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Grund- und Menschenrechte im Rahmen der Terrorismusbekämpfung

Die Möglichkeiten der EU im Rahmen der Terrorismusbekämpfung werden schließlich we-sentlich durch die Grund- und Menschenrechte beeinflusst und beschränkt.

217 Ausführlich zu Entstehung, Struktur und Verfassung des Europarates Ambos, S. 327 ff.

218 Daneben existiert eine Vielzahl verfahrensrechtlicher Übereinkommen zur Verbesserung der grenzüber-schreitenden Strafverfolgung, vgl. die Aufzählung bei Ambos, S. 367 und 368.

219 Hierzu vgl. Homepage des Europarates unter http://www.coe.int/T/E/Legal_Affairs/Legal_co-operation/Fight_against_terrorism/default.asp.

220 In Kraft getreten am 4. August 1978.

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I. Bindung der EU

Nach Art. 6 Abs. 2 EU-Vertrag achtet die EU die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewähr-leistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen ihrer Mitglied-staaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Gebunden ist die EU bei der Ausgestaltung ihrer Maßnahmen an die in der EMRK und in ihrer Grundrechtecharta ver-ankerten Grund- und Menschenrechte. Die Bindung der EU an die Grund- und Menschen-rechte ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 und 2 EU-Vertrag220 F221. Zu beachten ist allerdings, dass es sich dabei nicht um eine unmittelbare Bindung handelt221F222. Die in der EMRK und der GRCh verankerten Grund- und Menschenrechte stellen für die EU bislang eine bloße Erkenntnis-quelle (EMRK)222 F223 bzw. eine Zusammenfassung des in den Mitgliedstaaten gewachsenen grundrechtlichen Acquis und damit das „Konzentrat der Verfassungsüberlieferungen der Mit-gliedstaaten“ (GRCh)22 3F224 dar. In dieser Funktion binden die EMRK und die GRCh die EU indirekt, so dass die EU bei der Ausgestaltung ihrer Maßnahmen die Grund- und Menschen-rechte beachten muss.

Nach Art. 6 Abs. 1 EU-Vertrag beruht die Union auf den Grundsätzen der Freiheit, der De-mokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit.

Gemäß Art. 6 Abs. 2 EU-Vertrag achtet die „Union“ die Grundrechte. Die Grundrechtsbin-dung beschränkt sich damit nicht auf Maßnahmen der ersten Säule, sondern erstreckt sich auch auf Handlungen im Rahmen der intergouvernementalen Zusammenarbeit der „zweiten und dritten Säule“224 F225, welche den Kernbereich der Terrorismusbekämpfung darstellen.

Die Achtung der Grund- und Menschenrechte bringt die EU häufig in den einführenden Er-wägungen zu ihren Maßnahmen zum Ausdruck. Beispielsweise in ihrem Erwägungsgrund Nr.

12 zum Rahmenbeschluss „über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren

221 Ausführlicher hierzu Pechstein, in: Streinz Art. 6 EUV, Rn. 10; Hilf/Schorkopf, in: Grabitz, Band I, Art. 6 EUV, Rn. 46 ff.

222 Herdegen, S. 38.

223 Ehlers, in: Ehlers, S. 30 und 385.

224 Ehlers, in: Ehlers, S. 392.

225 Rengeling/Szczekalla, Rn. 276.

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zwischen den Mitgliedstaaten“225 F226 oder in ihrem Erwägungsgrund Nr. 10 zum Rahmenbe-schluss „zur Terrorismusbekämpfung“2 26F227 verweist sie darauf, dass die jeweilige Maßnahme die Grund- und Menschenrechte und die in Art. 6 EU-Vertrag anerkannten Grundsätze, die auch in der GRCh zum Ausdruck kommen, achtet und dass die Bestimmungen nicht dahinge-hend ausgelegt werden dürfen, dass sie Grund- und Menschenrechte verletzen.

II. Bedeutung im Rahmen der Terrorismusbekämpfung

Es liegt auf der Hand, dass sich der Großteil der Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung auf die Grund- und Menschenrechte auswirken22 7F228. Denn eine effektive Terrorismusbekämpfung kann mit dem Anspruch auf Wahrung der Grund- und Menschenrechte kollidieren. In der Literatur finden sich deshalb auch Stimmen, die sich kritisch zu der Frage der Einhaltung der Grund- und Menschenrechte im Rahmen der Terrorismusbekämpfung durch die EU äußern22 8F229. Für die Terrorismusbekämpfung durch die EU sind die Grund- und Menschenrechte in zwei-facher Hinsicht von Bedeutung.

In erster Linie ist die EU im Rahmen der Ausgestaltung der Sicherheit ihrer Bürger an die Grund- und Menschenrechte in Form von Abwehrrechten2 29F230 gebunden und damit verpflichtet, den Bürgern Rechtssicherheit, zu bieten. Daneben zwingen die Grund- und Menschenrechte die EU als Leistungsrechte aber auch dazu, die Menschen in ihrem Hoheitsgebiet aktiv zu schützen und ihnen Sicherheit zu bieten. Insofern lassen sich aus den Grund- und Menschen-rechten Schutzpflichten der EU ableiten, welche die EU verpflichten, rechtswidrige Eingriffe Dritter in die geschützte Rechtssphäre Privater zu verhindern230 F231. Die EU hat die Pflicht, die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen und den europäischen

226 ABl. EG Nr. L 190, 1.

227 ABl. EG Nr. L 164, 1.

228 Beispielsweise Sanktionsmaßnahmen gegen terrorismusverdächtige Personen. Ausführlich hierzu in Teil 5.

229 U.a. Heinz/Arendt in den Studien des Deutschen Instituts für Menschenrechte; Rengeling/Szczekalla.

230 Rengeling/Szczekalla, Rn. 267.

231 Streuer, S. 191 ff.

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gern die tatsächliche Erfüllung ihrer Pflichten zu gewährleisten231F232. Vor allem aus Art. 2 EMRK hat der EuGHMR wiederholt positive Pflichten auch bezüglich der Bekämpfung des Terrorismus abgeleitet232 F233.

