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Zunächst wurde die Einschätzung von Stigmatisierung und deren Folgen auf die betroffenen Individuen erhoben und an dieser Stelle dargestellt.

„… die landläufige Meinung ist, reiß dich doch einfach zusammen.“ (EX_04: 6)

Ausführungen der ExpertInnen

Es wurde nach der Einschätzung von Stigmatisierung seitens der Gesellschaft gegenüber Psychiatrieerfahrenen gefragt, deren Auswirkung und wo mögliche Ansätze wären, um Stigmatisierung abzufedern.

Die befragten ExpertInnen sind sich einig, dass psychisch kranke Menschen einer hohe Stigmatisierung ausgesetzt sind. „Ich glaube, der Grad der Ausgrenzung und des Nicht- Verstehens ist in Österreich nach wie vor sehr hoch.“ (EX_09: 6)

Jedoch beschränkt sich das nicht ausschließlich auf Fremdstigmatisierung, sondern bezieht die Selbststigmatisierung mit ein. „Ich bin nicht normal, deshalb gehe ich dort und da nicht hin, alle anderen sind normal.“ (EX_05: 18)

Viele der Betroffenen nehmen Stigmatisierung nicht bewusst wahr. „Viele erleben Stigmatisierung nicht, weil sie schon einen Schutz dagegen aufgebaut haben oder die meiste Zeit sowieso in ihren […] bestimmten Kreisen verbringen.“ (EX_04: 6)

Sind keine Kontakte vorhanden, ziehen sie sich zurück und isolieren sich, was wiederum in Vereinsamung endet. Damit stark verbunden ist der Bezug zum eigenen Selbstwert und dem Selbstvertrauen (EX_08: 16). „… auch Daseinsberechtigungsängste, wenn ich das ganz Normale nicht kann, was alle anderen machen, darf ich dann überhaupt noch da sein? Mit welchem Recht bin ich dann da? Die Betroffenen grenzen sich oft selbst aus, da braucht es ganz viel an Bestätigung, Bestärkung und Aufklärung.“ (EX_05: 16)

Ein/e ExpertIn ist der Ansicht, dass die Akzeptanz bzw. Nicht-Akzeptanz durchaus mit dem Bildungsniveau und der Gesellschaftsschicht zusammenhängen, aber auch, dass die Stigmatisierung und Ausgrenzung altersbedingt ist. Die Akzeptanz von älteren Menschen hinsichtlich der Thematik ist geringer, als die bei der jüngeren Generation. (EX_02: 6).

Weiters sind sich drei der ExpertInnen einig, dass es durchaus Unterschiede gibt zwischen Stadt und Land, wie mit dem Aspekt der psychischen Krankheit umgegangen wird und ob diese (nicht) akzeptiert wird. Im ländlichen Bereich wird die Akzeptanz und Toleranz niedriger wahrgenommen, als im städtischen Bereich (Ex_01: 18/ EX_02: 6). Zusätzlich wurde angemerkt, dass betroffene Menschen, welche durch Stigmatisierungsprozesse schwere psychische Schäden erlitten haben, gekennzeichnet fürs Lebens sind, in vielerlei Hinsicht kein Vertrauen mehr in andere Menschen haben und sich anderen Menschen gegenüber nur schwer öffnen können (EX_04: 6).

19.1.1.1 Outing

„Die Leute waren verwundert, wie ich das alles geschafft habe.“ (B_10: 32)

Aus den meisten Interviews mit den ExpertInnen geht hervor, dass das Stigma der psychischen Erkrankung bzw. des psychiatrischen Aufenthaltes viele der Betroffenen ihr Leben lang mit sich tragen. „Das Stigma des Anderen bzw. Sonderlings, das ist da und die Gesellschaft trägt auch dazu bei, dass bei den Betroffen hervorzurufen, sodass sich diese in bestimmten Situationen auch anders verhalten - im Sinne einer Zuschreibung.“

(EX_08: 12)

In zwei Interviews wurde erwähnt, dass die Scham enorm groß ist, ins Krankenhaus zu gehen und über die Krankheit zu sprechen und sich diese einzugestehen. „Es ist natürlich auch ein riesengroßer Schritt zu sagen, mit mir stimmt etwas nicht.“ (EX_01: 8)

Die ExpertInnen sind sich weitgehend einig, dass es für die Betroffenen eine große Herausforderung ist, ihre Krankheit zu akzeptieren und zu dieser zu stehen, da sie von vielen mit Vorsicht betrachtet werden.

