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Im politischen System der EU nimmt der Europäische Rat eine rechtliche Sonderstellung ein.

Gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 1 EU-Vertrag setzt er sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten der Kommission zusammen, so dass sowohl einzel-staatliche Interessen als auch das Gemeinschaftsinteresse Einfluss auf die Formulierung der politischen Leitlinien nehmen können239 F240. Gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 13 EU-Vertrag obliegt es dem Europäischen Rat, der EU die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse zu geben und die allgemeinen politischen Zielvorstellungen für diese Entwicklung festzulegen. Häufig ge-schieht dies durch die Erteilung von „Mandaten“240 F241 in Form von politischen Grundsatzent-scheidungen durch die Formulierung von Richtlinien, Aufträgen, Zeitplänen und konkreten Zielen für die Arbeit des Rates der EU und der Europäischen Kommission241 F242.

Die Leitungsaufgabe des Europäischen Rates bezieht sich auf alle drei Säulen der EU, die EG, die GASP und die PJZS. Dies gilt, obwohl der Europäische Rat in den Art. 29-42 EU-Vertrag und im Rahmen der ersten Säule nicht ausdrücklich genannt wird242 F243. Er ist damit das politi-sche Dachorgan, unter dem die drei Säulen der EU platziert sind und die er so auf oberster Ebene miteinander verknüpft.

Unabhängig von Einzelbestimmungen legt dieses Gremium die grundlegenden Leitlinien der gemeinschaftlichen Politik in den verschiedenen Politikfeldern fest, überprüft regelmäßig die erzielten Fortschritte, trifft wichtige Personalentscheidungen, verabschiedet gemeinsame Stra-tegien und gibt gemäß Art. 13 EU-Vertrag die Richtung der Gemeinsamen Europäischen Au-ßen- und Sicherheitspolitik vor. Tagespolitische Einzelfragen gehören nicht zum Aufgabenbe-reich des Europäischen Rates.

Auf seiner Sondertagung am 21. September 2001 hat sich der Europäische Rat als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 speziell mit der Terrorismusbekämpfung

240 Müller-Graff, in: Festschrift für Ulrich Everling, S. 935.

241 Röben, in: Grabitz, Band I, Art. 36 EUV, Rn. 17.

242 Vgl. dazu die Homepage des Europäischen Rates unter http://europa.eu.int/european_council/index_de.htm.

243 Pechstein, in: Streinz, Art. 4 EUV, Rn. 2; Haratsch/König/Pechstein, Rn. 1145.

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tigt und damit zum Ausdruck gebracht, dass für ihn die Terrorismusbekämpfung durch die EU zu einer bedeutsamen Frage geworden ist, welche gemeinsamer Strategien der Mitgliedstaaten im Rahmen der EU bedarf. Seitdem beschäftigt sich der Europäische Rat bei nahezu jedem seiner halbjährlichen Treffen mit der Terrorismusbekämpfung243 F244 und fordert weitere Ent-wicklungen auf diesem Gebiet.

II. Terrorismusbekämpfung durch den Rat der EU

Der Rat der EU besteht gemäß Art. 203 EG-Vertrag aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaa-tes auf Ministerebene, der befugt ist, für die Regierung des MitgliedstaaMitgliedstaa-tes verbindlich zu handeln. Eine allgemeine Aufgabenumschreibung enthält Art. 202 EU-Vertrag. Danach ob-liegen dem Rat der EU die Rechtssetzung und die Koordinierung der Wirtschaftspolitik. Wei-tere Zuständigkeiten ergeben sich insbesondere aus Art. 300, 310 EG-Vertrag und Art. 13 EU-Vertrag.

Nach Art. 300, 310 EG-Vertrag ist der Rat der EU für den Abschluss von Abkommen zwi-schen der Gemeinschaft einerseits und Drittstaaten oder internationalen Organisationen ande-rerseits zuständig. Nach Art. 13 Abs. 3 EU-Vertrag wird der Rat der EU in die Leitlinienkom-petenz des Europäischen Rates eingebunden24 4F245. Danach empfiehlt er dem Europäischen Rat gemeinsame Strategien und führt diese selbst durch. Diese Aufgabe ist insbesondere für die Terrorismusbekämpfung von großer Bedeutung, da gerade auf diesem Gebiet aufgrund der säulenübergreifenden Bedeutung des Terrorismus das gemeinsame Vorgehen in Strategien und Plänen festgehalten wird245F246. Im Rahmen der dritten Säule bedient er sich dabei insbeson-dere des Planungsinstruments der Aktionspläne und macht dadurch, zumeist nach Aufforde-rung durch den Europäischen Rat, säulenübergreifende sachproblemorientierte Lösungsvor-schläge246 F247 zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung2 47F248.

244 Vgl. u.a. Schlussfolgerungen zum Treffen am 15./16. Dezember 2005 (15914/1/05 REV 1) und zum Treffen am 16./17. Juni 2005 (10255/1/05 REV 1).

