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Risiken einer vegetarischen Ernährungsweise

Das Hauptrisiko besteht darin, dass durch den Wegfall von Fleisch und Fisch bestimmte Nähr-stoffe nicht mehr in genügenden Mengen auf-genommen werden. Besondere Bedeutung kommt in erster Linie dem Vitamin B12 zu, das nur in tierischen Nahrungsmitteln vor-kommt. Im gleichen Sinne betroffen ist auch das Vitamin D, das aber beim Menschen teil-weise endogen aus Cholesterin gebildet werden kann. Weitere Nährstoffe, deren Zufuhr kritisch sein kann, sind Zink, Eisen, Selen, Calcium und die langkettigen n-3-Fettsäuren. Bei den Ovo-Lacto-Vegetariern sind die genannten Ri-siken klein, sofern sie ein breites pflanzliches Angebot bei ihrer Nahrungsauswahl berück-sichtigen.

Bei Veganern kann es durch den zusätzli-chen Verzicht auf alle tieriszusätzli-chen Produkte zu Mangelerscheinungen kommen, die besonders bei Schwangeren, Kleinkindern aber auch älte-ren Leuten ein grosses Risiko für gesundheit-liche Schädigungen darstellen. In erster Linie muss auf die genügende Zufuhr des Vitamins B12 geachtet werden, aber für die anderen oben genannten Stoffe können je nach Nahrung ebenfalls leicht Versorgungsengpässe entstehen.

Vitamin B12 (Cobalamin)

Beim Menschen ist Vitamin B12 an den folgen-den zwei Reaktionsvorgängen beteiligt. Das Methylcobalamin wirkt als Coenzym bei der enzymatischen Remethylierung von

Homo-cystein zu Methionin, an der auch Folsäure be-teiligt ist. Ein Mangel an einem dieser beiden Vitamine führt deshalb zu einem Anstieg von Homocystein im Serum – einem kardiovasku-lären Risikofaktor (siehe unten). Ein Mangel an Methionin hemmt ausserdem die Synthese von Purinen und Pyrimidinen und somit die Zell-teilung. Als Folge kommt es zu einer makrocy-tären hyperchromen Anämie. Weiterhin ist Adenosylcobalamin an Isomerisierungsreakti-onen beteiligt, insbesondere bei der Umwand-lung von Methylmalonyl-CoA zu Succinyl-CoA, sodass ein Mangel an Vitamin B12 zu einem Anstieg von Methylmalonsäure im Blut führt. Der Vitamin-B12-Mangel kann zur funicu-lären Myelose führen, bei der es zur Degene-ration der weissen Substanz der Hinter- und Seitenstränge des Rückenmarks kommt. Folge solcher Veränderungen sind Nervenstörungen wie Parästhesien, Ataxien, Reflexstörungen und weitere neurologische Veränderungen.

Der genaue Wirkungsmechanismus von Vita-min B12 ist hier nicht bekannt, diese Störungen treten aber erst nach mehrjährigem chroni-schem Mangel an Vitamin B12 auf (34, 35).

Vitamin B12 kommt ausschliesslich in tieri-schen Produkten und allenfalls in einigen Bakterien vor, nicht aber in Pflanzen. Gewisse Meerespflanzen wie Algen produzieren zwar eine dem Vitamin B12 ähnliche Verbindung, sie besitzt aber beim Menschen keine Wirkung (36, 37). Da der tägliche Bedarf mit 3 Mikro-gramm für Jugendliche und Erwachsene (38) sehr klein ist, kann ein Teil über bakterielle Kontamination (37), oder auch durch fermen-tierte Produkte, z.B. Sauerkraut, aufgenom-men werden. Unter normalen hygienischen Bedingungen stellt man aber insbesondere bei Veganern oft eine Unterversorgung fest.

Ovo-Lacto-Vegetarier hingegen haben ein kleineres Risiko, da Vitamin B12 sowohl in Eiern wie in Milch vorkommt. Einmal aufgenommenes Vitamin B12 kann über mehrere Jahre gespei-chert werden. Ausserdem wird das über die Galle ausgeschiedene Vitamin B12 im Darm wieder zu einem grossen Teil rückresorbiert.

