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Unterstützungsmaßnahmen für eine erfolgreiche (Re-)Integration in die

19.3 Lebenswelt psychiatrieerfahrener Menschen

19.3.8 Unterstützungsmaßnahmen für eine erfolgreiche (Re-)Integration in die

ExpertInnen:

„Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl,auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,Artikel 23/1) Wie bereits im theoretischen Teil dieser Arbeit dargestellt, gibt es unterschiedliche Arten der Arbeitsrehabilitation. In der empirischen Auseinandersetzung wird auf einige dieser Unterstützungsmaßnahmen genauer eingegangen. Wie im vorigen Kapitel erwähnt, erachten die ExpertInnen eine direkte Begleitung (Arbeitsassistenz) von psychisch kranken Menschen in den Arbeitsmarkt als besonders hilfreich und notwendig. Ein/e ExpertIn plädiert , dass psychiatrieerfahrene Menschen sehr viel Begleitung und Betreuung auf dem Weg in den Arbeitsmarkt, aber auch wenn sie am Arbeitsmarkt sind, brauchen. Auch wird die Meinung vertreten, dass es notwendig ist, ArbeitgeberInnen professionell zu begleiten und ihnen bei auftretenden Fragen unterstützend zur Seite zu stehen (EX_05: 14).

Ergänzend wird noch hinzugefügt, dass noch nicht ausreichend Angebot der Arbeitsassistenz und des Jobcoachings vorhanden sind, dass also der Bedarf größer ist als derzeit abgedeckt werden kann (EX_10: 24). Ein/e ExpertIn gibt zu bedenken, dass es unabdingbar ist genau hinzusehen, welche Form der Wiedereingliederung bzw. welche Form des Arbeitsprozesses für die jeweilige Person möglich ist und dies auch offen anzusprechen. „Es sollen keine Hoffnungen gemacht werden, die im Grunde nicht realistisch sind. Es muss den Menschen auch zugestanden werden, dass manches nicht in ihrem möglichen Bereich ist.“ (EX_06: 26)

Die Betroffenen werden in Trainingsprogrammen zwar gut auf den Arbeitsmarkt vorbereitet, jedoch nicht unter realistischen Bedingungen und mit viel zu kurzer professioneller Begleitung. „Zuerst bist du in einem Projekt […], wo du fit gemacht wirst für den Job. Diese Projekte führen die Menschen wieder heran an ihre Leistungsfähigkeit.

Dann kommen sie in den ersten Arbeitsmarkt zurück und das ganz oder gar nicht.“

(EX_03: 25) Ein weiteres Problem spiegelt sich darin, dass die Betroffenen oftmals nur dann eingestellt werden, wenn die Betriebe dafür Förderungen beziehen (EX_03: 6).

„Wenn der Arbeitgeber kein Geld mehr für die Anstellung bekommt, dann wirst du nach Hause geschickt und es kommt der Nächste. Viele Arbeitgeber holen sich damit billige Arbeitskräfte. Ansätze, dass sich in diesem Bereich etwas ändert, sehe ich im Moment nicht.“ (EX_03: 25) Wiederum ein/e andere/r InterviewpartnerIn steht der finanziellen Unterstützung für Firmen eher kritisch gegenüber. „Die Beispiele, wo Betriebe verpflichtet sind, einen gewissen Grad an Behinderung im Allgemeinen einzustellen, da wird […] viel lieber das Buß- bzw. Strafgeld bezahlt als diese einzustellen.“ (EX_08: 12)

Ein/e ExpertIn betont, das es notwendig ist, für Firmen mehr Anreize zu schaffen, damit diese Menschen mit psychischen Erkrankungen aufnehmen oder aber auch behalten und es nach Bekanntwerden der Krankheit nicht zu einer Auflösung des Dienstverhältnisses kommt (EX_07: 26). „Ich glaube, es braucht mehr sozialökonomische Betrieb in der Arbeitswelt. Einfach, wo es mehr Spielraum gibt und nicht nur die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht.“ (EX_07: 26Es kann durchaus gesagt werden, dass es ohne Anreize für Betriebe kaum zu Einstellungen von psychisch kranken Menschen kommt, da diese in erster Linie profitorientiert sind.

