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Nach all den positiven Ausführungen und der Betonung der Wichtigkeit des Empowerment-Konzeptes in der Sozialen Arbeit, ist es aber auch von großer Bedeutung, die Schwierigkeiten in der Umsetzung anzuführen, um ein ganzheitliches Bild zu erhalten.

„Ziel der Empowerment-Praxis ist es, die vorhandenen (wenn auch vielfach verschütteten) Fähigkeiten der Adressaten sozialer Dienstleistungen zu autonomer Lebensorganisation zu kräftigen und Ressourcen freizusetzen, mit deren Hilfe sie die eigenen Lebenswege und Lebensräume selbstbestimmt gestalten können.“ (Mathwig, 2007, S. 27) Nach dieser Definition ist jeder Mensch seines Glückes Schmied, jedoch sind die Möglichkeiten und Fertigkeiten der einzelnen Individuen nicht gleich verteilt. Auch kann sich das Empowerment-Konzept bei den Betroffenen negativ auswirken, nämlich dahingehend, dass die Anforderung an die Selbstbestimmung als Überforderung oder sogar Bedrohung angesehen wird (Mathwig, 2007, S. 27f.). Nach Herringer (2010) gibt es drei Ebenen, welche sich als Hindernisse bei der Umsetzung des Empowerment-Konzepts darstellen:

1. Intrapersonale Widerstände 2. Beziehungswiderstände 3. Institutionelle Widerstände

Intrapersonale Widerstände - Widerstände auf der Ebene der subjektiven Berufsidentität: In den sozialen Dienstleistungen sind bei der Arbeit mit den AdressatInnen teilweise enge Grenzen gesetzt, auch ist es durch die hohe Fallzahl und das knapp bemessene Zeitbudget schwierig, für jede/n individuell problem- und personenspezifische Hilfsformen anzubieten. Darüberhinaus entsteht in einigen Bereichen des Handlungsfeldes eine Diskrepanz zwischen Professionellen und ihren AdessatInnen hinsichtlich der Veränderungen und deren zeitlichen Rahmen. Aus der Sicht der beruflichen HelferInnen lassen die positiven Ergebnisse in vielen Fällen zu lange auf sich warten. Aus diesem Grund ist es für manche Professionelle schwierig, das gemeinsame Arbeiten unter der Kategorie Erfolg zu verbuchen. „Die Entscheidungen und Lösungsversuche Betroffener sind meist nicht so geradlinig, wie sie von professioneller Seite gewünscht werden.“ (Knuf/Seibert, 2000, S. 43) Oftmals fällt es den professionellen HelferInnen schwer, ihren AdressatInnen das nötige Vertrauen in deren Fähigkeiten entgegen zu bringen. „Ohne Vertrauen aber ist Abwarten, ist Lernenlassen nicht möglich.“

(Knuf/Seibert, 2000, S. 43)

Auch produziert das Empowerment Unsicherheiten mit der Aufforderung an die Professionellen, ihre Macht zu teilen (Herringer, 2010, S. 216ff.). „… ihre feste Bastion von Expertenmacht – wo immer möglich – aufzugeben und sich auf ein Beziehungsmodell des partnerschaftlichen und machgleichen Aushandelns einzulassen.“ (Herringer, 2010, S.

218).

Beziehungswiderstände – Widerstände auf der Ebene des Arbeitskontraktes Professionelle können ihren KlientInnen in der gemeinsamen Arbeit Vorschläge und Perspektiven bieten, mit welchen diese ihre Schwierigkeiten und Alltagsbelastungen bestreiten können, jedoch die letzte Entscheidungsinstanz und Verantwortung tragen die Betroffenen selber – außer es kommt zu einer Fremd- oder Selbstgefährdung. „Überall dort, wo Bedrohung, Einschüchterung, Erpressung oder offene Gewalt im Spiel ist, endet die Empowerment-Praxis und mündet in die Notwendigkeit, Grenzen zu setzen, Übergriffe abzuwehren und Schutzräume zu öffnen.“ (Herringer, 2010, S. 223)

Wenn ein gemeinsames Arbeiten gar nicht mehr möglich ist, kann auch ein Wechsel der Betreuungsperson hilfreich sein, besonders in den Fällen, wo BetreuerIn und AdressatIn keine gemeinsame Arbeitsebene finden und die Arbeit eine belastende ist und keine positiven Gefühle erzeugt (Herringer, 2010, S. 222f.).

