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5 Qualitative Vorstudie

5.4 Ergebnisse

5.4.1 Auswertung der ersten Gruppendiskussion (17.11.2008)

Eine wesentliche Kernaussage, die zur ersten Gruppendiskussion zu treffen ist, ist die Feststellung, dass sich die teilgenommenen Verbraucher fast vollständig in einem Zustand von sehr großer Verunsicherung befanden. Die Verunsicherung richtete sich dabei sowohl auf die allgemeine Frage der Lebensmittelsicherheit als auch auf die Mykotoxinproblematik im Speziellen. Die in Kap. 3.2.2.3 beschriebenen Ursachen der Verbraucherverunsicherung lassen sich ausnahmslos in der vorliegenden Diskussion wieder finden.

So wurden z.B. die Auswirkungen der landwirtschaftlichen Produktionsprozesse und der modernen Herstellungsverfahren der Lebensmittelindustrie auf die Lebensmittelsicherheit umfassend diskutiert. Sehr deutlich wurde an dieser Stelle die schon früher festgestellte Entfremdung der Verbraucher von der Lebensmittelproduktion als eine Ursache der Verunsicherung (VON ALVENSLEBEN 1998, POORTINGA & PIDGEON 2005). Die Verbraucher wissen nur noch sehr wenig über die Herstellungsprozesse in der Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung und empfinden daher eine gewisse Skepsis insbesondere bei verarbeiteten Lebensmitteln, da sie selbst einen wesentlichen Teil der Verantwortung an andere Personen abgeben müssen. Als Folge zeigte sich in dieser Fokusgruppe ein deutliches Misstrauen gegenüber der landwirtschaftlichen Produktion („…wenn die mit ihrer Giftspritze darüber gehen…“, „…der Boden ist ausgelaugt…“,

„…diese Monokultur, das ist ganz klar schädlich…“) ebenso wie gegenüber der Lebensmittelverarbeitung („… im Schnellverfahren hergestellt…“, „…nur darauf geachtet, möglichst günstige, billige Produkte herzustellen…“, „… uns wird ja auch ganz schön viel vorgemacht…“, „…Großkonzerne…“, „… möglichst viel und günstig…“). Aber ebenso scheint das vorhandene Ernährungswissen ein wichtiger Faktor zu sein, welcher die Verunsicherung mit bestimmt. Verbraucher, denen wenig über Ernährung allgemein bekannt ist, lassen sich anscheinend auch leichter durch Informationen beeinflussen. Da sie selbst keinen Maßstab besitzen, an dem sie das Gehörte auf den Wahrheitsgehalt oder die Relevanz messen können, erzeugen die vielen und oft auch gegensätzlichen Informationen häufig Verwirrung und Unsicherheit („…wird gepriesen: Paprika ist gesund.

Wenn ich dann auf der anderen Seite wieder lese, die sind so belastet…“).

Darüber hinaus konnte auch ein sinkendes Grundvertrauen als Ursache von Verunsicherung bei den teilnehmenden Verbrauchern festgestellt werden. So trägt sicherlich die Unwissenheit oder das Halbwissen über die heutigen Produktionsstandards und Vorschriften dazu bei, dass die Verunsicherung noch erhöht wird („…gibt es da auch eine Zertifizierung für den Herstellungsprozess?“, „…auch die EU-Regelungen, die sind ja schon längst nicht mehr so streng wie sie früher einmal waren…“, „…ich fühle mich hinters Licht geführt…“, „…Papier ist geduldig…“). In diesem Sinne wurde auch die Unbeholfenheit der Teilnehmer deutlich, wenn es um die Qualitätsbewertung von verarbeiteten Lebensmitteln geht („…man kann das als Laie ja gar nicht auswertend sagen…“, „… wir haben ja keinen Einfluss drauf…“, „… wo sind überhaupt die Kriterien, wonach man sich richten kann als Verbraucher?“, „…für den Verbraucher ist das untransparent…“, …“ man kann in so ein Brot nicht reingucken…“) . Auch mit konkreten Bezug auf die Mykotoxinproblematik wurde ein sinkendes Grundvertrauen in das gesetzliche Risikomanagement deutlich („...Fühlen sie sich durch die gesetzlichen

Höchstmengen abgesichert?“ – „Ich weiß nicht. Auch nicht wirklich.“, „…es ist doch auch so kaum kontrollierbar, diese Grenzwerte einzuhalten…“).

Das sog. Sättigungsphänomen (vgl. Kap. 3.2.2.3) konnte weniger an konkreten Äußerungen, dafür aber aus dem Zusammenhang der gesamten Diskussion beobachtet werden. So wurde z.B. eine sehr breite Angebotspalette bei Brot beschrieben, die Massenproduktion in Großkonzernen sowie die Verfügbarkeit von Gemüse und exotischem Obst über das ganze Jahr. Die als Folge des Sättigungsphänomens auftretenden höheren Ansprüche an Qualität und Lebensmittelsicherheit waren während der gesamten Diskussionsrunde allgegenwärtig.

