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Politikbereich der „Außen- und Sicherheitspolitik“ – zweite Säule

C. Terrorismusbekämpfung im Rahmen des EG- und EU-Vertrages

II. Politikbereich der „Außen- und Sicherheitspolitik“ – zweite Säule

Aufgrund seiner internationalen Ausgestaltung betrifft der islamistische Terrorismus neben der inneren Sicherheit auch die äußere Sicherheit der EU. Die Vielzahl der internationalen, auch außerhalb der EU gelegenen Anknüpfungspunkte des terroristischen Netzwerkes macht es unabdingbar, den transnational handelnden islamistischen Terrorismus im Rahmen der EU auch durch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu bekämpfen. Wie die Ereignis-se vom 11. September 2001 gezeigt haben, ist der islamistische Terrorismus nicht auf Europa beschränkt, sondern agiert weltweit. Die Terroranschläge werden in und außerhalb der EU geplant, vorbereitet und finanziert. Die EU hat häufig betont, dass deshalb ein über die Gren-zen der EU hinausgehender Aktionsradius im Kampf gegen den Terrorismus durch eine ge-meinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nötig ist166F167.

Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU ist in der zweiten Säule der EU gere-gelt. Durch sie soll vor allem die äußere Sicherheit der EU gestärkt werden. Art. 11 EU-Vertrag enthält die Ziele, welche die EU durch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspoli-tik erreichen soll. Dazu gehören „die Wahrung der gemeinsamen Werte, der grundlegenden Interessen, der Unabhängigkeit und der Unversehrtheit der Union“, „die Stärkung der Sicher-heit der Union in allen ihren Formen“, „die Wahrung des Friedens und die Stärkung der inter-nationalen Sicherheit“, „die Förderung der interinter-nationalen Zusammenarbeit“ und „die Ent-wicklung und Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der

166 Merli, S. 23.

167 So u.a. im Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen – Der Kampf gegen den Terrorismus-Bericht zum Gedenken an die Opfer des Terrorismus vom 18.2.2005, S. 10/11.

47 schenrechte und Grundfreiheiten“.

Auch wenn die Bekämpfung des Terrorismus nicht ausdrücklich in Art. 11 EU-Vertrag als Vertragsziel genannt ist, ist sie doch diesem Zielkatalog zuzuordnen167F168. Insbesondere die Grundziele der „Stärkung der Sicherheit der Union“ und „der internationalen Sicherheit“ be-treffen die Bekämpfung des Terrorismus. Denn die Formulierungen dieser zwei Vertragsziele schließen aufgrund ihrer Breite eindeutig auch Bedrohungen durch den internationalen, isla-mistischen Terrorismus ein168F169. Den Grundzielen des Art. 11 EU-Vertrag entsprechend erfor-dert eine wirksame Bekämpfung des internationalen, über die Grenzen der EU hinausreichen-den Terrorismus deshalb auch eine umsichtige Außen- und Sicherheitspolitik der EU, wozu insbesondere die „Förderung der internationalen Zusammenarbeit“ gehört.

1. Intensivierung bi- und multilateraler Kooperationen

Unter den sachlichen Anwendungsbereich der zweiten Säule fallen bi- und multilaterale Ko-operationen der EU mit Nicht-EU-Staaten und internationalen Organisationen zum Zwecke der Terrorismusbekämpfung16 9F170. Von herausragender Bedeutung ist dabei der Einfluss der EU auf multilaterale Prozesse der Vereinten Nationen170 F171 und der G8-Staaten, welche ihrerseits im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten versuchen, den Terrorismus zu bekämpfen1 71F172. Aber auch die Zusammenarbeit mit den USA, der Russischen Föderation und den Partnern in der arabischen und moslemischen Welt ist für die EU spätestens seit den Anschlägen am 11. Sep-tember 2001 von großer Bedeutung1 72F173. Neben dem Versuch, eine polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit auf der Grundlage bi- und multilateraler Verträge aufzubauen, ist es wichtig, einen politischen Dialog gerade mit den Ländern und Regionen zu führen, in denen sich der

168 Regelsberger/Kugelmann, in: Streinz, Art. 11 EUV, Rn. 6.

169 Monar, S. 141.

170 Vgl. Europäische Kommission – Ein globaler Akteur, S. 5/10; Neisser, S. 232.

171 Hierzu später im Rahmen des Einflusses internationaler Organisationen auf die Terrorismusbekämpfung der EU.

172 So schon Stein/Meiser, Die Friedenswarte 2001, S. 49.

173 So schon Deutscher Bundestag – Terrorismus und innere Sicherheit in Europa, S. 3.

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Terrorismus entwickelt173F174. Denn erst wenn alle Länder in ein weltweites Sicherheitssystem integriert sind, kann der Kampf gegen den Terrorismus erfolgreich auch weltweit geführt werden.

