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Politikbereich Justiz und Inneres – erste und dritte Säule

C. Terrorismusbekämpfung im Rahmen des EG- und EU-Vertrages

I. Politikbereich Justiz und Inneres – erste und dritte Säule

Klassisch unterfällt die innere Sicherheit und damit auch die Terrorismusbekämpfung dem Politikbereich Justiz und Inneres, der lange Zeit lediglich in der dritten Säule verankert war.

Nach Ansicht der Mitgliedstaaten bildet die Terrorismusbekämpfung vornehmlich ein straf-rechtliches, polizeiliches und justizielles Problem, sodass sie „lediglich“ dem Politikbereich Justiz und Inneres im Rahmen der dritten Säule zugewiesen wurde. Seit dem Amsterdamer Vertrag153 F154 findet sich der Politikbereich Justiz und Inneres und in dessen Rahmen auch die Terrorismusbekämpfung jedoch zusätzlich auch im Titel VI der ersten Säule wieder, der die Politikbereiche der Asyl-, Migrations- und Außengrenzpolitik sowie der zivilrechtlichen Zu-sammenarbeit von der dritten Säule in die erste Säule überführt und vergemeinschaftet hat154F155.

1. Zugehörigkeit zur dritten Säule

Die Terrorismusbekämpfung wird lediglich in der dritten Säule in Art. 29 Abs. 2 und 31 Abs.

1 e) EU-Vertrag ausdrücklich genannt und als Aufgabe vorgegeben, um den Bürgern in einem

„Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ ein hohes Maß an Sicherheit zu bieten.

Dazu enthält der EU-Vertrag in der dritten Säule eine Reihe näher definierter Handlungsbe-reiche und Handlungsziele, die für die Terrorismusbekämpfung durch die EU von erheblicher Bedeutung sind. Gemäß Art. 29 EU-Vertrag soll der Terrorismus durch die Zusammenarbeit der Polizei-, Zoll-, Justiz- sowie anderer zuständiger Behörden der Mitgliedstaaten und durch Annäherung der Strafvorschriften der Mitgliedstaaten bekämpft werden. Wie die Zusammen-arbeit ausgestaltet sein soll, regeln Art. 30, 31 EU-Vertrag. Zu nennen sind vor allem die fol-genden für Maßnahmen des Rates vorgesehenen Bereiche:

154 ABl. EG Nr. C 340, 1-144.

155 Hauptziel im Politikbereich "Justiz und Inneres" ist seitdem die Schaffung eines sogenannten "Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Terrorismus.

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– Die polizeiliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten insbesondere unter Einschluss der operativen Zusammenarbeit, des Informationsaustauschs und der In-formationsanalyse, gemeinsamer Ausbildungsmaßnahmen und gemeinsamer Bewer-tung von Ausbildungstechniken, Art. 30 Abs. 1 a), b), c), d) EU-Vertrag.

– Die intensivere Nutzung der europäischen Koordinationsinstitution Europol unter Ein-schluss der Unterstützung, Koordinierung und Durchführung spezifischer Ermitt-lungsmaßnahmen nationaler Behörden und der Zusammenarbeit zwischen Europol und nationalen Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden zur Bekämpfung der orga-nisierten Kriminalität, Art. 30 Abs. 2 a), b), c), d) EU-Vertrag.

– Die Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit durch Erleichterung und Beschleu-nigung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei Gerichtsverfahren und der Vollstreckung von Entscheidungen, Art. 31 Abs.1 a), b) EU-Vertrag.

– Die Gewährleistung der Vereinbarkeit der geltenden Vorschriften der Mitgliedstaaten untereinander und die Vermeidung von Kompetenzkonflikten, Art. 31 Abs. 1 c), d) EU-Vertrag.

– Die Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen in auch den Terrorismus umfassenden Bereichen der schweren Kriminalität, Art. 31 Abs. 1 e) EU-Vertrag.

– Die intensivere Nutzung der Koordinierungsstelle Eurojust unter Einschluss der Koor-dinierung zwischen den für die Strafverfolgung zuständigen nationalen Behörden, der Unterstützung bei Ermittlungen im Zusammenhang mit grenzüberschreitender Krimi-nalität, mithin auch Terrorismus, und der Erleichterung von Rechts- und Ausliefe-rungsersuchen, Art. 31 Abs. 2 a), b), c) EU-Vertrag.

