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6 Methodik der Hauptstudie

7.4 Einstellung der Verbraucher gegenüber dem „Mykotoxin frei“-Zeichen

7.4.2 Verhaltensbasierte Einstellungsmessung

Der Zweck des durchgeführten Discrete-Choice-Experimentes bestand darin, aufzuzeigen, welche Effekte das „Mykotoxin frei“-Zeichen in einer Kaufsituation auf das reale Verbraucherverhalten ausüben wird. Insbesondere sollte in diesem Zusammenhang geklärt werden, ob ein noch völlig unbekanntes, neues Zeichen überhaupt eine Wirkung erzielen kann, oder ob es aufgrund des im LEH vorherrschenden Informationsüberangebotes eher zu einer Nichtbeachtung des Zeichens durch den Verbraucher kommt. Sollte eine Wirkung messbar sein, wäre weiterhin von Interesse, ob es z.B. markenspezifische Wirkungen des Zeichens gibt, und ob diese durch bestimmte

personenspezifische Faktoren erklärbar sind. Wissenschaftliche Erkenntnisse lassen z.B.

vermuten, dass ein neues Zeichen zur Lebensmittelsicherheit in Kombination mit einer Handelsmarke aufgrund eines erhöhten Zusatznutzens größere Effekte zeigt als in Kombination mit einer Herstellermarke (vgl. GLYNN & CHEN 2009). Weiterhin sollte geklärt werden, ob eine zusätzliche Information zu Mykotoxinen, die dem Verbraucher die spezielle Problematik bewusst macht und ihn für das Zeichen sensibilisiert, den Effekt des

„Mykotoxin frei“-Zeichens auf die Kaufentscheidung erhöhen kann. In dieser Hinsicht war auch von Interesse, welche Wirkung unterschiedliche Informationsaussagen (verharmlosend, verschlimmernd) haben können.

Zur Erklärung des Kaufverhaltens wurden während der Analyse der erhobenen Daten verschiedene Erklärungsmodelle mittels Logit-Analyse geschätzt. Dafür wurde das Software-Paket STATA 10.0 verwendet. Das einfache Schätzmodell, welches lediglich die Einflüsse der Experimentalvariablen integriert, zeigt Tabelle 17. Nach der Bereinigung um fehlende Werte standen 685 Befragungen zur Schätzung zur Verfügung. Jeder Befragte durchlief dabei das Kaufexperiment dreimal, so dass 2055 Wahlentscheidungen für die Auswertung genutzt werden konnten.

Tabelle 17: Vollständiges Logit-Schätzmodell mit Experimentalvariablen

Variable Koeffizient Stand.

Beta-Koeffizient (Z-Wert)

„Mykotoxin frei“-Zeichen 0,35 6,23***

EU-Bio-Siegel 0,24 4,39***

Preis -0,60 -2,60***

Aurora (Konstante) -1,17 -8,15***

Diamant (Konstante) -0,12 -0,88

Bioland (Konstante) -1,03 -4,11***

Number of obs. = 2055, L² = 933, p=0.0000, Pseudo-R² = 0,1635, *α=0,10, ** α =0,05, *** α =0,01

EIGENE DARSTELLUNG 2010 Die Modellgüte ist am Pseudo-R2-Wert von 0,1635 abzulesen. In anderen wissenschaftlichen Studien wird häufig ein Pseudo-R2-Wert von 0,2 bis 0,4 gefordert, um gesicherte Ergebnisse zu ermöglichen (URBAN 1993). In Studien mit eher explorativem Charakter werden auch niedrigere Werte akzeptiert. Angesichts der hier vorliegenden Themenstellung der Mykotoxine, welche bislang nach vorliegendem Wissensstand noch

nicht in einem Discrete-Choice-Experiment operationalisiert wurde, kann daher der erreichte Pseudo-R2-Wert als gut angesehen werden. Weiterhin zeigt Tab. 17 nur ein Teilmodell, welches im Vergleich zum später präsentierten Gesamtmodell deutlich reduziert ist. Der erreichte Pseudo-R2-Wert gibt daher auch Hinweise darauf, dass es noch andere Faktoren gibt, die das Konsumentenverhalten in der Kaufentscheidung wesentlich beeinflussen. Weitere Faktoren mit Bedeutung für die Kaufentscheidung (z.B.

personenspezifische Faktoren) werden an späterer Stelle in das Gesamtmodell integriert und können somit die Modellgüte weiter verbessern.