2. Terrorismusbekämpfung in Krisengebieten

Einen speziellen Aspekt der Terrorismusbekämpfung der EU im Rahmen der GASP bildet die Terrorismusbekämpfung in Krisengebieten. Darunter versteht man die Gewährung aktiver Hilfe zur Terrorismusbekämpfung an Drittstaaten entweder durch polizeiliche oder durch entwicklungspolitische Maßnahmen174 F175. Hintergrund dieser Politik der EU ist, dass der Zu-sammenbruch von Staaten eng mit Terrorismus verbunden ist, da diese sogenannten „failed states“ den Terroristen die Möglichkeit bieten, ihre Kräfte zu bündeln, ohne mit Strafverfol-gung rechnen zu müssen. In diesen Staaten, wie beispielsweise Afghanistan oder dem Irak, können Terroristen weitgehend ungestört Attentäter rekrutieren, ausbilden und Anschläge vorbereiten. Deshalb ist es Ziel einer effektiven Terrorismusbekämpfung, die staatlichen Strukturen der Staaten zu stabilisieren, in welchen sich Terroristen aufhalten und deren Ho-heitsgebiet Terroristen nutzen, um ungestört Anschläge vorzubereiten.

3. Maßnahmen gegen Unterstützerstaaten

Einen dritten speziellen Aspekt der Terrorismusbekämpfung im Rahmen der GASP bilden Maßnahmen gegenüber Staaten, die den Terrorismus auf irgendeine Art und Weise offen oder verdeckt unterstützen (sog. Unterstützerstaaten)1 75F176. Um gegen Unterstützerstaaten vorzugehen, kann die EU diplomatische, politische und wirtschaftliche Sanktionen und Abschreckungs-maßnahmen in Form von EmbargoAbschreckungs-maßnahmen zu dem Zweck ergreifen, die Unterstützung durch Drittstaaten zu verhindern oder die Mitarbeit im Kampf gegen den Terrorismus zu

174 So schon Deutscher Bundestag – Terrorismus und innere Sicherheit in Europa, S. 3.

175 Gusy, GA 2005, S. 217.

176 Stein/Meiser, Die Friedenswarte 2001, S. 50; Richardson, S. 83.

49 zwingen.

Ein Embargo ist die wichtigste Form der Wirtschaftssanktionen. Es ist das Verbot eines Ho-heitsträgers an seine Wirtschaftssubjekte, mit einem anderen Staat Handelsgeschäfte abzu-schließen oder durchzuführen176 F177. Durch ein Embargo verbietet die EU ihren Mitgliedstaaten, mit dem in Frage stehenden Drittstaat Handelsgeschäfte zu schließen.

Ein Beispiel für ein Embargo, welches sich gegen einen Unterstützerstaat richtete, ist das Li-byen-Embargo der EU. Am 29. November 1993 erließ der Rat der EU auf der Grundlage der UN-Resolution 883 die Verordnung (EG) Nr. 3274/93177F178, mit der der Gemeinsame Stand-punkt 93/614/GASP178F179 zur Verhinderung der Versorgung Libyens mit bestimmten Waren und Dienstleistungen1 79F180 umgesetzt wurde. Hintergrund des Embargos waren die Bombenanschlä-ge vom 21. Dezember 1988 und 19. September 1989 auf FlugzeuBombenanschlä-ge, durch die zahlreiche Menschen ums Leben kamen. In den folgenden Jahren erhärtete sich der Verdacht, dass sechs libysche Staatsangehörige für die Sprengstoffattentate verantwortlich waren. Als Libyen auf die Aufforderung Frankreichs, Großbritanniens und der USA zur Zusammenarbeit und Aus-lieferung der Tatverdächtigen nicht reagierte, erließ der Rat die oben genannte Verordnung1 80F181. Rechtsgrundlage für den Erlass solcher Wirtschaftssanktionen ist Art. 301 i.V.m. Art. 60 EG-Vertrag. Art. 301 EG-Vertrag sieht vor, dass die Gemeinschaft tätig werden kann, um die Wirtschaftsbeziehungen zu Drittländern einzuschränken bzw. vollständig einzustellen. Auf-grund dieser RechtsAuf-grundlage kann die EG Handelsverbote gegen Drittstaaten181 F182 erlassen, die Ein- und Ausfuhrbeschränkungen in Bezug auf Waren, Dienstleistungen und Kapital umfas-sen182F183. Im Bereich des Kapital- und Zahlungsverkehrs ist Art. 60 EG-Vertrag lex specialis zur

