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Vereinbarung zwischen dem Anholter Hof und einem Fohlenaufzüchter Fohlenaufzüchter

4 Ergebnisse der Quellenauswertung

4.1 Pferdezucht und Pferdehaltung in der Herrlichkeit Anholt

4.1.3 Der Fohlenbestand

4.1.3.6 Vereinbarung zwischen dem Anholter Hof und einem Fohlenaufzüchter Fohlenaufzüchter

Aus dem Jahr 1740 ist eine Vereinbarung zwischen dem Bauern Jan Gerlichs und dem herrschaftlichen Hof zu Anholt erhalten, welche die bisher durch die Untersuchung der Marstallakten gewonnenen Erkenntnisse bestätigt und sie um wichtige Details der Fohlenhaltung ergänzt (69). Die Übersetzung gestaltete sich sehr schwierig, da der niederländische Text teilweise nur stichwortartig verfasst und Wörter oder Satzteile ausgelassen wurden. Dennoch liefert die Quelle bedeutende Informationen über die damalige Aufzucht von Fohlen. Sie ist vom Bauern oder einem von ihm beauftragten Schreiber, bei dem es sich der Handschrift nach zu urteilen nicht um den Hofmeister De Tiege, sondern evtl. um einen Sekretär, Hofrat o. ä. handelte, in der Ich-Form verfasst. Die Pflichten und Rechte der beiden Vertragspartner wurden nach Sommer- und Wintersaison getrennt festgehalten. Wie am Ende des Dokuments niedergeschrieben ist, konnte die Vereinbarung vom Hof für ungültig erklärt werden, wenn er keine Fohlenaufzucht mehr verlangte.

Dahingegen ist von einem Kündigungsrecht von Seiten des Untertanen nicht die Rede. Im Folgenden sollen alle Bestimmungen des Vertrags erläutert werden.

Gerlichs konnte bis zu zwölf Fohlen bei sich aufnehmen, was bedeutet, dass er einen großen Hof besessen haben muss. Er ließ sich sogar vertraglich zusichern, dass er einen gewissen Anspruch darauf hatte, dass ihm die Höchstmenge von zwölf Fohlen zugeteilt wurde, oder zumindest musste sich der Anholter Hof verpflichten, keine Fohlen bei einem anderen Bauern unterzubringen, solange Gerlichs nicht die volle Anzahl zusammen hatte147. Dies galt sowohl für die Weide- als auch für die Stallperiode. Auf der anderen Seite musste der Bauer sich damit zufrieden geben, wenn die Herrschaft insgesamt weniger als ein Dutzend Tiere zur Verfügung stellen konnte. Auch durfte sie nach Belieben im Laufe der Saison Fohlen austauschen oder vor Saisonende holen lassen. Gewöhnlich wurden die Tiere im Herbst abgeholt, sofern der Bauer nicht angewiesen wurde, sie zu bringen.

Die Pferde wurden im Sommer auf der Weide in Dreier- oder Vierergruppen aufgeteilt. Für alle Tiere musste der gleiche Betrag von 10 Reichstalern entrichtet werden, unabhängig von ihrem Alter, das zwischen einem und vier Jahren betrug,

146 In seinen Verzeichnissen ist des öfteren „my eygen toebehoorende“ und in den Rechnungen der Bauern „hem eygen toebehoorende“ zu lesen, das bedeutet „mir selbst“ bzw. „ihm selbst gehörig“.

147 Diese Aussage ist fraglich, da die entsprechende Textpassage sehr undeutlich formuliert ist.

Außerdem lässt sich anhand der Fohlenverzeichnisse nachweisen, dass auch dann Fohlen bei anderen Bauern untergebracht waren, wenn Gerlichs weniger als zwölf Tiere bekam.

