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7 Regelungsprobleme aus ökonomischer Perspektive Perspektive

7.1 Die Diskussion zu den ökonomischen Effekten von Verteidigungsmaßnahmen Verteidigungsmaßnahmen

7.1.2 Die ökonomischen Effekte von Verteidigungsmaßnahmen

7.1.2.2 Mögliche negative ökonomische Effekte

7.1.2.2.1 Beeinträchtigung der Aktivität am Übernahmemarkt

Mögliche negative ökonomische Effekte von Verteidigungsmaßnahmen werden darin gesehen, dass sie die Aktivität am Übernahmemarkt beeinträchtigen.912 Ausgehend von der grundsätzlich anzuerkennenden Annahme, Unternehmens-übernahmen seien geeignet, die allgemeine Wohlfahrt zu steigern,913 wird argu-mentiert, dass Verteidigungsmaßnahmen, sollten sie erfolgreich sein, eine Über-nahme verhindern, die aller Wahrscheinlichkeit nach zu Wohlfahrtssteigerungen geführt hätte. Selbst wenn Verteidigungsmaßnahmen nicht erfolgreich wären, so würden sie doch Kosten verursachen, die Übernahme verteuern und die Erträge des Bieters aus der Übernahme schmälern. Infolgedessen wäre es für potentielle Bieter weniger lukrativ, die Kosten für die Suche nach geeigneten Übernahme-kandidaten auf sich zu nehmen. Im Ergebnis führe dies zu einem Rückgang der Aktivität am Markt für Unternehmenskontrolle und der Zahl öffentlicher Unter-nehmensübernahmen. Mit dem Rückgang der Unternehmensübernahmen nehme auch die disziplinierende Wirkung auf das Management ab, weshalb höhere

909 Vgl. Wiese/Demisch (2001), S.850.

910 Vgl. Elschen (1991), 1004; Wiese/Demisch (1991), S.850.

911 Vgl. Coppik (2007), S.267 im Zusammenhang mit der der Pflicht des Vorstands eine Stellung-nahme zu dem ÜberStellung-nahmeangebot abzugeben.

912 Vgl. grundlegend Easterbrook/Fischel (1981), S.1161ff.

913 Vgl. hierzu Gliederungspunkt 3.2.2.

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turkosten zu erwarten seien. Die daraus folgenden Abschläge bei den Börsenkur-sen erhöhen wiederum die Kapitalkosten für die Unternehmen.914

Studien aus den USA belegen allerdings, dass öffentliche Unternehmensübernah-men dort viel häufiger vorkomUnternehmensübernah-men, wo die Restriktionen für das Ergreifen von Verteidigungsmaßnahme verhältnismäßig gering sind. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Bundesstaaten wie Delaware zu nennen.915 Allerdings können diese Studien nur als Indiz gesehen werden, denn die Ergebnisse lassen sich nicht ohne Weiteres auf die europäische bzw. deutsche Situation übertragen, in der auch andere Faktoren Einfluss auf die Übernahmeaktivität haben können. Entscheidend gegen die Befürchtung Verteidigungsmaßnahmen beeinträchtigen die Wohlfahrt, dürfte die Erkenntnis sprechen, dass Unternehmensübernahmen nicht per se allo-kationseffizient sein müssen. So können Ineffizienzen des Kapitalmarkts, Trans-aktionskosten, positive und negative externe Effekte sowie ordnungspolitische Gesichtspunkte die Allokationseffizienz des Übernahmemarkte beeinträchtigen und sogar negative Allokationswirkungen haben,916 die andererseits durch Vertei-digungsmaßnahmen, wie zuvor dargestellt, abgemildert werden können.917 Die Argumentation gegen die Zulässigkeit von Verteidigungsmaßnahmen kann letzt-lich nur dann überzeugen, wenn nachgewiesen wird, dass die aus dem Verbot von Verteidigungsmaßnahmen resultierende höhere Aktivität am Übernahmemarkt und die damit einhergehende Steigerung der disziplinierenden Wirkung auf das Management und den eingesparten Agenturkosten die Verluste aus der Zunahme ineffizienter Unternehmensübernahmen kompensieren. Das ist bisher nicht gelun-gen.

