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A. Terrorismus – das Objekt der Bekämpfung durch die EU

I. Begriffsbestimmung

Trotz des umfangreichen Kampfes gegen den Terrorismus fehlt eine exakte, verbindliche, einheitliche und weltweit anerkannte Definition48F49. Dies hat vornehmlich zwei Gründe:

Zum einen die Vielgestaltigkeit und Wandelbarkeit. Terrorismus ist weltweit verbreitet und ein sehr altes Phänomen. Das Wort „Terrorismus“ wurde zum ersten Mal während der Fran-zösischen Revolution gebräuchlich und leitet sich von dem „régime de la terreur“ der Jahre 1793/1794 ab, welches zur Durchsetzung der öffentlichen Ordnung errichtet wurde49F50. Auf-grund seines Alters und seiner Internationalität zeigt sich der Terrorismus in vielfältigen, nach Ursachen, Zielsetzung und Aktionsverhalten unterschiedlichen Organisations- und Erschei-nungsformen50 F51. Er unterliegt einer stetigen Entwicklung, so dass neue Varianten auftauchen und bestehende Varianten verschwinden51F52.

Zum anderen liegt es aber auch an politischen und ethnischen Kontroversen zwischen den Begriffsforschern, die eine einheitliche Forschung behindern und so Einverständnis über

49 Siehe hierzu die Aufstellung in Schmid/Jongmann, S. 5 und 6.

50 Hoffmann, S. 23 ff.; Richardson, S. 57/58.

51 v. Bubnoff, NJW 2002, S. 2672; v. Bubnoff, in: LK, Band IV, Vor § 129 a StGB, Rn. 2; Tomuschat, S. 7.

52 Zum Bedeutungswandel des Terrorismus vgl. Hoffmann, S. 23 ff.

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griffe und Erklärungen des Terrorismus verhindern52F53. Gerade der Terrorismus stellt wie kein anderes Kriminalitätsfeld ein in höchstem Maße politisiertes Feld dar, dessen Wahrnehmung und Bewertung vom jeweiligen politischen Standpunkt kaum zu trennen ist53F54. Auf dieser Feststellung beruht das aus den 1970er Jahren stammende Zitat des Terrorismusforschers Brian Jenkins „was des einen Terrorist, ist des anderen Freiheitskämpfer“.

Trotz der Schwierigkeit einer exakten allgemeingültigen Definition und gerade aufgrund der Brisanz der Terrorismusdefinition gibt es in der Literatur eine unübersehbare Anzahl politi-scher Definitionsversuche. Beispielhaft seien genannt:

„Terrorismus bedeutet einfach, für politische Zwecke planmäßig und gewaltsam gegen Zivilisten vorzugehen.“

Richardson, Louise, in: Was Terroristen wollen, S. 28.

„Terrorismus sind planmäßig vorbereitete, schockierende Gewaltanschläge gegen eine politische Ordnung aus dem Untergrund. Sie sollen vor allem Unsicherheit und Schre-cken verbreiten, daneben aber auch Sympathie und Unterstützungsbereitschaft erzeu-gen.“

Waldmann, Peter, in: Terrorismus – Provokation der Macht, S. 12.

„Terrorismus ist die Androhung und Durchführung von vereinzelter und unvorherseh-barer Gewalt durch zumindest nicht staatlich legitimierte Personen, wobei im Rahmen einer politischen Strategie mit dem Ziel einer psychischen Wirkung aus politischen Motiven gehandelt wird.“

Schrader, Tobias, in: Kriminalistik 2002, S. 572.

„Ausübung von Terror (gewalttätiges Vorgehen, das die Betroffenen in Angst und Schrecken versetzen soll), um bestimmte politisch motivierte Ziele durchzusetzen.“

53 Daase, Die Friedenswarte 2001, S. 55.

54 Zierke, S. 21; vgl. zur Problematik der Begriffsbestimmung auch Richardson, S. 30.

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Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Auflage, 2006, S. 1245.

Diese Definitionsversuche lassen gewisse gemeinsame Grundvorstellungen über den Terro-rismus erkennen, indem sie Aussagen zur Tathandlung, zum Täterkreis und zur Motivation enthalten54 F55.

Allen Terrorismusdefinitionen gemeinsam ist eine überraschende und illegale Gewaltanwen-dung (Tathandlung) durch einen Zusammenschluss einer Mehrzahl von Personen (Täterkreis), um die Bevölkerung einzuschüchtern und so politische, soziale oder militärische Ziele zu er-reichen (Motivation). Diese Merkmale lassen zugegebenermaßen aber auch viel Raum für eigene Interpretationen und den Missbrauch des Terrorismusbegriffs55 F56.

Neben den politischen Definitionen gibt es zahlreiche rechtliche Begriffsbestimmungen zum Terrorismusbegriff. Das Fehlen einer Definition betrifft nicht nur die allgemeine Begriffsbe-stimmung, sondern hat vor allem auch Auswirkungen auf die rechtlichen Rahmenbedinggen der Terrorismusbekämpfung. Denn eine gemeinsame allgemeingültige Definition ist un-verzichtbar für den Kampf gegen den Terrorismus und insbesondere dessen Kriminalisie-rung5 6F57. Im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz57F58 ist sie rechtsstaatlich unverzichtbar als Grundlage zur Schaffung gleichläufiger Strafbestimmungen gegen terroristische Handlungen wie auch für zahlreiche Folgeregelungen von erheblicher Eingriffsqualität58F59. Erst ein Konsens darüber, was innerhalb eines „Rechtskreises“ als zu ächtender und zu bekämpfender Terro-rismus zu bewerten ist, ermöglicht verbindliche Bekämpfungskonzeptionen59F60 und die Mög-lichkeit, dem Terror jede Legitimität und Rechtfertigung abzusprechen.