177 So schon Garçon, S. 23.

178 ABl. EG Nr. L 295, 1.

179 ABl. EG Nr. 295, 7.

180 Zuvor hatte der Rat bereits die Verordnung (EG) Nr. 945/92 erlassen. Diese bezog sich allerdings hauptsäch-lich auf den Transportsektor und enthielt kein allgemeines Handels- und Dienstleistungsembargo. Vgl. hier-zu Kokott, in: Streinz, Art. 301 EGV, Rn. 44; Garçon, S. 103 und 104.

181 Zu sonstigen Maßnahmen in diesem Zusammenhang durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft vgl. Garçon, S. 103 und 104.

182 Zur umstrittenen Frage der Rechtsgrundlage von Sanktionen gegen Einzelpersonen oder Vereinigungen später im Rahmen der Einzelmaßnahmen der EU.

183 Bartelt S. 149 ff.

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Sanktionsvorschrift des Art. 301 EG-Vertrag, wobei sich die enge Verbindung dieser zwei Vorschriften aus Art. 60 Abs. 1 EG-Vertrag ergibt183F184. Grundlage für Maßnahmen nach Art.

301 EG-Vertrag sind Gemeinsame Standpunkte oder Gemeinsame Aktionen, „die nach den Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik angenommen worden sind“.

Handelsembargen stellen insofern eine Besonderheit im Säulensystem der EU dar, als sie nicht nur die Außenpolitik und damit die zweite Säule der EU, sondern auch die Handelspoli-tik der EG betreffen, welche gemäß Art. 3 Abs. 1 b) EG-Vertrag zu den Grundlagen zur Ver-wirklichung eines gemeinsamen Marktes184 F185 als eines der wichtigsten Ziele der ersten Säule zählt. In der Verbindung von Außen- und Handelspolitik sind Handelsembargen somit eine einmalige Verzahnung zwischen der ersten und zweiten Säule185F186. Damit stellt Art. 11 EU-Vertrag i.V.m. Art. 301 EG-EU-Vertrag bzw. 60 EG-EU-Vertrag eine besondere Handlungsermächti-gung dar. Denn über Art. 301 EG-Vertrag bzw. Art. 60 EG-Vertrag können nicht nur die spe-zifischen außen- und sicherheitspolitischen Instrumente des Art. 12 EU-Vertrag und des Art.

17 EU-Vertrag, sondern auch die außenwirtschaftlichen Instrumente der ersten Säule genutzt werden1 86F187.

4. Handlungsmöglichkeiten

Die Befugnisse bzw. Handlungsformen der zweiten Säule sind in Art. 12 EU-Vertrag aufge-zählt. Danach ist die EU befugt, die Ziele des Art. 11 Abs. 1 EU-Vertrag und insbesondere auch das Ziel der Terrorismusbekämpfung durch Bestimmung der Grundsätze und der allge-meinen Leitlinien für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, durch Beschlüsse über gemeinsame Strategien, durch die Annahme gemeinsamer Aktionen, durch die Annahme ge-meinsamer Standpunkte und durch den Ausbau der regelmäßigen Zusammenarbeit der Mit-gliedstaaten bei der Führung ihrer Politik zu erreichen. In Verbindung mit Instrumenten der

184 Bröhmer, in: Calliess, Art. 60 EGV, Rn. 1.

185 Geiger, Art. 70 EGV, Rn 1.

186 Sedlaczek, in: Streinz, Art 60 EGV, Rn. 4.

187 Monar, S. 142.

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ersten und dritten Säule liefern diese sicherheitspolitischen Handlungsinstrumente Elemente der Außensteuerung18 7F188.

III. Politikbereich der „Finanz-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik“ – erste