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ungenügende Prävention von Neuralrohrdefekten

Sandra Jans-Ruggli Kurt Baerlocher

Zusammenfassung

Die Datenlage zur Folsäureversorgung in der Schweiz ist für verschiedene Bevölkerungs-gruppen noch mangelhaft. Wir haben deshalb zwischen September 2002 und Oktober 2003 den Wissensstand von Schwangeren oder Müt-tern in drei Gebärkliniken der Ostschweiz er-hoben, und zwar über Folsäure und deren Be-deutung, über den «offenen Rücken», die Er-nährungsgewohnheiten sowie die Einnahme von Folsäure während der Schwangerschaft.

Im Rahmen einer üblichen Blutkontrolle ha-ben wir zudem den Folsäurestatus bestimmt.

505 Fragebogen in deutscher, türkischer oder serbokroatischer Sprache konnten ausgewertet werden. 13% der Mütter waren ≤25 Jahre alt, 69.5% 25–34 Jahre und 17.5% ≥ 35 Jahre.

78.5% waren Schweizerinnen, 13% Westeuro-päerinnen, 7% stammten aus dem Balkan und der Türkei.

Deutschsprachige Frauen und solche aus Westeuropa sind besser über die Bedeutung von Folsäure (etwa 80% Ja-Antworten) und ihre präventive Wirkung (ca. 95%) sowie die korrekte Einnahme (ca. 90%) orientiert als Mütter aus den östlichen Ländern (ca. 60, 65 und 30 bis 50% für die gleichen Fragen), jünge-re schlechter als ältejünge-re Frauen. Als Informati-onsquellen werden v.a. die Medien und erst in zweiter Linie die Ärztinnen und Ärzte genannt.

In der aktuellen Schwangerschaft wurden 60 bis 75% der Frauen aus der Schweiz und Westeuropa von ihren betreuenden Fachperso-nen über die Ernährung (ca. 60%), die not-wendige Folsäureeinnahme (ca. 70%) und den Zusammenhang zwischen Folsäure und offe-nem Rücken (ca. 70%) aufgeklärt, nur 60, 38 und 25% aus dem Balkan und der Türkei und

ein Drittel aller Frauen überhaupt nicht. 97.5%

(!) aller Befragten haben in der Schwanger-schaft ein Folsäuresupplement eingenommen, meistens in Form eines Multivitaminpräparats (57%), aber nur 37% taten dies bereits 4 Wo-chen vor der Schwangerschaft und mindestens in den ersten 12 Schwangerschaftswochen, wie es für eine optimale Prophylaxe empfohlen wird. 80% der Schwangerschaften waren ge-plant, bei den <25-Jährigen allerdings nur 53%. Bei den geplanten Schwangerschaften lag die korrekte präventive Folsäureeinnahme bei 46%. 70% der Frauen achten auf eine vita-minreiche Ernährung, aber nur 50% haben bewusst vitaminangereicherte Lebensmittel gewählt. Annähernd 80% nehmen täglich Brot zu sich, 77% täglich Milch und Joghurt und 60% täglich einmal Gemüse. Brot wird bei der Frage nach dem wichtigsten Grundnahrungs-mittel an erster Stelle genannt. Entsprechend der Folsäureeinnahme in der Schwangerschaft war der Folsäurestatus bei den meisten Frauen sehr gut. Bei 75% der Frauen waren Serum- und Erythrozyten-Folat im oberen Normbe-reich oder sogar darüber, nur bei 4 Frauen war der Wert zu niedrig. Auch wenn die Folsäure-supplementierung in der Schwangerschaft recht hoch ist, ist die korrekte Anwendung zur Prophylaxe, d.h. 4 Wochen vor der Konzeption und in den ersten 12 Schwangerschaftswo-chen, noch ungenügend, v.a. bei Migrantinnen (Balkan, Türkei), den jüngeren Frauen und bei ungeplanter Schwangerschaft. Um die Folsäu-reversorgung gerade in diesen Situationen ver-bessern zu können, sollte die Information in-tensiviert und eine Anreicherung von Mehl mit Folsäure, wie es die Expertengruppe der Eidge-nössischen Ernährungskommission (EEK) vor-geschlagen hat, umgesetzt werden.