Bei mangelnder Aufnahme vom Vitamin B12

durch die Nahrung kann es deshalb mehr als 5 Jahre dauern, bis ein messbarer Mangel auf-tritt. Wesentlich schneller wird ein Mangel

sichtbar, wenn die Resorption des Vitamins im Darm gestört ist, wie das bei einem Mangel am Intrinsic-Faktor der Fall ist. Dieser Faktor ist ein Protein, das im Magen freigesetzt wird, Vitamin B12 bindet und im Darm für die Resorption des Vitamins verantwortlich ist. Auch bei mangeln-der Säurebildung im Magen, die bei 10–30%

der über 50-Jährigen vorkommt, ist die Resorp-tion vermindert, da der Magen die natürliche Form des proteingebundenen Vitamin B12 nicht hydrolisieren kann und das Vitamin somit Tabelle 2: Säuglinge und Kleinkinder mit Vitamin-B12-Mangelsymptomen bei vegetarischer Ernährung der

Mutter

Jahr

(Referenz) Alter bei 1. Symptomen Serum B12 klinische Zeichen Laborbefunde Zustand nach Behandlung Ernährung Kind Ernährung

Mutter 198 (65) Neugeborenes 304 ng/l Blässe, Müdigkeit, Apathie, Trinkschwäche, auffällige

Augenmotorik, makrocytäre Anämie Hkt 32%, MCV 115 fl

Lc übersegm., Riesen-formen, Folsäure 10.6 µg/l MMA (Urin) 

gute Erholung gestillt vegetarisch,

gelegent-lich tierisches Protein keine Vitamine in SS B12 160 ng/l

1986 (66) 8–11 Monate 75 pmol/l

MM: 36.9 pmol/l Hypoaktivität, kein Sitzen und Drehen mehr, musk.

Hypotonie, Gedeihstörung (Gew. < 3. Perc), Lethargie und Irritabilität, makrocytäre Anämie

Hb 73 g/l , Hkt 21%

MCV 103 fl rasche Besserung, nach 2 Wochen Sitzen, spontane Bewegungen, Spielen, sozialer Kontakt

11 Monate gestillt,

keine Beikost streng vegan, B12 74 pmol/l

1919 (67) 6–9 Monate 28 ng/l

MM: 85 ng/l Gedeihstörung, Entwicklungsstörung, Hypoaktivität, Apathie, musk. Hypotonie, Myoklonien, megaloblastä-re Anämie

Hb 88 g/l, Hkt 26%

MCV 110 fl Hcy 21 µmol/l MMA (Urin)  EEG abnorm

rasche Besserung, Myoklonien verschwunden, aktives Bewegen Gewicht und Länge holen auf, EEG und Laborbefunde normal

9 Monate gestillt,

keine Beikost streng vegan, B12 90 ng/l

1914 (68) 12–13 Monate 84 ng/l schwere Gedeihstörung, Blässe, Müdigkeit, Apathie,

Appetitlosigkeit, megalocytäre Anämie Hb 46 g/l, MCV 104 fl gute Gewichtszunahme,

Erholung 4 Monate voll gestillt,

5 Monate teilw. Gestillt, Getreide,Dattelmark, Honig, Mandelmus

vegetarisch, kaum tierisches Protein keine Vitamine B12 210 ng/l 1999 (69) 16 Monate 62 ng/l kontaktarm, bewegungsarm, Kontrakturen,

regredien-te Entwicklung MRI: supra- und

infraten-torielle Hirnatrophie 18 Monate gestillt,

ab 8. Monat etwas Gemüse und Früchte

streng vegan

2000 (70) 24–27 Monate 63 pmol/l schlechtes Gedeihen, langsame psychomotorische Entwicklung, akut: bewegungsarm,apathisch, Verlust von Geh- und Sprechfähigkeit, Hypotonie, Ataxie, EQ 20%

Hb 61g/l, Hkr. 19%

MCV 97 fl, MMA (Urin)  MRI: corticale Atrophie EEG: Allgemeinverände-rungen

Fortbestehen des

Entwicklung-rückstands, mit 6 J. IQ 85 9 Monate voll gestillt, danach teilw. gestillt und veganische Beikost

streng vegan (Allergie?)

