• Keine Ergebnisse gefunden

7 Regelungsprobleme aus ökonomischer Perspektive Perspektive

7.2 Die ökonomischen Regelungsprobleme

7.2.2 Die Schwächen des Aktionärsstimmrechts in der Hauptversammlung Aus institutionenökonomischer Sicht ist das Aktionärsstimmrecht ein zentraler Aus institutionenökonomischer Sicht ist das Aktionärsstimmrecht ein zentraler

7.2.2.5 Probleme im Zusammengang mit der Stimmrechtsvertretung

Hinsichtlich der dargestellten Probleme, die insbesondere Kleinanleger davon abhalten können, von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen, gewinnt die Stimmrechtsvertretung in der Hauptversammlung an Bedeutung. In der Stimm-rechtsvertretung wird insbesondere ein Mittel gesehen, die Kontrollrechte der Ak-tionäre auf eine Person mit spezifischerem Fachwissen und höheren Informati-onsverarbeitungskapazitäten zu übertragen, um damit bezüglich der Kontrolle im Prinzipal-Agent Verhältnis optimalere Abstimmungsergebnisse zu erzielen.971 Jedoch ist auch die Stimmrechtsvertretung mit erheblichen Problemen behaftet.

Ihrer Präsenz in der Hauptversammlung zufolge sind die wichtigsten Stimm-rechtsvertreter die Banken, die die Stimmrechte ihrer Depotkunden in Gestalt des sogenannten Depotstimmrechts wahrnehmen. Daneben kann die Stimmrechtsver-tretung durch andere Institutionen, wie beispielsweise Aktionärsvereinigungen, erfolgen. Die wichtigsten Problemfelder im Zusammenhang mit der Stimmrechts-vertretung werden nachfolgend kurz dargestellt.972

Hinsichtlich des Depotstimmrechts besteht insbesondere die Befürchtung, dass die zuständigen Banken nicht ausschließlich entsprechend der Interessen der von

968 Vgl. Birke (2006), S.246, Winter/Harbarth (2002), S.13.

969 Vgl. Winter/Harbarth (2002), S.13.

970 Vgl. Birke (2006), S.247.

971 Vgl. Ruffner (2000), S.493; auch Birke (2006), S.208f. in Bezug auf das Depotstimmrecht.

972 Vgl. ausführlich hierzu Arnold (2007), S.85ff.; Baums/Randow (1995), S.145ff., Birke (2006), S.206ff.; Ruffner (2000), S.493ff.

195

ihnen vertretenen Aktionäre handeln, sondern sich von eigenen Interessen leiten lassen.973 So erlauben Depotstimmrechte den Banken, ihre Interessen als Fremd-kapitalgeber eines Unternehmens zu wahren.974 Die Banken können damit eine, über den Inhalt ihrer Kreditverträge hinausgehende, risikoscheue Unternehmens-politik durchsetzen, ohne die damit für die Eigenkapitalgeber verbundenen Nach-teile des residualen Risikos tragen zu müssen.975 Für die Bank als Fremdkapital-geber richtet sich das Interesse damit in erster Linie auf die Sicherung ihres Kreditgeschäftes und nicht notwendig auf eine Maximierung des Unternehmens-wertes.976

Darüberhinaus können wechselseitige Beteiligungen zwischen Banken und ande-ren Unternehmen zu einer gegenseitigen Abhängigkeit fühande-ren. Dies kann zur Fol-ge haben, dass implizite VereinbarunFol-gen zwischen den Vorständen der Unter-nehmen entstehen, mit dem Inhalt, nicht zum Nachteil des Anderen von eigenen und vermittelten Stimmrechten Gebrauch zu machen.977 Banken können das De-potstimmrecht auch schlicht dafür verwenden, ihre Position als Eigenkapitalgeber eines Unternehmens zu stärken.978 Ein Gebrauch des Depotstimmrechts zur Stär-kung der Eigenkapitalgeberposition ist allerdings nur dann schädlich, wenn die Interessen der Kreditinstitute von denen der übrigen Aktionäre abweichen.

