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Remontierung der Marstallpferde

4 Ergebnisse der Quellenauswertung

B. ohne Berücksichtigung derjenigen Fohlen, von denen der Vater nicht überliefert ist

4.1.6 Die Marstallpferde

4.1.6.1 Remontierung der Marstallpferde

Mit zweieinhalb bis dreieinhalb Jahren wurden die Remonten des Fürsten gewöhnlich im Marstall zu Anholt aufgestallt. Die Landgestütsordnung von 1735 sah z. B. vor, dass die Aufzucht der für den Marstall bestimmten Hengstfohlen bis zum Alter von zweieinhalb Jahren erfolgen sollte (34). In einer Aufstellung des Etats des Pferdestalls von 1739 geht der Hofmeister ebenfalls davon aus, dass die Pferde mit zweieinhalb Jahren in den Marstall kommen sollten (107). Das bedeutete, dass die Fohlen nach dem Absetzen mit einem halben Jahr zwei Winter- und zwei Sommerperioden bei Bauern gehalten wurden. Nach ihrer letzten Weidesaison, die im September oder Oktober zu Ende ging, wurden sie in den Marstall aufgenommen.

Solche Fälle, in denen Pferde bereits mit zweieinhalb Jahren in den Marstall gingen, sind jedoch nur selten schriftlich festgehalten183.

In seinem wenige Monate später entstandenen Haushaltsplan bestimmte Fürst Nicolaus Leopold zu Salm hingegen, dass die Fohlen erst das dritte Lebensjahr vollendet haben mussten, ehe entschieden wurde, welche von ihnen im Marstall verwendet und welche verkauft werden sollten (108). Auch die Hinweise in den Fohlenverzeichnissen sprechen dafür, dass die Pferde i. d. R. erst mit drei Jahren ihren Dienst antreten mussten. Meist kann man nur indirekt darauf schließen, wann die Pferde in den Marstall kamen, indem sie in den Verzeichnissen der bei Fohlenhaltern untergebrachten Tiere einfach nicht mehr aufgeführt werden, aber einige Male wurde ausdrücklich niedergeschrieben, welche Pferde wann in den fürstlichen Pferdestall wechselten. Dies geschah dann gewöhnlich zwischen einer Winter- und der darauffolgenden Sommersaison, also im April oder Mai, wenn die Tiere gerade das dritte Lebensjahr vollendet hatten184.

Daher werden in den Fohlenverzeichnissen fast nur Tiere genannt, die weniger als drei Jahre alt sind. Während es hin und wieder vorkam, dass der Hofmeister ein Pferd noch mit drei Jahren, in einem Fall sogar noch mit vier Jahren bei einem Bauern ließ, geschah dies vergleichsweise selten mit den Remonten des Fürsten185.

183 Beispielsweise ist einmal die Rede von einem 1735 geborenen Rapp- und einem Fuchswallach, die der Hofmeister im Oktober 1737 an den Hof sandte (60).

184 So belegt ein Vermerk im Dokument 28, dass zwei 1731 geborene Wallache und eine Stute den Sommer 1734 im Marstall verbringen sollten.

185 Auffallend ist, dass im Sommer 1740 vier Stutfohlen des Hofmeisters und vier Wallache des Fürsten noch über das Alter von drei Jahren hinaus bei den Fohlenhaltern auf der Weide gelassen wurden. Eine naheliegende Erklärung dafür ist, dass 1737 der stärkste dokumentierte Geburtenjahrgang war. In diesem Jahr wurden nachweislich mindestens 17 Fohlen geboren, von

Zu einem späteren Zeitpunkt scheint man dazu übergegangen zu sein, die Nachwuchspferde erst einige Zeit nach der Vollendung des dritten Lebensjahres in den Marstall einzustellen. In einem Dokument, das in die Mitte des 18. Jahrhunderts zu datieren ist, geht der Stallmeister Nözel davon aus, dass „jährlichs die 4. Jährige Pferdt im herbst [...] bey hof abzugeben“ seien (84). Die Pferde waren dann, am Ende der Weidesaison, dreieinhalb Jahre alt.

Die Auswahl der Absatzfohlen, die für den Hof aufgezogen werden sollten, sowohl Hengst- als auch Stutfohlen, wurde durch den Hofmeister vorgenommen (34). Vor der Aufnahme in den Marstall und dem Beginn der Ausbildung wurden die Pferde erneut einer Begutachtung unterzogen. Der Hofmeister entschied auch hier, ob ein junges Pferd für den herrschaftlichen Dienst geeignet war. Dies ist insoweit bemerkenswert, als man eher vom Stallmeister erwartet, dass er mit derartigen Angelegenheiten betraut würde. Vermutlich stand dieser dem Hofmeister, der die wirtschaftlichen Aspekte der Aufzucht abzuwägen hatte, jedoch bei der qualitativen Einschätzung der Fohlen mit seiner Fachkunde zur Seite. Beispielsweise entschied De Tiege, einen Wallach trotz seines Alters von drei Jahren, in dem er normalerweise in den Marstall aufgenommen worden wäre, bei seinem Bauern zu lassen, weil er nach seinem Urteil „nicht verspricht, mehr als ein guter Klepper zu werden“ (20).

