergeben.386 So werden sie dem Kontrollwechsel grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen, da sie befürchten müssen, durch Restrukturierungsmaßnahmen nach der Übernahme nachteilig be-troffen zu sein.387