Eine bemerkenswerte Feststellung, die schon zu diesem Zeitpunkt gemacht werden kann, ist, dass das „Mykotoxin frei“-Zeichen einen wesentlichen Einfluss auf die Kaufentscheidung genommen hat. Dies ist an dem positiven, hochsignifikanten Schätzkoeffizienten in Tab. 17 abzulesen. Der positive Effekt des Zeichens auf die Wahlentscheidung übertrifft in dem vereinfachten Schätzmodell sogar den Effekt des bereits etablierten EU-Bio-Siegels deutlich. Beachtet werden sollte an dieser Stelle, dass in das hier geschätzte vereinfachte Gesamtmodell auch die Einflüsse von Zusatzinformationen eingegangen sind, die den Verbraucher für die Mykotoxinproblematik sensibilisiert haben könnte und damit die Aufmerksamkeit auf das Mykotoxin-Zeichen gelenkt haben könnte. Auf diese Weise könnte der hohe Schätzwert zum Teil mit herbeigeführt worden sein. Die Frage des Einflusses des „Mykotoxin frei“-Zeichens wird im Kap. 7.4.2.2 tiefergehend behandelt, insbesondere im Hinblick auf die Wechselwirkung mit zusätzlichen Mykotoxininformationen.

Der negative Schätzkoeffizient des Preises ist logisch zu erklären, da mit ansteigenden Preisen eine verringerte Auswahlwahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Die Tatsache, dass der Koeffizient keinen sehr hohen Betrag erreichen konnte, stellt einen ersten Nachweis dafür dar, dass der Preis in dem hier konstruierten Kaufexperiment im Vergleich zu anderen Variablen eher eine untergeordnete Rolle spielt. Dies könnte auch nicht zuletzt darin begründet liegen, dass es sich bei dem Kaufobjekt Weizenmehl um ein Low-Involvement-Produkt handelt, welches im LEH wie auch im hier durchgeführten Kaufexperiment zu geringen Preisen angeboten wird. Der Verbraucher wird das finanzielle Risiko vermutlich in allen im Kaufexperiment betrachteten Alternativen als gering empfunden haben, wodurch der Preis in seiner Bedeutung für die Kaufentscheidung zurück gedrängt wird.

Die Schätzkoeffizienten für die Marken Aurora, Diamant und Bioland, die Tab. 17 ausweist, müssen jeweils im Verhältnis zur Referenzvariablen, in diesem Fall die Handelsmarke, interpretiert werden. Insofern deuten die Ergebnisse an, ceteris paribus, dass insgesamt die Marken Aurora und Bioland deutlich seltener ausgewählt wurden als

die Handelsmarke. Die Schätzkoeffizienten waren hochsignifikant. Hinsichtlich der Marke Diamant gab es hingegen keine signifikanten Unterschiede zur Handelsmarke. Es konnte folglich nicht nachgewiesen werden, dass die Marke Diamant signifikant seltener oder häufiger ausgewählt wurde als die Handelsmarke.

Neben den Einflüssen der Experimentalvariablen sind weitere Einflüsse auf die Kaufentscheidung von Interesse. Zum Beispiel soll in einem nächsten Schritt untersucht werden, wie sich zusätzliche Informationen auf die Kaufentscheidung auswirken.

Weiterhin ist für spätere praktische Handlungsempfehlungen von Interesse, ob es bestimmte markenspezifische Effekte des Mykotoxin-Zeichens gibt, die bei einer späteren Etablierung des neuen Zeichens im Markt Beachtung finden sollten. Diesen Zielsetzungen folgend wurde eine umfassendere Schätzung modelliert, die neben Experimentalvariablen auch personenspezifische Variablen und Interaktionen zur Schätzung markenspezifischer Effekte integriert. Das vollständige Schätzmodell, welches die zuvor zitierten Forschungsfragen beantwortet, zeigt Tabelle 18.