6–12 Monate 40 pmol/l Reizbarkeit, Müdigkeit, Adynamie, Hypotonie, Somnolent, Strabismus,

EQ < 50%, makrocytäre Anämie

Hb 52 g/l, Hkt 13%

MCV 108 fl, MMA (Urin)  Hcy 

weiterhin Entwicklungsrückstand, Mit 28 Monaten IQ 75%

sek. Mikrocephalie

6 Monate voll gestillt, danach zusätzlich wenig vegetarische Beikost

streng vegan (Ekzem) 6–12 Monate 63 pmol/l Irritabilität, retardierte Entwicklung, muskuläre

Hypotonie, Somnolenz, EQ 65%, MMA (Urin) , Hcy 

EEG: Allgemeinveränderungen rasche Besserung von Müdigkeit,

EQ mit 18 Monaten 85% >6 Monate voll gestillt

Beikost wird verweigert streng vegan (Ekzem) Vitamin B12 Total Vegetarierin keine Vegetar. Alter/Jahre

ng/l % n = 17 % n = 386 % ≤ 24

n = 85 25–34

n = 411 ≥ 35 n = 101

< 200 19.6 5.9 20.5 20 19.2 20.8

200–300 59.5 70.6 60.4 64.7 59.9 53.5

301–1000 20.9 23.5 19.2 15.3 20.9 25.7

Normbereich Vitamin B12: 200–1000ng/l.

Tabelle 1: Serum Vitamin B12 bei 594 Müttern zum Zeitpunkt der Geburt

SS = Schwangerschaft.

anschliessend im Darm nicht resorbiert wird.

Es kann somit bei betagten Vegetariern zu einem doppelten Risiko für eine Vitamin-B12 -Unterversorgung kommen.

Während der Schwangerschaft sinkt der Vitamin-B12-Gehalt der Mutter, da sich dieses Vitamin in der fetalen Leber anreichert (39).

Bei Vitamin-B12-Mangel veganisch ernährter Mütter enthält die fetale Leber deutlich weni-ger Vitamin B12. Bei einer Untersuchung an drei St. Galler Gebärkliniken bei insgesamt 594 Frauen waren die Vitamin-B12-Werte im Plasma bei der Geburt mehrheitlich im unteren Referenzbereich (Tabelle 1). Minet und Mitar-beiter (40) haben an den Kinderkliniken des Kantonsspitals Bruderholz (BL) und Freiburg im Breisgau bei 182 Säuglingen im Alter von 1–120 Tagen im Serum Vitamin B12, Folsäure und Homocystein bestimmt. Der Mittelwert für Vitamin B12 lag bei 520 pg/ml (84–2300).

Erhöhte Homocystein-Werte waren signifikant mit niedrigeren Vitamin-B12- und Folsäurewer-ten assoziiert, wobei ein Homocystein-Wert von >10 mol/l eine Sensitivität von 97% auf-wies. Homocystein kann deshalb als Mass für einen Vitamin-B12-Mangel bei Neugeborenen herangezogen werden. Mit einem Vitamin-B12 -Mangel geborene und gestillte Kinder weisen einen höheren zellulären Vitamin-B12-Bedarf auf (Lütschg, pers. Mitteilung). Kinder mit Vita-min-B12-Mangel zeigen eine Gedeihstörung, psychomotorische Entwicklungsverzögerung, Apathie oder Irritabilität, Muskelhypotonie, makrozytäre Anämie und evtl. sogar eine Hirn-atrophie. Im Urin scheiden sie vermehrt Methylmalonsäure aus und im EEG besteht ein abnormes Kurvenbild (41). Auch in der Schweiz wurden mehrere Neugeborene, Säug-linge und Kleinkinder beobachtet, die infolge