Einleitung

In den letzten Jahren stand die Folsäure wegen ihrer präventiven Wirkung zur Verhütung von Neuralrohrdefekten (NRD) im Zentrum des In-teresses. Verschiedene Länder haben Massnah-men wie eine Anreicherung von Mehl mit Fol-säure eingeleitet. Die bisherigen Resultate die-ser Massnahmen sind durchaus positiv (1). Ne-ben den NRD können auch andere kindliche Fehlbildungen wie Herzfehler, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten, Anomalien der ableitenden Harnwege, Analatresie und Gliedmassendefek-te verhüGliedmassendefek-tet werden (2, 3). Folsäure spielt aus-serdem aufgrund seiner Wirkung im Homocys-teinstoffwechsel eine wichtige Rolle zur Prä-vention von Krankheiten bei Erwachsenen, insbesondere bei Gefässkrankheiten (Herz-kranzgefässe, Hirn- und periphere Arterien) (1, 4). Ebenfalls gibt es Hinweise über eine posi-tive Wirkung der Folsäure auf die Krebsverhü-tung. Neuerdings werden auch Erfolge bei De-pressionen und bei der Demenz im Alter be-schrieben (1, 5).

In einem Bericht der Arbeitsgruppe Folsäu-reprophylaxe EEK wurden die Aspekte der Folsäurewirkung aus der Literatur zusammen-getragen, die bisherigen und zukünftigen Massnahmen für eine sinnvolle Prophylaxe von Krankheiten mit Hilfe der Folsäure in der Schweiz diskutiert und vorgeschlagen: Das Backmehl sei zur Verbesserung der Folsäure-versorgung der Schweizer Bevölkerung auf verbindlicher Basis mit Folsäure (3 mg/kg Mehl) und Vitamin B12 (10 µg) anzureichern.

Dies sei die effektivste, sicherste und billigste Massnahme, um das gesetzte Ziel zu erreichen (1). Grundlagen für diese Entscheidung waren Berichte über eine mit 274 µg ungenügende

tägliche Folsäureeinnahme der schweizeri-schen Bevölkerung (6) bei heutigen Bedarfs-werten von 400 µg für Erwachsene und 600 µg für Schwangere und Stillende (7), zumal die Schweizer relativ wenig folatreiches Gemüse essen (8). Bei 5 bis 20% aller Frauen besteht ein Risiko der Unterversorgung, insbesondere bei jüngeren Frauen im gebärfähigen Alter. Der EEK-Bericht hält auch fest, dass zur Beurtei-lung einer möglichen Folsäureanreicherung noch genaue Datenerhebungen über die ak-tuelle Folsäureversorgung in der Bevölkerung und besonders auch in bestimmten Bevölke-rungsgruppen notwendig seien (1).

Dies veranlasste uns, im Rahmen einer Dis-sertation eine Erhebung über das Wissen von Müttern zum Thema «Folsäure und Schwan-gerschaft» sowie die Folsäureeinnahme und Ernährungsgewohnheiten dieser Mütter in der Schwangerschaft durchzuführen. Dabei sollen bei schwangeren Frauen (Müttern), auch fremdsprachigen, mit einem in ihrer Sprache verfassten Fragebogen Kenntnisse zur Folsäure und deren Einnahme in der Schwangerschaft erfasst werden. Schwerpunktmässig wurden folgende Themen im Fragebogen behandelt:

Wissensstand der Schwangeren (Mütter) über Folsäure und deren Wirkung und Be-deutung

Einnahme von Folsäure in der Schwanger-schaft, insbesondere in der für die NRD-Prä-vention kritischen Phase

Wissensstand zum Thema Neuralrohrdefekte Ernährungsgewohnheiten

Betreuung während der Schwangerschaft.

Methodik

Von September 2002 bis Oktober 2003 wurden in drei ostschweizerischen Spitälern (Frauen-klinik St. Gallen, Spitäler Wil und Flawil) Frau-en im WochFrau-enbett ein FragebogFrau-en verteilt, der 70 Fragen in Form von Multiple-Choice-Ant-worten und eine Frage mit Aufzählung enthält.

Die Fragebogen wurden in Deutsch, Türkisch und Serbokroatisch vorbereitet. Sie wurden durch das Stationspersonal mit entsprechender Erklärung verteilt und mussten von den Frau-en allein beantwortet werdFrau-en, falls nötig mit Unterstützung durch die Stationsschwester.

