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Anregungen und Verbesserungsmöglichkeiten für die „Die Schwalbe“

ExpertInnen:

Aus den Interviews mit den ExperttInnen ging hervor, dass die eigene Betroffenheit der Leitungspersonen des Vereins „Die Schwalbe“, in der Peer-Arbeit sowohl als Ressource, aber auch als Defizit erachtet wird. Das Zweifeln an der eigenen fachlichen Qualifikation wird meistens nicht intern in Frage gestellt, sondern wird von außen herangetragen. Es stellt eine Schwierigkeit dar, die Berechtigung ohne fachliche Kompetenzen zu beanspruchen. Daher, betont die Mehrheit der ExpertInnen, wäre es von Vorteil, wenn sich die Betroffenen zusätzlich Ausbildungen aneignen würden. „Wichtig und aus meiner Sicht das Allerbeste sind Betroffene, die sich die Ausbildung aneignen und somit zu Professionellen werden.“ (EX_04: 33) Somit sind sie nicht nur Professionelle in ihrer Betroffenheit, sondern auch Professionelle in fachlicher und methodischer Hinsicht.

Weiters wurde von zwei der ExpertInnen angeführt, dass für alle Angebote, welche stabil im Feld des Sozialbereiches bleiben und wachsen wollen, Qualitätsstandards unabdingbar sind. Es müssen in weiterer Folge Mindestqualitätskriterien entwickelt werden und Abgrenzungen zu anderen Bereichen stattfinden. „Das braucht auch Zeit und es darf da nicht ein ständiger Existenzkampf vorhanden sein.“ (EX_09: 40)

Als schwierig wird von den ExpertInnen die finanzielle Situation des Vereins erachtet, was sich mitunter auch in der Qualität der Arbeit auswirkt. Oftmals muss von der Führungsebene ein Großteil der Zeit zum Akquirieren von Geldern aufgebracht werden und diese Zeit und Energie fehlt dann wiederum oftmals in der Arbeit mit den Frauen.

Folgende Aussagen schildern die finanzielle Situation des Vereins: „Die Finanzierung des Projektes ist ein stetiger Kampf.“ (EX_01: 45)

„Zwei Dienstposten sind für das Projekt vorgesehen und oftmals sind nicht beide Posten von der öffentlichen Hand finanziert. Leider geht fast wieder ein ganzer Dienstposten dafür auf, um Gelder aufzutreiben. Das ist schon etwas absurd.“ (EX_02: 34)

„Dass sie ständig finanziell krachen, das färbt auf die Frauen dort ab – die bekommen das mit.“ (EX_03: 29)

„Wenn der Begriff und die Institution „Die Schwalbe“ in der Öffentlichkeit präsenter wären, würde die öffentliche Hand auch nicht mehr so vorbeikommen, dem Geld zuzuschießen.“ (EX_06: 36)

Auch wurde von vier der befragten ExpertInnen angemerkt, dass dem Verein ein Lobbying fehlt und der Bekanntheitsgrad zu niedrig ist. Nach Meinung der ExpertInnen müsste durchaus mehr Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. „Sie müssen mehr im Denken der Leute verankert sein. In den Insiderkreisen kennt man sie schon, jedoch wäre es wünschenswert, wenn man sie auch außerhalb dieser Kreise kennen würde.“ (EX_06: 34) Besonders betont wird, dass man als kleiner Verein nicht in Vergessenheit geraten darf.

Auch geht aus zwei Interviews hervor, dass eine verstärkte Kooperation und der regelmäßige Austausch mit anderen Einrichtungen durchaus förderlich und erstrebenswert wäre. „… nicht nur in Kontakt treten, wenn etwas benötigt wird. Das Leben ist nicht nur ein Nehmen, sondern auch ein Geben.“(EX_03: 33) Zwei der ExpertInnen finden, dass im Personalbereich Handlungsbedarf besteht. Bei einem Ausfall von einer Leitungsposition muss die ganze Last und Verantwortung von einer einzelnen Person getragen werden. Das finden die ExpertInnen bedenklich und für die Leitungspositionen in ihrer eigenen Betroffenheit gefährlich. Als Bereicherung für das Projekt wird der Zugewinn einer weiteren Frau angesehen.