Wie bereits erwähnt, wurden den Bauern wahrscheinlich mehr oder weniger alle von herrschaftlichen Hengsten abstammenden Hengstfohlen unter Berufung auf das Vorkaufsrecht abgekauft, aber dann teilweise während der Aufzucht verkauft oder verschenkt, sofern sich Mängel einstellten oder die gewünschte Eignung nicht zu erwarten war186. Dass Remonten vorerst oder endgültig abgelehnt wurden, ist insgesamt allerdings selten belegt, so dass keine Aussagen darüber getroffen werden können, wie hoch der Anteil derjenigen Tiere war, die bereits abgelehnt wurden, bevor sie je den Marstall betreten hatten.

Der Fürst Nicolaus Leopold zu Salm wünschte, nur diejenigen jungen Pferde zu behalten, die von perfekter Schönheit waren und seinem Marstall Ehre machen konnten, während alle Mittelmäßigen verkauft werden sollten (108). Da das eine oder andere Fohlen durch Schaden, Misswuchs oder sonstige unvorhergesehene Zufälle möglicherweise nicht für den Marstalldienst geeignet war, empfahl der Stallmeister Nözel, bei einer Gesamtzahl von etwa 20 bis 25 Fohlen, jedes Jahr einige Fohlen mehr zu erwerben, als man voraussichtlich zur Remontierung benötigen würde, „umb zu einer jährlichen gewißer auslüferung bey hof allzeit was in Reserve zu haben“

(84).

Über die Menge der herrschaftlichen Nachzucht, die bei Bauern unterzubringen war, liegen an anderer Stelle sehr konkrete Angaben vor (s. auch Kap. 4.1.3.3). Der von De Tiege aufgestellte Etat vom April 1739 sah vor, dass ständig 14 ein- und zweijährige Fohlen gehalten werden sollten, um die erforderliche Anzahl von jährlich fünf Remonten für den Marstall zu erhalten (107). Im Idealfall sollten sieben einjährige und sieben zweijährige Fohlen vorhanden sein. Ihr Bestand sollte alljährlich durch sieben neue Absatzfohlen ergänzt werden, während sieben ältere für den Marstall abgezogen werden sollten. Abzüglich des einkalkulierten Verlustes von zwei Pferden im Laufe der Aufzucht blieben demzufolge fünf Remonten übrig. Diese

denen allein 13 der Herrschaft gehörten. Es dürfte schwierig, wenn nicht gar unmöglich gewesen sein, diese alle gleichzeitig im Marstall unterzubringen.

186 Entsprechende Beispiele sind im Kap. 4.1.3.9 aufgeführt.

Vorschläge wurden kurze Zeit später durch den oben genannten Haushaltsplan des Fürsten Nicolaus Leopold zu Salm abgewandelt (108). Darin legte er fest, dass von den bis zu vierjährigen Pferden unter keinen Umständen mehr als 24 gehalten werden durften. Demnach waren nach einer ersten Überlegung jeweils durchschnittlich sechs Fohlen vom ersten bis zum vierten Lebensjahr zur Aufzucht vorgesehen. Dabei muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass es wie bereits erwähnt eigentlich eine Ausnahme darstellte, wenn junge Pferde über das dritte Lebensjahr hinaus bei Bauern untergebracht wurden. Da die meisten Tiere also mit drei Jahren in den Marstall gingen, waren theoretisch aus jedem Jahrgang nicht rein rechnerisch sechs, sondern eher durchschnittlich acht Pferde vom ersten bis zum dritten Lebensjahr vorhanden, während die Vierjährigen nur vereinzelt vorkamen.

Dies ist auch insoweit plausibel, als der Fürst vorsah, dass jedes Jahr sechs Remonten in den Marstall wechseln sollten. Unter Berücksichtigung möglicher Verluste, dürfte der Bedarf mit jährlich acht heranzuziehenden Fohlen gedeckt worden sein.

