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4 Das Themenfeld Produktkennzeichnungen

4.4 Informationsverhalten beim Lebensmitteleinkauf

4.4.1 Informationssuche

Eine der bedeutendsten Theorien, die sich mit der Informationssuche befasst, ist die

„Economics of information“-Theorie und wurde erstmals von George STIGLER (1961) vorgestellt. Dieses Modell wurde bislang von Wissenschaftlern umfangreich genutzt und hat sich als geeignet für die Analyse von Märkten erwiesen. Der Theorie liegt die Annahme zugrunde, dass die Informationssuche von Konsumenten sowohl von den Kosten als auch von dem Nutzen der Suchaktivitäten abhängig ist. STIGLER geht bei seiner Theorie davon aus, dass Märkte durch eine breite Streuung von Preisen gekennzeichnet sind. Diese ergeben sich nicht nur durch unterschiedliche Preisforderungen, sondern auch durch unterschiedliche Qualitäten der Güter. Schließlich können mit dem eigentlichen Gut auch zusätzliche Service-Leistungen verbunden sein, die ein Vergleichen der Preise im Markt erschweren. Das Resultat dieser Situation ist die Tatsache, dass kein einzelner Käufer oder Verkäufer über alle Preisinformationen in einem Markt verfügen kann. Um an Produkt- und Preisinformationen zu gelangen, muss er folglich Informationssuche betreiben (STIGLER 1961).

Unter den Kosten der Informationssuche sind nach STIGLER die Ressourcen zu verstehen, die in den Suchprozess investiert werden. Die bedeutendste Ressource in diesem Sinne ist sicherlich die dafür benötigte Zeit, wobei diese wiederum für verschiedene Konsumenten unterschiedlich wertvoll sein kann, je nachdem, wie viel Zeit zur Verfügung steht. Weitere Kosten der Informationssuche können monetäre Ausgaben (z.B. Fahrtwege) oder auch der persönliche Aufwand zur kognitiven Verarbeitung neuer Informationen sein (STIGLER 1961).

Auf der Nutzenseite der Informationssuche stehen hingegen ein niedriger Produktpreis und / oder eine höhere Produktqualität. Ein höherer Nutzen ist insbesondere dann zu erwarten, ceteris paribus, wenn die Preise und die Produktqualitäten in einem Markt sehr stark variieren. Gleichzeitig sinkt mit jeder weiteren Einheit der zusätzliche Nutzen der Suchaktivität. Nach STIGLER (1961) wird deshalb ein rationaler Konsument genau so lange Informationssuche betreiben, bis die Grenzkosten und der Grenznutzen gleich sind.

Allerdings wurde die Economics of information-Theorie für Märkte mit dauerhaften Gütern wie Automobile, etc. konzipiert. Für Märkte mit kurzlebigen Gütern wie Lebensmitteln scheint sie weniger geeignet, da im Lebensmitteleinzelhandel auch nicht-monetäre Faktoren wie z.B. das Ladenimage, das Involvement oder die Einkaufsatmosphäre (AVERY 1996), sowie das wahrgenommene Risiko oder das Vertrauen in eine

Informationsquelle (GAO et al. 2005) die Suchaktivitäten beeinflussen. Außerdem spielen Convenience-Aspekte (z.B. eine kurze Anfahrtsstrecke) eine sehr wichtige Rolle, obwohl die Produktpreise zwischen verschiedenen Anbietern stark variieren (URBANY et al.

1991). Diese These wird auch durch die Studie von AVERY (1996) gestützt, bei der 82%

der Befragten angaben, dass sie immer nur in einem Laden einkaufen (der, der insgesamt am meisten Bequemlichkeit bietet) und Preise nur für gleiche Produkte innerhalb des Ladens vergleichen.

Nach der Economics of Information-Theorie wäre zu erwarten, dass beim Lebensmitteleinkauf nur sehr wenig Informationssuche betrieben wird. Der Grenznutzen einer Informationssuche für jedes einzelne Gut ist hier in der Regel verschwindend gering.

Gleichzeitig sind die Kosten, die entstehen, um einzelne Waren zu vergleichen, besonders hoch. Durch die Vielzahl der Preise wird der Konsument kognitiv sehr gefordert, die Preise ändern sich zudem häufig und werden zusätzlich durch Verkaufs- und Rabattaktionen beeinflusst (AVERY 1996).

Die Feststellung, dass beim Lebensmitteleinkauf generell nur wenige Informationen gesucht werden, kann so allerdings nicht stehen gelassen werden. So weist AVERY (1996) darauf hin, dass zwischen der Informationssuche im Laden und der Informationssuche vor dem Einkauf unterschieden werden muss. Generell hat der Konsument auch die Möglichkeit, sich über Werbebeilagen von zu Hause aus über Preise und Rabattaktionen zu informieren. Diese Informationssuche vor dem Einkauf kann auch während unproduktiver Zeiten durchgeführt werden (z. B. beim Fernsehen), wodurch die Kosten der Informationssuche gesenkt werden. Außerdem sind Produkt- und Preisinformationen in Werbebeilagen häufig eindeutiger präsentiert, wodurch sie leichter aufgenommen und verarbeitet werden können. Die Informationssuche im Laden ist hingegen in der Regel kompliziert und zeitaufwändig. Die Economics of information-Theorie hat sich daher für die Informationssuche vor dem Einkauf eher als passend erwiesen als für die Informationssuche im Geschäft. Insgesamt wird aber festgestellt – mit Bezug auf die Informationssuche vor dem Einkauf-, dass die Verbraucher beim Lebensmitteleinkauf aktiv nach Informationen suchen (AVERY 1996). Beim Lebensmitteleinkauf im Laden sieht das etwas anders aus: CALFEE & FORD (1988) stellten fest, dass die Informationssuche im Laden selbst eher gering ist. Außerdem geben die Autoren an, dass viele Konsumenten den Werbebeilagen misstrauen, weil sie vermuten, dass der Einzelhändler sie zu überzeugen versucht (CALFEE & FORD 1988).

