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Terrorismus- und Antiterrorismusforschung waren lange Zeit eine Domäne der Sozial- und Politikwissenschaften. Vielfach analysiert wurden die Entstehungsgeschichte, Ursprünge, Hintergründe, die Entwicklung des Terrorismus und politische Zusammenhänge. Weniger Beachtung fand bisher der juristisch-normative Kontext der Terrorismusbekämpfung. Erst mit den Anschlägen am 11. September 2001 in den USA haben auch die normativen Fragen der Terrorismusbekämpfung für die Rechtswissenschaften an Bedeutung gewonnen.

Eine internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus ist unverzichtbar10F11. Mehr als jeder andere Kontinent hat sich deshalb Europa zum Ziel gesetzt, die Zusammenar-beit im Rahmen der Terrorismusbekämpfung zu institutionalisieren, und zwar insbesondere im Rahmen der EU als bedeutendste derjenigen Organisationen, in denen sich die europäi-schen Staaten zusammengeschlossen haben11F12.

Zunächst beschränkte sich die Terrorismusbekämpfung in Europa auf Anstrengungen und Bemühungen der Nationalstaaten, welche sich in einem Kampf mit nationalen Terrororganisa-tionen befanden, wie beispielsweise in Deutschland der RAF, in Spanien der ETA und in Ir-land der IRA. Ziel war es, im Rahmen der geltenden Gesetze die innere Sicherheit der Bürger zu gewährleisten bzw. wiederherzustellen. Einer Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten bedurfte es damals nicht, da sich der Terrorismus im Wesentlichen als rein nationales Problem darstellte. Eine Kooperation zwischen den europäischen Staaten gab es lediglich im rein politischen und wirtschaftlichen Kontext.

Erst im Jahre 1975 schlossen sich die Innenminister der Mitgliedstaaten der europäischen

10 Stichwort „Hamburger Zelle“. Die Hamburger Terrorzelle war eine Gruppe von radikal-islamischen Musli-men, welche maßgeblich an der Planung und Organisation der Anschläge vom 11. September 2001 beteiligt waren. Treffpunkt der Gruppe war eine Wohnung in Hamburg.

11 Vgl. hierzu 2. Teil: "Notwendigkeit der Terrorismusbekämpfung durch die EU".

12 Zu nennen sind neben der EU vor allem der Europarat und die OSZE.

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Gemeinschaften unter der Bezeichnung TREVI-Gruppe I1 2F13 zusammen, um die polizeiliche Zusammenarbeit für den Kampf gegen den Terrorismus zu intensivieren, und begannen im Rahmen der Terrorismusbekämpfung zu kooperieren13 F14. Die EU versteht die Terrorismusbe-kämpfung jedoch erst seit den Anschlägen vom 11. September 2001 sowie vom 11. März 2004 in Madrid und vom 7. Juli 2005 in London als zentrale Aufgabe14F15. Am 21. September 2001 hat die EU in Form eines Aktionsplanes einen umfassenden Maßnahmenkatalog be-schlossen und sich weitreichende Zielvorgaben für den Kampf gegen den Terrorismus gesetzt.

Basierend auf diesem Aktionsplan wurden vielfältige Maßnahmen getroffen und die Mitglied-staaten zur Umsetzung dieser Maßnahmen in nationales Recht verpflichtet. Neben den zwei bekanntesten Maßnahmen, dem Rahmenbeschluss „zur Terrorismusbekämpfung“ vom 13.

Juni 200215F16 und dem Rahmenbeschluss „über den europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren“ vom 13. Juni 200216F17 wurden weitere Maßnahmen vor allem zur Verhin-derung der Finanzierung des Terrorismus17 F18 und betreffend den Informationsaustausch zwi-schen den Mitgliedstaaten18F19 beschlossen. Damit einhergehend ist die Anzahl der Akteure im Rahmen der EU im Kampf gegen den Terrorismus angewachsen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang neben den Organen der EU insbesondere die zwei europäischen Behörden

13 Nicht ganz klar ist, worauf der Name „TREVI“ zurückzuführen ist. Während die einen hierin eine Abkür-zung für Terrorisme, Radicalisme, Extremisme und Violence Internationale sehen wollen, so z.B.

Stein/Meiser, Die Friedenswarte 2001, S. 40, oder Mokros, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizei-rechts, Teil O, Rn. 1, führen andere den Namen auf den römischen Brunnen Fontana di Trevi zurück, da in Rom der Grundstein für TREVI gelegt wurde, so z.B. Jour/Wasmeier, in: von der Groeben, Band I, Vorbe-merkung zu den Artikeln 29 bis 42 EU-Vertrag, Rn. 11, Fn. 20.

14 Genauer hierzu Knelangen, S. 88 ff.

15 Vgl. u.a. die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 21. September 2001. Zu finden unter http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressData/de/ec/85097.pdf.

16 ABl. EG Nr. L 164, 3.

17 ABl. EG Nr. L 190, 1.

18 Insbesondere Gemeinsame Standpunkte und Verordnungen zur Umsetzung der UN-Resolutionen 1267, 1333 und 1373 sowie die dritte Geldwäscherichtlinie 2005/60/EG und zwei EG-Verordnungen Nr.