Zu diesem Zweck haben die EU wie auch die Vereinten Nationen60 F61 und der deutsche

55 So schon Mager, S. 24.

56 Daase, Die Friedenswarte 2001, S. 58; genauer zu abgrenzungsrelevanten Fragestellungen in Bezug auf die einzelnen Merkmale Mager, S. 24-27.

57 Cassese, in: Evans, S. 750.

58 Deutscher Bundestag – Terrorismus und innere Sicherheit in Europa, S. 23.

59 v. Bubnoff, NJW 2002, S. 2673.

60 Schrader, Kriminalistik 2002, S. 570.

61 Vgl. die UN-Resolution 1566 vom Oktober 2004 (S/Res/1566 (2004)). Ausführlich hierzu Mager, S. 20-22.

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geber61 F62 spezifische Tatbestände definiert. In Rechtsakten wurde festgehalten, was unter einer terroristischen Straftat, einer terroristischen Vereinigung und terroristischen Aktivitäten zu verstehen ist, ohne den Begriff des „Terrorismus“ selbst umfassend zu definieren. Auf diese Weise haben die vorgenannten Definitionen aber eine Basis für einen einheitlichen strafrecht-lichen Umgang mit dem Problem des Terrorismus geschaffen, welche den praktischen Be-dürfnissen zur Bekämpfung des Terrorismus genügt.In der EU wurden die terroristischen Tat-bestände in zwei Rechtsakten festgehalten:

Art. 1 Abs. 3 Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 „über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus“62F63.

„Im Sinne dieses Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck terroristische Handlung eine der nachstehend aufgeführten vorsätzlichen Handlungen, die durch die Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen kann und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert ist, wenn sie mit dem Ziel begangen wird, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unter-lassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernst-haft zu destabilisieren oder zu zerstören

a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;

b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;

c) Entführung oder Geiselnahme;

d) weit reichende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung, einem Verkehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandssockel befindet, einem allge-mein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben

62 Vgl. § 129 a StGB. Ausführlich hierzu Mager S. 19 und 20.

63 ABl. EG Nr. L 344, 93.

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den oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;

e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Güterverkehrsmitteln;

f) Herstellung, Besitz. Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwen-dung von Schusswaffen, Sprengstoffen, Kernwaffen, biologischen und chemi-schen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung in Bezug auf biologische und chemische Waffen;

g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen eines Brandes, einer Explo-sion oder einer Überschwemmung, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;

h) Manipulation oder Störung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Men-schen in Gefahr gebracht wird;

i) Drohung mit der Begehung einer unter den Buchstaben a) bis h) genannten Straftaten;

j) Anführen einer terroristischen Vereinigung;

k) Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung einschließlich durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Aktivitäten in dem Wissen, dass diese Be-teiligung zu den kriminellen Aktivitäten der Gruppe beiträgt.“

Art. 1 Abs. 1 Rahmenbeschluss des Rates „zur Terrorismusbekämpfung“ vom 13. Juni 200163F64.

„Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen um sicherzustellen, dass die unter den Buchstaben a) bis i) aufgeführten, nach den einzelstaatlichen Rechtsvor-schriften als Straftaten definierten vorsätzlichen Handlungen, die durch die Art ihrer Begehung oder den jeweiligen Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können, als terroristische Straftaten eingestuft werden, wenn sie

64 ABl. EG Nr. L 164, 4.

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mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzu-schüchtern oder öffentliche Stellen oder eine internationale Organisation rechtswidrig zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtli-chen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer interna-tionalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören

a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;

b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;

c) Entführung oder Geiselnahme;

d) schwer wiegende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung, einem Ver-kehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandssockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;

e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmittel oder Gütertransportmitteln;

f) Herstellung, Besitz. Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwen-dung von Schusswaffen, Sprengstoffen, atomaren, biologischen und chemi-schen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung im Zusammenhang mit biologischen und chemischen Waffen;

g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen von Bränden, Über-schwemmungen oder Explosionen, wenn dadurch das Leben von Menschen ge-fährdet wird;

h) Störung oder Unterbrechung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Men-schen gefährdet wird;

i) Drohung eine der in a) bis h) genannten Straftaten zu begehen.“

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Art. 2 Abs. 1 Rahmenbeschluss des Rates „zur Terrorismusbekämpfung“ vom 13. Juni 2001.

„Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnet der Begriff terroristische Vereini-gung einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die zusammenwirken, um terroristische Straftaten zu begehen. Der Begriff organisierter Zusammenschluss bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht nur zufällig zur unmittelbaren Begehung einer strafbaren Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kon-tinuierliche Zusammensetzung oder eine ausgeprägte Struktur hat.“

Diese Definitionen unterscheiden nicht zwischen verschiedenen Arten des Terrorismus, son-dern definieren, was unter einer „terroristischen Handlung“, einer „terroristischen Straf-tat“ und einer „terroristischen Vereinigung“ zu verstehen ist64F65. Diese Definitionen sind aus-reichend, um einen einheitlichen strafrechtlichen Umgang mit dem Problem des Terrorismus innerhalb der EU zu gewährleisten. Nicht nötig ist deshalb eine umfassende Definition des

„Terrorismus“ selbst, über die wohl nur schwerlich Einigkeit zu erzielen ist.

II. Merkmale der aktuellen Bedrohung durch den islamistischen