• Keine Ergebnisse gefunden

Stigmabewältigungs- Interventionen zur Änderung der Einstellungen

Das Unbekannte, die Andersartigkeit führen bei vielen Menschen zu Verunsicherungen und Ängsten, was wiederum zur Folge hat, dass die Betroffenen mit einer Reihe von Vorurteilen und Zuschreibungen konfrontiert sind. Insgesamt betonten 60% der befragten ExpertInnen diesen Umstand. Besonders hervorgehoben wurde, dass es Berührungsängste gibt. „… jedoch gibt es nach wie vor massive Berührungsängste, wenn jemand noch niemals mit der Thematik konfrontiert gewesen ist.“ (EX_01: 8) Dinge, die nicht

persönlich nachvollzogen werden können, erzeugen Angst und Unverständnis (EX_01: 8/

EX_04: 6). Die Leitung des Wohn- und Peerprojektes beschreibt, dass bei der Gründung des Projektes in der Nachbarschaft eine große Verunsicherung zu spüren war (EX_01: 8).

„Die beste Aufklärung ist, dass wir den Verein gegründet haben und im Kleinen die Nachbarn rundherum sehen, dass alles normal ist. Es läuft alles normal und geregelt ab.

Am besten funktioniert es durch Kontakt, damit die Berührungsängste fallen, das ist meine Erfahrung.“ (EX_01: 10) Aufklärungsarbeit, da sind sich die ExpertInnen einig, ist eine notwendige Maßnahme, um der Ausgrenzung entgegenzuwirken. „Aufklärungsarbeit ist das Wichtigste, um ein anderes Bild von den Menschen zu zeichnen.“ (EX_03: 20)

Die ExpertInnen stimmen überein, dass es nötig wäre, so früh wie möglich mit Aufklärungsarbeit zu beginnen. 40% sind der Ansicht, dass verstärkt mit Projekten und Informationsveranstaltungen vor allem an Schulen gearbeitet werden sollte. Dieser Ansatz ist ihrer Ansicht nach schon aufgegriffen, jedoch noch stark ausbaufähig. Kinder und Jugendliche, aber auch die Lehrbeauftragten sollten gegenüber psychischen Krankheiten sensibilisiert und ihnen deren Auswirkungen und ein möglicher Umgang damit nähergebracht werden. Dadurch könnten die LehrerInnen differenzierter agieren und mitunter die betroffenen Kinder besser vor einer Ausgrenzung schützen bzw. würde durch das Wissen der anderen Kinder über psychische Krankheiten ein sensiblerer Umgang stattfinden können (EX_02: 6/EX_10:6). „ … das Wichtige ist, dass es ein kontinuierliches Tun sein muss. Um wirklich nachhaltige Effekte erzielen zu können, müssen bestimmte Projekte ganz redundant und kontinuierlich platziert werden, weil es nur über eine Breitenwirkung über eine Multiplikatorenwirkung letztendlich geht.“ (EX_09: 8)

Ein Großteil der ExpertInnen empfindet den direkten Kontakt als wirksamsten Ansatz, um einer Ausgrenzung entgegenzuwirken. Ich denke durchaus, dass der direkte Kontakt eine sehr gute Aufklärung hinsichtlich Stigmatisierung ist.“ (EX_07: 8) Besonders wichtig bei allen Interventionen ist, dass diese so lebensnah wie möglich bei den Betroffenen und deren sozialen Umfeld ansetzen.

Als Beispiel für direkten Kontakt im Alltag wurden Wohngemeinschaften genannt, welche in Wohnhäusern eingerichtet sind, wo psychisch kranke Menschen direkt in Kontakt mit psychisch gesunden Menschen kommen und somit ein gegenseitiger Austausch möglich ist. „Ich merke das in der Arbeit schon sehr oft, wenn Einzüge in Wohngemeinschaften oder anderen Maßnahmen angedacht werden, dass die Betroffenen oftmals anmerken, dass sie da ja wieder mit Kranken zusammen sind und sie mit gesunden Menschen zusammen

leben wollen. Da müsste meiner Meinung nach mehr Innovation passieren, dass ein Miteinander möglich ist.“ (EX_07: 8)

Ein Großteil der befragten Personen erachten Selbsthilfegruppen und Aktivgruppen als einen wirksamen Beitrag, um Ausgrenzung und Stigmatisierung abzufedern. Eine/r der Befragten fügt ergänzend hinzu, dass Selbsthilfegruppen und Peer/Groups und daher die Hilfe zur Selbsthilfe eine sehr wichtige Rolle in der Antistigmaarbeit einnehmen (EX_02:

36). „… was in den Selbsthilfegruppen angeboten wird […], dass man Menschen zulässt wie sie sind und Gemeinsamkeiten herstellt und Möglichkeiten bietet sich zu treffen und auszutauschen, soziale (Re-) Integration zu betreiben, indem die Leute sich kennenlernen und dann miteinander in Kontakt kommen und gemeinsam was machen, das gehört natürlich viel mehr angeboten. " (EX_09:10)

„… die Selbsthilfe halte ich für ganz wichtig. Einerseits, weil wir nie alles im professionellen Rahmen leisten werden können - zeitlich und finanziell nicht. […] Es geht immer auch um eine gute Beziehungsebene und um das Verständnis des Gleichgesinnten.

