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Entwurf zur Errichtung einer Stuterei auf dem Grundbesitz des Fürsten Fürsten

4 Ergebnisse der Quellenauswertung

4.1 Pferdezucht und Pferdehaltung in der Herrlichkeit Anholt

4.1.3 Der Fohlenbestand

4.1.3.10 Entwurf zur Errichtung einer Stuterei auf dem Grundbesitz des Fürsten Fürsten

In der Mitte des 18. Jahrhunderts machte der Stallmeister Nözel165 einen Vorschlag, wie und wo eine Stuterei zum Zwecke der Remontierung der Marstallpferde auf dem Grund und Boden des Fürsten zu Salm bzw. Salm-Salm zu errichten sei (84). Als ein geeigneter Ort erschien ihm Millingen, das nicht allzu weit vom Hof entfernt war166. Zur Begründung führte er die geringeren Kosten an, die eine hofeigene Stuterei im Vergleich zu der auswärtigen Aufzucht von Pferden verursachen würde.

Bisher hatte der Hof bereits seit einigen Jahren sehr viele junge Fohlen und Pferde bis zum Alter von drei oder vier Jahren zur Überwinterung im Stall und zur Sommerweide zu Bauern geschickt. In diesen vier Jahren kostete der Unterhalt eines jeden Pferdes 80 Reichstaler, den Kaufpreis des Fohlens nicht eingerechnet. Diese Aufzuchtkosten waren für alle Fohlen gleich hoch, ob diese nun guter oder schlechter Qualität waren. Im Gegensatz dazu würde die vierjährige Aufzucht eines Fohlens auf dem eigenen Grundbesitz nur 60 Reichstaler kosten, was eine Ersparnis von 20 Reichstalern bzw. 25 % bedeutete. Der Stallmeister hielt eine eigene Stuterei daher für eine gute Anlage.

Nözel hielt es für angemessen, im ganzen etwa 20 bis 25 junge Pferde zu halten, deren Zahl jedoch nach Belieben jederzeit hätte vermindert oder erhöht werden können. Diese Zahl sollte sich in etwa gleichmäßig aufteilen auf jeweils ein Viertel Ein-, Zwei-, Drei- und Vierjährige, damit die Bestandsgröße konstant blieb, wenn im Herbst die abgesetzten Fohlen in die Stuterei aufgenommen und entsprechend viele vierjährige Remonten in den Marstall eingestellt wurden. Der Stallmeister rechnete also mit einem jährlichen Ertrag von fünf bis sechs Remonten und mindestens genauso vielen Absatzfohlen an Neuzugängen. Er empfahl jedoch unmittelbar darauf, immer ein paar Fohlen mehr als ein Viertel des Gesamtbestands anzunehmen, da die Gefahr bestand, dass dem ein oder anderen jungen Pferd während der Aufzucht ein Schaden irgendeiner Art widerfuhr oder es missgestalt wuchs oder sich aus anderen Gründen nicht für den Marstalldienst eignete und daher verkauft werden musste, damit sichergestellt war, dass immer die erforderliche Zahl an Remonten erreicht wurde.

164 Dass durchaus auch minderwertige Hengstfohlen gekauft wurden, spricht allerdings dafür, dass der Fürstenhof keine, auch nicht mangelhafte, männliche Nachkommen bei den Züchtern ließ. Die Tiere wurden stattdessen lieber wieder verkauft oder verschenkt, wenn sie sich im Nachhinein als untauglich erwiesen. Beispielsweise verkaufte der Fürst ein an Spat erkranktes Hengstfohlen an den Hufschmied (71). Ein anderes Mal wurde das kleinste und minderwertigste von fünf Hengstfohlen vom Berber an Mr. de Lemmen, der sich in einer Streitsache als ein guter Freund und Zeuge erwiesen hatte, verschenkt (20, 60). Ein schwarzer Wallach vom Engländer war zu klein für die Kutsche, für die ihn der Hofmeister vorgesehen hatte, und wurde daher ebenfalls an Mr. de Lemmen verschenkt (60).

165 Johann Carl Nözel ist von 1736 bis 1753 in den Akten nachweisbar (s. Kap. 4.5.2). Eine genauere Datierung des Dokuments ist nicht möglich.