In seinem Gutachten von 1739, in dem er sich insbesondere mit der ökonomischen Gestaltung der Remontierung beschäftigte, beantwortet der Hofmeister De Tiege gleichzeitig die Frage nach der Höhe der – gleichwohl nur theoretischen – Remontierungsrate. Es galt, zum einen die Aufzucht überzähliger Fohlen zu minimieren, zum anderen aber auch zu gewährleisten, dass es dem Hof nie an Remonten mangelte. Die Berechnungen des Hofmeisters erfolgen an dieser Stelle für einen reduzierten Bestand von 30 Marstallpferden, denn zu dieser Zeit weilte der Fürst Nicolaus Leopold nicht im Schloss zu Anholt, sondern nur seine Frau Dorothea.

Obgleich der Bestand sonst deutlich größer war (s. Kap. 4.1.6.3), können die Überlegungen dennoch exemplarisch einen Eindruck von der angestrebten Remontierungsrate liefern.

In seiner Aufstellung hält De Tiege fest, dass für einen durchschnittlichen Bestand von 14 Kutschpferden zwei und für die 16 Reitpferde187 drei Remonten jährlich erforderlich seien. Wenn tatsächlich jährlich zwei Kutschpferde und drei Reitpferde durch junge Tiere ersetzt wurden, würde dies bedeuten, dass die durchschnittliche Nutzungsdauer der Kutschpferde in Anholt sieben Jahre und die der Reitpferde nur 5,3 Jahre188 betrug. Diese Dienstzeiten sind sehr gering im Vergleich zu denen in zeitgenössischen Marställen oder Gestüten. In den sächsischen Gestüten wurden die Reitpferde bis zum 20. Lebensjahr genutzt, d.h. sie dienten 17 Jahre lang, sofern sie mit drei Jahren angeritten wurden, und auch die Wagenpferde wurden sehr alt (Wüsthoff 1936, S. 31). Selbst bei Ackerpferden, die eine schlechtere Pflege genossen und schwerere Arbeit leisten mussten als Marstallpferde, betrug die durchschnittliche Dienstzeit mit zehn bis zwölf Jahren beinahe das doppelte der theoretischen Nutzungsdauer der Anholter Pferde (Stoeckel 1890, S. 24).

Die Anzahl zur Verfügung stehender Remonten erscheint ebenso wie die eingeplante Remontierungsrate aus heutiger Sicht immens hoch. Man muss die Darlegungen des Hofmeisters insoweit kritisch betrachten, als sie nicht die Realität widerspiegeln, sondern lediglich eine Empfehlung darstellen, wie viele Fohlen ständig aufgezogen

187 Von diesen 16 Reitpferden waren zwei gleichzeitig Zuchthengste. Sie sind daher nur bedingt als durch selbstgezogene Remonten ersetzbar zu betrachten, da Beschäler i. d. R. angekauft wurden, meist sogar aus dem Ausland.

188 Diese Nutzungsdauer verringert sich sogar auf 4,7 Jahre, wenn die beiden Zuchthengste nicht zu den Reitpferden gezählt werden.

werden sollten, damit aus einer genügend großen Anzahl an jungen Tieren die Nachwuchspferde für den Marstall ausgewählt werden konnten. Man darf aus den angegebenen Zahlen nicht ohne weiteres die Schlussfolgerung ziehen, dass der

„Verbrauch“ an Pferden in Anholt ungewöhnlich hoch war, denn in welchem Maß die jungen Pferde die älteren tatsächlich ersetzten, lässt sich nur erahnen. Durch seine großzügigen Berechnungen wollte der Hofmeister sicherstellen, dass dem Hof immer genügend Nachwuchspferde zur Verfügung standen und nie ein Mangel auftrat, aber dies bedeutete nicht zwangsläufig, dass wirklich jedes Jahr fünf junge Pferde fünf ältere verdrängten. Es ist ebenso vorstellbar, dass in Anholt durch die Remonten in den meisten Jahren ein Überschuss an Pferden entstand, der dann durch Verkäufe wieder abgebaut werden musste. Zwar konnte es natürlich immer passieren, dass durch unglückliche Umstände in einem Jahr gleich fünf Marstallpferde aus dem Dienst ausschieden, aber im Durchschnitt war dies langfristig nicht zwangsläufig der Fall. Andererseits liegen Verzeichnisse von Marstallpferden vor, denen zufolge das Durchschnittsalter der Tiere bei unter fünf Jahren lag (s. Kap. 4.1.6.3). Um dieses aufrecht zu erhalten, war in der Tat ein großer „Durchlauf“ an Pferden notwendig. Es ist daher nicht auszuschließen, dass in regelmäßigen Abständen die ältesten Pferde abgeschafft und durch junge ersetzt wurden. Immerhin bezeichnet bereits Fugger ein Pferd über acht bis neun Jahren als alt (1584, Bl. 112). In jedem Fall kann man sagen, dass bei dem geplanten Nachschub an Pferden in Anholt die Remontierung mehr als gesichert war.

