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Stichprobe und Methodik der Feldstudie von 1999

Zehn Jahre nach der Basiserhebung wurden 1999 die Probanden noch einmal aufgesucht.

Überraschend viele der inzwischen hochbetag-ten 80- bis 85-Jährigen hathochbetag-ten seit 1993 bzw.

l989 ihren Wohnort in eine andere Gemeinde oder ins Ausland verlegt. Trotz der dadurch erschwerten Suche fanden wir Angaben zu 364 der ursprünglich 369 Probanden (98.6%).

135 Personen waren gestorben (Tabelle 1). Von den in Yverdon noch lebenden Personen konn-ten 101 von 160 (63.1%) interviewt und weite-re 55 (34.4%) kurz, teilweise nur telefonisch, kontaktiert werden. In Burgdorf waren 21 von 60, in Bellinzona 25 von 60 Probanden gestor-ben. Bis auf eine Frau in Bellinzona liessen sich in Burgdorf und Bellinzona Informationen zu Wohnform und aktuellem Gesundheitszustand für alle noch lebenden Probanden sammeln.

Blutentnahmen konnten wir aus finanziel-len Gründen nicht durchführen. Schwierig-keiten ergaben sich auch bei der Ermittlung der Todesursachen. Im Gegensatz zu anderen SENECA-Zentren, in denen es teilweise

genüg-te, den Hausarzt anzurufen, mussten wir dem Bundesamt für Statistik im Rahmen eines Vertrages Geburts- und Sterbedaten der Ver-storbenen einschicken. Von den 89 in Yverdon Verstorbenen konnte uns nur für 69 Personen eine nach ICD9 verschlüsselte Diagnose über-mittelt werden.

Resultate

Kumulierte Mortalität 1989–1999.

In Tabelle 1 sind die Sterberaten 1989–1999 der Betagten aus 15 SENECA-Zentren zusammen-gestellt. In den neun Untersuchungszentren, in denen streng randomisiert die Jahrgänge 1913–1918 erfasst werden konnten, waren die Probanden zu Beginn der Studie 70–76 Jahre alt – in der Schweiz trifft dies für Yverdon/VD zu. In sechs Zentren wurden nur die Jahrgänge 1913/14 erfasst und die Betagten waren zu Be-ginn der Studie 75/76 Jahre alt (Burgdorf/BE und Bellinzona/TI in der Schweiz).

Die Tabelle 1 gibt die Anzahl Todesfälle pro beobachtete Personen wider wie auch die Anzahl Todesfälle pro 1000 Personenjahre (average hazard rate). Die «average hazard rate» ist definiert als Quotient der Anzahl Todesfälle dividiert durch die Summe der beob-achteten Überlebensjahre. Für die Analysen benutzten wir das SAS-System 6.12, 1989–

1996, SAS Institute Inc. Cary, N.C.

In den drei schweizerischen Zentren fanden sich für die Männer der Jahrgänge 1913/14 niedrigere Sterbedaten als in irgendeinem der anderen europäischen Zentren. Auch die Ster-beraten der Frauen in den schweizerischen Zent-ren gehöZent-ren zum niedrigsten Drittel der Beob-achtungen. Die Sterberaten der Jahrgänge

1913/14 beruhen teilweise auf weniger als 30, allerdings streng randomisiert ausgewählten Probanden und sind deshalb nur vorsichtig zu vergleichen. Immerhin erwiesen sich die Unter-schiede zwischen den schweizerischen Betag-ten der Jahrgänge 1913/14 und den Ergebnissen in Roskilde/DK, Hamme/B, Villa Franca de Xira/P, Anogia/Archanes/G, Marki/PL und Monor/H als signifikant verschieden bei p <0.05.

Innerhalb der drei schweizerischen Unter-suchungszentren fanden sich für Männer und Frauen in Burgdorf die niedrigsten, für Frauen in Bellinzona die höchsten Sterberaten. Diese Unterschiede sind nicht signifikant. Unterschie-de zwischen Unterschie-den Sterberaten Unterschie-der Jahrgänge 1913–1918 und 1913/14 innerhalb desselben Zentrums (z.B. Villa Franca de Xira/Portugal) erklären sich dadurch, dass die zu Beginn der Studie bereits 75/76-Jährigen innerhalb weni-ger Jahre verstarben.

