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Der Verein „Die Schwalbe“ - Begleitung in die Passage der Selbstständigkeit

19.4 Empowerment

19.4.1 Der Verein „Die Schwalbe“ - Begleitung in die Passage der Selbstständigkeit

„Der Mensch ist die beste Medizin für den Menschen.“

(Chinesisches Sprichwort)

Der Verein „Die Schwalbe“ ist auf Hilfe zur Selbsthilfe ausgerichtet und frei von Zwang und Druck. „Die Schwalbe“ hat das Ziel psychisch kranke Frauen bei der Gestaltung ihrer Lebensplanung und der persönlichen Entfaltung zu unterstützen. Diese Maximen weisen auf das Kernprinzip der Selbstbestimmung hin, eigenständig Entscheidungen zu treffen, Ziele zu setzen und nach den eigenen Fähigkeiten zu handeln.

In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, inwieweit das Angebot und die Ressourcen des Vereins „Die Schwalbe“ unterstützend dazu beitragen, die Kompetenzen der psychiatrieerfahrenen Frauen zu fördern, damit diese in ein selbstbestimmtes und autonomes Leben zurückkehren können.

ExpertInnen:

Bei den Förderungsmaßnahmen und Ressourcen, welche von den ExpertInnen als besonders unterstützend für die betroffen Frauen angesehen werden, wurde zum Großteil die vorhandene bzw. vorgegebene Tagesstruktur mit der damit verbundenen Kontinuität genannt. „Weiters wirkt sicherlich auch die Tagesstruktur sehr unterstützend. Denn es ist weitgehend bekannt, dass Menschen mit Depressionen Schwierigkeiten haben, einem geregelten Tagesablauf nachzugehen bzw. diesen zu finden. […] Einige der Frauen würden es alleine nicht schaffen jeden Morgen aufzustehen und gewissen Dingen nachzugehen.“ (EX_02: 32)

Aus den Interviews geht hervor, dass der Ansatz der Koppelung von Wohnen und der vielfältigen Tagesstruktur (durch das reichhaltige Angebot der ehrenamtlichen MitarbeiterInnen) mit einer begleitenden therapeutischen Hilfe als sehr förderlich erachtet wird. Hinzugefügt wird, dass „Die Schwalbe“ mit den jeweiligen therapeutischen Einrichtungen und Angeboten sehr gut vernetzt ist. Durch die Tagesstruktur und die fix eingeplanten Tätigkeiten im Haushalt und Garten gelingt ein erster Schritt in Richtung Selbstständigkeit. Dadurch werden die Ressourcen der Frauen aktiviert, was in weiterer Folge zu einer Steigerung des Selbstwertes führt.

Für die Frauen ist es wichtig, wieder einen strukturierten Alltag erfahren zu können und sich den damit verbundenen Aufgaben und Herausforderungen wie z. B. einkaufen gehen, putzen, Behördengänge oder kochen und sich dem Untereinander Rücksicht nehmen zu stellen und sich damit auseinanderzusetzen. „Durchaus die Kombination aus Alltag gemeinsam erleben, Kontinuität, Tagesstruktur, Zeit und professionelle Angebote, welche in die Tagesstruktur eingebaut sind.“ (EX_10: 32)

„Es ist alles, es ist auch das Üben, miteinander in einer Wohngemeinschaft auszukommen.

Das ist auch nicht einfach. Auch das Gegenüber zu respektieren, aber auch den Respekt zu verlangen und diesen demzufolge auch zu bekommen. Rücksichtnahme auf andere zu lernen ist besonders wichtig, um im Leben zu Recht zu kommen.“ (EX_01: 47)

Auch wird von 40% der befragten ExpertInnen hervorgehoben, dass sich die Frauen durch Geborgenheit, Rückhalt, Stabilität und das familiäre Umfeld entfalten und Vertrauen fassen können. Als einen weiteren wichtigen Aspekt für die Frauen erachten 60% der ExpertInnen Zeit, was sich in den folgenden Aussagen erkennen lässt. „Die Zeit spielt bei den Frauen eine überaus wichtige Rolle und diese Zeit bekommen sie in „Der Schwalbe“.

Sie können dort erstmal zur Ruhe kommen und ihr eigenes Tempo gehen.“ (EX_07: 30)

„Der Zeitfaktor ist enorm. Man muss dem Menschen einfach mal Zeit lassen und zur Ruhe kommen können lassen. Und nicht mit Gedanken überfordern, was man alles können bzw.

schaffen muss.“ (EX_02: 8)

Eine der befragten Personen fügte noch hinzu, dass ein zentraler Punkt, welcher zur Genesung und damit für die Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben beitrage, der schöne Platz und das Zuhause seien, welches die Schwalbe ausstrahlt. Mitbestimmend für den Erfolg ist nach Aussage einer befragten Person das Engagement und der Idealismus, was wiederum zwei weitere ExpertInnen unterstreichen.

Das vom Verein angebotene Catering wurde als positiv hervorgehoben, da es den Frauen unmittelbar das Gefühl vermittelt, dass sie sich an einer produktiven Sache beteiligen und ihre Leistung etwas Wertvolles ist und sie mit ihrer Leistung ein Produkt schaffen können.

Es wird ein Endprodukt hergestellt, das zu KundInnen kommt. Die Frauen erhalten darüber ein Feedback. „Ein guter Ansatz meiner Meinung nach ist auch das Catering, mit welchem sie nach außen gehen.“ (EX_07: 30)

„… das Catering, da es das unmittelbare Gefühl vermittelt, dass sich die Frauen an einer produktiven Sache beteiligen und mitmachen und am Schluss sieht man das Ergebnis davon. Und das ist noch dazu ein Ergebnis, welches nicht im Haus bleibt, sondern nach außen getragen wird und darauf gibt es eine Reaktion. Da gibt es eine Rückmeldung vom richtigen Leben.“ (EX_02: 32)

Besonders hervorgehoben wird, dass auf die Bedürfnisse der jeweiligen BewohnerInnen eingegangen werden kann und dadurch eine besondere Abstimmungsfeinheit gegeben ist.