1889/2005 und Nr. 1781/2006. Siehe hierzu die Ausführungen im 5. Teil dieser Arbeit unter B.I.

19 Insbesondere die Richtlinie „über die Vorratsdatenspeicherung“, die Beschlüsse 2005/671/JI und 2005/876/JI sowie weitere Beschlüsse und Gemeinsame Standpunkte. Siehe hierzu die Ausführungen im 5.

Teil dieser Arbeit unter B.II.

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Europol und Eurojust und der erst 2005 eingesetzte Koordinator für Terrorismusbekämpfung.

Die Vielzahl der Akteure und Maßnahmen im Rahmen der Terrorismusbekämpfung durch die EU erschwert es den Überblick zu behalten19F20.

Beschränkt ist die EU in der Rechtsetzung auf den institutionellen Rahmen, der durch den EG- und EU-Vertrag vorgegeben wird. Anders als die Legislativorgane eines Nationalstaats, die aufgrund ihrer Verbands- und Organkompetenz grundsätzlich jede Materie regeln und auch hinsichtlich der Form wählen können, bedürfen die Rechtsetzungsorgane der EU einer ausdrücklichen Kompetenzzuweisung in den Gründungsverträgen20 F21. Solche Kompetenzzu-weisungen finden sich beispielsweise für den Kapital- und Zahlungsverkehr in den Art. 56 ff.

EG-Vertrag und für den Verkehr in den Art. 70 ff. EG-Vertrag. Ein eigener Politikbereich der Terrorismusbekämpfung existiert in den Gründungsverträgen nicht. Es verwundert, dass der großen Anzahl an Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung lediglich zwei ausdrückliche Nennungen des Terrorismus in den Gründungsverträgen gegenüberstehen2 1F22. Damit stellt sich die Frage nach den Kompetenzen, welche die Gründungsverträge für die Terrorismusbekämp-fung bereithalten.

Mangels eigener Exekutivorgane ist die EU zur Durchsetzung ihrer Maßnahmen auf die Mit-gliedstaaten angewiesen. Diese sind verpflichtet, die von der EU getroffenen Maßnahmen in ihr nationales Recht um- und dann nationalstaatlich durchzusetzen. Die Umsetzung der im Rahmen der Terrorismusbekämpfung durch die EU getroffenen Maßnahmen gestaltet sich für die Mitgliedstaaten allerdings häufig schwierig, da die Terrorismusbekämpfung die sensiblen Bereiche der europäischen Innen- und Rechtspolitik sowie die nicht weniger heiklen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik berührt, welche die Mitgliedstaaten nur sehr ungern aus der Hand geben. Verständlich ist die Zurückhaltung der Mitgliedstaaten, wenn man bedenkt, dass es in diesen beiden Politikbereichen vornehmlich um die Herstellung der inneren und äußeren Sicherheit der Bürger geht. Gleichwohl stellt die Terrorismusbekämpfung einen Politikbe-reich der EU dar, in dem die Bürger der EU im Gegensatz zur allgemeinen teils europakriti-schen Stimmung mehr von Europa und der EU erwarten. Unter diesem Druck sind die EU

20 Die Unübersichtlichkeit beklagt auch Ambos, S. 413.

21 Streinz, Rn. 498.

22 Ausdrücklich genannt wird der Terrorismus lediglich in Art. 29 Vertrag und Art. 31 Abs. 1 e) EU-Vertrag.

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und auch die Mitgliedstaaten mehr denn je gefordert, eine wirksame Antiterrorismuspolitik zu betreiben, um so den europäischen Bürgern einen größtmöglichen Schutz vor terroristischen Anschlägen zu bieten.

Bei der Umsetzung der europäischen Vorgaben sind die Mitgliedstaaten allerdings an ihr ei-genes nationales Recht gebunden, in welches die Vorgaben eingefügt werden müssen. Dass die Umsetzung der europäischen Maßnahmen deshalb an nationale Grenzen stoßen kann, zeigt beispielsweise die Umsetzung der Vorgaben des Europäischen Haftbefehls in deutsches Recht. Die Vorgaben des Rahmenbeschlusses „über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten“22F23 wurden zwar durch den deutschen Ge-setzgeber durch das „Europäische Haftbefehlsgesetz“23F24 vom 21. Juli 2004 in nationales Recht umgesetzt, allerdings hat das Bundesverfassungsgericht das Umsetzungsgesetz mit Urteil vom 18. Juli 2005 für nichtig erklärt24 F25. Bundestag und Bundesrat reagierten darauf mit einem Ge-setzgebungsverfahren. Dabei wurden die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswid-rig genannten Punkte überarbeitet und die übverfassungswid-rigen Regelungen weitgehend aus dem alten Ge-setz übernommen. Das neue UmGe-setzungsgeGe-setz wurde schließlich am 20. Juli 2006 vom Bun-despräsidenten Horst Köhler unterschrieben und am 25. Juli 2006 im Bundesgesetzblatt veröf-fentlicht25F26.

Bedeutsam ist die Frage, wie weit und durch welche Maßnahmen die EU auf die Politik der Mitgliedstaaten Einfluss nimmt und welche Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten zur Um-setzung erforderlich sind. Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist deshalb die Terroris-musbekämpfung auf europäischer Ebene.