eines Vitamin-B12-Mangels wegen ungenügen-der Zufuhr bei ungenügen-der Mutter schwere neurologi-sche Störungen und/oder Gedeihstörungen mit makrozytärer Anämie aufwiesen wie die Tabel-le 2 zeigt. In Indien ist als Folge eines Vitamin-B12-Mangels das infantile Tremor-Syndrom bei Säuglingen beschrieben. Dabei liess sich sogar im Liquor (Gehirnflüssigkeit) ein erniedrigtes Vitamin B12 nachweisen. Leider führte dieser Vitamin-B12-Mangel bei manchen Kindern zu bleibenden Entwicklungsstörungen (42). Beim Follow-up von 28 Kindern mit Vitamin-B12 -Mangel in der Säuglings- und Kleinkinder-Zeit wiesen 17 eine abnormale Entwicklung mit allgemeiner Entwicklungsverzögerung, Schul-leistungsschwächen und Lernstörungen auf.

Umso mehr sind Ernährungskontrollen und diätetische Massnahmen bei den Müttern, be-sonders bei veganischer Ernährung in Schwan-gerschaft und Stillzeit notwendig, um solche Folgen bei den Kindern zu vermeiden (39, 43).

Die Veganer sind ganz allgemein eine Risiko-gruppe für Vitamin-B12-Mangel. Dieser tritt aber bei Erwachsenen relativ selten auf, da die Veganer – insbesondere in den angelsäch-sischen Ländern – vermehrt Vitamin-B12 -Supplemente oder mit Vitamin B12 angerei-cherte Produkte essen. Ohne externe Zufuhr werden aber immer wieder stark absinkende Vitamin-B12-Werte im Serum oder auch andere Parameter festgestellt, die auf eine kritische Versorgung hinweisen (44).

Schon seit mehr als 10 Jahren ist bekannt, dass ein erhöhtes Homocystein (45) im Serum eines der ersten Symptome von Vitamin-B12 -Mangel ist und gerade bei Veganern relativ oft auftritt (35, 46, 47). In anderen Unter-suchungen wurde auch bei Ovo-Lacto-Vegeta-riern eine erhöhte Homocysteinkonzentration

festgestellt (47–51). Ein zu hoher Serum-Homocystein-Gehalt gilt seit einiger Zeit als unabhängiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Krankheiten (52). Kürzlich wurde Homocy-stein nun auch als starker, unabhängiger Risiko-faktor für die Entstehung einer Demenz und der Alzheimerkrankheit eingestuft (35, 53).

Somit könnten betagte Veganer besonders gefährdet sein.

Vitamin D3

Der Bedarf an Vitamin D3 wird einerseits durch die körpereigene und lichtabhängige Synthese in der Haut und andererseits durch die Zufuhr von Nahrungsmitteln tierischer Herkunft ge-deckt. Für Ovo-Lacto-Vegetarier bestehen in der Regel keine zusätzlichen Versorgungs-probleme gegenüber den Nicht-Vegetariern.

Hingegen sind die Veganer, insbesondere die Säuglinge und Kleinkinder, einem grossen Risi-ko für Vitamin-D3-Mangel ausgesetzt, der zu schwerwiegenden Folgen beim Knochen-aufbau führen kann. Heute werden in der Schweiz Neugeborene in der Regel mit Vitamin D3 substituiert (Empfehlungen der Schweizeri-schen Gesellschaft für Pädiatrie für die Säug-lingsernährung 1998). Es ist zu hoffen, dass diese Vorsorgemassnahme von allen Vegetari-ern inklusive VeganVegetari-ern akzeptiert wird. Bei Veganern ist auch die Vitamin-D3-Versorgung bei Schwangeren ungenügend, und in der Muttermilch ist der Gehalt deutlich niedriger als bei nicht Nicht-Vegetariern. Als weitere Ri-sikogruppe für eine ungenügende Vitaminver-sorgung sind bei Nicht-Vegetariern und Vegeta-riern die Betagten zu erwähnen, weil hier die Eigensynthese des Vitamins deutlich verringert ist. Deshalb wurde die empfohlene Zufuhr im Vergleich zu den jüngeren Nicht-Vegetariern

verdoppelt (38, 54). Auch in diesem Fall be-steht für die veganisch ernährten Senioren ein grosses Risiko für einen Vitamin-D-Mangel.