Geplant waren 500 verwertbare Fragebogen.

Im Rahmen einer medizinisch indizierten Blutentnahme, entweder kurz vor oder nach der Geburt, wurden zusätzlich im Serum Fol-säure und Vitamin B12, in den Erythrozyten Folsäure (ECF) und im Plasma Homocystein

bestimmt. Die Laborbestimmungen wurden vom Institut für Klinische Chemie nach den üblichen Methoden bestimmt. Sie waren für die Mütter wie auch für das Spital nicht mit Mehrkosten verbunden.

Aufgrund ethischer Aspekte erfolgte die Be-fragung erst im Wochenbett und nicht in Form einer Kohortenstudie. Die Studie wurde von der kantonalen Ethikkommission als ethisch unbedenklich akzeptiert. Insgesamt konnten 505 von 566 Fragebogen vollständig ausgewer-tet werden. Bei einzelnen Fragen waren die Antworten unvollständig, sodass die Zahl der verwertbaren Fragebogen unterschiedlich ist.

193 Frauen verzichteten auf die Ausfüllung des Fragebogens, waren aber bereit für eine Blut-untersuchung, was die Zahl bei den Laborun-tersuchungen erhöhte. Die Altersverteilung

und Herkunftsland der befragten Mütter sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

32 Frauen lebten ≤ 5 Jahre in der Schweiz und 3 Frauen waren schon vor Wohnsitznah-me in der Schweiz schwanger. 357 (67.4%) haben schon immer in der Schweiz gelebt. 33%

der Frauen arbeiten im Sozial- oder Gesund-heitswesen mit einem entsprechenden Berufs-abschluss.

Resultate

Wissen über die Wirkung und die Verwendung von Folsäure

Das Wissen über die Wirkung und die Verwen-dung von Folsäure wurde im ersten Themen-block gefragt. Tabelle 2 gibt die Ja-Antworten

wieder, einmal die Gesamtzahl und zusätzlich aufgeteilt in die verschiedenen ethnischen Gruppen, wie oben unter Methodik angegeben, und nach drei verschiedenen Altersgruppen, nämlich unter 25 Jahre, 25–34 Jahre und über 34 Jahre. Deutschsprachige Frauen und solche aus Westeuropa sind besser über die Bedeutung von Folsäure, die präventive Wirkung, das Vor-kommen und die korrekte Einnahme orientiert als Mütter aus den östlichen Ländern, ebenso die älteren Mütter besser als die jüngeren (<25 Jahre). Die Fragen zum Wissen über Folsäure als lebenswichtiges Vitamin und seine Bedeu-tung in der Schwangerschaft werden je nach Thema von 75 bis 100% der deutschsprachigen und westeuropäischen Mütter mit Ja beantwor-tet. Deutlich schlechter ist die Zahl der Ja-Ant-worten bei der Frage nach der

präkonzeptionel-Ja - Antworten in %

Total 505 Fragebogen nach Herkunftsland nach Alter

Fragen über Folsäure Anzahl verwertbare

Fragebogen Anzahl Ja-Antworten CH D WE MMR BT ≤ 24 25–34 ≥ 35

Lebenswichtiges Vitamin 498 417 86.5 85.5 78.5 68 56 65 84.5 92

Vorkommen in Gemüse 498 365 76.5 82.5 74 64.5 31.5 47.5 74 89

Zusätzlich als Vitaminpräparat in Schwangerschaft 501 421 87 97 83 64.5 53 70.5 85.5 87.5

Wichtig für frühe Entwicklung des Kindes 499 454 94 100 91 78.5 60.5 72 93.5 96.5

Korrekte Einnahme senkt Risiko für Neuralrohrdefekt 498 423 89.5 97 84.5 66.5 32.5 63 87.5 92

Wichtig: Einnahme 1 Monat vor Schwangerschaftsbeginn 503 343 72.5 85.5 66 46.5 23.5 43 71 77.5

Prophylaxe anderer Fehlbildungen 501 270 54 65 60 57 42.5 44 57 50

Erwachsene: Prophylaxe von Gefässkrankheiten 496 78 14 20.5 20.5 18.5 22 11.5 17 13.5