und offensichtlich auch unabhängig von ihrem Geschlecht. Zusätzlich sollten die Söhne des Bauern, die zweimal täglich nach den Fohlen sehen mussten, Trinkgeld erhalten. Falls der Hof wünschte, dass einzelne oder mehrere Fohlen zusätzlich mit Klee gefüttert wurden, so musste er für diese Zeit einen höheren Preis bezahlen, der sich auf einen doppelten Gulden, d. h. 2/3 Reichstaler pro Tier und Woche belief. Dies belegt die besondere Wertschätzung, welche die Kleefütterung, auf die im Kap. 4.2 näher eingegangen wird, schon damals erfuhr. Außerdem verbirgt sich hinter dem Hinweis auf die Kleefütterung ein Indiz, dass die Fohlen zeitweise aufgestallt wurden oder zumindest bei Bedarf aufgestallt werden konnten, denn andernfalls konnte eine individuelle Zufütterung kaum gewährleistet werden. Unabhängig von der Zufütterung, musste auch die Weide gewisse Qualitätsstandards erfüllen. Gerlichs war verpflichtet, für eine gute Weidequalität zu sorgen. Ließ sie zu wünschen übrig, musste ein unparteiisches Urteil eingeholt werden. Im Falle einer Beanstandung konnte der Hof das Weidegeld nach eigenem Ermessen kürzen, wobei Gerlichs auch eine für ihn unvorteilhafte Regelung akzeptieren musste.

Die Gruppeneinteilung der Fohlen wurde ebenfalls in dem Vertrag festgehalten. Wie viele Wallache oder Stuten Gerlichs aufnahm, bestimmte der Hof. Allerdings mussten sie in einer solchen Zahl und Zusammenstellung vorhanden sein, dass Dreier- oder Vierergruppen gebildet werden konnten. Wenn außerdem zwischen zwei und vier Hengstfohlen dabei waren, mussten sie in einer eigenen Gruppe untergebracht werden. Sie sollten behutsam und von den anderen getrennt versorgt werden, und der Bauer musste achtgeben, dass sie nicht mit den übrigen zusammenkamen.

Demzufolge wurde Wert darauf gelegt, dass die jungen Pferde nach Geschlechtern getrennt, aber nicht alleine gehalten wurden. Was mit einem einzelnen Hengstfohlen geschah, wurde nicht ausdrücklich festgehalten. Entweder wurde dieser Fall vermieden, oder es wurde vermutlich den Wallachen zugesellt.

Die Wintersaison begann im Herbst oder etwas früher, d. h. etwa Mitte September.

Die heranwachsenden Pferde mit Ausnahme der Absatzfohlen wurden dann erst noch auf die Weide gestellt. Anschließend hatte Gerlichs sich um eine gute Nachweide zu kümmern, die vermutlich durch Schafe stattfand148, während die Fohlen in den Stall kamen. Da in jedem Jahr ältere, zweieinhalb- bis dreijährige Pferde in den Marstall wechselten, konnten so viele neue, frisch abgesetzte Fohlen aufgenommen werden, bis die Höchstzahl von zwölf Tieren wieder erreicht war. Ihre Winterfütterung begann erst an Martini, daher mussten für sie anstelle der üblichen umgerechnet 7 ½ nur je fünf Reichstaler aufgebracht werden. Sie sollten die gleiche Fütterung erhalten wie die zweijährigen Pferde149.

Die Kosten für die Stallhaltung machte Gerlichs abhängig von dem Zustand, in dem er die Tiere empfing. Wenn sie gut genährt waren, kosteten sie je 7 ½ Reichstaler,

148 Die Nachweide des Dauergrünlands im Herbst erfolgte hauptsächlich durch Schafe. Durch die extensive Schafhaltung konnten die Erträge der Weiden besser ausgenutzt werden. Außerdem standen Schafe in dem Ruf, den besten Dung zu liefern (von der Goltz 1902, S. 25). Doch nicht nur deshalb wurde dem Bauern Gerlichs die Anweisung erteilt, Schafe auf die Pferdeweiden zu treiben.

Es ist möglich und sogar wahrscheinlich, dass es sich dabei um herrschaftliche Tiere handelte, denn die Schafhaltung wurde auch am Anholter Hof nachweislich betrieben (s. Kap. 3.2.3). Dass hörige Bauern zur Überwinterung einer bestimmten Anzahl Vieh der Grundherrschaft, insbesondere Schafen, verpflichtet wurden, war nichts Ungewöhnliches (von der Goltz 1902, S. 132-133).

149 Da Fohlen im ersten Lebensjahr besonders stark wachsen, benötigen sie verhältnismäßig mehr Futter als ältere Tiere. Daher entspricht ihre Ration derjenigen der größeren zweijährigen Pferde (s.

Kap. 4.2.4).

zuzüglich des obligatorischen Trinkgelds. Waren sie hingegen sehr mager, wie es 1738 der Fall gewesen war, konnte der Aufzüchter einen Vorschlag machen, was ihm seiner Meinung nach mehr zustand, der dann nach Belieben des Hofs bewilligt wurde. Der Zuschlag für mangelernährte Fohlen war durchaus gerechtfertigt. Bei mageren, schwächlichen oder kränkelnden Tieren war das Risiko größer, dass sie ernsthaft erkrankten. Dieses Risiko hatte der Aufzüchter zu einem Teil mitzutragen.

