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Die Rassen der im Anholter Marstall und in der Landespferdezucht verwendeten Pferde verwendeten Pferde

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B. ohne Berücksichtigung derjenigen Fohlen, von denen der Vater nicht überliefert ist

4.1.5 Die Pferderassen

4.1.5.1 Die Rassen der im Anholter Marstall und in der Landespferdezucht verwendeten Pferde verwendeten Pferde

Seit dem Beginn der Neuzeit hatten die leichteren, edleren Pferderassen das schwere Ritterpferd in Europa allgemein verdrängt. An den Adelshöfen stieg die Nachfrage nach Parade-, Kutsch-, Jagd- und Damenpferden ebenso wie nach Kriegspferden. Daher wurde viel südliches Blut eingekreuzt. Das orientalische Vollblut fand auf verschiedenem Wege Eingang in die europäische Pferdezucht.

Direkt war es bereits während der Kreuzzüge und später noch einmal im Verlauf der Türkenkriege nach Europa gelangt. Indirekt verbreitete es sich seit der Eroberung durch die Mauren im 8. Jahrhundert von Spanien aus nach Deutschland (von Nathusius 1910, S. 26). Aber auch Pferde aus Italien brachten orientalisches Blut nach ganz Europa, nachdem die Araber um 830 Sizilien erobert hatten (Stoffregen-Büller 1995, S. 80).

Zum orientalischen Vollblut zählen Vollblüter arabischer, türkischer und berberischer Herkunft, wobei unter den Begriff arabisches Pferd häufig nicht nur die Pferde Arabiens selbst, sondern auch der angrenzenden Länder und der von ganz Nordafrika fallen (von Nathusius 1910, S. 32). Das Herkunftsgebiet des türkischen Pferdes umfasst laut von Nathusius die nördlich von Arabien liegenden Ländergebiete, d. h. Syrien, Mesopotamien, Armenien und Kleinasien. Das türkische Pferd ist dem arabischen Pferd ähnlich, aber etwas massiger, größer und gestreckter gebaut, dennoch schnell und ausdauernd. Obwohl es einige physische Mängel aufweisen soll, wurde es in Europa gerne für Veredelungszuchten mit orientalischem Blut verwendet. (1910, S. 36-37). Es geht selbst auf arabisches, berberisches und persisches Blut zurück (Freytag 1893a, S. 445).

Unter dem Begriff Berber werden verschiedene aus Nordafrika stammende Pferderassen zusammengefasst. Daher ist er in seinem Äußeren uneinheitlich. Der Berber ist angeblich arabischen Ursprungs, zumindest lässt sein kleines, edles und trockenes Aussehen auf einen hohen Verwandtschaftsgrad mit dem arabischen Pferd schließen. von Nathusius erkennt jedoch einige Exterieurmängel an ihm (1910, S. 39-40). Diesem Urteil schließen sich andere Autoren an, die den Körperbau des Berbers für weniger harmonisch und edel halten als den des Arabers. Aber seine Eigenschaften können die körperlichen Defizite zum Teil wettmachen, denn bezüglich Ausdauer, Kraft, Genügsamkeit, Widerstandskraft und Schnelligkeit steht er dem arabischen Pferd in nichts nach (Neumann 1885, S. 449-450 und Stang 1926, S. 215-216). Fugger hält die Berber sogar für die besten Kriegsrosse (1584, Bl.

28-29). Während unter den orientalischen Pferden Schimmel und Füchse vorherrschen und in ihrer Heimat bunte Farben stets verachtet wurden (von Nathusius 1910, S. 43), ist die Fellfarbe bei den Berbern sehr variabel, wobei jedoch Graue überwiegen (Neumann 1885, S. 450).

Da der türkische Hengst des Anholter Marstalls auch als Berber oder sogar als arabischer Hengst bezeichnet wurde (s. Kap. 4.1.4.2), ließ sich nicht mehr herausfinden, woher der Hengst kam oder welcher Rasse er angehörte. Auf jeden Fall handelte es sich um ein orientalisches Vollblut.