Prophylaxe von Krebs 496 63 11 12 17 22 21 6.5 12 19.5

Rauchen erhöht Bedarf an Folsäure 478 132 27.5 35.5 28.5 20 19.5 18.5 27.5 35

CH: Schweiz, D: Deutschland, WE: Westeuropa, MMR: Mittelmeerraum, BT: Balkan-Türkei

Tabelle 2: Wissen über die Wirkung und die Einnahme von Folsäure

Alter der Mütter:

≤ 24 Jahre: 65 13 %

25–34 Jahre: 350 69.5%

≥ 35 Jahre: 98 17.5%

nicht verwertbar 1

Herkunftsland der Mütter:

Schweizerinnen (CH) n = 396 78.5%

Westeuropäerinnen (WE) davon: Deutschsprachige ohne Schweiz (D) Mittelmeerraum ausser Balkan (MMR)

n = 65 n = 34 n = 28

13 % 6.5%

5.5%

Balkan und Türkei (BT) n = 35 7 % Andere (z.B. Lateinamerika) n = 8 1.5%

Nicht verwertbar n = 1

Tabelle 1: Altersverteilung und Herkunftsland der befragten Mütter

len Einnahme von Folsäure und ihrer präventi-ven Wirkung bei anderen Fehlbildungen sowie bei Gefässkrankheiten und Krebs.

Information der Frauen über die Ernährung in der Schwangerschaft und die Wichtigkeit der Folsäureeinnahme

Bei der Frage, aus welcher Informationsquelle die Frauen die Information über die Folsäure erhalten haben, erwähnten 26% (v.a. Schwei-zer Frauen) die Medien (Radio, Fernsehen, Zeitung, Zeitschriften) als wichtigste Quelle, 23.5% die behandelnde Frauenärztin oder den Frauenarzt (v.a Frauen anderer Nationalität er-wähnen diese an erster Stelle), und 10.8% ga-ben an, nicht informiert worden zu sein. 7%

nannten die medizinische Fachliteratur als Quelle. Frauen, die mehrere Antworten gaben (obwohl nur die wichtigste gefragt war), nann-ten das Babybuch ebenfalls als wichtige Quelle.

Im Balkan und der Türkei spielt auch der Be-kanntenkreis als Informationsquelle eine nicht unbedeutende Rolle.

Tabelle 3 fasst die Ja-Antworten auf die Fra-gen bezüglich der Aufklärung über Ernährung,

Notwendigkeit der Folsäureeinnahme und den Zusammenhang zwischen Folsäure und «offe-nem Rücken» durch die betreuende Fachper-son vor oder während der aktuellen Schwan-gerschaft zusammen. Hier schwanken die Ja-Antworten zwischen 53 bis 79%, mit Ausnah-me der Frauen aus dem Balkan und der Türkei mit deutlich niedrigeren Werten (25 bis 59%).

Es ist auffallend, dass ein Drittel aller Frauen angibt, über diese wichtigen Themen nicht in-formiert worden zu sein. Wiederum sind die Zah-len bei den jungen Frauen tiefer als bei den älte-ren, mit Ausnahme des Themas «Ernährung».

Folsäureeinnahme in der aktuellen Schwangerschaft

Tabelle 4 zeigt die Einnahme von Folsäure während der aktuellen Schwangerschaft, und zwar gesamthaft und unterteilt in geplante und ungeplante Schwangerschaft. 97.5% der Frau-en habFrau-en Folsäure eingFrau-enommFrau-en, davon aber nur 37% präkonzeptionell, d.h. zum empfohle-nen Zeitpunkt für eine NRD-Prävention. 49.3%

begannen mit der Folsäureeinnahme vor der achten Schwangerschaftswoche. 80% der

Schwangerschaften waren geplant, bei den un-ter 25-Jährigen allerdings nur 53%. Die Fol-säureeinnahme war aber davon unabhängig sehr hoch. Bei den geplanten Schwangerschaf-ten wurde Folsäure von 46% der Frauen kor-rekt eingenommen, bei den ungeplanten von 3%. 74% der Frauen, die ihre Schwangerschaft planten, wussten um die frühe Folsäureein-nahme, aber nur 56% von ihnen haben

Folsäu-re schon 4 Wochen vor der Konzeption und 12 Wochen nachher eingenommen.

