• Keine Ergebnisse gefunden

6 Methodik der Hauptstudie

6.3 Methodenwahl für die Datenauswertung

6.3.1 Faktorenanalyse

6.3.1.1 Zielsetzung

Einen wesentlichen Baustein der vorliegenden Arbeit stellt das Theoriemodell dar, welches auf theoretischen Vorüberlegungen und der qualitativen Vorstudie beruht. Es bildet die kausalen Beziehungen zwischen der Risikowahrnehmung des Verbrauchers gegenüber Mykotoxinen, seiner Einstellung gegenüber einem „Mykotoxin frei“-Zeichen und verschiedenen Einflussfaktoren ab. Die Zusammenhänge, die im Theoriemodell unterstellt werden, sollen dann zu einem späteren Zeitpunkt durch die empirische Erhebung überprüft werden.

An dieser Stelle muss hervorgehoben werden, dass das Theoriemodell überwiegend komplexe Sachverhalte beinhaltet. Risikowahrnehmung, verschiedene Einstellungen, Bewusstseinszustände wie Verunsicherung – all dies sind komplexe Konstrukte, die in der Regel über mehrere Einzelaspekte verfügen. So können in der Risikowahrnehmung einer Person gegenüber Mykotoxinen sowohl die Bewertung der konkreten gesundheitlichen Gefahren als auch die Bewertung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens von gesundheitlichen Problemen zum Ausdruck kommen. Die Risikowahrnehmung lässt sich daher nicht eindimensional, d.h. über eine einzige Variable in der Erhebung, messen. Um diesem Umstand der Mehrdimensionalität gerecht zu werden, bedient man sich in der empirischen Forschung verschiedener Indikatorvariablen. In der Regel werden also für jedes Konstrukt mehrere Items formuliert, die verschiedene Teilaspekte des Konstruktes messen sollen. Die Indikatorvariablen messen zunächst jede für sich eine eigene Dimension, werden aber anschließend zu einer einheitlichen Skala zusammengefasst, welche die allen Indikatorvariablen zugrunde liegenden Hintergrundvariable zuverlässig messen soll. Diese Aufgabe wird von der Faktorenanalyse erfüllt (BROSIUS 2006).

Die Faktorenanalyse verfolgt das Ziel, verschiedene Variablen zusammenzufassen, denen die gleiche Hintergrundvariable zugrunde liegt. Die Variablen werden in diesem Zusammenhang auch häufig als manifeste Variablen, die Hintergrundvariablen als

Faktoren oder latente Variablen bezeichnet. Insofern dient eine Faktorenanalyse der Komplexitätsreduktion, da sie die umfassende Anzahl von Variablen in einer Erhebung zu einer geringeren Zahl von Faktoren zusammen fasst (BROSIUS 2006). Bezüglich der Herangehensweise kann zwischen der explorativen und der konfirmatorischen Faktorenanalyse unterschieden werden. Der explorativen Analyse liegt dabei kein theoretisches Grundgerüst zugrunde, es gibt keine oder nur vage Vorüberlegungen dazu, welche Faktoren sich bilden könnten. Die konfirmatorische Faktorenanalyse wird hingegen angewendet, um konkrete Arbeitshypothesen zu bestätigen. In diesem Fall liegen also schon begründete Vermutungen zu Faktoren vor, die wiederum auf vorherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder auch einer vorangegangenen exploratorischen Faktorenanalyse basieren (NEWBY et al. 2006).