166 Die Entfernung zwischen Millingen und dem Schloss beträgt rund 4-5 km (s. Abb. 11).

Die vier Voraussetzungen für den Betrieb einer Stuterei waren Nözel zufolge zum einen das Vorhandensein von geeigneten Weiden für den Sommer, von denen auch Heu gewonnen werden konnte, sowie von Ackerland, das der Erzeugung von Winterfutter dienen sollte. Zum zweiten sollten mindestens ein bis zwei „von den auserleßensten beschählern von frembder Nation“ angeschafft werden, die vom Fürsten nach Belieben auszuwählen waren. Dies bestätigt, dass auch in Anholt die damals verbreitete Auffassung galt, dass nur durch die Beschäler fremdes Blut eingeführt werden sollte, während die Stuten dem eigenen Bestand entnommen wurden.

Als eine weitere Bedingung nannte Nözel die Anlegung einiger Gebäude, die eine Meierei („bauhaus“) oder zumindest eine Scheune für den Ackerbau, um Stroh für die Pferde zu gewinnen, und um Heu zu lagern, umfassen sollten. Außerdem sollten die Gebäude Stallungen enthalten. Sie sollten in der Nähe der Weiden gelegen sein.

Desweiteren hielt Nözel es für erforderlich, einen Beaufsichtiger einzustellen, dem die Leitung der Stuterei und die Verantwortung für die Pferde übertragen wurde und der alles Notwendige für ihr Wohlergehen zu veranlassen hatte. Damit er allzeit ein wachsames Auge auf die Pferde haben konnte, war vorgesehen, dass er im Bauhaus wohnte. Ihm sollte ein Knecht helfend zur Seite stehen. Alternativ zu den beiden letztgenannten Punkten, dem Bau der Gestütsgebäude und der Beauftragung einer Aufsichtsperson, schlug Nözel vor, falls man diese Kosten einsparen wollte, die Fohlen in den Bongard, also in den bereits bestehenden Wirtschaftshof, zu bringen, da dort genügend Stallungen vorhanden waren. Falls es jedoch bei seinem ursprünglichen Entwurf bliebe, könnte der Aufseher unter bestimmten Bedingungen anstelle eines Angestellten selbst „bauman“ sein, d. h. wahrscheinlich die zu der Stuterei gehörige Meierei in eigener Regie als Pächter bewirtschaften.

Im folgenden Text nahm Nözel eine Schätzung der Kosten für die oben genannten vier Punkte vor. Die für die Stuterei ins Auge gefasste sog. Millingische Weide, die Heuwiesen und die Weide oberhalb der Gemeinde Millingen waren bereits zuvor vom Hof zur Heugewinnung und zur Beweidung durch 18 Rinder ("Bütt")167 und im Herbst durch 60 bis 70 Schafe genutzt worden. Die Nutzung sollte in dieser Weise beibehalten werden, so dass aus diesen Weiden nur aus der Nachweide und der Nachmaht noch zusätzliche Gewinne zu erzielen waren. Von jeder der Heuweiden konnten im Herbst etwa sieben bis acht Fimmen à 100 Bund Stroh168 eingebracht werden, für die der Stallmeister insgesamt einen Gegenwert von 120 Reichstalern errechnete. Da für die Pferde in der Stuterei jedoch mehr Heu und mehr Weideflächen erforderlich waren, dachte Nözel daran, den Ochsenschlag, der bisher für 100 Reichstaler verpachtet wurde, in Eigennutzung als Weide und zum Heuen zu verwenden. Desweiteren erschien es ratsam, die Weiden zu unterteilen. Für die Einzäunung, die hoch genug sein musste, um ein Überwinden durch die Pferde zu verhindern, wurden 70 Reichstaler angenommen. Die Kosten für die Beschäler beliefen sich auf Null, vermutlich weil sie aus dem Marstall genommen wurden. Die Kosten für das Bauhaus sollten teils aus der Pacht für die Bauerei und dem Erlös für das Stroh für die Pferde bestritten werden. Der Verdienst des Gestütsaufsehers wurde einschließlich Dienstkleidung und sonstigen Zuwendungen auf 60 Reichstaler geschätzt, der des Knechts auf 45 Reichstaler. Die gesamten Kosten summierten sich somit auf 395 Reichstaler.

167 Die Bedeutung des Wortes "Bütt" konnte nicht geklärt werden. Es könnte auch als "Büll" gelesen werden. Dem Zusammenhang nach handelte es sich um Rinder, vermutlich Bullen oder Ochsen.