„Betroffene haben Angst stigmatisiert zu werden und diese Angst kann auch etwas ganz Reales sein und daher ein offener Umgang mit der Erkrankung einfach nicht möglich ist.“

(EX_04: 6)

„Ich merke es immer wieder in den Gesprächen mit den PatientInnen, dass sie stigmatisiert werden, vom sozialen Umfeld und von der Arbeitswelt. Das betrifft auch das nähere soziale Umfeld. Man merkt es auch daran, dass die PatientInnen es nicht wollen, dass es jemand erfährt, dass sie sich auf der Klinik befindet bzw. stationär behandelt wird. Das eine Pförtnersperre eingerichtet wird und niemand erfährt bzw. wenn ein Anruf kommt, dass nichts durchsickert.“ (EX_07: 6)

Ein/e ExpertIn betont den Umstand, dass wir uns in einem Stadium befinden, in welchem es unerlässlich ist, die Gesellschaft aufzuklären und zu informieren, aber auch bei den Betroffenen die Bereitschaft herzustellen, die vorhandenen Angebote und Hilfestellungen anzunehmen, auch wenn die Scham, diese zu nutzen, oftmals sehr hoch ist (EX_09: 24).

„Ich bin davon überzeugt, je früher […] jemand in eine Betreuung bekommt, je früher sich jemand in begleitender Weise mit der Krankheit auseinandersetzen kann, aber auch mit dieser Belastung leben lernen kann, umso höher ist die Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben.“ (EX_09: 24) Für eine/n InterviewpartnerIn steht fest, dass die Betroffenen sich zuerst selbst akzeptieren müssen und erst dann den Schritt in die Öffentlichkeit machen können. Dann kann viel offener über die Thematik gesprochen werden (EX_03: 18). „Je offener man auf Menschen zu geht und darüber redet, umso besser können die meisten damit umgehen.“ (EX_03: 18)

Ein/e ExpertIn schätzt die Situation so ein, dass es sich bei PsychiatriepatientInnen, die zu ihrer Krankheit stehen, meistens um Menschen handelt, welche nicht in soziale Netzwerke und in die Arbeitswelt eingebunden sind. Jedoch wird angemerkt, dass es auch ganz stark von der Symptomatik abhängt, ob die Psychiatrieerfahrenen zu ihrer Krankheit stehen können oder nicht (EX_06: 6). Ein/e InterviewpartnerIn gab zu bedenken, dass es selbst für Burn-Out PatientInnen, welche einen stationären Aufenthalt hinter sich haben, schwierig ist zu ihrer Krankheit zu stehen, obwohl Burn-Out eine der anerkannten und geduldeten Krankheiten ist (EX_06: 6). Die ExpertInnen stimmen überein, dass der Schritt des Outings sehr wohl überlegt sein sollte, besonders, wem die psychische Krankheit mitgeteilt wird. „Ich bestärke die Menschen schon zu ihrer Krankheit zu stehen, aber es gibt auch Situationen, bei welchen ich meinen KlientInnen rate, es nicht zu erzählen z.B. bei Einstellungsgesprächen. Es hängt auch davon ab, wie das Gegenüber damit umgeht und wie offen das Gegenüber mit der Thematik umgeht.“ (EX_06: 6)

19.1.1.2 Psychisch Kranke in den Medien

Im Theorieteil wurde auf die verzerrte und einseitige Berichterstattung der Medien hinsichtlich psychisch kranker Menschen verwiesen, die mit Angst, Stigmatisierung und Ausgrenzung einhergeht. Auch ExpertInnen betonen den Umstand, dass die Bilder, welche von den Massenmedien von Menschen mit Psychiatrieerfahrung gezeichnet werden, überspitzt dargestellt sind (EX_03: 20). „Bei Amokläufern wird gesagt sie haben psychische Erkrankungen, die Medien zeichnen das Bild: psychisch krank = Mörder. Da wird nicht differenziert und alles geglaubt, was die Medien sagen.“ (EX_03: 20) Da ist es nicht verwunderlich, dass Vorurteile gegenüber psychisch kranken Menschen bestehen.

„Die Berichterstattungen der Medien machen Angst und das Unbekannte macht Angst.“

(EX_03: 20)

Immer mehr zu beobachten ist in den letzten Jahren, dass eine Omnipräsenz von Burn-Out in den Medien und vorherrscht. Aus diesem Grund fällt diese in die akzeptierten Krankheiten. Auch psychische Krankheiten wie Depressionen werden im Herbst und Winter von den Medien thematisch oberflächlich aufgegriffen, jedoch haben sollte sie dann niemand. „Wenn jemand davon betroffen ist, weiß man doch wieder nicht, wie man damit umgeht.“ (EX_02: 12).

Grundsätzlich gibt ein/e InterviewpartnerIn zum Thema Out zu bedenken, dass Burn-Out eine Krankheit unserer Zeit ist und oftmals bagatellisiert wird im Sinne von: „… es hat ja eh jeder ein Burn-Out, ist doch nicht weiter tragisch.“ (EX_06: 10) Die Beschwerdebilder der Krankheit werden relativiert und die Tragweite nicht richtig erkannt bzw. akzeptiert. Wiederum ein anderer Experte sieht es von einer anderen Seite: „ Burn-Out ist in unserer Gesellschaft so etwas wie eine Art Tapferkeitsmedaille.“ (EX_03: 6)

19.2 Stigmabewältigungs- Interventionen zur Änderung der Einstellungen