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B. Europaweite Unionseinrichtungen zur Terrorismusbekämpfung

IX. Strategie der EU zur Terrorismusbekämpfung

Im Anschluss an die im Juli 2005 verübten Anschläge von London verabschiedete der Euro-päische Rat im Dezember 2005 eine neue „Strategie zur Terrorismusbekämpfung“, die der EU eine koordinierte Reaktion auf solche Taten ermöglichen soll. Diese Strategie stellt laut EU den Beginn der nächsten Phase des „Haager Programms“ dar.

Die Strategie umfasst vier Schwerpunkte, sogenannte Arbeitsfelder, welche die Entwicklung der Terrorismusbekämpfung vorantreiben sollen, nämlich Prävention, Schutz, Verfolgung und Reaktion. Innerhalb dieser Arbeitsfelder macht die EU Rahmenvorgaben für Maßnahmen, die darauf abzielen, die Radikalisierung und die Anwerbung für den Terrorismus zu verhindern, die Bürger und die Infrastrukturen zu schützen, Terroristen zu verfolgen, gegen sie zu ermit-teln und die Reaktion auf die Auswirkungen von Anschlägen zu verbessern. An die Ausfüh-rungen zur Bedeutung jedes Arbeitsfeldes für die Terrorismusbekämpfung schließen sich je-weils die zentralen Prioritäten für das jeweilige Arbeitsfeld an.

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1. Prävention

Das erste Arbeitsfeld betrifft die Prävention. Gemäß ihrer Strategie möchte die EU Maßnah-men entwickeln, durch welche in Europa und über Europa hinausgreifend verhindert wird, dass sich Menschen dem Terrorismus zuwenden. Die EU möchte bei den Faktoren ansetzen, die zu Radikalisierung und Anwerbung von Menschen für den Terrorismus führen können.

Konkret betrifft das Arbeitsfeld Prävention folgende Vorhaben:

– Entwicklung gemeinsamer Konzepte zur Erkennung und Bewältigung problematischer Verhaltensweisen, insbesondere des Missbrauchs des Internets;

– Bekämpfung von Aufstachelung und Anwerbung (zumal in wichtigen Umfeldern wie Haftanstalten, Stätten religiöser Unterweisung oder Andachtsstätten), insbesondere durch die Umsetzung von Rechtsvorschriften, mit denen dieses Verhalten unter Strafe gestellt wird;

– Entwicklung einer Medien- und Kommunikationsstrategie, damit die EU-Politik bes-ser verständlich gemacht wird;

– Förderung verantwortungsvoller Staatsführung, von Demokratie, Bildung und wirt-schaftlicher Prosperität durch Unterstützungsprogramme der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten;

– Entwicklung des Dialogs zwischen den Kulturen innerhalb und außerhalb der Union;

– Entwicklung einer emotionsfreien Terminologie für die Debatte solcher Fragen;

– fortgesetzte Forschung und die Weitergabe von Analysen und Erfahrungen, damit die Kenntnisse der EU in diesen Fragen ausgebaut und politische Antworten konzipiert werden.

2. Schutz von Bürgern und Infrastrukturen

Das Arbeitsfeld Schutz betrifft den Schutz von Bürgern und Infrastrukturen. Die EU möchte die Verwundbarkeit gegenüber Anschlägen verringern, indem auch die Sicherheit der Gren-zen, des Verkehrs und kritischer Infrastrukturen erhöht wird. Mit folgenden konkreten

Vorha-101 ben möchte die EU den Schutz fördern:

– Verbesserung der Sicherheit von EU- Pässen durch die Einführung biometrischer Da-ten;

– Einrichtung des Visa-Informationssystems (VIS) und des Schengener Informationssys-tems der zweiten Generation (SIS II);

– Entwicklung wirksamer Risikoanalysen für die EU-Außengrenzen mittels der Europä-ischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen;

– Anwendung vereinbarter gemeinsamer Standards für die Sicherheit des zivilen Luft-verkehrs, der Häfen und des Seeverkehrs;

– Annahme eines europäischen Programms zum Schutz kritischer Infrastrukturen;

– optimale Nutzung der Forschungstätigkeit auf EU- und Gemeinschaftsebene.