Auch wurde von zwei ExpertInnen die bauliche Substanz des Wohnobjektes als Mangel genannt. Ein/e ExpertIn ist sich sicher, wenn die bauliche Substanz des Objektes besser wäre und die Räumlichkeiten eine gelungenere Aufteilung hätten, dann würden sich mehr Frauen angesprochen fühlen und der Verein hätte mehr Zulauf (EX_07: 30).

(Ex-) Bewohnerinnen:

„Die wertfreie Haltung, Offenheit und die absolute Akzeptanz, aber auch die Geduld, mich mit meinen Konflikten so zu nehmen. Und das empfinde ich nach wie vor so. Wo ich z.B.

ganz schnell abspringe ist, wenn eine Wertung enthalten ist oder jemand mit dem Zeigefinger kommt oder autoritäres Gehabe. Wäre das in irgendeiner Weise der Fall, wäre ich sicher nicht mehr hier. Aber die Offenheit schätze ich sehr.“ (B_02: 43)

Die Tatsache, dass männliche Betreuer in Frauenwohnmodellen beschäftigt sind, kann aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Einerseits erscheint es oftmals unpassend, weil eine Vielzahl von Frauen in Übergangswohnmodellen Erfahrungen mit sexueller Gewalt gemacht haben und an sehr belastende Abschnitte ihrer Vergangenheit erinnert werden. Andererseits hat sich aber gezeigt, dass gemischtgeschlechtliche Teams förderlich für die Kommunikation und Findung einer Vertrauensbasis sind. Im Verein „Die Schwalbe“ haben die Frauen die Zeit und Möglichkeit sich wieder langsam, in einer

geschützten Umgebung, an die Anwesenheit von Männern zu gewöhnen. Die männliche Betreuung wurde als „zugänglich“ und „bemüht“ den Frauen gegenüber gesehen (B_10:

5).

(Betreute) Übergangswohnmodelle erfordern in den meisten Fällen eine andauernde Anwesenheit von MitarbeiterInnen. Gerade bei psychischen Erkrankungen oder Krisensituationen erscheint es wichtig, dass die bestmögliche und individuell passende Hilfsmaßnahme jederzeit in Anspruch genommen werden kann. Hinzu kommt, dass betreute Wohngemeinschaften nicht ohne entsprechende Leitungsorgane sich selbst überlassen werden können. Im untersuchten Verein wurde u. a. aus Kostengründen die Entscheidung getroffen, dass ein/e Mitarbeiter/in der Leitung im Vereinshaus dauerhaft seinen/ihren Wohnsitz einnimmt.

Die Auswirkungen der Überschneidung von privatem und beruflichem Leben seitens der Leitung im Verein „Die Schwalbe“ zeigten sich teilweise in den Gesprächen. „Wenn es geschneit hat, ist er im Bett liegen geblieben und ich habe geschaufelt […]. Er hat ja ein dreiviertel Jahr seine Post nicht aufgemacht. Na ja gut, Alkohol und Spielen halt.“ (B_10:

26) Es steht an diesem Platz nicht zur Diskussion, ob solche Äußerungen der Wahrheit entsprechen oder nicht, sondern sie zeigen, dass sich Bereiche überschneiden, die im Normalfall voneinander unabhängig sind.

Einzelne Frauen erwähnten, dass sie sich eingesperrt fühlten und es zu viele Vorgaben über die Hausordnung gegeben hat. „Ich wäre gerne hier geblieben, aber mein Problem sind:

kein Alkohol, nicht Rauchen und Sex. Das sind die drei Dinge, die ich brauche. Könnte ich das hier, wäre ich da geblieben und manchmal fehlt mir das hier.“ (B_06: 39)

Eine (Ex-) Bewohnerin hat die Strukturierungsmaßnahmen innerhalb der Wohngemeinschaft als durchwegs positiv erachtet. „Es gibt ganz klare Regeln hier und das finde ich persönlich fein. Es weiß jeder, woran er ist - es gibt einen Rahmen und innerhalb von diesem Rahmen kann man sich bewegen.“ (B_02:47)

Einerseits wird der Verzicht auf Autorität im Umgang mit den Bewohnerinnen positiv genannt. Andererseits beurteilten einige Frauen, dass es zu wenige Konsequenzen gibt, wenn Vereinbarungen nicht eingehalten werden. Beim Einzug wird ein Vertrag unterschrieben, der beinhaltet, dass an der Tagesstruktur verbindlich teilzunehmen ist und weiter auch eine Hausordnung besteht, die einzuhalten ist. Nach mehreren Aussagen der Befragten wird mit solchen Abkommen eher ungenau umgegangen.

