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3 Das Themenfeld Risiko

3.1 Risikoverständnis

3.1.3 Risikogruppen

Risiken können nach verschiedenen Kriterien in Gruppen eingeordnet werden, die das spätere Management erleichtern sollen. Durch die Gruppenaufteilung wird z.B. schneller erkennbar, welche Risiken besonders bedrohlich sind und besonders viel Aufmerksamkeit beim Risikomanagement und bei der Risikokommunikation erfordern. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) hat für verschiedene Umweltrisiken eine Gruppeneinteilung erarbeitet, die im folgenden Abschnitt beispielhaft dargestellt werden soll.

Zunächst werden alle Risiken grob in die Kategorien ‚Normalbereich’, ‚Grenzbereich’ und

‚Verbotsbereich’ eingeteilt. Tab. 4 stellt die Eigenschaften der verschiedenen Bereiche einander in übersichtlicher Form gegenüber.

Der Normalbereich spiegelt alle Risiken wieder, die relativ leicht zu managen sind.

Aufgrund einer hohen Gewissheit über das Schadensausmaß und die Eintrittswahrscheinlichkeit sind diese Risiken leicht zu berechnen. Gleichzeitig ist bei den Risiken des Normalbereiches der Bedrohungscharakter eher gering, weil das Schadensausmaß und die Eintrittswahrscheinlichkeit niedrig sind. Darüber hinaus weisen die Schadensfolgen eine geringe Persistenz (zeitliche Ausdehnung des Schadens), Ubiquität (räumliche Ausdehnung des Schadens) und Irreversibilität auf. Das Risiko und der Nutzen sind auch gleichmäßig über alle betroffenen Personen verteilt, so dass insgesamt mit einem eher geringen Mobilisierungspotenzial gerechnet werden kann.

Unter Mobilisierungspotenzial kann das Potenzial zur Erzeugung einer Gegenwehr in jedweder Form verstanden werden wie z.B. ein offener Protest, Vertrauensschwund oder Sabotage (WBGU 1998).

Tabelle 4: Eigenschaften des Normal-, Grenz- und Verbotsbereiches von Risiken

Normalbereich Grenz- und Verbotsbereich Eigenschaften - geringe Ungewissheit

- Insgesamt eher geringes Schadensausmaß

- Insgesamt geringe bis mittlere Eintrittswahrscheinlichkeit Die Risiken im Grenz- und Verbotsbereich weisen ähnliche Eigenschaften auf, so dass sie in Tab. 4 zusammenfassend betrachtet werden. Die Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder das Schadensausmaß sind bei diesen Risiken ungewiss, wodurch sie schwieriger zu bewerten und zu managen sind. Im Vergleich zum Normalbereich weisen die Risiken im Grenz- und Verbotsbereich ein hohes Schadenspotenzial und/oder eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Eintreten des Ereignisses auf. Gleichzeitig handelt es sich bei den Schadensfolgen um persistente und irreversible Effekte, die zudem häufig noch räumlich weit verbreitet (ubiquitär) sind. Zudem weisen Risiken aus dem Grenz- und Verbotsbereich oft eine sehr ungerechte Verteilung von Risiken und Nutzen auf, was eine Mobilisierung der Öffentlichkeit zur Folge haben kann (WBGU 1998).

Grenz- und Verbotsbereich müssen trotz der ähnlichen Eigenschaften von einander differenziert werden: Im Verbotsbereich sind die Risiken in aller Regel so schwerwiegend, dass ein Verbot ausgesprochen werden sollte. Eine Abweichung von dieser Regel sollte nur zulässig sein, wenn besonders große Nutzenvorteile einer Aktivität, etc. dafür sprechen, trotzdem das Risiko einzugehen. Der Grenzbereich, der den Normalbereich von dem Verbotsbereich trennt, zeichnet sich wiederum durch Risiken aus, bei denen die Etablierung verschiedener Risikoreduzierungsmaßnahmen eine Verschiebung des Risikos in den Normalbereich verspricht (WBGU 1998).

Die drei Kategorien können wiederum aufgrund ihrer Eigenschaften in eine Matrix von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß überführt werden (Abb. 1).

