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7 Regelungsprobleme aus ökonomischer Perspektive Perspektive

7.2 Die ökonomischen Regelungsprobleme

7.2.2 Die Schwächen des Aktionärsstimmrechts in der Hauptversammlung Aus institutionenökonomischer Sicht ist das Aktionärsstimmrecht ein zentraler Aus institutionenökonomischer Sicht ist das Aktionärsstimmrecht ein zentraler

7.2.2.2 Das Problem der strategischen Wahl

Neben den Problemen der Kollektiventscheidung und der rationalen Apathie schränkt auch das Problem der strategischen Wahl die Wirksamkeit des Stimm-rechts als Beherrschungs- und Überwachungsmechanismus ein, denn Kol-lektiventscheidungsprozesse sind anfällig für Manipulationen vonseiten der Ver-sammlungsleitung.951 So kann das Management die rationale Apathie und die Unerfahrenheit der Aktionäre ausnutzen und durch strategisches Verhalten Be-schlüsse durchsetzen, die ihm einseitig zum Vorteil gereichen.952

In Deutschland existiert keine gesetzliche Regelung, die die Person des Versamm-lungsleiters bestimmt. Regelmäßig sieht die Satzung den

947 Vgl. Ruffner (2000), S.176.

948 Vgl. Arnold (2007), S.74; Black (1992), S.821; Birke (2006), S.204; Herkenroth (1994), S.307;

Roth (2003), S.376; Ruffner (2000), S.176.

949 Vgl. Der Betrieb 2009, S.73ff.

950 Vgl. DSW-Analyse: HV-Präsenz 2009, abrufbar unter www.dsw-info.de/DSW-Analyse-HV-Praesenzen-im.1556.0.html

951 Vgl. Birke (2006), S.217; Ruffner (2000), S.177; grundlegend Gordon (1989), S.1577ff.

952 Vgl. Gordon (1989), S.1577; Ruffner (2000), S.177.

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den als Versammlungsleiter vor.953 Zwar ist der Versammlungsleiter zur Neutrali-tät gegenüber den Aktionären und dem Vorstand verpflichtet, doch ist zu erwar-ten, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats ähnliche übernahmespezifische Interes-sen verfolgen, wie die Mitglieder des Vorstands. Deshalb besteht die Gefahr, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Koalitionen mit dem Vorstand eingeht und zu dessen Gunsten befangen ist. Auch können Aktionäre nicht isoliert, sondern nur im Rah-men der Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses gegen rechtswidrige Maßnahmen des Versammlungsleiters vorgehen.954 Angesichts der daraus resul-tierenden geringen Sanktionsgefahr und des möglichen Eigeninteresses des Auf-sichtsratsvorsitzenden, ist es durchaus vorstellbar, dass dieser in seiner Funktion als Versammlungsleiter manipulativ zu seinen Gunsten und zugunsten des Vor-stands in den Ablauf der Hauptversammlung eingreift. Hinsichtlich der Festle-gung der Abstimmungsreihenfolge ist der Versammlungsleiter weder an die Ta-gesordnung noch an etwaige Hauptversammlungsbeschlüsse gebunden, es steht ihm sogar frei Abstimmungsvorschläge noch während der Hauptversammlung zu modifizieren.955

7.2.2.2.1 Wahlzyklen

Besonders deutlich wird das Problem der strategischen Wahl durch das Phänomen der sogenannten Wahlzyklen.956 Danach versagen Systeme der kollektiven Wahl insbesondere dann, wenn die Zahl der an der Abstimmung Teilnehmenden groß ist und mehrere Alternativen zur Wahl stehen. Unterliegen Abstimmungsverfah-ren Mehrheitsregeln, nimmt mit der Anzahl von Stimmberechtigten und Entschei-dungsalternativen die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Abstimmungsergebnisse zyklisch werden. Ein Abstimmungsprozess ist dann zyklisch, wenn jede durch eine Mehrheit gewählte Alternative nacheinander einer anderen Alternative unter-liegt, welcher durch eine andere Mehrheitskoalition der Vorzug gegeben wird.957 Liegen also mehr als zwei Abstimmungsalternativen vor, so ist zu erwarten, dass eine Mehrheit Alternative A vor der Alternative B und die Alternative B vor der Alternative C bevorzugt; gleichfalls bevorzugt jedoch eine Mehrheit Alternative C vor Alternative A.958 Aus dem Phänomen der Wahlzyklen wird abgeleitet, dass

953 Vgl. Birke (2006), S.219; MüKoAktG-Kubis, § 118 Rn.20.

954 Vgl. Birke (2006), S.220; MüKoAktG-Kubis, § 118 Rn.20; hierzu bereits Gliederungspunkt 4.3.

955 Vgl. Birke (2006), S.219 m.w.N.

956 Vgl. Arnold (2007), S.84; Birke (2006), S.217f.; Ruffner (2000), S.183; grundlegend Behrens (1986), S.280f.; Gordon (1991), S.359f.