245 Kaufmann-Bühler/Meyer-Landrut, in: Grabitz, Band I, Art. 13 EUV, Rn. 11.

246 Hierzu ausführlich später im 5. Teil dieser Arbeit.

247 Röben, in: Grabitz, Band I, Art. 34 EUV, Rn. 6.

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Es gibt keine ständigen Ratsmitglieder, vielmehr tagt der Rat in verschiedener personeller und fachlicher Zusammensetzung. Je nach Beratungsgegenstand tritt der Rat der EU mit unter-schiedlichen Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen, in der Regel mit den für die einschlä-gigen Beratungsgegenstände zuständigen Ministern. Daraus resultieren die sogenannten Rats-formationen, in denen die unterschiedlichen Themen behandelt werden. Aus der Anlage I zur Geschäftsordnung des Rates der EU ergeben sich folgende Ratsformationen:

1. „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“

2. „Wirtschaft und Finanzen“ (ECOFIN) 3. „Justiz und Inneres“

4. „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“

5. „Wettbewerbsfähigkeit“

6. „Verkehr, Telekommunikation und Energie“

7. „Landwirtschaft und Fischerei“

8. „Umwelt“

9. „Bildung, Jugend und Kultur“

Aufgrund seiner säulen- und politikbereichsübergreifenden Dimension kann der Terrorismus nicht einer Ratsformation zugeordnet werden, sondern fällt in die Aufgabenbereiche mehrerer Ratsformationen. So beschäftigen sich der „Rat für Allgemeine Angelegenheiten“, der „Rat für Wirtschaft und Finanzen“, der Rat für „Justiz und Inneres“ und der „Rat für Verkehr, Te-lekommunikation und Energie“ mit der Terrorismusbekämpfung. Es existiert also kein spezi-eller „Rat für Terrorismusbekämpfung“. Es gibt jedoch Terrorismusarbeitsgruppen, die sich speziell mit der Terrorismusbekämpfung beschäftigen248 F249. Zu nennen sind hierbei insbesonde-re die Terrorismusarbeitsgruppen „TWG“ und „COTER“.

„TWG“ ist die Terrorismusarbeitsgruppe des Rates der Innen- und Justizminister. Sie hat eine operationelle Ausrichtung technischer Art und beschäftigt sich in erster Linie mit Fragen des Austauschs polizeilicher Techniken, Definitionen von bewährten Verfahren usw. Die

248 Zur Abgrenzung Leitlinien-Gemeinsame Strategien vgl. Haratsch/König/Pechstein, Rn. 1123.

249 Eine Liste über die Arbeitsgruppen im Rahmen des Rates der EU enthält das Ratsdokument 8605/06 „Vor-bereitungsgremien des Rates“.

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ten der Arbeitsgruppe „TWG“ im Rahmen der dritten Säule werden über den sog. „Art. 36-Ausschuss“ (CATS) und den „Ausschuss der ständigen Vertreter“ (COREPER) dem Europäi-schen Rat vorgelegt. Gemäß Art. 36 Abs. 1 S. 2 EU-Vertrag hat der „Art. 36-Ausschuss“ die Aufgabe, auf Ersuchen des Europäischen Rates oder von sich aus Stellungnahmen an den Europäischen Rat zu richten und zur Vorbereitung der Arbeiten des Europäischen Rates in den in Art. 29 EU-Vertrag genannten Bereichen beizutragen, also insbesondere auch zur Be-kämpfung des Terrorismus.

„COTER“ ist ein diplomatisches Gremium und eine Terrorismusarbeitsgruppe des die Au-ßenminister zusammenführenden Rates „Allgemeine Angelegenheiten“. Die Aufgabe von

„COTER“ ist es, sich mit Fragen des Terrorismus aus politischer Sicht auseinanderzusetzen, die politische Debatte vorzustrukturieren und die Terrorismuslisten der EU249F250 zu erstellen.

Um diese Aufgabe zu erfüllen, bereitet „COTER“ strategische Beschlüsse der Innen-, Justiz- und Außenminister der Mitgliedstaaten vor. Die Arbeiten der Arbeitsgruppe „COTER“ führen über das „Politische und Sicherheitspolitische Komitee“ (PSK) gemäß Art. 25 EU-Vertrag und den „Ausschuss der ständigen Vertreter“ zum Rat „Allgemeine Angelegenheiten“. Eine besondere Rolle kommt im Rahmen der Terrorismusbekämpfung damit dem „Rat für Allge-meine Angelegenheiten“ zu, welcher zur Behandlung der fach- und ressortübergreifenden Fragen eingerichtet wurde250 F251. Ihm obliegt es im Interesse der Kohärenz und Kontinuität, die vielfältigen Aktivitäten der Räte zur Terrorismusbekämpfung zu koordinieren und zusam-menzuführen.