Speziell bei Übernahmeszenarien droht ein weiterer Interessenskonflikt hinsicht-lich des Depotstimmrechts der Banken. Ist nämhinsicht-lich eine Bank an der Finanzierung der Übernahme durch den Bieter beteiligt, so wird diese ein einseitiges Interesse an dem Erfolg der Übernahme haben. Deshalb ist zu befürchten, dass die Bank in der Abwehrhauptversammlung solchen Beschlüssen folgen wird, die der Über-nahme förderlich sind, auch wenn das nicht im Interesse der vertretenen Aktionäre ist.979

Hinsichtlich anderer Stimmrechtsvertreter, wie den Aktionärsvereinigungen, stellt sich zunächst das Problem, dass es sich bei informierten Stimmrechtsentscheiden um ein öffentliches Gut handelt. Rational handelnde Aktionäre werden deshalb

973 Vgl. Baums/Randow (1995), S.149.

974 Vgl. Baums/Randow (1995), S.150; zu möglichen Eigeninteressen der Banken Gliederungs-punkt 4.3.; Semler/Stengel (2003), S.6ff.

975 Vgl. Baums/Randow (1995), S.150; Birke (2006), S.209; Ruffner (2000), S.497.

976 Vgl. Baums/Randow (1995), S.150.

977 Vgl. Baums/Randow (1995), S.150.

978 Vgl. Ruffner (2000), S.499

979 Vgl. Birke (2006), S.209.

196

selten bereit sein, für die Stimmrechtsvertretung zu zahlen.980 Da Aktionärsverei-nigungen im Gegensatz zu den Banken aber häufig keine Eigeninteressen bei der Ausübung der Stimmrechte verfolgen, ist zweifelhalf, ob ein Anreiz für die Akti-onärsvereinigungen besteht, ausreichend informiert für die Aktionäre abzustim-men. Ein weiterer Nachteil für alternative Stimmrechtsvertreter ergibt sich daraus, dass die Aktionäre aufgrund der rationalen Apathie vor Kosten zurückschrecken werden, die für die Suche nach einem geeigneten Stimmrechtsvertreter anfallen.

Dieses Problem entschärft sich für die Depotbanken, da sie die Aktien ohnehin verwalten und sie die Aktionäre leichter für eine Stimmrechtsvertretung gewinnen können.

Es zeigt sich also, dass die Schwächen des Aktionärsstimmrechts durch eine Stimmrechtsvertretung nicht beseitigt werden können, und es im Falle eines De-potstimmrechts wegen möglicher Interessenskonflikte sogar zu, für die Aktionäre nachteiligem, Abstimmungsverhalten kommen kann.

Abzuwarten bleibt, inwieweit die Änderungen der Stimmrechtsvertretung in den

§§ 134 und 135 AktG durch das ARUG zu einer Verbesserung der dargestellten Missstände führen. Eine gewisse Erleichterung der Stimmrechtsvertretung bringt die Neufassung des § 134 Abs. 3 AktG mit sich.981 Zwar bedürfen die Erteilung der Vollmacht, ihr Widerruf und der Nachweis der Bevollmächtigung gegenüber der Gesellschaft nach § 134 Abs. 3 AktG auch nach der Änderung grundsätzlich der Textform, doch können in der Satzung oder in der Einberufung zur Hauptver-sammlung auf Grund einer Ermächtigung durch die Satzung abweichende Rege-lungen vorgesehen werden. Bei börsennotierten Unternehmen ist eine Abwei-chung von der Textform nur in Gestalt einer Erleichterung zulässig. Diese haben zumindest einen Weg der elektronischen Kommunikation für die Übermittlung des Nachweises anzubieten. Darüberhinaus erfolgte eine Deregulierung des De-potstimmrechts nach § 135 AktG.982 Anders als im Referentenentwurf983 vorgese-hen, ist das Kreditinstitut jedoch bei fehlender Weisung nicht verpflichtet, den Kunden auf Aktionärsvereinigungen und deren Abstimmungsvorschläge

980 Vgl. Baums/Randow (1995), S.158; Birke (2006), S.207f.; zu der informierten Stimmrechtsaus-übung als öffentliches Gut bereits Gliederungspunkt 7.2.2.1.