Zu unterscheiden ist weiterhin die Reliabilitätsanalyse. Durch dieses Verfahren können die qualitativen Eigenschaften einer Messskala überprüft werden, welche zuvor durch eine Faktorenanalyse konstruiert wurde. Es wird auf diese Weise geklärt, wie stark die einzelnen Items mit dem Hintergrundfaktor zusammen hängen und wie groß der Einfluss von Zufallsfehlern auf die Hintergrundvariable ist. Mit Bezug auf die vorliegende Erhebung dienen die durchgeführten Faktorenanalysen und Reliabilitätsanalysen folglich dem Zweck der Überprüfung, ob die aus theoretischen Vorüberlegungen heraus für ein bestimmtes Konstrukt formulierten Items wirklich die gleiche Hintergrundvariable messen, oder ob bestimmte Items evtl. missverstanden wurden und daher eine andere Hintergrundvariable abbilden. Solche Variablen sollten in späteren Analysen nicht mehr dem ursprünglichen Konstrukt zugeordnet werden.

Die in dieser Arbeit durchgeführten Faktorenanalysen dienen gewissermaßen als Vorstudien für das Partial Least Squares (PLS)-Modell, welches im weiteren Verlauf dieser Arbeit konstruiert wird (vgl. Kap. 7.5). Ziel des PLS-Modells ist wiederum die Überprüfung des literaturbasierten Theoriemodells. Es soll kausale Zusammenhänge zwischen der Risikowahrnehmung gegenüber Mykotoxinen, der Einstellung gegenüber dem „Mykotoxin frei“-Zeichen und verschiedenen Einflussfaktoren (Verunsicherung, usw.) aufzeigen. Methodisch stellt die PLS-Methode eine Verknüpfung von Regressions- und Faktorenanalysen dar. Ein wesentlicher Schritt der PLS-Methodik besteht also darin, ebenso wie bei einer Faktorenanalyse, dass verschiedene Variablen (sog. Indikatoren) einer Hintergrundvariablen (Konstrukt) zugeordnet werden. Um aber belastbare Ergebnisse des Kausalmodells zu erhalten, ist es unabdingbar, dass auch eine gewisse Inhaltsvalidität gegeben ist, d.h. dass die Bedeutung der latenten Variablen auch wirklich durch die ihr zugeordneten Indikatoren abgebildet wird. Neben der Durchführung der PLS-Schätzung bietet es sich folglich an, ebenfalls eine Faktoren- und Reliabilitätsanalyse

durchzuführen, um die Inhaltsvalidität der verschiedenen Konstrukte zu bestätigen.

Weiterhin können die im Rahmen der Faktorenanalysen gebildeten Faktoren auch für weitere Analysen genutzt werden. Einige der Faktoren werden z.B. auch als Variablen in der Logit-Schätzung (vgl. Kap. 7.4.2) modelliert.

6.3.1.2 Methodik

Methodisch liegen der Faktorenanalyse verschiedene Korrelationsberechnungen zugrunde. Dabei wird angenommen, dass Variablen, die stark miteinander korreliert sind, auch der gleichen Hintergrundvariablen zuzuordnen sind. Umgekehrt sollten Variablen, die sehr wenig miteinander korrelieren, auch unterschiedliche Hintergrundvariablen repräsentieren (NEWBY & TUCKER 2004). Generell ist es auch möglich, dass eine Variable auf verschiedene Faktoren stark lädt. In diesem Fall lässt sich die Variable keinem Faktor eindeutig zuordnen. Sie sollte daher für weitere Analysen nicht genutzt werden.

BACKHAUS et al. (2006) benennen die folgenden Schritte einer Faktorenanalyse:

1. Variablenauswahl und Errechnung der Korrelationsmatrix 2. Extraktion der Faktoren

3. Bestimmung der Kommunalitäten 4. Zahl der Faktoren

5. Faktorinterpretation

6. Bestimmung der Faktorwerte

In einem ersten Schritt werden zunächst die für die Faktorenanalyse ausgewählten Variablen auf ihre Zusammenhänge untereinander getestet, was durch Korrelationsrechnungen ermöglicht wird. Eine Korrelationsmatrix kann z.B. Aufschluss darüber geben, welche Variablenpaare stark miteinander korrelieren, d.h. dass sie Zusammenhänge bezüglich des Antwortverhaltens zeigen. Eine Standardisierung der Variablen vor den Korrelationsberechnungen wird allgemein empfohlen (vgl. BACKHAUS et al. 2006, BROSIUS 2006). Durch die Standardisierung wird erreicht, dass der Mittelwert aller Variablen Null und die Standardabweichung eins beträgt. Auf diese Weise wird der Einfluss unterschiedlicher Maßeinheiten aufgehoben.