7.1.2.2.2 Beeinträchtigung der Disziplinierungsfunktion des Übernahmemarkts Argumentiert wird darüberhinaus, dass Verteidigungsmaßnahmen insbesondere dann negative ökonomische Effekte haben, wenn sie in der Entscheidungskompe-tenz des Vorstands des Zielunternehmens liegen.918 Denn gerade das Management solcher Unternehmen, die im Wettbewerb schlecht abschneiden und deren Bör-senkurs aus diesem Grund niedrig ist, seien für Übernahmeversuche besonders gefährdet. In dieser Situation sei aber die Annahme des Übernahmeangebots im

914 Vgl. Mülbert/Birke (2001), S.709.

915 Vgl. hierzu Körner (2001), S.370 m.w.N.

916 Vgl. hierzu Gliederungspunkt 3.2.3.

917 Vgl. Gliederungspunkt 7.1.2.1.

918 Vgl. Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer (1990), S.101f. und 113f.; Immenga/Noll (1990), S.101; Mülbert/Birke (2001), S.709; grundlegend Easterbrook/Fischel (1981), S.1161ff.; hier-zu auch Jarrell/Brickley/Netter (1988), S.58.

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besten Interesse der Aktionäre und wegen der Allokationsverbesserung der im Unternehmen gebundenen Ressourcen gesamtwirtschaftlich wünschenswert. We-gen des übernamespezifischen Interessenskonflikts sei nun insbesondere bei sol-chen ökonomisch begrüßenswerten Übernahmeangeboten zu erwarten, dass sich ein eigennütziges Management, auch entgegen seiner unternehmens- und gesell-schaftsrechtlichen Pflichtenstellung, gegen das Angebot wehren wird.919

Dieser Argumentation ist dem Grunde nach zuzustimmen. Allerdings kann sie nicht herangezogen werden, um generell gegen die Möglichkeit von Verteidi-gungsmaßnahmen zu plädieren. Sie beschreibt vielmehr Probleme in der Bezie-hung zwischen Prinzipal und Agent, die es zu lösen gilt, um die potentiell positi-ven ökonomischen Effekte von Verteidigungsmaßnahmen realisieren zu können.

7.1.2.2.3 Vernachlässigung der Aktionärsinteressen

Gegen die Möglichkeit des Managements Verteidigungsmaßnahmen zu ergreifen, wird desweiteren eingewendet, dass die infolge der Verpflichtung des Vorstands auf das Unternehmensinteresse zu berücksichtigenden Interessen der übrigen Sta-keholder zu hohen Agenturkosten zulasten der Aktionäre führen. Denn die Kon-trolle eines Managements, das mehreren Interessengruppen verpflichtet ist, werde schwieriger. Auch dieser Sachverhalt führe wiederum zu einer Beeinträchtigung des Markts für Unternehmenskontrolle durch die, von den Anlegern antizipierten Agenturkosten.920

Allerdings wird hierbei ebenfalls übersehen, dass das Argument weniger gegen die Zulässigkeit von Verteidigungsmaßnahmen durch den Vorstand spricht, als vielmehr darauf hindeutet, dass die Kontrollprobleme der multiplen Prinzipal-Agent Beziehung im Übernahmeverfahren angegangen werden müssen.921 Erst wenn ausgeschlossen werden kann, dass diese Probleme lösbar sind, gewinnt die Forderung nach einer Neutralitäts- und Stillhaltepflicht des Vorstands an Gewicht.