981 Vgl. ausführlich Ochmann (2009), S.148ff.; hierzu auch Bosse (2009), S.810.

982 Vgl. ausführlich Noack (2008a), S.443.

983 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie vom 8. Mai 2008, abrufbar unter www.bmj.de.

197

weisen.984 Eine Stärkung der Stimmrechtsvertretung durch Aktionärsvereinigun-gen ist demnach nicht zu erwarten.

7.2.2.6 Stellungnahme

Im Rahmen der Prinzipal-Agent Beziehung weist die Kontrolle des Vorstands durch das Aktionärsstimmrecht in der Hauptversammlung erhebliche Schwächen auf. Diese Schwächen sind zunächst auf das Problem der kollektiven Aktion zu-rückzuführen, nach dem es sich insbesondere für Kleinaktionäre nicht lohnt, eine aktive Aktionärsrolle zu übernehmen. Die rationale Apathie kann in Verbindung mit dem Phänomen der Wahlzyklen ausgenutzt werden, um das Abstimmungs-verhalten in der Hauptversammlung zugunsten des Managements zu manipulie-ren. Aber auch unabhängig von dem Phänomen der Wahlzyklen kann das Ma-nagement durch die Kombination von populären und unpopulären Abstimmungs-Abstimmungsvorschlägen oder durch eine tendenziöse Informationspolitik auf das Abstimmungsergebnis Einfluss nehmen. Diese Schwächen des Stimmrechts wer-den verstärkt durch lange Einberufungsfristen zur Hauptversammlung und die Möglichkeit, Hautversammlungsbeschlüsse anzufechten. Es konnte gezeigt wer-den, dass auch das Instrument der Stimmrechtsvertretung nicht geeignet ist, das Stimmrecht der Aktionäre substantiell zu stärken.

Vor dem Hintergrund der multiplen Prinzipal-Agent Beziehung im Unternehmen und der Zweifel bezüglich einer Konzentration auf das Prinzipal-Agent Verhältnis zwischen Aktionären und Management für den Fall eines Übernahmeangebots kann festgestellt werden, dass die Nutzenerwartungen aus einer Übertragung der Entscheidungskompetenz auf die Aktionäre aufgrund der dargestellten Probleme nicht so hoch sein werden, wie es zunächst scheint. Denn die Schwächen des Stimmrechts machen es für die Aktionäre unattraktiv, eine aktive Rolle im Über-nahmeverfahren zu übernehmen. Würde dem Vorstand nun auf der anderen Seite die Entscheidungskompetenz entzogen, so ist zu befürchten, dass hinsichtlich dem Ergreifen von Verteidigungsmaßnahmen eine Kompetenzlücke entstehet, die der Bieter zu seinen Gunsten ausnutzen kann. Dies führt nicht nur zu einer Beein-trächtigung der Aktionärsinteressen, sondern regelmäßig auch zu einer ineffizien-ten Kapitalallokation. Eine ineffiziente Kapitalallokation betrifft zunächst das Zielunternehmen und die an ihm beteiligten Akteure. Darüberhinaus führt sie zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts.

7.2.3 Alternative Entscheidungs- oder Kontrollinstanzen

984 Vgl. Bosse (2009), S.810.

198

Vor dem Hintergrund der dargestellten Schwächen des Stimmrechts der Aktionäre in der Hauptversammlung stellt sich die Frage, ob die Entscheidungskompetenz bzw. die Kontrollkompetenz über das Ergreifen von Verteidigungsmaßnahmen alternativen Entscheidungs- und Kontrollinstanzen übertragen werden kann und welche Probleme damit verbunden sind. Als alternative Entscheidungs- und Kon-trollinstanzen kommen sowohl die individuellen Aktionäre jenseits ihrer Haupt-versammlungskompetenzen als auch der Aufsichtsrat infrage.

7.2.3.1 Die individuellen Aktionäre außerhalb der Hauptversammlung