Die in der Korrelationsmatrix aufgezeigten Koeffizienten zeigen dem Forscher hingegen lediglich an, welche Variablen miteinander in Zusammenhang stehen. Es werden keine Aussagen dazu ermöglicht, ob dieser Zusammenhang dadurch entsteht, dass sich die Variablen gegenseitig bedingen, oder dadurch, dass hinter den zusammenhängenden Variablen ein gemeinsamer Faktor steht. Folglich sind weitere statistische Prüfkriterien

nötig, die aussagen, ob die aufgezeigten Korrelationen wirklich durch eine latente Hintergrundvariable verursacht werden. Ein mögliches Prüfkriterium stellt der sog.

Bartlett-Test auf Sphärizität dar. Dieser verlangt die Normalverteilung der Variablen. Mit dem Bartlett-Test kann überprüft werden, ob die Stichprobe aus einer Grundgesamtheit stammt, in der die Variablen keine Korrelationen aufweisen. Eine weitere Maßzahl für die Beurteilung der Güte eines Faktors ist das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium, das sog. KMO-Maß. Der Beurteilung des Maßes liegt die Tatsache zugrunde, dass zwei Variablen, die stark miteinander korrelieren, sich auch zu einem gewissen Anteil gegenseitig erklären können. Wenn eine Variable A sehr stark mit einer Variable B korreliert, so lässt sich die Varianz der Variable A zu einem gewissen Anteil durch die Variable B erklären. Sofern die Korrelation nicht perfekt ist, wird es aber auch immer einen Rest der Varianz der Variable A geben, die nicht durch die Variable B erklärt wird. Das KMO-Maß stellt das Verhältnis der durch B erklärten Varianz zur nicht erklärten Varianz dar. Hohe Werte für das KMO-Maß zeigen damit eine starke Korrelation der einbezogenen Variablen an, was auf eine gute Variablenauswahl für einen gemeinsamen Faktor hindeutet.

Der zweite Schritt der Faktorenanalyse stellt die Extraktion der Faktoren dar. Es geht also darum, wie die manifesten Variablen und die Faktoren rein rechnerisch zusammen hängen. Wenn ein Faktor verschiedenen Variablen zugrunde liegt, so kann er diese Variablen auch im statistischen Sinne erklären. Dieser Zusammenhang zwischen Faktoren und Variablen lässt sich folglich durch eine Gleichung beschreiben:

1

Var1 = α1F1 + α2F2+…+ αiFi + uVar (3)

BROSIUS 2006, verändert Auf den ersten Blick wird die Ähnlichkeit zu einer linearen Regressionsgleichung deutlich:

Die Faktoren F1 und F2 stellen die erklärenden Variablen dar, α1 und α2 bezeichnen die Koeffizienten und uVar1 beinhaltet die Residuen, also den Teil von Var1, der nicht durch die Faktoren erklärt wird. In der Terminologie der Faktorenanalyse wird für αi der Begriff Faktorladung (factor loading) genutzt. Die Faktorladung ist folglich eine Maßzahl für den Zusammenhang zwischen einer Variablen und dem ihr zugrunde liegenden Faktor (BACKHAUS et al. 2006).