Art. 29 ff. EU-Vertrag enthalten die Handlungsmöglichkeiten und ermächtigen die EU zu

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einer engeren Zusammenarbeit der Polizei-, Zoll-, Justiz- und anderer zuständiger Behörden sowie zu einer Annäherung der Strafvorschriften der Mitgliedstaaten durch die in Art. 34 EU-Vertrag genannten Handlungsformen. Diese Handlungsformen sind:

– gemeinsame Standpunkte gemäß Art. 34 Abs. 2 a) EU-Vertrag, – Rahmenbeschlüsse gemäß Art. 34 Abs. 2 b) EU-Vertrag, – Beschlüsse gemäß Art. 34 Abs. 2 c) EU-Vertrag und – Übereinkommen gemäß Art. 34 Abs. 2 d) EU-Vertrag.

2. Zugehörigkeit zur ersten Säule

Neben den Maßnahmen der dritten Säule kann die EU nach Titel IV des EG-Vertrags zum schrittweisen Aufbau eines „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ Maßnahmen zur Gewährleistung des freien Personenverkehrs nach Art. 14 EG-Vertrag und damit zusam-menhängende flankierende Visamaßnahmen, Asylmaßnahmen und Maßnahmen der Einwan-derung treffen. Aber auch Maßnahmen nach Art. 61 ff. EG-Vertrag weisen Berührungspunkte zur Terrorismusbekämpfung auf. Damit wurde die bisherige Zielsetzung des EG-Vertrags, in einem Raum ohne Binnengrenzen die Personenfreizügigkeit zu gewährleisten (Art. 14 EG-Vertrag), um die grundlegende Aufgabe eines jeden Staats erweitert, nämlich die Gewährleis-tung von Freiheit, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit. Diese Maßnahmen sollen den freien Personenverkehr garantieren, aber auch Sicherheitsdefizite ausgleichen, die aufgrund des frei-en Personfrei-enverkehrs frei-entstandfrei-en sind155F156.

Eine Angleichung der nationalen Regelungen in den Bereichen Visa, Asyl und Einwanderung sorgt dafür, dass keine Lücken und Schwachstellen in nationalstaatlichen Regelungen beste-hen und Terroristen durch Ausnutzen der Unterschiede in der Visa-, Asyl- und Einwande-rungspolitik der Einzelstaaten leichten Zugang zum Hoheitsgebiet der EU haben. Die EU kann durch Maßnahmen in diesem Bereich die Außengrenzen der EU sichern, gegen illegale Einwanderung vorgehen und einen Missbrauch des Systems verhindern. Ein Tätigwerden der

156 Zu den Sicherheitsverlusten durch das Schengen Abkommen vgl. die Ausführungen im 2. Teil dieser Arbeit zur „Notwendigkeit der Terrorismusbekämpfung durch die EU“.

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EU in diesen Bereichen kann es Terroristen zumindest erschweren, illegal in das Hoheitsge-biet der EU zu gelangen oder dieses wieder zu verlassen156 F157. Im Gegensatz zu den Handlungs-ermächtigungen der dritten Säule betreffen die HandlungsHandlungs-ermächtigungen des Titels IV des EG-Vertrages nicht direkt die Bekämpfung des Terrorismus im Inneren der EU, sondern zie-len darauf ab, an den Außengrenzen der EU einen Schutzschild zu errichten, welcher ein Ein-dringen von Terroristen verhindern oder jedenfalls erschweren soll.

Die Handlungsermächtigungen finden sich in den Art. 61 ff. Vertrag. Art. 61 a) EG-Vertrag und Art. 61 e) EG-EG-Vertrag stellen durch Verweisungen eine unmittelbare Verbindung her zwischen gemeinschaftlichen Maßnahmen des freien Personenverkehrs und Maßnahmen der PJZS zur Bekämpfung und Vorbeugung von Straftaten15 7F158, insbesondere auch des Terro-rismus158F159. Das Nennen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in Art. 61 a) und e) EG-Vertrag ist nach herrschender Ansicht allerdings lediglich deklaratori-scher Natur159F160 und gewährt der EG noch keine Rechtsetzungskompetenz auf diesem Gebiet, unterstrichen werden soll lediglich die enge Verbindung mit der dritten Säule und damit der Zusammenhang zwischen Maßnahmen des freien Personenverkehrs und Maßnahmen der drit-ten Säule zur Bekämpfung der Kriminalität, insbesondere des Terrorismus160F161.