Seit den Hohenstaufen, insbesondere seit Friedrich II. (1194-1250), der große Gestüte in Sizilien hatte, gelangte vielfach italienisches und spanisches Blut nach Deutschland. Vollen Einfluss auf die Gestaltung der Pferdezucht Deutschlands

erlangten Italien und Spanien durch Karl V. (1500-1556) und durch die Ausbildung der Hohen Schule in der Reitkunst (von Nathusius 1910, S. 65). Mit der Gründung dieser berühmten Neapolitanischen Reitschule durch Federigo Grisone im Jahr 1532 trat das neapolitanische Pferd seinen Siegeszug in ganz Europa an. Unter den verschiedenen Rassen Italiens war die neapolitanische die berühmteste und am meisten geschätzte (Freytag 1890, S. 136-137). Caracciolo zufolge eigneten sich die Neapolitaner hervorragend zum Reiten, sei es auf Reisen, im Krieg oder auf der Jagd. Sie waren schön, ausdauernd, stark, mutig, gelehrig und dabei gehorsam und leichtrittig (von Nathusius 1910, S. 149-150). Als Pferd der Fürsten und adeligen Stände war das neapolitanische Pferd vom 16. bis 18. Jahrhundert ein sehr begehrtes, edles Halbblutpferd, entstanden aus der Kreuzung des italienischen Landschlags mit orientalischem Vollblut und als Reit- und Wagenpferd gleichermaßen geeignet (Ehrensberger 1922, S. 7). Der Neapolitaner wies nicht nur ein ansprechendes Interieur, sondern auch die äußeren Merkmale auf, die in der damaligen Zeit erwünscht waren. Dem Geschmack der Barockzeit entsprachen Pferde mit langen, ramsnasigen Köpfen, kompaktem, abgerundetem Körperbau, starkem, hochgetragenem Hals und breiter Brust und üppiger Mähne und Schweif (Stoffregen-Büller 1995, S. 121-122). Unter den Neapolitanern wurden früher große Rappen bevorzugt (Freytag 1890, S. 137).

Die spanischen Pferde genossen über Jahrhunderte den Ruf, die schönsten, gelehrigsten und geschicktesten Pferde für den Reitdienst zu sein. Sie waren hervorragend geeignet, um die Lektionen der in Neapel gegründeten Hohen Schule zu erlernen und auszuführen, gaben aber auch sehr gute Kutschpferde ab. Die Einkreuzung berberischen und arabischen Blutes hatte zu einem hohen Grad der Veredelung geführt. Ihre Blüte erfuhr die Zucht im 16. Jahrhundert. Die Tiere aus dem Süden Spaniens, v. a. Andalusiens und seiner Nachbarprovinzen, wurden von Fürstenhöfen in ganz Europa zu teuren Preisen erstanden. Insbesondere seltene und auffällige Farben wie Isabellen oder Perlinos waren begehrt und wurden gerne in Parade- und Galazügen eingespannt. Kennzeichnend und erwünscht war der ausgeprägte Ramskopf, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden sein soll, als viele neapolitanische Stuten und Hengste, welche diese Besonderheit aufwiesen, nach Spanien eingeführt wurden (Freytag 1892, S. 531-534). Daher besaß das Exterieurs des Spaniers einige Ähnlichkeit mit dem des Neapolitaners.

Das englische Vollblut ist größtenteils aus der orientalischen Rasse hervorgegangen und zu einem hohen Veredelungsgrad gelangt, aber kein reinblütiger Nachkomme des arabischen Pferdes, denn es fließt das Blut des alten englischen Landschlags in ihm. Es ist größer, stärker und teilweise leistungsfähiger als das orientalische Vollblut, und im Gegensatz zu diesem überwiegt die braune Farbe (Freytag 1891b, S. 352-354). Das englische Vollblut geht auf die einheimischen, kleinen Pferde der Britannier zurück, in die seit dem Mittelalter viel fremdes Blut eingekreuzt wurde. Im 11. Jahrhundert wurden die alten Landrassen mit normannischen Pferden, die Wilhelm der Eroberer einführte, und spanischen Pferden gepaart. Heimkehrende Kreuzritter brachten arabische Hengste auf die Insel, und später wurden auch französische Pferde zur Zucht verwendet. Die Einfuhr spanischer, italienischer und orientalischer Rassen im 17. Jahrhundert brachte der Pferdezucht Englands, die zunehmend auf die Erzeugung geeigneter Rennpferde für die beliebten Wettrennen abzielte, große Fortschritte. Das Geburtsjahr der englischen Vollblutzucht, die auf importierte orientalische Stuten, die sog. Royal Mares, und arabische und berberische Hengste zurückgeht, liegt in den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts.