Die Tatsache, dass der Verein „Die Schwalbe“ ein Wohn- und Beschäftigungsprojekt ist, welches von Betroffenen für Betroffene geführt wird, wurde in den geführten Interviews

mit den (Ex-) Bewohnerinnen zwei Mal erwähnt. „Wir hatten schon Gespräche bei anderen Wohnprojekten, die etwas offizieller, sozusagen, waren. Ausgebildeter oder Professioneller.“ ( B_04: 21) Die zweite befragte Frau konkretisierte ihre Befürchtung, über das Fehlen einer fundierten Ausbildung im Sozialbereich. „Die Kurse, die sie gemacht haben, sind aus meiner Sicht viel zu wenig. Es fehlt das professionelle Wissen.“

(B_10: 40) An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Aufgaben- und Handlungsbereiche des Vereins „Die Schwalbe“ öffentlich über die Homepage des Vereins dargestellt werden. Die Frauen sind nicht dazu verpflichtet, in dem Wohnprojekt zu leben und können autonom entscheiden, ob eine Selbsthilfeinitiative für ihre Krankheits- und Alltagsbewältigung hilfreich ist oder nicht. Hinzu kommt, dass die Leitung an keiner Stelle (psycho-) therapeutische Maßnahmen anbietet.

Zwei (Ex-) Bewohnerinnen kritisierten die Gespräche, welche mit der Leitung geführt wurden. „Es wurde von mir immer wieder verlangt, dass ich alles offen darlege, von meiner Ehe und so […], Familienleben mit den ganzen Kleinigkeiten eben und das geht niemanden etwas an, aber es gibt viele, die alles ganz genau und konkret wissen wollten und das interessiert mich nicht.“ (B: 05: 19) MitarbeiterInnen einer sozialen Einrichtung brauchen ein Mindestmaß an Informationen über ihr Klientel. Einerseits, um bedarfsorientierte Hilfemaßnahmen anbieten zu können, aber andererseits auch, um eine notwendige Vertrauensbasis, bei längeren Betreuungszeiten, aufbauen zu können. In Beratungsgesprächen braucht es Empathie, Sensibilität und ein geschultes Kommunikationsverhalten, um Informationen über die Lebenslage der betroffenen Personen zu erhalten. Dabei ist es besonders wichtig, persönliche Grenzen des Gegenübers zu erkennen und zu akzeptieren.

Die meisten Frauen blicken auf eine sehr positive Zeit im Verein zurück, die stark von den jeweiligen Mitbewohnerinnen abhängig scheint. „Die Schwalbe vermisse ich schon. Es war dann aber auch so, dass die Bewohnerinnen in meinem Alter dann ausgezogen sind.

Alleine bleiben wollte ich dann auch nicht. Wenn alle auf einmal gehen, bist dann alleine, das ist halt so. Die Gemeinschaft war schon auch wichtig.“ (B_07: 29)

Kritikpunkte waren die Sauberkeit und hygienischen Bedingungen im Haus. Eine (Ex-) Bewohnerin empfand die Wohngemeinschaft als nicht sauber genug. „Ich finde, es ist zu wenig sauber im Haus. Ich weiß, jeder sieht das anders, aber trotzdem. Der Putzplan wäre zu verbessern.“ (B_06: 35) Unstimmigkeiten über die erforderliche Sauberkeit in Gemeinschaftswohnräumen gibt es nahezu in allen Wohngemeinschaften, wie auch immer die Konstellationen aussehen. Menschen sind Individuen, die unterschiedliche

Vorstellungen von Sauberkeit haben. Was an dieser Stelle zu bemerken wäre, ist eine bessere Organisation bei Putzplänen und -abläufen.

Der bauliche Zustand des Hauses und die enthaltenen Sanitäranlagen wurden von den Frauen durchwegs bemängelt. Es befinden sich zu wenige Toilettanlagen im Haus und die Dusche ist nur über einen Weg durch den Innenhof erreichbar. Die MitarbeiterInnen des Vereins haben keinen Einfluss auf diese Kritikpunkte. Die Leitung bemüht sich seit Beginn des Projektes um Subventionen, die eine Sanierung des Hauses möglich machen würden.