Diesen beiden Aufgaben hat sich die EU durch das in Art. 2 Spstr. 4 EU-Vertrag erklärte Ziel der Schaffung eines „Raumes der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts“ selbst verpflichtet.

Um dieses Ziel zu erreichen, ist es gerade im Rahmen der Terrorismusbekämpfung die Auf-gabe der EU und ihrer Mitgliedstaaten, einen „gesunden Mittelweg“ zwischen Sicherheit und der Achtung der Menschenrechte zu finden, wobei ein Mehr an Sicherheit häufig mit einer Einschränkung der Grund- und Menschenrechte potentieller Terroristen und vor allem un-schuldiger Bürger insbesondere durch präventives Handeln einhergeht.

Zumeist sind es Vorfeldmaßnahmen, die im Rahmen der Terrorismusbekämpfung zu

Eingrif-fen233 F234 in die Grund- und Menschenrechte der Betroffenen und zu einer Abwägung im

Einzel-fall führen234 F235. Dabei können Eingriffe gerechtfertigt sein, wenn sie geeignet und notwendig sind und bei einer Abwägung das Bedürfnis an Sicherheit die Einbuße an Freiheit überwiegt.

Zu beachten bleibt jedoch, dass es einen Kernbestand von Menschenrechten (sog. absolute Rechte) gibt, in den unter keinen Umständen eingegriffen werden darf235 F236. Zu diesem Kernbe-reich gehören insbesondere das Verbot der Folter und der unmenschlichen Behandlung gemäß Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh236F237.

232 Europäisches Parlament, S. 4.

233 Vgl. Szczekalla, S. 730 m.w.N.

234 Eine Gefährdung ergibt sich insbesondere für den Schutz personenbezogener Daten gem. Art. 8 EMRK sowie gem. Art. 7 und 8 GRCh. Vgl. hierzu Rengeling/Szczekalla, Rn. 685 m.w.N.

235 Vgl. hierzu Reinle, S. 136-139.

236 So schon Heinz in einem Interview unter http://www.europa-digital.de/aktuell/dossier/terror/heinz.shtml.

237 EuGH Rs. C-112/00 (Schmidberger/AU), Urteil vom 12. Juni 2003; Rengeling/Szczekalla, Rn. 566, 584;

Jarass, S. 136; Meyer, Art. 4 GRCh, Rn. 21.

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4. Teil: Institutionelle Strukturen der Terrorismusbekämpfung

Wahrgenommen werden die der EU zugewiesenen Handlungsermächtigungen, Befugnisse und Aufgaben des EG- und EU-Vertrages zur Erreichung der Zielbestimmungen von den In-stitutionen der EU. Die vier zentralen gesetzgebenden Akteure der EU sind der Europäische Rat gemäß Art. 4 EU-Vertrag, der Rat der EU gemäß Art. 202 ff. EG-Vertrag, die Europäi-sche Kommission gemäß Art. 211 ff. EG-Vertrag und das EuropäiEuropäi-sche Parlament gemäß Art.

189 ff. EG-Vertrag237F238. Diese Institutionen erlassen in besonderen Verfahren entsprechend ihrer Kompetenzen die Rechtsakte der EU und schaffen auf diesem Wege in den Politikberei-chen, die in ihre Zuständigkeit fallen, für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen verbindliches gemeinschaftliches Recht. Im Säulensystem der EU werden diese Institutionen im Rahmen aller drei Säulen tätig. Unterschiede zwischen der Tätigkeit im Rahmen der EG und den inter-gouvernementalen Politiken bestehen allerdings in der Verteilung der Befugnisse zwischen dem Europäischen Rat, dem Rat der EU, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission238F239. Als zentrale Aufgabe der EU spielt die Terrorismusbekämpfung im Rahmen der Tätigkeit aller vier Institutionen eine bedeutende Rolle.

Neben diesen institutionell tätigen Organen der EU wird die Terrorismusbekämpfung durch operativ tätige Akteure bestimmt. Dies sind insbesondere die europäische Polizeibehörde Eu-ropol, Eurojust als europäische Justizbehörde, sonstige Gemeinschaftsagenturen, gemeinsame Ermittlungsgruppen, das Europäische Justizielle Netz und der Koordinator für Terrorismus-bekämpfung. Hauptaufgabe dieser operativen Unionseinrichtungen ist es insbesondere, im Rahmen ihrer Kompetenzen die operativen Aktivitäten der einzelnen Mitgliedstaaten zu ko-ordinieren.

238 Die sonstigen Verfassungsorgane der EU sind der EuGH und der Europäische Rechnungshof. Diese haben allerdings im Rahmen der Terrorismusbekämpfung keine Bedeutung.

239 Hierzu vgl. die Ausführungen zur Säulenstruktur der EU im 3. Teil dieser Arbeit unter B.I.

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A. Terrorismusbekämpfung durch die Organe der EU