Obwohl in England zeitgleich auch andere, kräftigere und weniger edle Rassen gezüchtet wurden, die sich sehr gut als Kutsch-, Jagd oder Arbeitspferde eigneten, erlangten sie nicht annähernd die Wertschätzung und Verbreitung in Europa wie das englische Vollblut (Freytag 1885b, S. 549-550). Bei dem englischen Hengst des Anholter Marstalls wird es sich daher mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls um einen Vollblüter gehandelt haben.

Der Hartdraver (auch Harddraver, Harttraber) ist eine holländische Rasse, die damals berühmt war und vielfach exportiert wurde. Wie der Name besagt, besaß diese Rasse raumgreifende Bewegungen und insbesondere einen schnellen Trab182. Daher wurde sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts zur Gründung verschiedener Traberrassen wie der englischen Norfolktraber oder der russischen Orlowtraber verwendet (von Nathusius 1910, S. 178). In den Niederlanden als einer der für Europa wichtigsten Geburtsstätten des Trabrennsports waren Rennen beliebt, in denen die Traber sowohl vor dem leichten Wagen oder Schlitten als auch unter dem Reiter erprobt wurden (Horn 1930, S. 519).

In der holländischen Pferdezucht wurde v. a. dänisches und spanisches Blut eingesetzt, das den barocken Typus eines mittelstarken Wagenpferdes schuf (von Nathusius 1910, S. 178). In Friesland und Groningen wurde besonders intensiv die Zucht eines schweren Wagenschlags betrieben. In den Niederlanden waren vorwiegend große, schwerknochige Pferde von schwarzer Farbe beliebt. Daher fand man noch im 19. Jahrhundert unter den holländischen Pferden auffallend viele Rappen neben Braunen und Füchsen, aber nur selten Schimmel (Freytag 1887, S.

451). Bei dem in den Anholter Marstallakten erwähnten „Hollander“ handelte es sich tatsächlich um ein Wagenpferd (18).

Die dänische Pferdezucht erfuhr im 16. Jahrhundert einen starken Aufschwung, indem 1562 in Frederiksborg (nahe Kopenhagen) ein Staatsgestüt gegründet wurde, das als eines der besten Gestüte in Europa galt (Freytag 1885a, S. 289). Die einheimischen Pferde wurden mit zahlreichen Rassen aus dem Ausland gekreuzt, die auch im übrigen Europa in Mode waren, u. a. neapolitanische, englische, friesische, deutsche und verschiedene orientalische Rassen. Besonders großen Einfluss hatte das spanische Blut, das den alten Schlag zu einem starken Reitpferd umwandelte. Die Dänen wurden v. a. im 17. und 18. Jahrhundert gerne als Reit- oder Kutschpferde an den adeligen Höfen eingesetzt, insbesondere wenn sie auffallend gefärbt waren, aber sie wurden auch als Soldatenpferde verwendet. Es herrschte eine große Farbvielfalt in der dänischen Pferdezucht, denn die dämischen Könige förderten sehr die Zucht von verschiedenfarbigen Stämmen. So wurden neben einem Rappstamm und einem grauen Stamm die berühmten weißgeborenen Pferde gezüchtet. Die Zucht mit diesen rief ein Gemisch von getigerten und anderen bunten Farben hervor. Blauschimmel und Mohrenköpfe waren friesischen Ursprungs (von Nathusius 1910, S. 179-181). Daher verwundert es nicht, dass mindestens einer der Anholter Dänen grau war (58).

In den Anholter Marstallakten ist desweiteren ein „husaren Pferdt“nachweisbar (83).

Ungarische Pferde erfreuten sich weit und breit eines guten Rufes. Aufgrund der Türkenkriege wurde seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in das unedle, aber ausdauernde und anspruchslose bodenständige Skythenpferd viel orientalisches Blut

182 Von nl. hard = schnell.

eingekreuzt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde außerdem spanisches Blut eingeführt, durch das es eine ansehnliche Größe erhielt. Das so entstandene ungarische Pferd skythischen, arabischen und spanischen Gemisches war im 18.