„Gerade durch den Selbsthilfeaspekt haben sie keinen Stab von angestellten Mitarbeitern, sie können es dadurch bedarfsorientiert viel feiner steuern. Diese Ressource ermöglicht meines Erachtens eine bessere Entwicklungs- bzw. Weiterentwicklungsmöglichkeit der Bewohnerinnen dort.“(EX_08: 30)

Ergänzend wird betont, dass sich die Frauen dadurch nicht einem bis ins kleinste Detail definierten Programm unterwerfen müssen. Denn durch die eigene Betroffenheit können die Frauen auch besser verstanden werden, wenn sich diese in gewissen Situationen nicht in der Lage fühlen, etwas zu machen. „Bei Tageszentren, Tageskliniken unterliegen die Betroffenen einem Kanon, da gibt es ein Programm, wo sie mitmachen müssen und da fühlen sich viele überfordert.“ (EX_08: 30) Die Peer-Arbeit und die eigene Betroffenheit werden von den ExpertInnen als hilfreich für die Frauen erachtet. Durch den

Selbsthilfeaspekt und die eigene Betroffenheit sind die Gesprächsebene und der Zugang ein anderer wie bei Professionellen

„Wenn ehemalige Betroffene sozusagen zu Professionellen werden, kann ich mir schon vorstellen, dass KlientInnen sich auf einer Ebene sehen oder sich besser verstanden fühlen.

[…] Wichtig ist, sich die Ausbildung aneignen, um zu Professionellen zu werden.“

(EX_04:33).

Aus einem Interview geht hervor, dass die eigene Betroffenheit im Sinne des Empowerments und damit die Hilfe zu Selbsthilfe eine enorme Ressource darstellt.

Weiters wird angeführt, “…das kann kein Professioneller replizieren – vielleicht technisch und methodisch besser, aber die Authentizität und die, gepaart mit diesem gewinnenden, überzeugenden, mutigen und positiv denkenden Zugang […], muss für jede Frau, die sich dort zu stabilisieren versucht, etwas befruchtendes sein.“ (EX_09: 38)

Das Konzept der Hilfe zur Selbsthilfe ist der Grundstein des Vereins. Jedoch müssen die Frauen vorab den Entschluss gefasst haben, ihr Leben wieder selber in die Hand nehmen zu wollen. Dann können sie Schritt für Schritt und mit der nötigen Unterstützung in Richtung autonomes Leben gehen. Besonders in behördlichen Belangen und bürokratischen Dingen benötigen die Frauen oftmals Hilfe und Unterstützung. Sie bekommen jegliche Unterstützungsmaßnahmen, die sie benötigen, aber die Arbeit wird ihnen nicht abgenommen. Grundsätzlich ist es wichtig, sich die jeweiligen Situationen der Betroffenen differenzierter anzusehen und anhand ihrer Bedürfnisse die Hilfestellungen abzustimmen. „… schauen, wie kann man die betreffende Person in und mit ihrer Krankheit unterstützen und welche Hilfestellungen und Maßnahmen benötigt die betreffende Person, um im Alltag möglichst gut zurecht zu kommen. Im Rahmen seiner/ihrer Möglichkeiten und Ressourcen.“ (EX_06: 22)

Empowerment bedeutet Ermutigung von Eigenmacht und Selbstbestimmung. Das Konzept des Empowerments wird den Frauen durch die Betroffenheit der LeiterInnen vorgelebt, indem die Frauen sehen, dass diese ihren Weg gegangen sind und es schaffbar ist, wieder ein selbstständiges Leben zu führen. „Wir erinnern sie immer wieder, dass diese Kraft in ihnen wohnt, sich selbst zu helfen. Man kann niemandem befehlen, du musst dir selber helfen, diesen Punkt müssen die Frauen, die zu uns kommen, schon erreicht haben. Die Betroffenen haben zwar ihre Therapeuten, Ärzte und unterstützenden Maßnahmen, jedoch können die alle tun und machen, was sie wollen, das hilft alles nichts, solange die betroffene Person das nicht von sich aus will. Eine Veränderung kann niemals von außen hervorgerufen werden, das kann immer nur ein persönlicher Prozess der einzelnen Person

sein.“ (EX_02: 14) In einem Interview wird besonders hervorgehoben, dass die Selbstbestimmtheit einen wichtigen Punkt im Leben darstellt. Den Betroffenen können Möglichkeiten aufgezeigt werden, Unterstützungsmaßnahmen angeboten werden und bei der Entscheidungsfindung geholfen werden, jedoch die letztendliche Entscheidung und die notwendigen Schritte müssen nach Aussagen einiger ExpertInnen die Betroffenen selber machen. „Die erlernte Hilflosigkeit muss zurückgedrängt werden, damit der Patient selbst wieder zur Entscheidungsfähigkeit kommt.“ (EX_07: 14) Es wird angeführt, dass ein Arbeiten dahingehend erleichtert wird, wenn die Betroffenen freiwillig kommen, wenn ein niederschwelliger Zugang gegeben ist und keine Pflicht besteht. Bei verschiedenen sozialpsychiatrischen Projekten werden die Betroffenen oftmals zugewiesen und gezwungen, teilzunehmen, was produktiv sein kann, aber sich auch durchaus stark kontraproduktiv auswirken kann (EX_03:12).