Calcium

In der Schweiz und auch in den USA stammen drei Viertel des zugeführten Calciums aus Milch und Milchprodukten, etwa 3% aus Weizen-produkten, 13% aus Gemüse und Früchten und die restlichen 9% aus anderen Produkten wie Fleisch und Eiern (55). Im Gegensatz zu Milch und Milchprodukten besitzen pflanzliche Produkte eine niedrigere Calciumdichte und teilweise auch eine geringere Bioverfügbarkeit.

Diese ist besonders bei einem hohen Gehalt an Phytinsäure (z.B. in Getreideprodukten) oder an Oxalsäure (z.B. in Spinat, Rhabarber) in der Nahrung vermindert, da beide Substan-zen mit Calcium nicht resorbierbare Komplexe bilden.

New (56) hat die Situation der Knochen-gesundheit bei Vegetariern zusammengefasst.

Die Regulation des Knochenstoffwechsels ist sehr komplex. Einerseits muss genügend Calci-um aufgenommen werden, andererseits spielt die Proteinaufnahme eine wichtige Rolle.

Wenn die Zufuhrmenge von Proteinen eine kritische Grösse unterschreitet, kann es zu einem vermehrten Knochenabbau kommen, auch wenn genügend Calcium in der Nahrung vorhanden ist. Ganz allgemein wurde fest-gestellt, dass die Zufuhr von Gemüse und Früchten eine positive Wirkung auf den Knochenstoffwechsel ausübt. Erwartungsge-mäss zeigt die Mehrzahl der Studien, dass zwischen Ovo-Lacto-Vegetariern und Omnivo-ren bei der Knochendichte keine Unterschiede auftreten. Bei Veganern können aber sowohl die Aufnahme von Calcium wie auch diejenige

von Protein zu knapp sein, was zu einem er-höhten Risiko für die Gesundheit der Knochen führen kann.

Eisen

Eisenmangel ist ein weltweites Problem, wobei vor allem Frauen im gebärfähigen Alter sowie Jugendliche und Kinder besonders betroffen sind.

Bei einer Fleisch enthaltenden Nahrung wird ein Teil des Eisens aus Fleisch als Häm-Eisen aufgenommen und ein Teil aus dem Rest der Nahrung. Häm-Eisen aus Fleisch ist besser resorbierbar als das pflanzliche. Nach den neuen Empfehlungen der USA (57) sollten Vegetarier deshalb eine 1.8-mal höhere Eisen-zufuhr über die Nahrung haben als bei einer Ernährung mit Fleisch. Obwohl die Eisen-speicher insbesondere bei vegetarischen Frau-en und Kindern wFrau-eniger gut gefüllt sind als bei Omnivoren, sind die Eisenkonzentrationen im Serum bei Langzeit-Vegetariern erstaun-licherweise nicht oder nur wenig niedriger als bei Nicht-Vegetariern. Auch die Hämoglobin-Werte sind bei Vegetariern nicht tiefer als bei Nicht-Vegetariern (58). Diese Befunde schei-nen im Widerspruch zu stehen mit den sich auch vegetarisch ernährenden Bewohnern in vielen Entwicklungsländern, die aber im Gegensatz zu den Vegetariern in westlichen Ländern häufig an Anämien leiden. Die Gründe dafür sind unklar, können aber vielleicht mit der grösseren Auswahl an Eisen enthaltenden pflanzlichen Produkten wie Vollkornproduk-ten, Samen und speziellen Gemüsesorten in den westlichen Ländern zusammenhängen (58, 59).

