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3 Geschichtlicher Hintergrund

3.1 Geschichte der Herrlichkeit Anholt

3.1.5 Geschichte der Stadt Anholt

Als Teil der Herrlichkeit hing die politische und wirtschaftliche Situation der Stadt Anholt immer eng mit der des Schlosses zusammen. Hinzu kommt die geografische Lage, wonach beide Einrichtungen in unmittelbarer Nähe zueinander liegen. Somit war die Stadt immer gleichermaßen von Kriegen, Plünderungen und Belagerungen betroffen wie das Schloss. Hinsichtlich der Geschichte der Stadt gilt daher das oben gesagte. Selbst die Gründungsdaten dürfen als weitgehend übereinstimmend angenommen werden. Eine erste Siedlung in Anholt entstand vermutlich etwa zu der gleichen Zeit, als die Burganlage errichtet wurde, also im 12. Jahrhundert.

Ursprünglich werden dort Gefolgs- und Dienstleute der Burg angesiedelt worden sein. Die ältesten Häuser befanden sich vermutlich an der heutigen Schlossstraße und am Markt, wo die o. g. Handelsstraße, von Emmerich kommend und die Burg passierend, ins heutige Gelderland hinein führte (Stadt Anholt 1947, S. 8).

Die Gemeinde Anholt erhielt bereits 1347 von Stephan III. und Dietrich von Sulen gewisse Privilegien46, die zwei Jahre später durch die Erteilung der Stadtrechte erweitert und bestätigt wurden. Damit erkannte der Grundherr eine bereits seit längerem fortschreitende Entwicklung an, welche die Siedlung dazu berechtigte, den Status einer Stadt zu erlangen. Anholt war gewachsen, und es hatten sich allmählich städtische Gewohnheiten und Einrichtungen ausgebildet (Tinnefeld 1913, S. 24). Mit den Stadtrechten bekam die Stadt Anholt u. a. ein Gericht und eine eigene Verwaltung, die von sieben Schöffen mit einem Bürgermeister an der Spitze geführt wurde. Hofhörige wurden nun Bürger mit erblichem Grundbesitz. Die Befestigung, ehemals ein Plankenzaun, wurde durch eine Steinmauer mit Wehrtürmen, einen Wall und einen Graben verstärkt (Stadt Anholt 1947, S. 9-10).

Dennoch wurde die Stadt dadurch nicht unabhängig, sondern der Herr von Anholt hatte ein bedeutendes Mitspracherecht und großen Einfluss auf städtische Angelegenheiten. Ihm stand u. a. das Privileg zu, Verordnungen zu erlassen, etwa über Maße und Gewichte, Gebühren oder den Gottesdienst (Stadt Anholt 1947, S.

15). Desweiteren war ihm oder einem von ihm bestellten Richter die Leitung des Gerichts vorbehalten, während die Bürger nur die Schöffen stellen durften (Tinnefeld 1913, S. 101). Dadurch, dass die Beamten des Schlosses hohe Ämter in der Stadt bekleideten47, übte der Burgherr eine zusätzliche Kontrolle über die Stadt aus.

Insgesamt förderte der Grundherr aber durch seine Politik die einheimische Industrie und die Versorgung der Bevölkerung, nicht zuletzt durch Land, das er ihr schenkte48.

46 Allen Bewohnern, die innerhalb der Palisaden, der Gräben und Bastionen der Stadt Anholt ansässig waren, wurden ihre Hofstätten zum erblichen Eigentum überlassen. Anstelle des Zehnten, d. h. des zehnten Teils ihrer Erträge oder des entsprechenden Gegenwertes in Geld, mussten sie nur einen jährlichen Erbszins von einem Kapaun und einem Pfund Wachs entrichten (Stadt Anholt 1947, S. 5).

47 Als Beispiel sei Wessel Froelichs genannt, der gegen Ende des 16. Jahrhunderts Rentmeister und Bürgermeister zugleich war (Stadt Anholt 1947, S. 62). Außerdem war das Amt des Drostes meist mit dem des Richters in einer Person vereinigt (Tinnefeld 1913, S. 124).

48 Dietrich I. von Bronckhorst-Batenburg überließ der Stadt 1447 einige Schläge. Dieses Gebiet wurde in hundert Teile vermessen, und jedes Haus in der Stadt erhielt einen Teil davon zur Nutzung, nachdem jeder Teil mit einem Zaun und einem 4 Fuß breiten Graben abgegrenzt worden war. Die

Obgleich der Herr den Zehnt der Früchte erhielt, kam er der Bevölkerung damit doch sehr entgegen, denn nun konnte jeder Bürger sein eigenes Stückchen Land bewirtschaften. Anholt war immer nur ein kleines Landstädtchen, dessen Einwohner überwiegend von Ackerbau und Handwerk lebten (Stadt Anholt 1947, S. 64). Diesen Charakter hat es bis heute behalten. Seit 1974 ist es nunmehr ein Ortsteil der Stadt Isselburg, dessen Einwohnerzahl 4000 kaum übersteigt.

