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Die Ausrichtung des Rechts der Publikumsgesellschaften auf den Kapitalmarkt Kapitalmarkt

6 Regelungsprobleme aus juristischer Perspektive

6.3 Regelungsprobleme im Schnittfeld von Unternehmens- und Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht

6.3.1 Das Übernahmerecht zwischen Unternehmens- und Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht und Kapitalmarktrecht

6.3.1.1 Die Ausrichtung des Rechts der Publikumsgesellschaften auf den Kapitalmarkt Kapitalmarkt

Es wurde bereits dargestellt, dass dem Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ne-ben der Aufgabe der Binnenorganisation zumindest bei Publikumsgesellschaften eine Kapitalsammelfunktion zukommt.692 Bereits in der Gesetzesbegründung zum AktG 1965 betont der deutsche Gesetzgeber, die Aktiengesellschaft sei typi-scherweise das Sammelbecken der Kapitalbeiträge Vieler. Nur bei entsprechender Gestaltung des Aktienrechts werden private Eigentümer immer wieder bereit sein, ihr Kapital einer Aktiengesellschaft zur Verfügung zu stellen und auf diese Weise den Bestand und Fortschritt der auf privater Initiative beruhenden

690 Vgl. Kirchner (1999), S.481.

691 Vgl. Berding (2002), S.1150. Schmidt (2002), S.15.

692 Vgl. Gliederungspunkt 6.1.1.2.

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nung gewährleisten.693 In jüngerer Zeit sah sich der Gesetzgeber angesichts der zunehmenden Außenfinanzierung deutscher Aktiengesellschaften über internatio-nale Kapitalmärkte und dem damit einhergehenden Bedeutungszuwachs internati-onaler Investoren sowie des steigenden Wettbewerbs um knappes Risikokapital im Hinblick auf die Kapitalsammelfunktion dazu veranlasst, das Recht börsenno-tierter Unternehmen mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unter-nehmensbereich (KonTraG) diesen Entwicklungen anzupassen.694

Dieses Anliegen geht mit einer besonderen Akzentuierung der Stellung des Akti-onärs als Anleger am Kapitalmarkt einher.695 Denn Publikumsgesellschaften ver-mögen nur dann Kapital langfristig und zu günstigen Konditionen an sich zu bin-den, wenn sie sich an den Bedürfnisse der Anleger am Kapitalmarkt ausrichten.696 Dabei gewinnen zugleich die Vermögensrechte der Aktionäre gegenüber den Herrschaftsrechten an Bedeutung:697 Der Kapitalanleger, der die Vor- und Nach-teile verschiedener Anlagemöglichkeiten kalkuliert, soll durch die entsprechende Gestaltung der Aktionärsposition veranlasst werden, in das Unternehmen zu in-vestieren und eine Aktionärsstellung zu übernehmen.698 An dieser Stelle ist wiede-rum der bereits im Rahmen der kapitalmarktrechtlichen Problemstellung ange-sprochene Vertrauensaspekt hervorzuheben. Auch hier gilt es, das Vertrauen des Anlegers auf dem Kapitalmarkt zu gewinnen. Allerdings steht hinter der Kapital-marktorientierung des Aktienrechts ein anderes Ziel. Ging es aus kapitalmarkt-rechtlicher Perspektive um das allgemeinere Ziel, die Funktionsfähigkeit des Ka-pitalmarkts zu gewährleisten, rückt aus unternehmens- und gesellschaftsrechtlicher Perspektive die Werbung um das Kapital der Kapital-marktteilnehmer in den Vordergrund. Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts ist in diesem Fall in erster Linie notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche Werbung von Kapital und zugleich auch Reflex eines gestärkten Vertrauens der Anleger.

693 Vgl. Allgemeine Regierungsbegründung zum AktG 1965 bei Kropff (1965), S.14.

694 Vgl. Allgemeine Begründung zum KonTraG BT-DruckS.13/9712, S.11; Mühle (2002), S.149.

695 Vgl. grundlegend zu dem Kapitalanlegerschutz im Recht der Publikumsgesellschaft Kirchner (1985b), S.131ff.; Mülbert (1996), S.78ff.; ausführlich zu den Überschneidungen des Anleger-schutzes im Aktien- und Kapitalmarktrecht Möllers (1997), S.338ff.

696 Vgl. Mühle (2002), S.150.

697 Vgl. Mülbert (1996), S.98. Zu einzelnen den Kapitalanleger schützende Vorschriften im AktG Vgl. Kübler/Assmann (2006), S.460f.

