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B. Europaweite Unionseinrichtungen zur Terrorismusbekämpfung

IV. „Haager Programm“

Um das neue Integrationsprojekt des „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ auszubauen und zu stärken, hat der Europäische Rat am 4./5. November 2004 als Mehrjahresprogramm das sogenannte „Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicher-heit und Recht in der Europäischen Union“312F313 angenommen313 F314. Durch die Schaffung eines solchen Raums werden insbesondere Fragen im Zusammenhang mit den Grundrechten, der Unionsbürgerschaft, der persönlichen Mobilität, der Bereiche Asyl und Einwanderung, der Visapolitik, der Verwaltung der Außengrenzen der EU und der Zusammenarbeit zwischen den einzelstaatlichen Polizei-, Justiz- und Zollbehörden abgedeckt. In den einleitenden Erwä-gungen zum „Haager Programm“ bekräftigt der Europäische Rat, dass die Sicherheit der EU und ihrer Mitgliedstaaten dringlicher denn je sei, insbesondere in Anbetracht der Terroran-schläge, die am 11. September 2001 in New York und am 11. März 2004 in Madrid verübt wurden. Ziel des „Haager Programms“ ist damit insbesondere auch „die Verbesserung der gemeinsamen Fähigkeit der Union und ihrer Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Bedrohung durch den Terrorismus“. Es soll sichergestellt werden, dass neben der geltenden Politik für EU-Bürger, Besucher und Zuwanderer aus anderen Teilen der Welt auch die Politik gegen Terroristen in der gesamten EU einheitlich umgesetzt wird314F315.

1. Inhalt

Als Leitlinie für die Politik der EU enthält das Haager Programm keine konkreten Maßnah-menvorschläge. In ihm gibt der Europäische Rat lediglich Bereiche vor, in denen er ein Tätigwerden der EU, insbesondere des Rates der EU und der Europäischen Kommission, aber auch der Mitgliedstaaten selbst erwartet. Ausdruck verleiht der Europäische Rat seinen Er-wartungen durch weit gefasste Vorgaben dazu, wie die Freiheit, die Sicherheit und das Recht

313 In der Folge lediglich „Das Haager Programm“.

314 ABl. EG Nr. C 53, 1.

315 Vgl. dazu auch den Überblick über die Tätigkeitsbereiche der EU unter:

http://europa.eu.int/pol/justice/print_overview_de.htm.

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in der EU gestärkt werden können. Das „Haager Programm“ enthält Handlungsaufforderun-gen speziell für den Bereich der Terrorismusbekämpfung und den ebenfalls die Terrorismus-bekämpfung betreffenden Bereich der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit.

a) Spezifische Vorgaben zur Terrorismusbekämpfung

Bei den Vorgaben zur Stärkung der Sicherheit in der EU315 F316 finden sich vor allem spezifische Vorgaben für die Terrorismusbekämpfung neben Vorgaben zur Verbesserung des Informati-onsaustausches, zur polizeilichen Zusammenarbeit, zur Bewältigung von Krisen mit grenz-überschreitender Wirkung innerhalb der EU, zur operativen Zusammenarbeit, zur Kriminal-prävention, zur organisierten Kriminalität und zur europäischen Drogenstrategie31 6F317. Der Eu-ropäische Rat betont die große Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, insbesondere ihrer Sicherheitsbehörden, des Informationsaustausches zwischen den Sicher-heitsdiensten der Mitgliedstaaten und der Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus. Zusätzlich fordert der Europäische Rat Vorschläge für eine bessere Sicherung von Sprengstofflagern und -transporten, zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit von in-dustriellen und chemischen Ausgangsstoffen und weist darauf hin, dass es wichtig sei, Opfern von Terroranschlägen in angemessener Weise Schutz und Unterstützung zu gewähren und den Faktoren entgegenzuwirken, die zur Radikalisierung und zur Rekrutierung für terroristische Aktivitäten beitragen. Zusätzlich weist er auf die besondere Bedeutung der externen Dimensi-on des „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ zur Bekämpfung des Terrorismus hin und betont, dass Europol und die Europäische Grenzschutzagentur FRONTEX in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle innehätten.

Ein wesentliches Augenmerk legt der Europäische Rat bei dieser Aufzählung auf die Terro-rismusprävention; denn alle diese Maßnahmen dienen in erster Linie der Verhinderung von terroristischer Aktivitäten, die etwaigen Anschlägen vorgelagert sind. Es geht darum, den Terroristen Gelder und sowohl technische als auch personelle Ressourcen zu nehmen, um es ihnen bereits im Vorfeld unmöglich zu machen, terroristische Anschläge durchzuführen.