7.1.2.2.4 Hohe Kosten von Verteidigungsmaßnahmen für Zielunternehmen und Bieter

919 Vgl. hierzu auch Gliederungspunkt 5.1.

920 Vgl. Mülbert (1999), S.85f.; hierzu auch Kirchner (1999), S.489.

921 Vgl. Kirchner (1999), S.489.

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Schließlich wird gegen Verteidigungsmaßnahmen eingewendet, sie seinen häufig mit erheblichen Kosten für das Zielunternehmen sowie den Bieter verbunden.922 Als Beispiele werden im Zusammenhang mit den Kosten aufseiten des Zielunter-nehmens insbesondere der Verkauf von UnterZielunter-nehmensvermögen, Gegenangebote und Werbemaßnahmen des Vorstands des Zielunternehmens genannt. Durch sol-che kostspieligen Maßnahmen werden nicht allein Wertsteigerungen aus der Übernahme verhindert, sondern sie wirken auch wertvernichtend auf das Unter-nehmensvermögen.

Darüberhinaus wird argumentiert, für Bieter entstehe infolge von Verteidigungs-maßnahmen ein hoher Preisdruck, der zu einem Rückgang der Übernahmeaktivi-tät führe. Außerdem habe das Scheitern eines Übernahmeversuches zur Folge, dass bisher angefallene Such- und Angebotskosten des Bieters vergeblich aufge-wendet wurden.923 Dieses Kostenargument kann jedoch nicht zur generellen Ab-lehnung von Verteidigungsmaßnahmen herangezogen werden. Hinsichtlich mög-licher Kosten auf Bieterseite muss beachtet werden, dass diese als Transaktionskosten eines funktionierenden Marktprozesse in Kauf zu nehmen sind. Was die Kosten aufseiten des Zielunternehmens betrifft, so bedarf es je nach Übernahmesituation eines Nutzenvergleiches zwischen den anfallenden Kosten aus den zur Verfügung stehenden Verteidigungsmaßnahmen und deren Nutzen, beispielsweise durch die Steigerung der Übernahmeprämie oder der Abwehr ei-nes, das Unternehmensinteresse gefährdenden Angebots. Wie möglicherweise wertvernichtende Verteidigungsmaßnahmen verhindert werden können, ist neben allgemeinen Informationsproblemen dann wiederum eine Frage der Ausgestaltung der Kompetenzen zum Ergreifen von Verteidigungsmaßnahmen im Übernahme-verfahren.

7.1.2.3 Stellungnahme

Geht man davon aus, dass Verteidigungsmaßnahmen ökonomisch begrüßenswerte Effekte haben können, so stellt sich zunächst die Frage, auf welche Weise diese Effekte realisiert werden können. Zudem muss diskutiert werden, ob nicht ähnli-che Effekte auf andere Weise, beispielsweise durch eine entspreähnli-chende Gestaltung der Pflichten des Bieters im Angebotsannahmeverfahren, herbeigeführt werden können. Auch muss abgewogen werden, ob die, durch das Ergreifen von Verteidi-gungsmaßnahmen zu erzielenden positiven Effekte, die damit einhergehende

922 Vgl. Immenga/Noll (1990), S.99; Mülbert/Birke (2001), S.709; hierzu auch Coppik (2007), S.137f.; Koch (2001), S.1; Mühle (2002), S.282.

923 Vgl. Easterbrook/Fischel (1991), S.187ff.; hierzu auch Arnold (2007), S.238; Coppik (2007), S.137f.

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schwächung des Disziplinierungseffektes kompensieren können.924 Hinsichtlich der Frage, wie Verteidigungsmaßnahmen effizient ermöglicht werden können, spielt die Lösung der Probleme im Zusammenhang mit den unternehmensinternen Prinzipal-Agent Beziehungen und den kollektiven Entscheidungsprozessen der Aktionäre des Zielunternehmens eine zentrale Rolle. Dabei stellt sich auch die Frage, welche der möglichen Entscheidungsinstanzen für das Ergreifen von Ver-teidigungsmaßnahmen zur Lösung dieser Probleme am geeignetsten ist.