698 Vgl. Mülbert (1996), S.66.

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Dem Aktienrecht geht es folglich darum, die Anleger durch die Gewährleistung eines innergesellschaftlichen und damit verbandsrechtlichen Anlegerschutzes zur Investition zu bewegen.699 Wesentliche Voraussetzung hierfür ist, dass die Ver-mögensrechte des einzelnen Anlegers geschützt werden.700 Gleichzeitig erfährt das klassische Leitbild der Aktiengesellschaft vom unternehmerisch tätigen Akti-onär, der aktiv Einfluss auf die Geschäfte des Unternehmens nimmt, eine Neube-wertung.701 Es sei jedoch bemerkt, dass hieraus nicht der voreilige Schluss gezo-gen werden darf, dass die mitgliedschaftlichen Mitwirkungs- und Kontrollrechte demgegenüber generell an Gewicht verlieren. Denn ansonsten würde zum einen die Eigenart zweckbestimmet Personenverbände, nämlich der freiwillige Zusam-menschluss einer Personenmehrheit zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks,702 und zum anderen die Tatsache verkannt werden, dass sich der Schutz der Vermögensrechte und die Gewährleistung einer effizienten Mitwirkung und Kontrolle der Aktionäre im Verband gegenseitig bedingen.703

Zusammenfassend kann also der zentrale Aspekt der Wechselwirkung zwischen Unternehmens- und Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht darin gesehen wer-den, dass die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts für Aktiengesellschaften von vitaler Bedeutung ist. Infolge der Notwendigkeit für Aktiengesellschaften, Inves-toren auf dem Kapitalmarkt zu werben, unterliegt das Recht der Publikumsgesell-schaften einem gewissen Anpassungsdruck an die Anforderungen und Entwick-lungen eines modernen Kapitalmarkts. Diese Entwicklung führt zu einer stärkeren Akzentuierung des Schutzes der Vermögensrechte der Anleger in den, die Publi-kumsgesellschaft betreffenden unternehmens- und gesellschaftsrechtlichen Rege-lungen.704 Infolgedessen haben bestimmte Normen des Aktienrechts kapitalmarkt-rechtliche Wirkung und das Aktienrecht übernimmt zum Teil Aufgaben, die dem Kapitalmarktrecht obliegen.705

6.3.1.2 Der Markt für Unternehmenskontrolle und Corporate Governance

699 Vgl. GroKoAktG-Assmann, Einl. Rn.366; Kirchner (1985b), S.131f.

700 Vgl. Mülbert (1996), S.66.

701 Vgl. Herkenroth (1994), S.306; Mühle (2002), S.150f.

702 Vgl. auch Mülbert (1996), S.151.

703 Vgl. Grundmann (2006), S.98 m.w.N.

704 Kritisch zu dieser Neuausrichtung des Aktienrechts Kübler/Assmann (2006), S.173f.

705 Vgl. GroKoAktG-Assmann, Einl. Rn.373ff.; Berding (2002), S.1150; Hopt (1977), S.432;

Nippgen (2005), S.10.

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Wie bereits festgesellt wurde, kann der Markt für Unternehmenskontrolle eine disziplinierende Funktion für die verbandsinterne Corporate Governance erfül-len.706 Die Gefahr der Übernahme eines ineffizient arbeitenden Unternehmens und die hohe Wahrscheinlichkeit des damit verbundenen Verlusts der Leitungspostio-nen der Mitglieder des Managements dieLeitungspostio-nen als Anreiz zur Steigerung des Unter-nehmenswertes. Damit wird der Markt für Unternehmenskontrolle zu einem An-reiz- und Sanktionsmechanismus, der neben die unternehmens- und gesellschaftsrechtlich ausgestalteten Kontrollmechanismen tritt.707 Diese Kontroll-funktion des Kapitalmarkts und die damit einhergehende Komplementarität von Unternehmens- und Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht wurden auch vom Gesetzgeber in der Begründung des KonTraG ausdrücklich anerkannt.708

Zu Wechselwirkungen zwischen beiden Regelungsmaterien kommt es dadurch, dass die Funktion des Markts für Unternehmenskontrolle als externer Kontrollme-chanismus für die verbandsinterne Corporate Governance, neben der Allokations-funktion, als wesentliches Argument für die transaktionsfreundliche Regulierung des Markts für Unternehmenskontrolle herangezogen wird.709 Damit strahlen un-ternehmens- und gesellschaftsrechtliche Anliegen auf zentrale Erwägungen zum Übernahmerecht aus und müssen in die Gestaltung eines Übernahmerechts mit einfließen.

6.3.1.3 Die Bedeutung verbandsrechtlicher Vorschriften für die