Schläge durften aber nicht verkauft oder verpachtet werden, sondern mussten bei dem Haus bleiben (Tinnefeld 1913, S. 97).

3.2 Landwirtschaft im 16. bis 18. Jahrhundert

Zwischen Pferdehaltung und Landwirtschaft bestanden vielfältige Verflechtungen.

Pferde dienten als Arbeitstiere, die vor dem Pflug und vor dem Wagen leistungsfähiger waren als Ochsen. Andererseits erhielten sie ihre Futtergrundlage aus der landwirtschaftlichen Produktion. Es soll daher mit einem Blick auf die Geschichte der Landwirtschaft erörtert werden, wie der Ackerbau betrieben und wie Vieh gehalten und gefüttert wurde. Auf die Haltung und Fütterung von Pferden erfolgen nur kurze Hinweise, da diese Themen an anderer Stelle ausführlich behandelt werden (s. Kap. 4.1 und 4.2). Ein Grundverständnis der Agrarverfassung ist insoweit wichtig, als die Bauern an der Zucht und Haltung der herrschaftlichen wie ihrer eigenen Pferde beteiligt waren. Daher sollen die Rechtsgrundlagen herausgestellt werden, auf denen die Ansprüche des Feudalherrn gegenüber den Bauern basierten.

Nach einer kurzen Beschreibung der Klima- und Bodenverhältnisse in Westfalen soll zunächst eine allgemeine Darstellung der Geschichte der Agrarverfassung und Landwirtschaft gegeben werden, allerdings schwerpunktmäßig auf die Situation in Westfalen und am Niederrhein bezogen, da Anholt an diese beiden Regionen angrenzt und die natürlichen Bedingungen ähnlich sind. Obwohl der zeitliche Rahmen mit dem 16. bis 18. Jahrhundert vorgegeben ist, wird hin und wieder ein Rückblick in frühere Zeiten erforderlich sein, um bestimmte Sachverhalte verständlich zu machen. Da die allgemeine Literatur nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die Herrlichkeit Anholt zulässt, werden im Anschluss speziell die dortigen Verhältnisse wiedergegeben. Hömberg betont, dass jede Landschaft Westfalens ihren eigenen Charakter trug und sich durch Besonderheiten in ihrer Wirtschaft, in ihrem Siedlungswesen, im bäuerlichen Recht und in der Struktur des Bauerntums und der Grundherrschaft auszeichnete (1967, S. 177). So unterschied sich auch das kleine Territorium in mancherlei Hinsicht vom übrigen Westfalen. Es war ein souveräner Territorialstaat, dessen Herr die Agrarverfassung mitgestaltete. Indem er gleichzeitig Landes- und Grundherr war, beeinflusste er die Landwirtschaft unmittelbar und musste sich die Rechte an den Bauern nicht mit anderen Feudalherren teilen.

Einen Überblick über den agrarischen und ökonomischen Hintergrund in der Herrlichkeit Anholt im Betrachtungszeitraum vom 16. bis 18. Jahrhunderts zu liefern, stellt sich schwierig dar, denn die Literaturgrundlage ist sehr dürftig. Die einzige bisherige wissenschaftliche Bearbeitung, die sich mit der Agrarverfassung und Landwirtschaft in der Herrschaft Anholt beschäftigt, liegt mit Tinnefelds Dissertation über ihre Geschichte und Verwaltung bis zu ihrem Übergang an die Fürsten zu Salm vor. Dabei liegt der Schwerpunkt allerdings deutlich auf der Agrarverfassung, auf die im Zusammenhang mit der grundherrlichen Verwaltung eingegangen wird, während die Landwirtschaft nur am Rande erwähnt wird. Da sich Tinnefelds Arbeit nur bis 1649, dem Jahr des Regierungsantritts der Fürsten zu Salm, erstreckt, können seine Ausführungen nur unter Vorbehalt herangezogen werden. Unter der Annahme, dass vom 17. bis zum 18. Jahrhundert in Anholt keine wesentlichen Veränderungen in den feudalherrlichen Verhältnissen und in der landwirtschaftlichen Produktion eingetreten sind, wie es in ganz Deutschland überwiegend der Fall war, können die Daten und Aussagen jedoch als ein grober Anhaltspunkt auch für spätere Zeiten dienen und zumindest Tendenzen aufzeigen. Daher sollen sie in diesem Kapitel kurz erläutert werden.