Abbildung 1: Einteilung von Risiken nach Normal-, Grenz- und Verbotsbereich in Abhängigkeit von Schadensausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit

WBGU 1998 Mithilfe dieser Matrix, die die Eintrittswahrscheinlichkeit zusammen mit dem Schadensausmaß aufträgt, können Risikotypen definiert werden, die aufgrund ihrer Eigenschaften deutlich voneinander differenziert werden können. Der WBGU (1998) unterscheidet insgesamt sechs verschiedene Risikotypen, die im nachfolgenden Abschnitt kurz vorgestellt werden sollen:

a) Risikotyp Damokles: Dieser Risikotyp zeichnet sich durch eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit aus, wobei gleichzeitig das Schadensausmaß hoch ist.

Beide Größen können mit einer hohen Abschätzungssicherheit festgestellt werden.

Das Mobilisierungspotenzial ist ebenfalls hoch.

b) Risikotyp Zyklop: Der Zyklop weist ebenfalls ein hohes Schadensausmaß aus, was auch mit einer relativ hohen Abschätzungssicherheit festgestellt werden kann. Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist aber ungewiss, was den Zyklop vom Risikotyp Damokles differenziert. Gleichzeitig ist auch die Abschätzungssicherheit der

Eintrittswahrscheinlichkeit gering, häufig herrscht auch hier Ungewissheit vor. Ein Bespiel für diesen Risikotyp ist z.B. ein Vulkanausbruch.

c) Risikotyp Pythia: Ein hoher Grad an Ungewissheit zeichnet diesen Risikotyp aus.

Sowohl das Schadensausmaß als auch die Eintrittswahrscheinlichkeit sind unsicher, die Abschätzungssicherheit für beide Größen ist ebenfalls gering. Ein gutes Beispiel für diesen Risikotyp stellt BSE dar: Es war lange unklar, welche Gefahren mit dieser Rindererkrankung wirklich verbunden sind und wie groß ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist.

d) Risikotyp Pandora: Dieser Risikotyp ähnelt Pythia, denn auch hier herrscht eine große Ungewissheit bezüglich Schadensausmaß, Eintrittswahrscheinlichkeit und Abschätzungssicherheit vor. Im Vergleich zu Pythia zeichnet sich Pandora aber gleichzeitig noch durch eine hohe Ubiquität, Persistenz und Irreversibilität aus.

Risiken, die diesem Typus zugeordnet werden, weisen also Schadensfolgen auf, die aufgrund ihrer Eigenschaften kaum zu kompensieren sind.

e) Risikotyp Kassandra: Die Risiken, die Kassandra zugeordnet werden können, zeichnen sich durch ein eher hohes bis hohes Schadensausmaß bei eher hoher Abschätzungssicherheit aus. Gleichzeitig ist auch die Eintrittswahrscheinlichkeit eher hoch bis sehr hoch, wobei hier die Abschätzungssicherheit eher gering ist. Eine weitere typische Eigenschaft von Risiken des Kassandra-Typs ist eine große Verzögerungswirkung. Der schleichende anthropogene Klimawandel kann z.B. diesem Risikotyp zugeordnet werden.

f) Risikotyp Medusa: Risiken des Medusa-Typs zeichnen sich durch ein eher geringes Schadensausmaß und eine eher geringe Eintrittswahrscheinlichkeit aus. Die Eintrittswahrscheinlichkeit kann dabei mit geringer Sicherheit abgeschätzt werden, während das Schadensausmaß mit eher hoher Sicherheit bestimmt werden kann.

Eine weitere typische Eigenschaft der Medusa-Risiken ist ein hohes Mobilisierungspotenzial. Diese Risiken erzeugen also in der Bevölkerung eine besonders große Protestreaktion.

(WBGU 1998) Auch die sechs Risikotypen lassen sich in die Matrix von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß integrieren (Abb. 2). Alle weiteren Eigenschaften (z.B.

Persistenz, etc.) lassen sich auf diese Weise jedoch nicht darstellen.

Abbildung 2: Einordnung der Risikotypen in den Normal-, Grenz- und Verbotsbereich

WBGU 1998 Je nachdem, welchem Risikotyp ein Risiko zugeordnet wird, wird ein unterschiedliches Risikomanagement erforderlich. Risiken für die menschliche Gesundheit, die durch Lebensmittel erzeugt werden, können je nach Risikoeigenschaften einem der sechs Risikotypen zugeordnet werden. Für die Mykotoxine kann festgehalten werden, dass aufgrund der vielen Unsicherheiten in Bezug auf das Schadensausmaß und die Eintrittswahrscheinlichkeit insbesondere die Risikotypen Pythia bzw. Pandora (bei persistenten Wirkungen, z.B. auf nachfolgende Generationen, etc.) angemessen sind.