72% der Frauen, die Folsäure einnahmen, erhielten diese von der Frauenärztin oder vom Frauenarzt verschrieben. 13.5% sagten, sie hätten kein Rezept oder Präparat erhalten, und 14.5% wussten nicht, ob das rezeptierte Präpa-rat Folsäure enthielt. 57% der Frauen gaben an, ein Multivitaminpräparat eingenommen zu haben, 7.4% ein Folsäureeinzelpräparat und 4.6% Folsäure in Kombination mit Eisen, 14%

Folsäure und ein Multivitamin-Präparat und 10.6% ein Folsäure/Eisen-Präparat zusammen mit Vitaminen.

Besondere Ernährungsaspekte in der Schwangerschaft

Dieser Fragenkomplex befasst sich mit der Er-nährung der Frauen in der Schwangerschaft, besonders im Hinblick auf die Folsäurezufuhr

Aufklärung über: Ja - Antworten in %

Total 505 Fragebogen nach Herkunftsland nach Alter

Anzahl verwertbare

Fragebogen Anzahl

Ja-Antworten CH D WE MMR BT ≤ 24 25–34 ≥ 35

Ernährung in Schwangerschaft 493 297 60.5 53 55.5 61.5 59.5 65.5 61.5 53

Notwendigkeit der

Folsäure-einnahme in SS 490 342 72 79.5 73.5 70.5 38.5 47.5 72.5 76.5

Zusammenhang zwischen

Folsäure und «offenem Rücken» 493 316 67.5 70.5 61.5 53.5 25 38.5 66.5 73.5

CH: Schweiz, D: Deutschland, WE: Westeuropa, MMR: Mittelmeerraum, BT: Balkan-Türkei

Tabelle 3: Aufklärung vor oder während aktueller Schwangerschaft (SS) durch betreuende Fachperson (Arzt/

Hebamme)

Anzahl Fragebogen unklar, ob FS eingenommen verwertbare Antworten

Ja-Antworten % Anzahl

Ja-Antworten % Anzahl

Ja-Antworten %

Einnahme von Folsäure 459 97.5 356 98 87 95.5

vor Konzeption ≥ 1 Monat vorher

≥ 1 Monat vorher unbestimmt unbestimmt

allgemein unklarer Zeitpunkt 76 16 64 17.5 9 10

keine Einnahme 12 2.5 7 3.5 4 4.5

* ohne Angabe, ob SS geplant: 21

Tabelle 4: Einnahme von Folsäure (FS) während aktueller Schwangerschaft (SS)

durch die tägliche Ernährung. Tabelle 5 gibt ei-nen Überblick über die Antworten auf die Fra-gen: Haben Sie besonders vitaminreich geges-sen? Haben Sie bewusst vitaminangereicherte Lebensmittel eingenommen? Wie war der täg-liche Konsum an Brot, Gemüse und Salat und wie die Zufuhr von Milch, Joghurt und Käse?

70% der Frauen achteten auf eine vitamin-reiche Nahrung. Es bestehen nur geringe Un-terschiede zwischen den Frauen aus den ver-schiedenen Herkunftsländern und zwischen den Altersgruppen. Deutlich weniger Frauen (50%) verzehrten bewusst vitaminangerei-cherte Lebensmittel. Überraschend hoch ist hier der Anteil bei den Frauen aus dem Balkan und der Türkei (76%).

Der tägliche Brotkonsum ist im Hinblick auf eine Anreicherung des Mehls mit Folsäure von

Interesse. 79% aller Frauen nehmen täglich Brot zu sich, etwa die Hälfte davon 1 bis 2 Scheiben und die andere Hälfte 2 bis 4 Scheiben oder sogar mehr. Allerdings bestehen hier z.T.

deutliche Unterschiede zwischen den ethni-schen Gruppen. Dies trifft auch für den Gemü-se- und Salatkonsum zu. Annähernd 60%

nehmen täglich einmal Gemüse zu sich und etwa 38% zwei- bis dreimal täglich. Milch, Jo-ghurt und Käse werden als wichtige Lebens-mittel bezeichnet. 77% der Frauen konsumie-ren Milch und Joghurt täglich, 65% sogar 3 dl oder mehr, ältere Frauen etwas mehr als jünge-re und Frauen aus dem Balkan und der Türkei weniger als diejenigen aus den westlichen Re-gionen. 15% der Frauen essen täglich Käse.