„… es ist […] nicht selbstverständlich, dass Betriebe psychisch kranke Menschen, welche vielleicht nicht so stabil sind, […] mittragen. Es sind auch immer wieder Ausfälle, welche von der Belegschaft mitgetragen werden müssen. Es bedarf sicherlich einer guten Begleitung, sowohl auf der Betroffenenseite als auch auf der Unternehmerseite. Auch dort kontinuierliches Aufklären und Informieren, fachliche Unterstützung anbieten, wenn Firmen nicht mehr wissen, wie sie sich verhalten sollen. Vielleicht auch eine Einbindung der Betroffenen in einen psychosozialen Dienst.“ (EX_09: 14)

Ein weiterer genereller Aspekt, der in einigen Gesprächen hervorgehoben wurde, betrifft die Notwendigkeit, freundliche und flexible Arbeitsplätze zu schaffen. Einige der ExpertInnen verwiesen dabei auf geschützte Arbeitsplätze. „Es müsste Formen geben, wo man den Wiedereintritt in die Arbeit niederschwellig gestaltet bzw. beim Anforderungsprofil die psychische Krankheit mitdenkt und berücksichtigt.“ (EX_08: 26) Auf die Frage hin, ob Arbeitsplätze geschaffen werden sollten, welche geschützt sind, geben zwei ExpertInnen zu bedenken:

„…wenn man über geschützte Arbeitsplätze redet. Man müsste da neue Modelle finden.

Geschützte Arbeitsplätze haben etwas von Behinderung, körperlich und geistig behindert, da braucht es eine andere Bezeichnung, wie z.B. betreuter Arbeitsplatz.“ (EX_05: 24)

„ Entweder wir wollen Normalisierung und Integration und Inklusion, so normal wie möglich umgehen. Oder wir schaffen geschützte Werkstätten was wahrscheinlich nicht im Sinne derer ist, die betroffen sind.“ (EX_09: 14)

Weiters wird angemerkt, dass geschützte Arbeitsplätze im Einzelfall immer wieder notwendig sein werden, jedoch nicht das breite Spektrum darauf ausgerichtet sein soll, denn das Ziel besteht darin, psychisch kranke Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern

Als weitere Maßnahme der beruflichen Wiedereingliederung und für einen beruflichen Wiedereinstieg wurde von zwei der ExpertInnen die Möglichkeit des Arbeitspraktikums genannt. Jedoch wird von beiden angemerkt, dass die möglichen Berufsfelder für Frauen sehr begrenzt sind. „Es ist sehr eingeschränkt in dem Bereich, da wäre es durchaus sehr sinnvoll neue Arbeitsfelder und Arbeitsstrukturen zu finden. [...] Das Spektrum sollte erweitert werden.“ (EX_07: 8).

„Mädchen haben leider ein sehr eingeschränktes Berufsfeld zur Auswahl. Meiner Meinung nach ist es besonders wichtig Erfahrungen zu machen. Hunderte Bewerbungen zu schreiben ist meist sehr frustrierend, denn von 95% bekommen Sie nicht einmal eine Antwort. Denn durch das Erfahrungen sammeln und Tun steigt auch wieder das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein.“ (EX_10: 26)

Es kann mit Bestimmtheit gesagt werden, dass die Teilhabe von Psychiatrieerfahrenen am Arbeitsleben von großer Bedeutung ist, denn Arbeit verschafft für die Betroffenen Sicherheit, sozialen Status und Identität sowie soziale Kontakte und bietet außerdem die notwendige Tagesstruktur.

(Ex-) Bewohnerinnen:

In vielen Fällen besteht ein Zusammenhang von psychischer Erkrankung und der oftmals folgenden Erwerbslosigkeit. Hinzu kommen Menschen, die bei beruflichen Belangen gänzlich unerfahren sind. In manchen Fällen haben Betroffene bemerkenswerte Strategien gefunden, um mit ihrer Erkrankung umzugehen. Eine befragte Frau geht neben ihrer Erwerbstätigkeit einer Ausbildung nach und ist finanziell unabhängig (B_01: 15). Von zehn befragten Frauen ergab sich diese Aussage nur einmal. Finanzielle Unabhängigkeit, vor allem von staatlichen Unterstützungsleistungen und das Nachgehen einer Ausbildung

im universitären Bereich nach einem Psychiatrieaufenthalt, kann auf bestehende Ressourcen zurück geführt werden.