316 Zu finden unter III. 2. des Haager Programms.

317 Zu finden unter III. 2.2.2. des Haager Programms.

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b) Vorgaben zur polizeilichen Zusammenarbeit

„Für die wirksame Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität und anderer Formen der Schwerkriminalität sowie des Terrorismus ist es erforderlich, die prakti-sche Zusammenarbeit zwiprakti-schen den Polizei- und den Zollbehörden der Mitgliedstaaten und mit Europol zu intensivieren und die auf diesem Gebiet vorhandenen Instrumente besser zu nutzen“. Wie sich aus dieser Formulierung im „Haager Programm“ ergibt, betreffen neben den terrorismusspezifischen Vorgaben auch die Vorgaben zur polizeilichen Zusammenar-beit317F318 die Terrorismusbekämpfung. Der Europäische Rat fordert die EU und insbesondere die Mitgliedstaaten deshalb dazu auf, ihre polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit zu in-tensivieren und die EU-Agenturen Europol und Eurojust miteinzubinden. Europol und Eurojust sollen bei der Terrorismusbekämpfung eine entscheidende Rolle spielen. Im Bereich dieser Vorgaben legt der Europäische Rat – im Gegensatz zu den spezifischen Vorgaben be-treffend die Terrorismusbekämpfung – sein Hauptaugenmerk auf die Strafverfolgung und damit auf repressive Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung.

2. Aktionsplan zur Umsetzung des „Haager Programms“

Im „Haager Programm“ ersuchte der Europäische Rat die Europäische Kommission, dem Rat der EU im Jahr 2005 auf der Grundlage desselben Programms einen Aktionsplan vorzulegen, mit dem die Zielvorgaben des „Haager Programms“ umgesetzt werden und der einen Zeitplan für die Annahme und Durchführung aller Maßnahmen enthält.

Daraufhin haben der Rat der EU und die Europäische Kommission am 2. und 3. Juni 2005 den „Aktionsplan zur Umsetzung des Haager Programms zur Stärkung von Freiheit, Sicher-heit und Recht in der Europäischen Union“318F319 angenommen. Dieser Aktionsplan enthält eine Liste der legislativen und operativen Maßnahmen, die nach Auffassung des Rates der EU und der Europäischen Kommission für die konkrete Ausgestaltung der Leitlinien des „Haager

318 Zu finden unter III. 2.2.3. des Haager Programms.

319 ABl. EG Nr. C 198, 1.

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Programms“ erforderlich sind und deren Umsetzung in den nächsten fünf Jahren erfolgen soll.

Den Terrorismus betreffend enthält der Aktionsplan lediglich drei legislative Maßnahmen.

Unter Punkt 3.2. fordert der Aktionsplan, sofern die Notwendigkeit und Durchführbarkeit festgestellt wird, einen Vorschlag zur Einrichtung eines europäischen Strafverfolgungsnet-zes319F320, einen Vorschlag zur Verhütung des Missbrauchs karitativer Organisationen für die Terrorismusfinanzierung3 20F321 und die Entwicklung der ATLAS-Zusammenarbeit321F322 und ihres Rechtsrahmens322 F323.

Die übrigen Vorschläge für legislative Maßnahmen betreffen in erster Linie die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und damit nicht speziell den Terrorismus. Hervorzu-heben sind die Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsaustauschs, auf welche der Europäische Rat bereits im „Haager Programm“ als wichtigen Bestandteil der Terrorismusbe-kämpfung hingewiesen hat. Insbesondere soll dem allgemeinen Grundsatz der Verfügbarkeit Rechnung getragen werden323 F324. Diesem Hinweis entsprechend haben die Europäische Kom-mission und der Rat der EU in den Aktionsplan Maßnahmen zur Verbesserung des Informati-onsaustausches aufgenommen:

– Die Annahme eines Rechtsakts über die Zurückhaltung von im Zusammenhang mit der Bereitstellung öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste verarbeiteten Daten für Zwecke der Aufdeckung, Untersuchung und Verfolgung von Straftaten;

– einen Vorschlag zur Einführung des Verfügbarkeitsgrundsatzes in Bezug auf strafver-folgungsrelevante Informationen;

– einen Vorschlag für angemessene Schutzmaßnahmen und einen wirksamen Rechts-schutz in Bezug auf den Transfer personenbezogener Daten für Zwecke der polizeili-chen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsapolizeili-chen;

320 Zu finden unter 3.2. d) des Aktionsplanes.

321 Zu finden unter 3.2. g) des Aktionsplanes.

322 ATLAS ist ein automatisiertes Tarif- und lokales Zollabwicklungssystem.

323 Zu finden unter 3.2. k) des Aktionsplanes.

324 Zu finden unter III. 2.2.2. des Haager Programms.

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– die Annahme des Vorschlages für einen Rahmenbeschluss über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbe-hörden der Mitgliedstaaten der EU;

– einen Vorschlag betreffend den Zugang der Strafverfolgungsbehörden zum VIS.

Zudem haben die Europäische Kommission und der Rat der EU auch die für die Terrorismus-bekämpfung wichtigen Vorgaben betreffend die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in dem Aktionsplan umgesetzt:

– Die Folgemaßnahmen zu der Mitteilung und dem Vorschlag zur Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung, insbesondere an den Binnengrenzen zwi-schen den Mitgliedstaaten;

– einen Vorschlag für eine Richtlinie „zur Steigerung der Verkehrssicherheit durch Ein-beziehung der Transeuropäischen Verkehrsnetze in die polizeiliche und justizielle Zu-sammenarbeit“.