Interessanterweise konnte die Feststellung von VON ALVENSLEBEN (1998), dass die Qualitätswahrnehmung bei Brot und Backwaren im Vergleich zu den Vorjahren hoch ist, was wiederum in einer geringeren Verunsicherung münden sollte, nicht bestätigt werden.

Auch bei Getreidelebensmitteln herrschte bei den Befragten große Skepsis bezüglich der Qualität und Sicherheit vor, wenngleich schon der ernährungsphysiologische Wert von Getreide und die heutige Auswahl von Brot und Backwaren anerkannt wurden. Die geringe Qualitätswahrnehmung („…viele Brotsorten kann man nicht vertragen…“,

„…schmecken wie Pappe…“) spiegelte sich ebenso wie das Misstrauen in verschiedenen Aussagen wider („…bei Backwaren wird sehr viel gemogelt…“).

Mit Bezug auf die Mykotoxinproblematik konnten drei Teilnehmer berichten, dass sie schon einmal etwas von Mykotoxinen oder Schimmelpilzbelastungen an Lebensmitteln gehört hatten. In der Regel stammten diese Informationen aus dem Radio oder Fernsehen. Für die restlichen Teilnehmer war die Mykotoxinthematik neu. Bezüglich der Wahrnehmung des Mykotoxinrisikos entstand überwiegend die Meinung, dass den Risiken vielleicht auch nicht zu viel Bedeutung zugemessen werden sollte („…ich glaube nicht, wenn man jetzt täglich ganz normal Brot isst, dass das jetzt großartig einen Effekt hat…“, „…man muss sich nicht verrückt machen lassen…“). Als Begründung wurde einerseits angeführt, dass das Gesundheitsrisiko ja auch nicht neu ist („…es ist ja eigentlich bekannt, dass Schimmel schädlich ist…“, „…Schimmelpilze gab es schon immer…“) und dass andererseits die beschriebenen Gesundheitsrisiken ja auch nicht schlimmer sind als in anderen Bereichen („…Risiken gibt es ja im Prinzip überall…“,

„…was erzeugt heute denn keinen Krebs?“). Bei den beschriebenen Sachverhalten handelt es sich um typische Risikocharakteristika, die auch in der Literatur schon umfassend beschrieben wurden (z.B. SLOVIC 1987, BENNET 2001). Die Neuheit eines Risikos bzw. seine empfundene Schrecklichkeit nehmen dabei neben anderen Charakteristika Einfluss darauf, wie bedeutend ein Risiko wahrgenommen wird. Insofern sind die hier vorgestellten Ergebnisse stimmig, als dass eine Vertrautheit mit der

Problematik und eine nicht überproportional große Schrecklichkeit im Vergleich zu anderen Risiken dazu führen, dass das Mykotoxinrisiko als überschaubar angesehen wird.

Ein anderes Bild ergibt sich, wenn spezielle Risikogruppen wie Kinder im Fokus der Betrachtung stehen („…bei Kindern hört es dann ja auch auf…“). Hier werden Mykotoxine offenbar eher als bedeutende Gefahr gesehen. Diese Unterscheidung zwischen persönlichem Risiko und dem Risiko für die Allgemeinheit bzw. für Risikogruppen konnte auch in der späteren empirischen Erhebung bestätigt werden.

Mit Bezug auf die Möglichkeit eines „Mykotoxin frei“-Zeichens zeigten sich überwiegend positive Meinungen („Wunderbar!“, „Das wäre super, wenn man das sofort erkennen könnte“). Auch eine Nutzungsabsicht wurde eindeutig bestätigt. Allerdings wurde auch betont, dass Lebensmittel mit diesem Zeichen noch bezahlbar bleiben sollten. Insgesamt wurde die Gestaltung des Zeichens begrüßt, der Informationsgehalt wurde kontrovers diskutiert. Einerseits bestand die überwiegende Meinung, dass das Zeichen allein ohne weitere Information eher Verwirrung stiften würde („…die breite Öffentlichkeit würde sich fragen: Mykotoxine, was ist das denn?“), andererseits wurde auch betont, dass beim Einkauf in der Regel nicht die nötige Zeit vorhanden ist, um umfangreiche Informationen (womöglich auf einem Informationsblatt) zu lesen („Das muss ja schnell gehen.“, „…Die meisten lesen das nicht.“). Insofern wurde in der Gruppe überwiegend der Informationsweg über die Massenmedien begrüßt, d.h. über Radio oder TV, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Eine derartige Informationskampagne zusammen mit einem neuen Zeichen könnte nach Meinung der Teilnehmer ein guter Weg sein („…meistens müssen die Personen ja erstmal sachkundig gemacht werden, dass die überhaupt auf etwas achten“).