Zink

Zinkmangel kann zu erhöhter Infektionsanfäl-ligkeit, schlechter Wundheilung, Appetitlosig-keit, Dermatitis bis hin zu Entwicklungsstörun-gen bei der Sexualentwicklung und Spermato-genese führen. Gemäss den D-A-CH-Referenz-werten für die Nährstoffzufuhr (38) wird für erwachsene Frauen eine Aufnahme von 7 mg/

Tag, bei Schwangerschaft von 10 mg/Tag, für Stillende von 11 mg/Tag und für Männer von 10 mg/Tag empfohlen. Bei einer gemischten Diät stammen etwa 30–50% des aufgenomme-nen Zinks aus Fleisch, der Rest aus Gemüse, Nüssen und Getreide (55). Die Bioverfügbarkeit von Zink ist bei Ovo-Lacto-Vegetariern um 20–50% kleiner als bei Omnivoren (58), weil ein Teil durch die Phytate in Weizen und Hülsenfrüchten im Darm gebunden wird.

Calcium wie auch Eisen (insbesondere von Supplementen) behindern zudem die Resorp-tion von Zink. Die Zufuhr von Zink sollte deshalb um 50% höher sein.

Zinkaufnahme wie auch die Konzentratio-nen von Zink in Blutzellen, Serum, Haaren, Speichel und Urin sind bei Vegetariern entwe-der gleich oentwe-der tiefer als bei Nicht-Vegetariern.

Fälle von Zinkmangelerscheinungen treten aber erstaunlicherweise nur sehr selten auf.

Besonders gefährdet sind einzig die Senioren, die oft mit Zink unterversorgt sind. Vegetarier dieser Altersgruppe haben deutlich tiefere Zinkwerte (60). Gemäss den Ausführungen zu den DRI-Werten der USA (60) bestehen aber zurzeit zu wenig genaue Angaben für die Formulierung einer genaueren Empfehlung.

Selen

Der Selengehalt des Bodens ist entscheidend für den Gehalt dieses Elementes in den beiden

Hauptnahrungsquellen für unsere Selenzu-fuhr, nämlich im Weizen und im Fleisch. Es be-stehen grosse regionale Unterschiede im Selen-gehalt des Bodens, in der Schweiz ist der Gehalt eher tief. Durch Verarbeitung von selenreichem Weizen aus Nordamerika zu Futtermitteln oder direkt zu verschiedene Lebensmittel wird der Selenanteil in unserer Nahrung verbessert.

Auch Selenzusätze zum Tierfutter spielen eine wichtige Rolle. Die Arbeitsgruppe von Zimmer-li, Haldimann und Sieber (61) haben die Ver-hältnisse in der Schweiz auf Grund des Lebens-mittelverbrauchs zuerst in den Jahren 1982/

1983 und in 1995/1996 untersucht. Für die Gesamtzufuhr wurde während dieser Zeit-periode keine Änderung bei einem durch-schnittlichen Wert von 88 Mikrogramm/Tag festgestellt. Stark geändert hatte sich aber die Herkunft des Selens, das 1982/1983 zu 65 Mikrogramm aus pflanzlichen Produkten und 23 Mikrogramm/Tag aus Fleischprodukten stammte, während 1995/1996 die Verteilung bei 45 respektive 43 Mikrogramm/Tag lag.

Wenn man von den D-A-CH-Referenzwerten (38) ausgeht, die eine Zufuhr von 30–70 Mikrogramm/Tag empfehlen, so liegt die Zufuhr bei einer veganischen Ernährungsweise im unteren Bereich. Messungen in Deutschland zeigten bei Veganern einen deutlichen Abfall der Serumkonzentration (62). Bei den Ovo-Lacto-Vegetariern verbessert sich die Situation etwas durch die zusätzlichen durchschnitt-lichen 14 Mikrogramm/Tag, die aus Eiern, Mich und Milchprodukten stammen. Dazu kommt, dass der Anteil des pflanzlichen Selens stark von der importierten Menge des Weizens aus Nordamerika abhängt, die in den Jahren zwischen den beiden Messungen deutlich zu-rückging. Man kann deshalb die Veganer auch

in der Schweiz als Risikogruppe für eine man-gelnde Selenzufuhr betrachten.

Proteine

Die Aminosäuremuster von tierischen und menschlichen Proteinen sind ähnlich. Tierische Proteine sind deshalb für den Menschen die beste Quelle für die essentiellen Aminosäuren.