Neben der Frage, ob überhaupt Informationen gesucht werden, scheint also darüber hinaus die Frage nach der Informationsquelle und deren Glaubwürdigkeit von Bedeutung zu sein.

MAUTE & FORRESTER (1991) haben die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Informationsquelle aufgenommen und konnten feststellen, dass der Umfang der Informationssuche auch davon abhängt, ob es sich bei dem beurteilen Attribut um eine Such-, Erfahrungs- oder Vertrauenseigenschaft handelt. Sucheigenschaften sind äußerlich am Produkt zu erkennen, wie z.B. Claims oder Produktkennzeichen. Hier sind die Kosten der Informationssuche zwar gering, weil Sucheigenschaften leicht zu erkennen sind, gleichzeitig wird der Nutzen der Information aber dadurch eingeschränkt, dass die Informationen vom Hersteller / Einzelhändler kommen und daher evtl. verzerrt sind. Der andere Fall liegt bei Vertrauenseigenschaften vor: Hier beinhalten die Informationen einen großen Nutzen, weil ihnen z.B. eine objektive Prüfung eines Sachverhaltes (z.B.

Gentechnik-frei) zugrunde liegt. Gleichzeitig sind hier die Kosten der Informationssuche aber sehr hoch, weil die Informationen in der Regel kompliziert sind und große kognitive Fähigkeiten erfordern. Bei Erfahrungseigenschaften sind schließlich die Kosten der Informationssuche moderat (Produkt einmal kaufen und ausprobieren), der Nutzen ist hingegen sehr hoch, weil die Informationen auf persönlichen Erfahrungen basieren.

Erfahrungseigenschaften korrelieren daher positiv mit der Informationssuche, während Such- und Vertrauenseigenschaften einen negativen Zusammenhang mit der Informationssuche zeigen (MAUTE & FORRESTER 1991). Es sei aber darauf hingewiesen, dass sich die genannte Studie auf Dienstleistungsangebote von Banken bezieht und nicht auf Verbrauchsgüter wie Lebensmittel.

Insgesamt vermitteln viele Studien den Eindruck, dass der Konsument beim Lebensmitteleinkauf durch verschiedene Strategien versucht, die Kosten der Informationssuche zu reduzieren und den Nutzen zu erhöhen. Zum Beispiel scheint es so zu sein, dass eher allgemeine, übergeordnete Preisinformationen als konkrete monetäre Preise gesucht werden. Verbraucher wissen, ob ein Lebensmittel im Angebot ist oder nicht, sie können allerdings häufig nicht den konkreten Preis nennen (AVERY 1996).

Darüber hinaus verfolgen viele Konsumenten anscheinend die Taktik, dass sie sich eher über die generelle Preisstrategie eines speziellen Einzelhändlers informieren als über genaue Preise einzelner Lebensmittel (AVERY 1996). DICKSON & SAWYER (1990) konnten ebenfalls feststellen, dass nur gut die Hälfte der Konsumenten (57,9%) beim Lebensmitteleinkauf im Geschäft den Preis beachtet. Von diesen Personen konnten wiederum nur 47,1% den Preis des Produktes nennen, nachdem sie es in den Einkaufswagen gelegt hatten.

Schließlich sind es auch ganz individuelle Faktoren, die mitbestimmen, wie viele Informationen gesucht werden. So ist die Wahrscheinlichkeit für die Suche nach Ernährungsinformationen umso größer, je mehr Wichtigkeit der Ernährung beim

Lebensmitteleinkauf eingeräumt wird. Auch das individuelle Wissen über Ernährung wird in mehreren Quellen als wichtiger Einflussfaktor genannt (LIN et al. 2004, SZYKMANN et al. 1997). Die Frage des persönlichen Involvements spielt sicherlich eine weitere wichtige Rolle. Mit Bezug auf den Lebensmitteleinkauf ist insbesondere dann ein hohes Involvement zu erwarten, wenn Kinder im Haushalt leben (SLAMA & TASHCHIAN 1985).

Insgesamt wurde in zahlreichen Studien auch immer wieder festgestellt, dass ältere Frauen mit guter Schulbildung, mit gutem sozialen Status und Kindern im Haushalt die meisten Informationen suchen und sich insbesondere für Ernährung und Lebensmittelrisiken interessieren (SCHANINGER & SCIGLIMPAGLIA 1981, LIN 1995, SLAMA & TASHCHIAN 1985, COWBURN & STOCKLEY 2004, WILLIAMS 2005).