Wenn ein Fohlen bis zum Ende der Wintersaison am ersten Mai verstarb, aus welchem Grund auch immer, sollte die Hälfte seines Anschaffungspreises vom Futtergeld abgezogen werden. Der Hof musste zwar die bis zum Tod des Tieres entstandenen Unterbringungskosten übernehmen, aber der Bauer haftete immerhin zur Hälfte für das Verenden des Fohlens. Damit wurde ihm generell eine Mitschuld am Tod von Pferden unterstellt, und die Minderung des Futtergeldes sollte als ein Druckmittel verwendet werden, sich äußerst sorgfältig um die ihm anvertrauten Fohlen zu kümmern. Ob durch schlechte Pflege selbst verschuldet oder durch unglückliche Umstände ohne eigenes Zutun verursacht, konnte die Fohlenaufzucht im Extremfall sogar zu einem Verlustgeschäft werden150.

Die Pflicht des Bauern, jegliches Unglück, das den Pferden widerfuhr, oder sonstige außergewöhnlichen Begebenheiten umgehend dem Hof zu melden, sei es durch persönliche Mitteilung oder per Eilbrief, lag daher auch in seinem Interesse. Für die Reise wurde er mit 30 Klevischen Stübern, also umgerechnet einem halben Reichstaler, entschädigt, und nicht nur er selbst, sondern auch sein Pferd wurden dann im Wirtschaftshof verpflegt, gegebenenfalls auch über Nacht. Im Gegenzug musste Gerlichs dem Fahnenschmied, Stallknecht oder sonstigen Abgesandten des Hofs und ihren Pferden Unterkunft und Verpflegung gewähren, wenn sie sich die Fohlen ansehen sollten oder aufgrund anderer Aufträge geschickt wurden. Daran erkennt man, dass nicht nur im Notfall ein Nachrichtenaustausch stattfand, sondern auch routinemäßig durch die Angestellten Berichte über die Fohlen an den Hof gelangten. Dadurch wollte sich die Herrschaft mehr oder weniger regelmäßig über den Zustand der Tiere vergewissern. Außerdem waren hin und wieder Maßnahmen an den Tieren zu ergreifen, die durch die Hofangestellten durchgeführt wurden.

Denkbar sind etwa Eingriffe wie Kastrationen, Medikamenteneingabe und ähnliches, oder einfach Umtriebe oder das Einfangen von Fohlen, wobei der Bauer erforderliche Hilfeleistungen unentgeltlich erbringen musste.

Am Ende des Schriftstücks ergehen für die Stallhaltung besondere Anweisungen, was die Trennung nach Geschlechtern betrifft. Stutfohlen mussten separat in einem Stall auf der anderen Seite der Diele aufgestallt und gefüttert werden. Insbesondere die Trennung von Hengst- und Stutfohlen war insoweit notwendig, als Hengstfohlen die Geschlechtsreife durchschnittlich mit 15 Monaten erreichen, hengsthaftes Verhalten und Kopulationen einschließlich spermienfreier Ejakulationen jedoch bereits im Fohlenalter vor Beginn der Spermiogenese stattfinden (Busch und Klug 1999a, S. 547-549). Um unerwünschte Begattungen und Stresssituationen zu vermeiden, ist die Separierung von Hengst- und Stutfohlen daher unumgänglich.

Wahrscheinlich wurden die Fohlen gruppenweise in Laufställen untergebracht (s.

Kap. 4.1.3.4). Auch wenn die dann folgenden Aussagen undeutlich formuliert sind, kann man aus ihnen schließen, dass die Fohlen bis Ende März ausschließlich im

150 Aus anderen Quellen weiß man, dass die Anschaffung eines Fohlens in etwa so viel kostete wie seine Unterbringung in einem ganzen Jahr (s. Kap. 4.1.3.6). Damit entgingen dem Aufzüchter die Einnahmen für die Unterbringung eines Tieres für ein halbes Jahr, wenn ein Fohlen starb.

Stall standen und danach tagsüber Auslauf hatten. Dabei durften die Stutfohlen aber nicht mit den männlichen Fohlen zusammenkommen.