In Anbetracht der Tatsache, dass bewusst mehr Fohlen aufgezogen wurden, als zum Ersatz ausgemusterter Marstallpferde notwendig waren, stellt sich die Frage, wie viele davon letztendlich als Remonten behalten wurden und was mit den überzähligen Pferden geschah. Einerseits hatte der Hof die Möglichkeit, den Überschuss bereits am Ende der Aufzuchtperiode vor der Aufstallung am Hofe zu verkaufen und nur die notwendige Anzahl an Tieren für den fürstlichen Dienst auszuwählen. Von dieser Möglichkeit wurde jedoch wie oben geschildert nur selten Gebrauch gemacht, zumindest soweit dies aus den Akten hervorgeht. Stattdessen enthalten diese Hinweise, dass nicht benötigte Tiere zu einem viel späteren Zeitpunkt verkauft wurden, nämlich erst nachdem sie in den Marstall eingestellt worden waren. Es scheint vielmehr, dass so viele junge Pferde in den herrschaftlichen Stall aufgenommen wurden, bis seine Kapazitäten ausgeschöpft waren, und erst während oder nach der Ausbildung entschieden wurde, welche Tiere gegebenenfalls im Reit- oder Fahrdienst eingesetzt werden sollten. Dies war die sinnvollere Methode, um wirklich herausfinden zu können, welche Pferde für die Aufgaben am fürstlichen Hof geeignet waren. Auch in anderen zeitgenössischen Einrichtungen war es üblich, die Tiere zunächst eine Zeitlang auszubilden und zu erproben, im hannoverschen Marstall etwa ein halbes Jahr lang (Naber 1990, S. 25).

Die Marstallakten dokumentieren, dass nicht nur alte, dienstuntaugliche, sondern v.

a. auch sehr junge, noch nicht oder erst gerade am Beginn der Ausbildung stehende Pferde verkauft wurden (43). Im Jahr 1736 sollten insgesamt 17 (!) junge Tiere zur gleichen Zeit veräußert werden (s. Kap. 4.1.6.4). Dies ist eine ungewöhnlich hohe Summe an Nachwuchspferden, die zum Verkauf vorgesehen waren, und könnte dergestalt gedeutet werden, dass nur ein kleiner Teil der aufgezogenen Fohlen auch tatsächlich für den Marstalldienst behalten wurde. Nach wirtschaftlichen und rationellen Gesichtspunkten ist eigentlich kaum anzunehmen, dass gut ausgebildete, ältere Pferde, die sich im Dienst bewährt hatten, generell ausgemustert wurden, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht hatten, um durch junge Pferde ersetzt zu

werden. Eine Ausbildung war aufwändig und führte nicht bei jedem Tier zu dem gewünschten Erfolg. Daher waren Pferde, die gut geritten waren oder sich gut in das Gespann eingefügt hatten und noch genügend leistungsfähig waren, i. d. R.

wertvoller als rohe oder sehr junge Tiere, die ihren Aufgaben noch nicht gewachsen waren. Sich von gut ausgebildeten Pferden grundsätzlich nach spätestens fünf bis sieben Dienstjahren zu trennen, wäre äußerst unökonomisch gewesen. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass es dem Anholter Hof wichtiger war, einen möglichst jungen Bestand zu haben, als ältere, verlässlichere Pferde zu besitzen. Diese Diskussion wird im Kap. 4.1.6.3 noch einmal aufgegriffen.

Über die Ausbildung der jungen Pferde in Anholt waren nur wenige, indirekte Informationen zu finden. Aus dem Schriftstück 43 geht hervor, dass die Remonten etwa im 4. Lebensjahr vom Stallmeister angeritten wurden. Acht vier- und fünfjährige Marstallpferde wurden den ganzen Winter hindurch „von einem geschickten Stallmeister“ geritten. Die etwas jüngeren, drei- und vierjährigen Tiere waren hingegen anscheinend noch nicht ausgebildet. Über den Grund dafür kann man nur spekulieren, beispielsweise weil sie noch zu jung oder zu gering entwickelt waren, weil für sie eine Ausbildung weniger lohnend erschien o. dgl. Der Beginn der Ausbildung der Remonten im Anholter Marstall lag in einem zeitlichen Rahmen, wie er damals auch in anderen Pferdeställen üblich war. Dieser reichte gewöhnlich vom Anreiten junger Pferde mit zweieinhalb Jahren wie im Königlich-Preußischen Hauptgestüt Beberbeck (Stoeckel 1890, S. 38) bis zum Ausbildungsbeginn mit dreieinhalb Jahren im hannoverschen Marstall (Naber 1990, S. 25), aber der Zeitpunkt des Anreitens oder Anfahrens konnte auch deutlich später liegen.

4.1.6.2 Kosten der Remontierung von Marstallpferden aus der