168 Im Text steht tatsächlich "Stroh", auch wenn ansonsten nur von Heu die Rede ist.

Nözels Rechnung zufolge war es bei einer geschickten Verteilung der Tiere möglich, neben der Beweidung durch die Rinder und die Schafe, und neben der Heugewinnung, noch 26 Pferde gegen die Summe von 395 Reichstaler, die ungefähr den Einnahmen entsprach, ein Jahr lang auf den oben genannten Parzellen zu versorgen.

Der Unterhalt eines Fohlens im ersten Lebensjahr belief sich bisher bei auswärtiger Unterbringung auf 16 Reichstaler, die sich zusammensetzten aus der im September beginnenden Stallhaltung im Winter für 7 Reichstaler und 30 Stüber und einem Betrag für die Sommerweide von etwa 8 bis 9 oder auch mehr Reichstalern, im Durchschnitt 8 Reichstaler 30 Stüber169. Im zweiten und dritten Jahr kostete ein Pferd bereits je 20 Reichstaler, und im vierten Jahr sogar etwas mehr als 20 Reichstaler.

Hinzu kamen die finanziellen Aufwendungen, wenn die Nachwuchspferde zu ihren Haltern gebracht oder geholt werden mussten, und für das dabei anfallende Verzehr- und Trinkgeld, sowie weitere Unkosten, die mit einkalkuliert, aber nicht im einzelnen genannt wurden. Dabei handelte es sich vermutlich u. a. um Beträge für Arzneimittel.

Pro Pferd und Jahr wurden 1 ¼ Reichstaler veranschlagt, also 5 Reichstaler in vier Jahren. Somit betrug die Summe für die Aufzucht eines jeden Pferdes bei einem Bauern, gleich welcher Qualität, bis zum Alter von vier Jahren 81 Reichstaler, exklusive des Kaufpreises.

Schließlich gab der Stallmeister die Empfehlung, dass unter Berücksichtigung der Einkünfte der vergangenen Jahre und der auf dieser Basis gemachten Kalkulation mindestens 26 Pferde, nämlich acht Fohlen im ersten Lebensjahr und die übrigen Pferde von zwei, drei und vier Jahren, auf den genannten Grundstücken gehalten und versorgt werden könnten. Bei Gesamtkosten der Stuterei von 395 Reichstalern pro Jahr machte das jährlich 15 Reichstaler und 11 ½ Stüber pro Pferd oder 60 Reichstaler und 46 Stüber in vier Jahren. Dadurch betrug der Preisvorteil gegenüber der Aufzucht in der Fremde 20 Reichstaler und 14 Stüber.

Neben den geringeren Kosten hebt Nözel weitere Vorteile einer eigenen Aufzucht hervor, einerseits dass die Aufzucht unter den Augen des Hofpersonals stattfand und nicht in den Händen von Bauern lag, die es in ihrer Arbeit mit den Pferden möglicherweise aus mangelndem Eigeninteresse an Sorgfalt fehlen ließen, und dass andererseits die Tiere keinen Kontakt zu fremden Pferden hatten und vor Gefahren besser geschützt werden konnten. Die sorgfältigere Pflege in einer eigenen Stuterei mochte sich insoweit auszahlen, als die Qualität und der Wert der Remonten dadurch gesteigert werden konnten. Dadurch erwartete der Stallmeister, dass die jährlich an den Hof zu liefernden, vierjährigen Remonten, die ca. ein Viertel des Fohlengesamtbestands ausmachten, die Kosten von 395 Reichstaler zuzüglich der Ausgaben für den Fohlenkauf allemal einbringen würden, und bisweilen bei guten Anlagen und sorgfältiger Pflege sogar bis zu doppelt so viel wert sein würden.

Ob die Pläne für die Stuterei in die Tat umgesetzt wurden, ist unbekannt. Dass der Anteil der am Hof gehaltenen Fohlen jedoch zumindest deutlich aufgestockt wurde, zeigt das Dokument 85, demzufolge im Jahr 1746/47 immerhin 17 Fohlen am Hof gefüttert wurden.

169 Interessant ist, dass Nözel für die Sommerweide höhere Beträge ansetzte als für die Stallhaltung im Winter, obgleich sich dies in den Jahren zuvor stets umgekehrt verhalten hatte (s. Kap. 4.1.3.5).