Bis zum jetzigen Zeitpunkt erfolglos. Die Entscheidung, diese Lokalität als Vereinshaus zu mieten, um ein Wohnprojekt verwirklichen zu können, scheint rückblickend nicht optimal gewählt.

20 Diskussion und Fazit

Zusammenfassend soll nun ein Fokus auf die forschungsleitende Fragestellung gerichtet werden, die einleitend formuliert wurde: Wie gestaltet sich die psychische und soziale Situation psychiatrieerfahrener Frauen auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben aus der Sicht der Betroffenen und ExpertInnen? Damit diese Frage ausführlich beantwortet werden kann, wurden Unterfragen gebildet, die nun im folgenden Teil beantwortet werden sollen.

1. Vor welchen psychosozialen Herausforderungen stehen psychiatrieerfahrene Frauen im Alltag?

Grundsätzlich ist zu sagen, dass psychisch kranke Menschen nach einem Psychiatrieaufenthalt generell mit einer Reihe von Herausforderungen im Alltag konfrontiert sind. Diese reichen von Stigmatisierung und einhergehender Exklusion, schlechter finanzieller Lage, problematischer Wohnsituation, Schwierigkeiten im Umgang mit sozialen Beziehungen und sich wieder sozial zu integrieren bis hin zur Erwerbslosigkeit und der schwierigen Bedingungen wieder in den Arbeitsmarkt zu finden.

Sowohl aus den Ergebnissen der gesammelten Interviews, als auch im theoretischen Teil, wird die Problematik der Stigmatisierung dargestellt. Alle ExpertInnen weisen darauf hin, dass psychisch kranke Menschen nach wie vor einer hohen Stigmatisierung ausgesetzt sind. Jedoch nur die Hälfte der befragten (Ex-) Bewohnerinnen nehmen eine Stigmatisierung bewusst wahr. Was mitunter auch daran liegen kann, dass sich diese hauptsächlich in den Kreisen der psychiatrischen Landschaft und unter Gleichgesinnten bewegen. Erwähnung finden soll an dieser Stelle auch, dass es sich beim Thema Stigmatisierung nicht ausschließlich um Fremdstigmatisierung handelt, sondern oftmals auch um Selbststigmatisierung. Das wird seitens der ExpertInnen hervorgehoben und findet sich auch in der Literatur wieder.

Über die Krankheit zu sprechen fällt vielen Betroffenen schwer. Um dies überhaupt zu ermöglichen müssen sie sich die Krankheit erst einmal selber eingestehen und akzeptieren.

In weiterer Folge ist es dann erst möglich damit nach außen zu treten, was wiederum nicht

ohne Konsequenzen bleibt. Aus diesem Grund sollte ein Outing wohl überlegt sein.

Einerseits erleben psychisch kranke Menschen durch ihre Offenheit und Ehrlichkeit, ihre Erkrankungen betreffend, eine Erleichterung. Andererseits sind sie damit einer möglichen gesellschaftlichen Stigmatisierung ausgesetzt. Es kann an dieser Stelle kein erfolgversprechender Umgang definiert werden. Das Umfeld besteht aus einzelnen Individuen, die differente Erfahrungen mit psychisch kranken Menschen gemacht haben.

So bleibt den Betroffenen nur die wiederkehrende Herausforderung, zu entscheiden, an welcher Stelle und zu welcher Zeit sie ihre Erkrankung offen legen wollen. ExpertInnen, (Ex-) Bewohnerinnen und die Fachliteratur stimmen überein, dass ein Outing immer fallbezogen überlegt sein soll und meist mit lebensverändernden Konsequenzen verbunden ist.

Sowohl aus den Ergebnissen der gesammelten Interviews, als auch in der gesichteten Literatur werden die psychosozialen Herausforderungen die Finanzsituation betreffend, als äußerst problematisch dargestellt. ExpertInnen und (Ex-) Bewohnerinnen weisen auf die gleichen Problematiken hin. Frauen im speziellen sind finanziell schlechter gestellt als Männer. Hinzu kommt die Abhängigkeit von staatlichen Transferzahlungen, die Frauen an die Grenzen der Armutsgefährdung drängen. Die Auswirkungen von Einsparungs- und Kürzungsmaßnahmen im Sozialbereich treffen viele Betroffene besonders hart und fördern damit bestehende Existenzängste. Die andauernde Unsicherheit und die Bedenken über die finanzielle Situation wirken sich in vielen Fällen negativ auf den Krankheitsverlauf und den Genesungsprozess aus. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass es dringend eine bedarfsorientierte finanzielle Unterstützung braucht, die nicht in monatelangen bürokratischen Anträgen gipfelt und Betroffene in dieser Zeit um ihre Existenz fürchten müssen. Es stellt sich auch die Frage nach den längerfristigen Konsequenzen, sowohl aus staatlicher, als auch aus individueller Perspektive.