Jahrhundert hochgeschätzt (Freytag 1893b, S. 491-494).

Im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen mit asiatischen Nomadenvölkern, den Tataren und Mongolen, brachten im 15. Jahrhundert tatarische Gesandte sehr viele Pferde nach Russland. In diese kleine bodenständige Rasse wurde stark orientalisches Blut eingekreuzt, später auch zahlreiche europäische Rassen wie Engländer, Spanier, Neapolitaner, Friesen, Dänen und deutsche Rassen. Auf diese Weise entstand ein leichtes Reitpferd, das in Russland starke Verbreitung fand (von Nathusius 1910, S. 51-53). Bei dem in den Anholter Akten genannten Tatarenpferd (14) dürfte es sich, sofern der Name tatsächlich die Herkunft bezeichnet, daher ebenfalls um ein leichtes Reitpferd mit hohem Vollblutanteil gehandelt haben.

Da sich die polnischen Pferde früher durch Schnelligkeit und Gewandtheit auszeichneten, wurden sie gerne in der Kavallerie eingesetzt. In den Gestüten wohlhabender Großgrundbesitzer wurde der altpolnische Landschlag durch orientalische und englische Vollblut- und Halbbluthengste veredelt (Freytag 1891a, S. 149).

Da der Zucht des westfälischen Pferdes bereits ein eigenes Kapitel gewidmet ist (s.

Kap. 3.3.2), wird an dieser Stelle auf eine erneute Darstellung der verschiedenen Schläge und ihrer Geschichte verzichtet. Der Begriff „Sturtzel“ wurde Fugger zufolge früher für wilde Pferde verwendet: „[...] diese sind starck/ aber gar wild/ man heißt sie in gemain Sturtzel.“ (1584, Bl. 34). In Westfalen gab es zahlreiche wilde Pferde, so dass es nicht verwundert, dass im Besitz des Hofmeisters De Tiege eine Stute mit Namen „Stutzel“ auftaucht. Über die Wildpferde wurde ebenfalls bereits ausführlich im Kap. 3.3.2 berichtet.

Bei Winter von Adlersflügel (1703) sind fast alle der eben genannten, für das 18.

Jahrhundert repräsentativen Pferderassen abgebildet. Um eine Vorstellung davon geben zu können, wie diese nach damaliger Idealvorstellung aussehen sollten, werden die entsprechenden Abbildungen auf den folgenden Seiten reproduziert.

Abb. 27: Türke

(aus: Winter von Adlersflügel 1703; Fachgebiet Geschichte der Veterinärmedizin und der Haustiere, Tierärztliche Hochschule Hannover)

Abb. 28: Berber

(aus: Winter von Adlersflügel 1703; Fachgebiet Geschichte der Veterinärmedizin und der Haustiere, Tierärztliche Hochschule Hannover)

Abb. 29: Neapolitaner

(aus: Winter von Adlersflügel 1703; Fachgebiet Geschichte der Veterinärmedizin und der Haustiere, Tierärztliche Hochschule Hannover)

Abb. 30: Spanier

(aus: Winter von Adlersflügel 1703; Fachgebiet Geschichte der Veterinärmedizin und der Haustiere, Tierärztliche Hochschule Hannover)

Abb. 31: Engländer

(aus: Winter von Adlersflügel 1703; Fachgebiet Geschichte der Veterinärmedizin und der Haustiere, Tierärztliche Hochschule Hannover)

Abb. 32: Niederländer

(aus: Winter von Adlersflügel 1703; Fachgebiet Geschichte der Veterinärmedizin und der Haustiere, Tierärztliche Hochschule Hannover)

Abb. 33: Däne

(aus: Winter von Adlersflügel 1703; Fachgebiet Geschichte der Veterinärmedizin und der Haustiere, Tierärztliche Hochschule Hannover)

Abb. 34: Pole

(aus: Winter von Adlersflügel 1703; Fachgebiet Geschichte der Veterinärmedizin und der Haustiere, Tierärztliche Hochschule Hannover)

Abb. 35: Westfale

(aus: Winter von Adlersflügel 1703; Fachgebiet Geschichte der Veterinärmedizin und der Haustiere, Tierärztliche Hochschule Hannover)