Die Befugnisse im Rahmen der ersten Säule ermächtigen die EU zum Erlass der in Art. 249 EG-Vertrag genannten Handlungsformen: Verordnung, Richtlinie, Entscheidung, Empfehlung und Stellungnahme161 F162.

157 So im Ergebnis auch Monar, S. 140.

158 Röben, in: Grabitz, Band II, Art. 61 EGV, Rn. 4.

159 Art. 61 a) EU-Vertrag verweist auf Art. 31 Abs. 1 e) EU-Vertrag; Art. 61 e) EG-Vertrag verweist auf Maß-nahmen im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen und damit auf Art. 29 EU-Vertrag.

160 So u.a. Rossi, in: Calliess, Art. 61 EGV, Rn. 4; Weiß, in: Streinz, Art. 61 EGV, Rn 5, 6.

161 Anderer Ansicht Müller-Graff, S. 11.

162 Die zum Zwecke der Terrorismusbekämpfung am häufigsten genutzte Handlungsform ist aufgrund ihrer allgemeinen, verbindlichen und unmittelbaren Geltung in jedem Mitgliedstaat die Verordnung.

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3. „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“

In ihrer Gesamtheit dienen die Regelungen der dritten Säule und des Titels IV EG-Vertrag (und damit der ersten Säule) der Errichtung eines „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, mit dessen Aufbau der EU-Vertrag eine inhaltliche Zielvorgabe für die Justiz- und Innenpolitik der EU festlegt. Den Bürgern soll ein hohes Maß an Sicherheit geboten werden.

Durch die Definition des „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ hat eine neue Phase der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit und damit auch der Terro-rismusbekämpfung begonnen. Es hat lange gedauert, bis sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Justiz- und Innenpolitik einigen konnten, da Fragen wie die Asylpolitik, die Ver-brechensbekämpfung, die Strafverfolgung, die Vorgehensweise bei Grenzkontrollen und der Umgang mit Terroristen im Zentrum des Konzepts staatlicher Souveränität stehen und sich die Mitgliedstaaten daher zögerlich verhielten, wenn es darum ging, die Kontrolle über den jeweiligen Bereich ganz oder teilweise aufzugeben162 F163. Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus betrifft den Kern des durch Art. 2 EU-Vertrag zu einem fundamentalen Integrati-onsziel erhobenen „Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“163 F164, obwohl die Be-stimmungen zum „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ die Terrorismusbe-kämpfung nicht zentral behandeln, sondern als Ziel in Art. 29 und 31 Abs. 1 e) EU-Vertrag eher beiläufig nennen.

Um den Sicherheitsverlusten durch den Wegfall der Binnengrenzen gerecht zu werden, wurde die erweiterte Personenfreizügigkeit mit den in Art. 61 a) EG-Vertrag genannten sicherheits-relevanten Begleitmaßnahmen in Bezug auf die Kontrolle an den Außengrenzen, Asyl, Ein-wanderung, Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität nach Art. 31 e) EU-Vertrag16 4F165 ver-knüpft. Titel IV des EG-Vertrages soll verhindern, dass Kriminelle (Terroristen) in das Ho-heitsgebiet der EU gelangen. Zur Bekämpfung derjenigen Kriminellen und Terroristen, wel-che trotz der Maßnahmen nach Titel IV EG-Vertrag in das Hoheitsgebiet der EU gelangen oder sich bereits als europäische Bürger im Hoheitsgebiet der EU befinden, sieht die dritte

163 Europäische Kommission- Justiz und Inneres, S. 3.

164 So schon Monar, S. 136.

165 Röben, in: Grabitz, Band I, Art. 29 EUV, Rn. 3.

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Säule eine polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten vor.

Beim „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ handelt es sich aufgrund seiner säu-lenübergreifenden Natur um ein rechtlich komplexes Gebilde165 F166. Zum einen gibt es keinen geschlossenen Katalog von Handlungsformen, zum anderen können die Bereiche der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, da sie in gegen-seitiger Abhängigkeit stehen.