Nach Bereinigung um fehlende Daten standen in diesem Datensatz 628 Befragungen zur Schätzung zur Verfügung. Jeder Befragte durchlief drei Kaufentscheidungen, so dass 1884 Wahlentscheidungen ausgewertet werden können. Die Gesamtgüte des hier verwendeten Schätzmodells kann als gut bezeichnet werden, was durch den Pseudo-R2 -Wert von 0,2303 belegt wird. Die Tab. 18 wird nachfolgend zunächst grob erläutert.

Einzelne Fragestellungen, die von konkreterem Interesse sind (z.B. der Einfluss von Zusatzinformationen), werden in den nachfolgenden Kapiteln tiefergehend erläutert. Dabei wird ggf. wieder auf die Tabelle 18 Bezug genommen.

Um die Wechselwirkungen zwischen Mykotoxin-Zeichen und den vier getesteten Marken schätzen zu können, wurden zunächst Interaktionen zwischen den Variablen gebildet. Die Effekte des Mykotoxin-Zeichens können auf diese Weise markenspezifisch geschätzt werden. Die Effekte der einzelnen Marken in Wechselwirkung mit dem „Mykotoxin frei“-Zeichen lagen allerdings auf sehr ähnlichem Niveau. Eine Überprüfung des Modells durch den LR-Test hat nachfolgend ergeben, dass es zwischen den markenspezifischen Effekten keine signifikanten Unterschiede gibt. Infolgedessen wurde der Effekt des Mykotoxin-Zeichens in dem in Tab. 18 gezeigten Modell generisch gemessen. Der Preis und das Vorhandensein des EU-Bio-Siegels wurden ebenfalls als generische Variable modelliert, d.h. es wird ein Gesamteffekt über alle getesteten Marken gemessen.

Tabelle 18: Vollständiges Logit-Schätzmodell mit Experimentalvariablen, Interaktionen und personenspezifischen Variablen

Variable Koeffizient Stand.

Beta-Koeffizient (Z-Wert)

„Mykotoxin frei“-Zeichen 0,39 6,50***

Preis -0,64 -2,57**

EU-Bio-Siegel 0,24 3,91***

Mykotoxin-Zeichen x Info vorhanden (Durchschnitt aus pos. u. neg.

Aussage)

0,30 2,46**

Mykotoxin-Zeichen x neg. Informationsaussage 0,18 1,53

Aurora (Konstante) -1,11 -7,14***

Aurora x Risikowahrnehmung 0,17 1,71*

Aurora x Verunsicherung 0,09 1,04

Aurora x Ernährungswissen 0,24 2,91***

Aurora x Zeichen-Zweckmäßigkeit 0,15 1,59

Aurora x Zeichen-Gestaltung -0,03 -0,36

Aurora x Zahlungsbereitschaft 0,01 3,13***

Diamant (Konstante) -0,07 -0,49

Diamant x Risikowahrnehmung -0,01 -0,18

Diamant x Verunsicherung 0,04 0,65

Diamant x Ernährungswissen 0,29 4,98***

Diamant x Zeichen-Zweckmäßigkeit 0,18 2,74***

Diamant x Zeichen-Gestaltung 0,19 3,30***

Diamant x Zahlungsbereitschaft 0,01 5,57***

Bioland (Konstante) -1,51 -5,31***

Bioland x Risikowahrnehmung -0,17 -1,49

Bioland x Verunsicherung 0,36 3,58***

Bioland x Ernährungswissen 1,06 8,84***

Bioland x Zeichen-Zweckmäßigkeit 0,08 0,76

Bioland x Zeichen-Gestaltung -0,04 -0,48

Bioland x Zahlungsbereitschaft 0,03 10,08***

Number of obs. = 1884, L² = 1204, p=0.0000, Pseudo-R² = 0,2303, *α=0,10, ** α =0,05, *** α =0,01

EIGENE DARSTELLUNG 2010