Bei der Frage nach dem für sie wichtigsten Grundnahrungsmittel war eine einzige

Ant-wort aus einer Zusammenstellung von 8 Le-bensmitteln gefragt. Bei den Einzelantworten (Abb. 1a) wurde das Brot (B) mit 41% deutlich am häufigsten genannt, gefolgt von Milch (M, 20%), Gemüse (G, 17%) und Kartoffeln (K, 7%). Bei den Mehrfachantworten (Abb. 1b) ist die Reihenfolge etwas anders, es werden aber die gleichen Lebensmittel genannt.

Frauen aus dem Balkan und der Türkei mes-sen Brot, Milch und Teigwaren gleiche Bedeu-tung zu (je 20% Ja-Antworten), dem Gemüse aber den höchsten Wert (40%). Auch bei Frau-en aus der Mittelmeer-Region (ohne Balkan-Region) steht Gemüse weit oben (31%). Vor allem von den älteren Frauen wird Brot stark favorisiert.

B = Brot, K = Kartoffeln, R = Reis, T = Teigwaren, G = Gemüse, F = Früchte, L = Fleisch, M = Milch/Milchprodukte

Abbildung 1: Welches ist für Sie das wichtigste Grundnahrungsmittel?

a) Einzelantworten b) Mehrfachantworten

Total Eine Angabe (n = 354) Total Mehrere Angaben

M

Fragen zur Ernährung Ja - Antworten in %

Total 505 Fragebogen nach Herkunftsland nach Alter

Anzahl verwertbare

Fragebogen Anzahl

Ja-Antworten CH D WE MMR BT ≤ 24 25–34 ≥ 35

Vitaminreiche Ernährung 488 342 70.5 82 70.5 60 64.5 76.5 67.5 77

Bewusste Einnahme

vitamin-angereicherter Lebensmittel 494 246 47 53 50 54 76 69.5 46 50

Brotkonsum täglich 1–2 Scheiben / Tag 2–4 Scheiben / Tag

≥ 4 Scheiben / Tag Milch und Joghurt täglich

≤ 3 dl

Tabelle 5: Fragen zur Ernährung während aktueller Schwangerschaft

Kenntnisse über den Neuralrohrdefekt (NRD) Wissen Sie, was ein Neuralrohrdefekt ist? Wis-sen Sie, was wir unter «Spina bifida» verste-hen? Haben Sie den Ausdruck «offener Rü-cken» schon einmal gehört? Haben Sie gewusst, dass der erste Schwangerschaftsmonat für die Gehirn- und Rückenmarksentwicklung kritisch ist? Die Antworten auf diese Fragen sind in Ta-belle 6 zusammengestellt. Der Begriff «offener Rücken» ist am bekanntesten (gesamthaft 95%

Ja-Antworten), «Spina bifida» wird nur von zwei Dritteln der Frauen erkannt. Den Begriff Neuralrohrdefekt, der in der Fachliteratur ein-deutig am meisten verwendet wird, kennen nur etwas mehr als ein Viertel aller Frauen.

Dies trifft auch auf die Schweizer Frauen zu, bei den Frauen aus der Mittelmeer- und Balkan-Region sind diese Begriffe deutlich weniger be-kannt. 59% der Frauen wissen, dass der erste Schwangerschaftsmonat für die Entwicklung von Gehirn und Rückenmark eine sensible und damit kritische Phase ist. Besonders eindrück-lich ist die Unkenntnis darüber bei jungen Frauen im Verhältnis zu denen mittleren und höheren Alters.

Bestimmung des Folsäurestatus und des Plasma-Homocysteins

Da wenige schweizerische Daten über den Fol-säurestatus bei Frauen in der Schwangerschaft bekannt sind, haben wir im Rahmen der Studie die genannten Laboranalysen durchgeführt (Tabelle 7). Die Zahl der Analysen ist aus den besagten Gründen höher als diejenige bei den Fragebogen. In der Regel wurde die Blutent-nahme vor dem Ausfüllen des Fragebogens vorgenommen. Entsprechend der hohen Zahl von Frauen, die in der Schwangerschaft Fol-säure einnahmen, ist die FolFol-säurekonzentrati- Folsäurekonzentrati-on bei den meisten normal ausgefallen, nur bei vier Frauen (0.7%) war die Serum-Folsäure zu niedrig (<3.5µg/L) und bei einer Frau auch das EC-Folat. Die Folsäurekonzentration im Serum war bei 75% der Frauen im oberen Normbe-reich und bei 9% sogar über der Norm. 28%