Dieses Vertrauen auch haben können, dass es sich um eine theoretische Erklärung handelt, sondern authentisch und glaubwürdig aus dem Leben heraus stammt, das gibt eine andere Art von Stärke.“ (EX_09: 26)

Die ExpertInnen sind der Ansicht, dass ein offener Umgang der Betroffenen der beste Ansatz gegen Stigmatisierung ist. „Das Outing hilft weiter, je offener man auf Menschen zu geht und darüber redet, umso besser können die meisten damit umgehen. Wenn ich zu meiner Biographie gestanden bin, kamen selten schlechte Rückmeldungen (EX_03: 18).

Jede/r einzelne Betroffene kann durch die persönliche Offenheit, wie er/sie mit der Krankheit umgeht, etwas verändern kann - indem darüber gesprochen wird.

(Ex-) Bewohnerinnen

„… es ist schwierig, weil ich eigentlich immer das Gefühl hatte, dass mit mir etwas nicht ganz ok ist und ich nirgends wirklich rein passe. Ich habe eben Probleme, die andere nicht haben […] Ich will nicht sagen, dass ich das Gefühl habe, dass die anderen mich nicht, also dass die anderen ungut gewesen wären. Es hat eher etwas damit zu tun, dass ich das Gefühl habe, dass mit mir etwas nicht in Ordnung ist.“ (B_04: 23)

In den Gesprächen mit den (Ex-) Bewohnerinnen ergab sich, dass die Hälfte der befragten Frauen keine bewussten Erfahrungen mit Vorurteilen oder Ausgrenzungen seitens des sozialen und beruflichen Umfelds erlebt haben. Interessant war der Standpunkt von zwei

Frauen, die sich nicht ausgegrenzt fühlten, sondern selbst den Weg der Ausgrenzung und des Rückzuges wählten. Das Gefühl, anders zu sein oder die Angst davor „… nie wieder ganz normal werden […], weil ich es nie wieder schaffen werde ein selbständiges Leben zu führen.“ (B_01: 13)

Es gab einzelne Situationen, berichtete eine substanzabhängige Frau, da hatte sie auf Grund der erkennbaren langjährigen Abhängigkeit mit Vorurteilen zu kämpfen. Als Beispiel nannte sie die verpflichtende Abgabe ihrer Tasche, wenn sie Einkaufen wollte (B_08: 29). Ähnliche Erfahrungen machte eine Frau mit ihrem/r ArbeitgeberIn. „Einmal […] war ich so blöd und habe ehrlich gesagt, dass ich am Vortag zu viel getrunken habe und nicht arbeiten konnte. Fristlose Entlassung.“ (B_09: 17) Daraus resultierte, dass sie keine Angaben mehr über ihre psychische Verfassung machte, auch bei Bewerbungen nicht. Nach eigenen Angaben wurde nach den Lücken nicht gefragt und sie hatte keine Probleme eine Arbeitsstelle zu finden. Dem gegenüber stehen negative Erfahrungen mit sozial-psychiatrischen Vereinen, die einen schlechten Ruf haben. Die Nennung dieser Vereine mit betreuten oder geförderten Arbeitsplätzen haben Konsequenzen bei der Arbeitssuche. Es herrscht anscheinend die Meinung „… dort arbeiten sowieso nur Behinderte und so. Dann bekommt man auch keine Lehrstelle.“ (B_03: 9)

Zwei Frauen sind am aktiven Arbeitsmarkt. Durch die geringe Beteiligung an der Erwerbstätigkeit stehen die Frauen erst gar nicht vor der Herausforderung mit Vorurteilen konfrontiert zu werden. Einige Befragte erleben die Stigmatisierung nicht von der Gesellschaft ausgehend, sondern grenzen sich selbst aus. „Es ging sehr von mir aus, denn mein Umfeld war eigentlich relativ verständnisvoll. Das muss ich schon sagen. Auf jeden Fall. Auch jetzt noch, also ich habe da eigentlich keine Probleme.“ (B_01: 27) Wie bereits am einleitenden Zitat erkennbar ist, geht es den Frauen darum, eine gewisse „Normalität“

zu gewinnen, einen Platz in der Gesellschaft zu finden und Ängste überwinden zu können.

Es gibt viele Fälle, die zeigen, dass das soziale Umfeld positiv und unterstützend auf die erkrankten Personen reagiert. „Ich empfinde mein soziales Umfeld als sehr positiv. Ich mache auch keine Erfahrungen mit Vorurteilen und Ausgrenzungen - eigentlich von niemand.“(B_02: 39) Andere Erfahrungen zeigen, dass Vorurteile und Stigmatisierungen zwar vorhanden sind, bewusst aber keine negativen Einflüsse auf die betreffenden Personen haben. „Es gibt Leute, die haben Vorurteile, davon kenne ich einige, aber es stört mich nicht. Die meisten haben kein Problem damit.“ (B_03: 27)