Die Interviews mit den (Ex-) Bewohnerinnen zeigten deutlich, dass psychiatrieerfahrene Frauen vor der psychosozialen Herausforderung stehen, sich in kurzer Zeit einen leistbaren Wohnraum zu beschaffen. Nach dem Psychiatrieaufenthalt ist zwar die akute Phase der psychischen Erkrankung bewältigt, aber die Betroffenen haben meist noch nicht zu ihren Kräften zurück gefunden. Durch finanzielle Engpässe verlieren die Betroffenen oftmals ihre Wohnungen und sind auf Übergangswohnmodelle oder Notschlafstellen angewiesen.

Als auffallend zeigte sich, dass die ExpertInnen den fehlenden Wohnraum nicht als eine der größten Herausforderungen nach einem Psychiatrieaufenthalt bewerten. Das könnte

daran liegen, dass ExpertInnen aus den verschiedensten psychosozialen Bereichen die bestehende psychiatrische Versorgungslandschaft, als ausreichend verfügbar wahrnehmen.

Schlichte (2006) bestätigt, dass das Grundbedürfnis „eigene vier Wände“ bewohnen zu können, an erster Stelle steht, um Frauen nach einem Psychiatrieaufenthalt wieder Halt im Leben zu geben. Im Rahmen der psychiatrischen Versorgungslandschaft gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen betreuten Wohn- und Unterbringungsmodellen, denn psychiatrieerfahrene Menschen benötigen in den meisten Fällen Unterstützungen durch multiprofessionelle Ansätze. Betroffene, denen es das Krankheitsbild erlaubt und die sich zum Hauptteil selbständig versorgen können, in einzelnen Bereichen aber noch Unterstützung benötigen, um den Lebensalltag bewältigen zu können, entscheiden sich oftmals für (therapeutische) Wohngemeinschaften.

Die Auswirkungen eines funktionierenden oder belastenden sozialen Umfeldes auf die betreffenden Personen werden sowohl von den ExpertInnen, den (Ex-) Bewohnerinnen und von unzähligen AutorInnen und wissenschaftlichen Studien nachgewiesen. Die Familie als wichtiger Sozialisationsfaktor, übernimmt eine wichtige Rolle im Leben eines Menschen.

Wichtige positive Grundvoraussetzungen werden in den Familien geschaffen, aber auch Defizite resultieren daraus. Die ExpertInnen waren sich nicht einig darüber, ob die Instanz Familie förderlich oder eher behindernd wirken kann. Zum einen wurde die Familie als wichtigster Bezugspunkt genannt, aber zum anderen ist aus Sicht der ExpertInnen eine Ablösung von der Familie unumgänglich, um ein positives und selbstbestimmtes Leben führen zu können. Bei den (Ex-) Bewohnerinnen wurden die Familien eher als belastend und schwierig empfunden. Nur in einzelnen Fällen wird die Familie als wichtige Stütze wahrgenommen. In diesem Zusammenhang fehlt die Perspektive der Eltern oder Bezugspersonen. Aus der Literatur geht hervor, dass enge Angehörige mit ganz eigenen Problemen bei psychischen Erkrankungen innerhalb der Familie zu kämpfen haben. In vielen Fällen fehlt den Angehörigen das Wissen über die Erkrankungen, wodurch es oft zur völligen Überforderung kommt. Hinzu kommen Vorurteile und Stigmatisierungen aus dem nahen sozialen Umfeld, wie z. B. die Nachbarschaft. Diese Einflussfaktoren machen es noch schwieriger, Familienkonstellationen einzuschätzen, aber es hilft dabei, Angehörige nicht vorschnell zu verurteilen und Verständnis für das, vielleicht als falsch erachtetes Handeln der Eltern oder Bezugspersonen, aufzubringen. Es kann an dieser Stelle keine gültige Aussage getätigt werden, ob die Familie positive oder negative Auswirkungen auf die psychosoziale Situation von psychiatrieerfahrenen Frauen hat, denn das muss immer situations- und fallbezogen abgewogen werden. Es ist aber äußerst wichtig, bei Aufnahme-

oder Erstgesprächen die eventuell vorhandenen Belastungen oder auch Ressourcen seitens der Familie abzuklären, um bedarfsorientiert agieren zu können.