Die meisten pflanzlichen Proteine haben hin-gegen andere Aminosäuremuster und enthal-ten häufig eine essentielle Aminosäure in zu kleiner Menge. So ist Weizen arm an der essen-tiellen Aminosäure Lysin, Gemüse hingegen enthält viel davon. Durch eine Kombination von Gemüse mit Weizen kann man somit die-ses Defizit ausgleichen. Solche Kombinationen sind eine wichtige Voraussetzung, damit der Körper die notwendigen körpereigenen Pro-teine synthetisieren kann. Eines der besten pflanzliche Proteine ist Soja, da es mit Ausnah-me von Methionin eine ähnliche ZusamAusnah-men- Zusammen-setzung der essentiellen Aminosäure besitzt wie menschliches Muskelprotein.

Gemäss Leitzmann (63) haben Ovo-Lacto-Vegetarier im Gegensatz zu den Veganern keine Probleme, ihre Versorgung an Proteinen und essentiellen Aminosäuren sicher zu stellen, da die Proteine der Eier und Milch eine qualita-tiv gute Zusammensetzung für den Menschen aufweisen. Dies gilt bei den Veganern nur mit Einschränkungen. Ihre Proteinzufuhr liegt teil-weise deutlich tiefer als bei den Ovo-Lacto-Vegetariern. Hier setzt die Deckung des Protein-bedarfs mit rein pflanzlicher Kost umfangreiche Ernährungserkenntnisse voraus. Besonders während des Wachstums (Schwangerschaft, Stillen, Wachstumsphasen beim Kind) muss sehr auf eine genügende Versorgung mit den essentiellen Aminosäuren geachtet werden.

Omega-3-Fettsäuren (n-3-Fettsäuren) (64) Es handelt sich dabei vor allem um drei lang-kettige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren: Die für den Menschen essentielle -Linolensäure (ALA) mit 18 Kohlenstoffatomen und drei Doppelbindungen, die reichlich in pflanzlichen Ölen wie Raps- und Walnussöl vorkommt, die Eicosapentaensäure (EPA) mit 20 Kohlen-stoffatomen und 5 Doppelbindungen sowie die Docosahexaensäure (DHA) mit 22 Kohlenstoff-atomen und 6 Doppelbindungen. EPA und DHA können aus ALA synthetisiert werden und sind in Fischen, insbesondere in Lachs, Hering und Makrele zu finden. DHA kommt auch in Eiern vor, EPA jedoch nur sehr wenig.

DHA ist eine der bedeutendsten Komponenten der Strukturlipide, vor allem der Retina und des Gehirns. Ein Mangel an dieser Fettsäure während des Embryonalstadiums, aber auch später in der Muttermilch während der Stillzeit, kann beim Neugeborenen zu grossen Entwick-lungsschäden führen, insbesondere beim Auge.

EPA wird in das entsprechende Eicosanoid um-gewandelt, dessen Derivate antagonistische Wirkungen zu den entsprechenden Derivaten des Eicosanoids der n-6-Arachidonsäure (AA) haben, die ihrerseits aus der essentiellen n-6-Linolsäure (LA) entsteht.

Die endogene Umwandlung von ALA zu EPA und DHA wird durch LA, die reichlich in Sonnenblumen- und Maiskeimöl vorkommt, verlangsamt. Diese Hemmung kann vermin-dert werden, wenn das Verhältnis der aufge-nommenen Fettsäuren LA zu ALA unter 5:1 liegt (38). Beim durchschnittlichen Verzehr be-trägt das Verhältnis aber bei 10:1. Da die vege-tarische Ernährung ja keinen Fisch enthält, sind die Vegetarier darauf angewiesen, bei der Auswahl der pflanzlichen Öle auf eine günstige

Zusammensetzung zu achten, damit die endo-gene Synthese gut funktionieren kann. Den Vegetariern wird deshalb empfohlen, Rapsöl mit viel ALA gegenüber an LA reichen Ölen wie

Zusammensetzung zu achten, damit die endo-gene Synthese gut funktionieren kann. Den Vegetariern wird deshalb empfohlen, Rapsöl mit viel ALA gegenüber an LA reichen Ölen wie