Institutionelle Widerstände - Widerstände auf der Ebene der institutionellen Anforderungen und Strukturen:

In der Sozialen Arbeit geht es in erster Linie um die Unterstützung und Begleitung von Individuen in schwierigen Lebenssituationen, das Bereitstellen von Ressourcen und die Ermöglichung professioneller Hilfestellungen. Doch um dies zu gewährleisten, müssen die Defizite und Probleme der AdressatInnen ergründet und dokumentiert werden. „…

vorrangige Problemzentrierung der Sozialen Arbeit dokumentiert sich deutlich in der (von Seiten der Institution und der Kostenträger vorgegebenen) formalen Verfahren und Prozeduren, die am Anfang der institutionellen Hilfe stehen.“ (Herringer, 2010, S. 226) Anträge, Sozialanamnesen, Hilfepläne und Entwicklungsberichte verpflichten Mitarbeiter sozialer Dienste dazu, eine „Buchführung des Nicht-Gelingens“ zu machen. Ein weiterer Stolperstein ist der enorme Zeit- und Ressourcenverbrauch, welcher nicht mit den Interessen der Institutionen einhergeht. In ihrem Sinne ist es, dass mit Zeit und Ressourcen ökonomisch gewirtschaftet wird. Hinzu kommt auch, dass Institutionen einen Erfolg vorgewiesen haben möchten, was im Sinne der Empowerment-Prozesse nicht einfach ist, da diese nicht immer linear verlaufen und oftmals auch Rückschritte verbucht werden müssen (Herringer, 2010, S. 225ff.).

12 Recovery

Die weitfassende Definition von Recovery lautet: Wiedererlangung und Übernahme von Kontrolle, das eigene Leben betreffend. (Watkins, 2009, S. 18) Im Sinne des zuvor ausführlich beschrieben Empowerment-Konzeptes.

„Recovery ist ein zutiefst persönlicher, einzigartiger Veränderungsprozess der Haltung, Werte, Gefühle, Ziele, Fertigkeiten und Rollen. Es ist ein Weg, um trotz der durch die psychische Krankheit verursachten Einschränkungen ein befriedigendes, hoffnungsvolles und konstruktives Leben zu leben. Recovery beinhaltet die Entwicklung eines neuen Sinns und einer neuen Aufgabe im Leben, während man gleichzeitig über die katastrophalen Auswirkungen von psychischer Krankheit hinauswächst.“(Alexander et al., 2008, S. 20) Erste Vertreter des Recovery Ansatzes waren Psychiatrieerfahrene, welche von den Professionellen die Diagnose „chronische psychische Krankheit“ bekommen haben, sie haben sich dadurch aber nicht beirren lassen und sind schlussendlich wieder gesundet. Sie schlossen sich zusammen, um gegen den Pessimismus der Psychiatrie anzukämpfen. Das Recovery-Konzept ist in den letzten Jahren zunehmend wichtiger geworden (Knuf, 2008, o. A.). Viele Länder, darunter Neuseeland, Kanada, England und einige Staaten in den USA integrieren die Recovery-Orientierung in ihr psychiatrisches Versorgungssystem (Amering/ Schrank, 2007, S. 45). Es handelt sich dabei nicht um ein einheitliches Konzept, sondern um eine Haltung für die psychosoziale Praxis (Knuf, 2008, o. A.). Jedoch ist der Begriff des Recovery oftmals noch mit Verwirrung und Unverständnis verbunden, in theoretischer wie aber auch praktischer Hinsicht. Was zum Teil sicher auch daher rührt, dass der Begriff zwei unterschiedliche Definitionen in sich trägt. In der klassisch-medizinischen Forschung liegt der Fokus des Begriffes auf einer Reihe von Langzeitstudien von schweren psychischen Erkrankungen und deren unterschiedlichen Verläufen. „In diesem Kontext wird Recovery als ein langfristiges Ziel von Remission definiert. Es ist ein messbares Ereignis, ein outcome, und impliziert üblicherweise die Rückkehr zu einem früheren, prämorbiden Zustand und eine verminderte Nutzung von Hilfeangeboten.“ (Amering/ Schrank, 2007, S. 45). Dieser Ansatz ist die symptom-fokussierte Definition von Recovery und ist vor allem für Menschen nützlich, welche nach einem psychotischen Vorfall wieder vollkommen gesunden und wenn durch die Krankheit keine sozialen Schäden entstanden sind. Die personen-zentrierte Definition entwickelte sich aus der Betroffenenbewegung heraus. Auch hier ist es möglich, dass Recovery mit

einem Verschwinden der Symptomatik einhergeht, jedoch ist dies nicht zwingend notwendig. Demzufolge ist Recovery mehr als nur die Kontrolle bzw. Überwindung der Symptome – Recovery ist auch ein Prozess der persönlichen Entwicklung, in welchen die Betroffenen die sozialen Folgen der psychischen Erkrankung überwinden und ihr Leben wieder sinnerfüllt gestalten (Amering/Schrank, 2007, S. 45f.). „Aus dieser Perspektive kann es auch Ziel psychiatrischer Hilfe sein, Menschen dabei zu unterstützen, trotz Weiterbestehen der Symptomatik in ihrem jeweiligen sozialen Kontext zu funktionieren und über weite Strecken ein sinnerfülltes Leben führen zu können.“ (Amering/Schrank, 2007, S. 45). Diese beiden Definitionen schließen einander nicht aus, sie ergänzen einander (Amering/Schrank, 2007, S. 45).