Im nachfolgenden Schritt werden die Kommunalitäten bestimmt. Der Ausdruck Kommunalität bezeichnet den Anteil der Gesamtvarianz einer Variablen, der durch die gemeinsamen Faktoren erklärt werden soll (BACKHAUS et al. 2006). Bezogen auf die obige Gleichung stellt die Kommunalität folglich den Anteil der Gesamtvarianz von Var1 dar, der nach Abzug von uVar1 noch vorhanden ist. Da meist immer ein gewisser Anteil der

Varianz vorhanden ist, der z.B. durch Messfehler und die variablenspezifische Varianz bedingt ist, nehmen die Kommunalitäten meist Werte von <1 an. Die am meisten verwendete Hauptkomponentenanalyse beruht zwar auf der Annahme, dass keine Einzelrestvarianzen bestehen (uVar1 = 0). Es wird also davon ausgegangen, dass die Varianz einer manifesten Variablen vollständig durch die Faktoren erklärt werden kann.

Ergibt die Analyse jedoch weniger Faktoren, als Variablen in die Analyse eingegangen sind, gibt die Hauptkomponentenanalyse auch Kommunalitäten von <1 aus.

Der nachfolgende Schritt besteht in der Festlegung der Faktorenzahl. Als statistisches Hilfsmittel kann hier das Kaiser-Kriterium dienen, welches besagt, dass lediglich Faktoren mit einem Eigenwert > 1 extrahiert werden sollten (BACKHAUS et al. 2006). Der Eigenwert stellt die Summe der quadrierten Faktorladungen eines Faktors über alle Variablen dar. Der Eigenwert gibt damit an, welcher Anteil der Varianz aller Variablen durch diesen einen Faktor erklärt werden kann. Schließlich folgt die Faktorinterpretation.

Die Anwendung der Hauptkomponentenanalyse vorausgesetzt, wird an dieser Stelle gefragt: Zu welchem Faktor lassen sich die auf einen Faktor hoch ladenden Variablen zusammen fassen? Es geht um die Suche nach einem konkreten Sammelbegriff, der die zu einem Faktor zusammengefassten Variablen interpretierbar macht. In diesem Sinne besteht ein wesentlicher Schritt darin, zu entscheiden, ab welcher Ladungshöhe eine Variable einem Faktor zugeordnet wird. Es muss also zunächst festgelegt werden, welche Variablen zur Interpretation des Faktors herangezogen werden sollen. BACKHAUS et al.

(2006) nennen in diesem Zusammenhang Ladungen von >0,5. Weiterhin werden rotierte Faktorlösungen empfohlen, die die Interpretation der Faktoren in der Regel erleichtern.

Der Begriff „Rotation“ beruht auf der Tatsache, dass sich die Faktorladungen auch in einem Koordinatensystem darstellen lassen, dessen Achsen gedreht, also rotiert werden (BROSIUS 2006).

Der letzte Schritt der Faktorenanalyse besteht schließlich in der Bestimmung der Faktorwerte. Diese geben an, wie die Faktoren bei den unterschiedlichen Personen ausgeprägt sind. Jeder Person können folglich für jeden Faktor bestimmte Werte zugeordnet werden. Der Wert stellt damit eine verdichtete Information dar, die die Aussagen des Befragten zu allen auf den Faktor ladenden Variablen beinhaltet. Die Faktorwerte können anschließend in weiteren statistischen Analysen genutzt werden.

Die Ergebnisse einer Faktorenanalyse sollten im Anschluss durch eine Reliabilitätsanalyse überprüft werden. Die Reliabilitätsanalyse zeigt auf, wie eng die einbezogenen Variablen mit dem zugrunde liegenden Faktor zusammen hängen und wie groß der Anteil eines Zufallsfehlers ist. Durch die Reliabilitätsanalyse kann die vorangegangene Faktorbildung folglich beurteilt und abgesichert werden. Weiterhin sind

Rückschlüsse dazu möglich, welche manifesten Variablen weniger gut zur Faktorbildung geeignet sind (BROSIUS 2006). Als Maßzahl der Reliabilitätsanalyse dient Cronbachs-Alpha. Mit einem Wert von 0,6 oder höher weist Cronbachs-Alpha die Reliabilität eines Faktors aus (ALBERSMEIER & SPILLER 2009).