der ECF-Werte waren im oberen Normbereich und 54% sogar darüber (>628 µg/L). Homocys-tein, ein wichtiger kardialer Risikofaktor und bei Folsäure- oder Vitamin-B12-Mangel erhöht, war bei insgesamt 14 Frauen (2%) über dem Grenzwert von 15 µmol/L. Bei 18% der Frauen

lag Homocystein zwischen 10 bis 14 µmol/L und bei 80% unter 9 µmol/L.

Diskussion

Anhand zahlreicher epidemiologischer Studien wie auch anhand von Interventionsstudien ist die präventive Wirkung der Folsäure zur Ver-minderung des Risikos für NRD und andere kindliche Fehlbildungen nachgewiesen (1, 3).

Dies hat 1996 die EEK und das Bundesamt für

Gesundheit veranlasst, zusammen mit den schweizerischen Fachgesellschaften für Ge-burtshilfe und Gynäkologie sowie Pädiatrie Empfehlungen zur Folsäureeinnahme vor und während der Schwangerschaft zur Prävention von NRD herauszugeben (9). Unsere Untersu-chung sollte zeigen, wie heute diese Empfeh-lungen und das Wissen um die präventive Wir-kung der Folsäure in der Praxis umgesetzt wer-den. Dabei stellten sich uns folgende Fragen:

1. Wie sind die Kenntnisse über die Bedeutung von Folsäure in der Schwangerschaft? Wann sollte Folsäure eingenommen werden, um eine möglichst gute präventive Wirkung zu erzielen? Und wie sind die aktuellen Daten der Folsäureeinnahme in der Ostschweiz?

2. In welcher Form und in welcher Menge soll Folsäure eingenommen werden? Genügt eine folsäurereiche Ernährung oder sind Supplemente von Folsäure notwendig? Ge-nügt dabei die alleinige Zufuhr von Folsäure oder sind Multivitaminpräparate vorzuzie-hen?

3. Wie kann die Folsäureversorgung verbessert werden? Ist eine Anreicherung von

Lebens-Fragen zu NRD Ja - Antworten in %

Total 505 Fragebogen nach Herkunftsland nach Alter

Anzahl verwertbare

Fragebogen Anzahl

Ja-Antworten CH D WE MMR BT ≤ 24 25–34 ≥ 35

Was versteht man unter Neuralrohrdefekt? 484 128 26.5 56 36.5 11.5 11.4 8 27 38.5

Was ist eine Spina bifida? 497 330 71.5 76 77.5 48 14.5 29 67 82.5

Begriff «offener Rücken» schon gehört? 504 480 98.5 97 92 85 63 86 6.5 98

Erster Schwangerschaftsmonat als kritische Phase für Gehirn- und Rückenmarksentwicklung?

493 292 62.5 70.5 60.5 50 19.5 31.5 62.5 67

CH: Schweiz, D: Deutschland, WE: Westeuropa, MMR: Mittelmeerraum, BT: Balkan-Türkei.

Tabelle 6: Wissen über Neuralrohrdefekt ( NRD )

Serum-Folsäure Erythrocyten-Folsäure Homocystein

Norm: 3.5–16 µg/L Norm: 140–628 µg/L Norm: ≤ 15 µmol/L

µg/L Anzahl % µg/L Anzahl % µmol/L Anzahl %

≤ 3.5 4 0.5 ≤ 140 1 0.2 ≤ 15 586 98

≥ 15 12 2

3.5–9.9 108 140–399 107

90.5 45.5 1.0–4.9 18 3

10.0–16.0 433 400–628 166 5.0–9.9 460 77

10.0–14.9 108 18

≥ 16 53 9 ≥ 628 324 54.3

Tabelle 7: Folsäurestatus und Plasma-Homocystein zum Zeitpunkt der Geburt bei 598 Frauen

} }

mitteln mit Folsäure, insbesondere von Ge-treidemehl, dazu geeignet?

4. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus den Resultaten der Studie?

4. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus den Resultaten der Studie?