3. Verfolgung von Terroristen

Das dritte Arbeitsfeld betrifft die Verfolgung der Terroristen. Verfolgung meint dabei nicht nur die Strafverfolgung von Terroristen, um diese vor Gericht zu stellen. In dieses Arbeitsfeld gehören auch die Anstrengungen, um Planungen, Reisen, Kommunikation, die Finanzierung von und den Zugang zu Anschlagsmaterial zu unterbinden.

Die Vorhaben der EU in diesem Arbeitsfeld sind:

– Stärkung der einzelstaatlichen Fähigkeiten zur Terrorismusbekämpfung unter Berück-sichtigung der Empfehlungen, die im Rahmen der gegenseitigen Begutachtung der na-tionalen Antiterrorvorkehrungen ausgesprochen wurden;

– uneingeschränkte Nutzung von Europol und Eurojust zur Erleichterung der polizeili-chen und justiziellen Zusammenarbeit und Einbeziehung der Bedrohungsbewertungen des gemeinsamen Lagezentrums bei der Gestaltung von Maßnahmen zur Terrorismus-bekämpfung;

– Weiterentwicklung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher

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scheidungen, auch durch Annahme der Europäischen Beweisanordnung;

– uneingeschränkte Anwendung und Evaluierung der bestehenden Rechtsvorschriften sowie Ratifizierung der einschlägigen internationalen Verträge und Übereinkommen;

– Entwicklung des Grundsatzes der Verfügbarkeit von Strafverfolgungsinformationen;

– Verhinderung des Zugangs von Terroristen zu Waffen und Sprengstoffen, von selbst hergestellten Explosivstoffen bis hin zu CBRN-Material;

– Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung einschließlich der Umsetzung vereinbarter Rechtsvorschriften, Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs des gemeinnützi-gen Sektors und Überprüfung der Gesamtleistung der EU in diesem Bereich;

– technische Unterstützung, um die Fähigkeit vorrangiger Drittländer zu erweitern.

4. Reaktion auf bereits verübte Terroranschläge

Das letzte Arbeitsfeld betrifft die Reaktion auf bereits verübte Terroranschläge. Es geht darum, die Folgen eines Anschlags zu bewältigen oder möglichst gering zu halten, indem die EU die Reaktionsfähigkeit, die Koordinierung der Reaktion und die Betreuung der Opfer verbessert.

Dafür hat die EU in dieser Strategie folgende Vorhaben vorgesehen:

– Festlegung von Vereinbarungen der EU in Bezug auf die Koordinierung im Krisenfall und die entsprechenden flankierenden Einsatzverfahren;

– Überarbeitung der Rechtsvorschriften für das Katastrophenschutzverfahren der Ge-meinschaft;

– Entwicklung der Risikobewertung als Instrument, das dem Aufbau von Fähigkeiten zur Reaktion auf einen Angriff zugrunde liegt;

– Verbesserung der Abstimmung mit internationalen Organisationen bei der Bewälti-gung von Terroranschlägen und anderen Katastrophen;

– Austausch von bewährten Praktiken und Entwicklung von Konzepten für die Betreu-ung von Terrorismusopfern und ihren Familien.

Wie die Prioritäten der vier Arbeitsfelder zeigen, sind die Vorgaben innerhalb der Strategie

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recht allgemein gefasst und enthalten keine konkreten Maßnahmen zur Terrorismusbekämp-fung, sondern lediglich abstrakt gehaltene Vorhaben. Die Aufgabe der konkreten Darstellung aller relevanten Maßnahmen für die vier beschriebenen Arbeitsfelder dieser Strategie erfüllt ein ausführlicher Aktionsplan, welcher zuletzt am 13. Februar 2006 aktualisiert wurde und mehr als 160 Einzelmaßnahmen enthält326 F327.