III. Terrorismusbekämpfung durch die Europäische Kommission

Die Europäische Kommission besteht gemäß Art. 213 EG-Vertrag aus 20 Mitgliedern, den sogenannten Kommissaren, welche stets von den Mitgliedstaaten für eine Amtszeit von fünf Jahren ernannt werden. Ihr unterstehen verschiedene interne Organisation und die jeweiligen Politikbereiche der

250 Genauer zu den Terrorismuslisten im 5. Teil dieser Arbeit im Rahmen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus.

251 Vgl. Borchardt, Rn. 202.

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der EU sind vergleichbar mit nationalen Ministerien. Sie bilden mit über 17.000 Beamten den eigentlichen Apparat der Kommission. Geleitet wird jede Generaldirektion von einem Gene-raldirektor.

Für die Terrorismusbekämpfung zuständig ist die Generaldirektion „Justiz, Freiheit und Si-cherheit“ unter der derzeitigen Leitung von Generaldirektor Jonathan Faull, die ihr nachge-ordnete Direktion D/1 "Bekämpfung von Terrorismus, Menschenhandel und Ausbeutung:

Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung" unter der Leitung von Joaquim Nunes de Almeida251F252 und Franco Frattini, dem Vizepräsident der Europäischen Kommission mit dem Geschäftsbereich Justiz, Freiheit und Sicherheit252 F253.

Hauptaufgabe der Europäischen Kommission ist gemäß Art. 211 EG-Vertrag die Weiterent-wicklung und Ausweitung der Gemeinschaftspolitiken. Zu diesem Zweck besitzt sie ein Initi-ativrecht und vereinzelte Rechtssetzungsbefugnisse.

Da die Politiken der für die Terrorismusbekämpfung wichtigen zweiten und insbesondere dritten Säule kompetentiell noch von den Mitgliedstaaten selbst getragen werden, sind die Mitwirkungsmöglichkeiten der Europäischen Kommission an den Rechtsakten zur Terroris-musbekämpfung jedoch eingeschränkt. Die Europäische Kommission besitzt dort, anders als im Rahmen der ersten Säule, keine Rechtssetzungsbefugnisse und verfügt nicht über das Initi-ativmonopol, welches ihr im Rahmen der ersten Säule zusteht. Das Initiativrecht teilt sie sich deshalb im Rahmen der zweiten und dritten Säule gemäß Art. 42 EU-Vertrag mit den Mit-gliedstaaten der EU.

Dennoch leistet die Europäische Kommission durch eine Vielzahl legislativer Vorschläge ihrer Generaldirektion „Justiz, Freiheit und Sicherheit“ einen wesentlichen Beitrag zur Terro-rismusbekämpfung innerhalb der EU und trägt maßgeblich zur Entwicklung der Terrorismus-bekämpfung bei, indem sie dafür sorgt, dass die vom Europäischen Rat vorgegebenen Leitli-nien und Strategien umgesetzt werden. Im Rahmen dieser Aufgabe koordiniert sie die unter-schiedlichen Politikbereiche der drei Säulen, welche von der Terrorismusbekämpfung betrof-fen sind, und trägt damit zur bestmöglichen Berücksichtigung der säulenübergreibetrof-fenden

252 Vgl. hierzu die Homepage der Generaldirektion „Justiz, Freiheit und Sicherheit“ unter http://ec.europa.eu/dgs/justice_home/index_de.htm.

253 Mehr zur Person Franco Frattini unter http://ec.europa.eu/commission_barroso/frattini/index_de.htm.

71 mension der Terrorismusbekämpfung bei25 3F254.

IV. Terrorismusbekämpfung durch das Europäische Parlament

Eine für die Terrorismusbekämpfung lediglich untergeordnete Rolle spielt das Europäische Parlament. Gerade im Rahmen der für die Terrorismusbekämpfung so wichtigen dritten Säule ist die institutionelle Einbindung des Europäischen Parlaments nur sehr schwach ausgeprägt.

Gemäß Art. 39 EU-Vertrag wird das Europäische Parlament vor Erlass einer Maßnahme le-diglich angehört und kann eine Stellungnahme abgeben, welche gebührend berücksichtigt werden muss.

Daneben ist es über die Arbeiten innerhalb der dritten Säule regelmäßig zu unterrichten und kann Anfragen und Empfehlungen an den Rat richten. Dazu arbeitet das Europäische Parla-ment selbst präventive und repressive Maßnahmen der Institutionen der EU gegen den Terro-rismus aus254F255. Wahrgenommen wird diese Aufgabe von den Ausschüssen, welche an entspre-chenden Maßnahmen mitwirken oder solche entwickeln. Von den 20 Ausschüssen255F256 beschäf-tigt sich insbesondere der Ausschuss für „bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres“ mit der Terrorismusbekämpfung und der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Justiz und Polizei. Im Rahmen der zweiten Säule thematisch betroffen ist aber auch der Ausschuss für

„Auswärtige Angelegenheiten“.