Eine andere (Ex-) Bewohnerin besucht eine Privatschule, weil sie auf Grund psychischer Belastungen keine reguläre Schule aufsuchen kann, „… aber das ist unmöglich mit 20 Leuten in der Klasse. Da komme ich aus den Panikzuständen nicht mehr heraus und drifte weg und das geht einfach nicht.“ (B_04: 45) Es wurde ihr von der zuständigen AMS-Betreuung nahe gelegt, die Invaliditätspension zu beantragen, welche dann aber, auf Grund gänzlich fehlender Erwerbstätigkeit, abgelehnt wurde. „Also bei beruflichen Sachen komme ich mir schon sehr ausgemustert vor, so auf dem Abstellgleis […]. Wenn ich I-Pension bekomme, dann komme ich mir noch überflüssiger vor.“ (B_04: 55) Chancen am Arbeitsmarkt sieht sie selbst im Minusbereich (B_04: 51).

Drei (Ex-) Bewohnerinnen konnten nach Jahrzehnte langer Erwerbstätigkeit dem Leistungsdruck und der fortschreitenden Geschwindigkeit am Arbeitsmarkt nicht mehr gerecht werden. Interessant war, dass zwei der befragten Frauen selbst in medizinischen oder psychiatrischen Berufsfeldern tätig waren und viele Herausforderungen zu bewältigen hatten. „Privat nicht, aber beruflich war es mir zu heftig, zu schnell und zu neu. Ich bin mit den neuen Sachen nicht mehr so gut zurechtgekommen. Ich hab 22 Jahre in der Psychiatrie gearbeitet und bin dort ausgestiegen und wollte wieder in dem Allgemeinen Bereich arbeiten. Und das hab ich aber nicht mehr geschafft. Die Geschwindigkeit habe ich nicht mehr geschafft. Und die Anforderungen waren für mich von schwer bis unmöglich, also das würde ich mal so sagen. Ich bin zwar tüchtig und ich kann arbeiten, kann gut arbeiten aber da waren Stationen, wo ich Mühe gehabt habe und eingebrochen bin bzw. depressiv zusammengebrochen bin.“(B_02: 15) Es zeigt sich, dass auch das fachliche Wissen über Erkrankungen und deren Verläufe nicht davor schützen, selbst in diese Situation zu kommen. Eine Betroffene erzählte, dass es für sie schwierig war einen Psychiatrieaufenthalt zu akzeptieren, da sie nach jahrelanger Erfahrung in psychiatrischen Bereichen selbst über Abläufe, Maßnahmen oder Therapien in der Klinik Bescheid wusste.

„Ich bin ja auch vom Fach und kann anders darüber reden, verstehe, was da passiert. Ich hätte ja nicht gedacht, dass mir das einmal am eigenen Leib widerfahren könnte oder ich das selber erlebe. Ich habe in den Kliniken so viele Menschen aus dem Sozialbereich getroffen. Depressionen, Burnout ̶ wirklich viele.“ (B_10: 32)

Eine befragte Interviewpartnerin besuchte einen Weiterbildungskurs des Arbeitsmarktservices und musste diesen auf Grund fehlender Deutschkenntnisse abbrechen. Sie hofft, durch einen Deutschkurs bessere Chancen zu haben, um in einem

Sekretariat tätig werden zu können. „Ich möchte gerne wieder arbeiten, ansonsten gehe ich in Pension.“ (B_06: 45, 47) Durch fehlende Ausbildungen, geringfügige Erfahrungen am Arbeitsmarkt, aber auch durch die mögliche Stigmatisierung psychisch kranker Menschen bleibt den Betroffenen oftmals nur die Möglichkeit unsichere oder befristete Arbeitsstellen anzunehmen. Eine erwerbstätige Frau arbeitet bei einer befristeten Arbeitsstelle für ein Jahr und hat Bedenken, ob sie als dauerhafte Arbeitnehmerin übernommen wird. Die betreffende Firma hat zwar zugesagt, sie bei einer Kündigung an eine andere Firma weiter zu vermitteln, aber darauf kann sie nicht vertrauen. Es wird weder die Arbeitsstelle noch das Gehaltsniveau garantiert (B_07: 36). Die Unsicherheiten, die durch den Arbeitsmarkt und die damit zusammenhängende Finanzsituation entstehen, behindern auch eine reibungslose Erhaltung und Planung der Wohnsituation. Frauen, die einer jahrelangen Erwerbstätigkeit nachgingen, empfinden die Erwerbslosigkeit oder Pension ganz unterschiedlich. „Nachdem ich nicht mehr arbeite, fällt auch vieles an Stress weg und ich mache das, was ich will. Das musste ich einfach erst lernen.“ (B_09: 23) Andere möchten sich mit der „unfreiwilligen Untätigkeit“ nicht abfinden und unterstützen ehrenamtlich Vereine, helfen in der Nachbarschaft aus und verdienen sich damit kleine Zusatzeinkommen.