957 Vgl. Ruffner (2000), S.183f.

958 Vgl. Arnold (2007), S.84.

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derjenige, der die Abstimmungsreihenfolge kontrolliert und die Präferenzen der Aktionäre kennt, bei der Anwendung der Mehrheitsregel über Variationen der Abstimmungsreihenfolge jedes gewünschte Resultat erreichen kann.959 Je hetero-gener die Präferenzen der Aktionäre sind und je mehr Entscheidungsalternativen zur Abstimmung gestellt werden können, desto leichter fällt die Manipulation.960 Das Phänomen der Wahlzyklen eröffnet dem Management die Möglichkeit nicht nur in ordentlichen Hauptversammlungen auf Ermächtigungsbeschlüsse zum Er-greifen von Verteidigungsmaßnahmen hinzuwirken, sondern auch in der Abwehr-hauptversammlung Einfluss auf das Abstimmungsergebnis zu nehmen. So wurde bereits dargestellt, dass die Präferenzen der Aktionäre hinsichtlich des Erfolges eines Übernahmeangebots durchaus heterogen sein können.961 Mehrere Entschei-dungsalternativen stehen dann zur Verfügung, wenn die Hauptversammlung nicht über eine Generalermächtigung des Vorstands zum Ergreifen von Verteidigungs-maßnahmen entscheidet, sondern über konkret zu ergreifende Maßnahmen.962 7.2.2.2.2 Sonstige Probleme der strategischen Wahl

Neben dem Phänomen der Wahlzyklen kann das Abstimmungsergebnis dadurch manipuliert werden, dass unliebsame Beschlüsse durch damit sachlich nicht zu-sammenhängende Abstimmungsvorschläge wie beispielsweise Dividendenerhö-hungen versüßt werden. Ein für das Management nützlicher Vorschlag kann auch mit der glaubwürdigen Drohung verbunden werden, dass bei dessen Ablehnung Nachteile für das Unternehmen zu befürchten sind bzw. Ertragsmöglichkeiten nicht realisiert werden können. Darüberhinaus könnten wertreduzierende mit werterhöhenden Satzungsänderungen kombiniert werden, welche die Aktionäre nur als Paket annehmen oder ablehnen können, sodass sich unter Umständen so-gar informierte Aktionäre zu einer Zustimmung zu Maßnahmen im Interesse des Managements bewegen lassen werden.963 Aber auch bereits bei der Vorbereitung der Unterlagen zur Hauptversammlung, der Gestaltung der Diskussionen und der Reihenfolge der Redner kann Einfluss auf das Abstimmungsverhalten der Aktio-näre genommen werden.964

959 Vgl. Birke (2006), S.218; Gordon (1991), S.360f.; Ruffner (2000), S.184.

960 Vgl. Birke (2006), S.218; Gordon (1991), S.365f.; Ruffner (2000), S.184.

961 Vgl. Gliederungspunkt 4.

962 Vgl. dahingehen auch Birke (2006), S.218.

963 Vgl. Arnold (2007), S.84; Gordon (1989), S.1578f.; Ruffner (2000), S.178.

964 Vgl. Birke (2006), S.220.

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Im Zusammenhang mit der Abwehrhauptversammlung kann die Notwendigkeit von Verteidigungsmaßnahmen beispielsweise unter dem Vorwand gerechtfertigt werden, den Angebotspreis erhöhen zu wollen, obwohl das Management eigent-lich die Abwehr des Angebots anstrebt. Maßnahmen, wie der Verkauf wesentli-cher Vermögensgegenstände oder der Zukauf von Gesellschaftsvermögen, bei-spielsweise in Form von Unternehmensbeteiligungen, können mit der Drohung gerechtfertigt werden, dass diese unternehmerisch dringend geboten sind. Auch auf Vorratsbeschlüsse kann hingewirkt werden, indem der Beschluss beispiels-weise mit einer Dividendenerhöhung versüßt wird.