Die Auswirkungen der psychischen Erkrankungen spiegeln sich auch im Fehlen von Partnerschaften und Freundschaften wider, wobei bestehende oder bereits getrennte Partnerschaften und Freundschaften in den meisten Fällen eher als „kranke“ Beziehungen betrachtet werden können. Die ExpertInnen verweisen auf die wichtige Unterscheidung von intakten und schädigenden Beziehungen der Betroffenen. Beziehungen, welcher Art auch immer, können ausgesprochen wichtige und positive Ressourcen im Leben eines Menschen darstellen. Dem gegenüber können Beziehungen, gerade wenn es um Gewalt- und Missbrauchserfahrungen geht, äußerst schwerwiegende Konsequenzen für die Betroffenen nach sich ziehen und den Weg in die Selbstständigkeit massiv erschweren und im schlechtesten Fall ganz verhindern. Der Mensch als soziales Wesen braucht andere Individuen, um einen Platz im Leben zu finden, das Gefühl zu haben, geborgen und geliebt zu sein und Menschen um sich zu haben, die Halt im Leben geben.

Im theoretischen Teil wurden mögliche, erschwerende Gefährdungen, u. a. suizidales Verhalten und Alkoholismus beschrieben. Bei den Ergebnissen unserer Forschung zeigte sich als auffällig, dass fünf der befragten Frauen einen oder mehrere Suizidversuche hinter sich haben. Verschlechtert sich die Lebensqualität von psychisch kranken Menschen z. B.

auf Grund der Folgen der Erkrankung, so können diese Faktoren suizidale Gedanken hervorrufen und im schlimmsten Fall eine Durchführung begünstigen.

Kallert & Leiße (1999) erhoben in ihrer Untersuchung u. a. die Gruppe von Suchterkrankten und kamen auf ein Ergebnis von 21%, wobei Alkoholismus den größten Teil davon ausmachte. In der vorliegenden Forschung berichteten 50% der Frauen von einer substanzgebundenen Suchterkrankung, wobei auch hier der Alkoholkonsum an erster Stelle steht.

Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, wo die Ursachen für diesen signifikanten Unterschied liegen könnten. Die jährliche Zahl an Personen, die einen problematischen Alkoholkonsum aufweisen, steigt um ca. 10.000 Betroffene. Die jährliche Zahl der betroffenen Personen steigt. Ein Grund dafür könnte die Vielzahl der gesellschaftlichen Anforderungen sein. Die Aussagen werden von bereits älteren und langjährig erwerbsstätigen Frauen bestätigt, die eine gesellschaftliche Veränderung sowohl am Arbeitsmarkt als auch in privaten Bereichen wahrnehmen. Die heutigen Anforderungen sind in einem hohen Maß leistungsorientiert. Menschen mit psychischen Problemen fällt es

teilweise schwerer, den Vorgaben gerecht zu werden und sie flüchten sich in den Alkohol- oder Drogenmissbrauch.

Die (Ex-) Bewohnerinnen erlebten die Wohngemeinschaft im Verein „Die Schwalbe“

durchwegs positiv. Unterstützung zu finden bei Mitbewohnerinnen, die gleiche oder ähnliche Erfahrungen gemacht haben, gibt ihnen das Gefühl von Verständnis und Sicherheit. Die Gruppenzusammenstellung innerhalb der Wohngemeinschaft kann als wichtige Ressource betrachtet werden, die eine positive Alltagsbewältigung beschleunigen kann. Gewisse homogene Merkmale erscheinen, dabei wichtig. Es ist aber darauf zu achten, dass sich die (Ex-) Bewohnerinnen nicht zu sehr in eine „eigene“ Welt flüchten.

In einem geführten Interview ergab sich, dass Frauen im Haus wohnhaft waren, die an

In einem geführten Interview ergab sich, dass Frauen im Haus wohnhaft waren, die an