Die Beteiligungsrate an der randomisierten Stichprobe belief sich im Mittel aller SENECA-Zentren auf 51%. Der Studie wird deshalb angelastet, dass sie überproportional gesunde Betagte erfasste. Für die schweizerischen Zent-ren konnten wir 1999 auch die Todesfälle der in der Basiserhebung angefragten, aber ver-weigernden Betagten ermitteln. In der Zeit zwischen 1989 und 1999 starben in Yverdon 56%, in Burgdorf und Bellinzona je 47% der von den Jahrgängen 1913/14 an der Studie partizipierenden Männer gegenüber 54, 44 und 43% der Verweigerer. Bei den Frauen lauten die entsprechenden Zahlen 28, 23 und 38%

gegenüber 24, 40 und 38%. Mit Ausnahme der Frauen in Burgdorf, bei denen wir in der Basis-studie aus verschiedenen Gründen Rekrutie-rungsschwierigkeiten hatten, sind die Unter-schiede so gering, dass sich der Einwand, es Tabelle 1: Kumulierte 10-Jahres-Mortalität von Männern und Frauen der Jahrgänge 1913–1918 aus 15

europäischen Untersuchungszentren. SENECA-Studie 1989–1999

Jahrgänge 1913–1918 Jahrgänge 1913/14

SENECA-Zentrum m f m f

Mortalität Mortalität Mortalität Mortalität

(1) (2) (1) (2) (1) (2) (1) (2)

Schweiz

Yverdon 58/122 58 31/125 27 18/32 75 9/32 30

Burgdorf 14/30 56 7/30 24

Bellinzona 14/30 57 11/29 44

Nördlich der Schweiz

Hamme/B 70/126 77 30/105 32 29/43 108 13/34 45

Roskilde/DK 54/101 68 36/100 42 16/27 80 13/27 61

Haguenau/F 58/110 66 26/110 26 19/30 86 8/30 29

Culemborg/NL 67/114 84 40/124 36 17/30 81 13/33 46

Südlich der Schweiz

Romans/F 77/140 71 32/135 26 38/55 100 12/45 30

A/A./GR (3) 21/35 81 18/45 49

Padua/I 42/96 59 17/93 21 16/26 85 7/22 38

MFP/I (4) 17/32 76 13/32 46

Betanzos/E 41/86 66 35/119 35 13/26 68 10/27 46

V.F. de X/P (5) 51/111 59 37/111 37 22/30 107 14/31 50

Ostländer

Marki/PL 12/19 108 8/23 45

Monor/H 18/21 154 10/21 56

(1) Anzahl Todesfälle / beobachtete Personen (2) Anzahl Todesfälle / 1000 Personenjahre (3) Anogia/Archanes / GR

(4) Magliano Sabina / Fara Sabina / Poggio Mirteto / I (5) Villa Franca de Xira / P

handle sich bei SENECA-Probanden um beson-ders gesunde alte Menschen, entkräftet.

Mortalität und Selbsteinschätzung der Gesundheit

Die Selbsteinschätzung der Gesundheit gilt als verlässlicher Annäherungswert an den objekti-ven Gesundheitszustand. In den drei schweize-rischen Zentren schätzten mehr Betagte ihre Gesundheit als gut ein als in den anderen Zentren, vor allem mehr als in den südlichen Zentren (Tabelle 2). In Abb.1 sind die Todesfälle innerhalb der drei schweizerischen Zentren in einer Kaplan-Meier-Überlebenskurve für Männer und Frauen nach Einschätzung der Gesundheit in der Basiserhebung dargestellt.

Die Mortalität der Betagten, die ihre

Gesund-heit als «gut/sehr gut» eingestuft hatten, war am geringsten. Der Unterschied zu den Betagten, die ihre Gesundheit nur als «mittel»

(«fair») bezeichnet hatten, war grösser als der Unterschied zwischen «mittlerer» und

«schlechter» Selbsteinschätzung.

Mortalität und

«Lifestyle-Faktoren»

Tabelle 2 zeigt die Häufigkeit so genannter Lifestyle-Faktoren. In dieser Tabelle sind nur Personen aufgenommen, von denen alle Daten bekannt waren, die zur Ermittlung der «lifestyle scores», speziell auch des «Mediterranean diet score» gebraucht wurden. Deshalb ist die Zahl der Betagten in den einzelnen SENECA-Zentren kleiner als in vorgängig publizierten Berichten.

Durch Addition von drei Lifestyle-Faktoren haben Haveman-Nies et al. (6) einen «Healthy Lifestyle Score» entwickelt, der 0 (schlecht) bis 3 (gut) Punkte zählt und mit den Überlebensra-ten in Relation gesetzt werden kann. Es handelt sich um die folgenden drei Faktoren:

a. Nichtrauchen oder Ex-Rauchen seit mehr als 15 Jahren = 1 Punkt.

b. «Activity score» im mittleren oder oberen Drittel = 1 Punkt. Der «Activity score»

wurde nach Voorrips et al. (10) addiert aus drei Scores (Haushalt, Sport und Freizeit), die im Interview nach Tätigkeit, Intensität und Häufigkeit quantifiziert wurden.

c. «Mediterranean Diet Score» von 4 oder mehr = 1 Punkt.

Abbildung 1: Kaplan-Meier-Überlebenskurve von Männern und Frauen der drei schweizerischen Zentren nach Selbsteinschätzung der Gesundheit. SENECA-Studie 1989–1999

Survival time (days)

Selbsteinschätzung der Gesundheit bei Männern und Frauen

Survival fraction

1.0 0.9 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1

0.0 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 2600 2800 3000 3200 3400

Tabelle 2: «Lifestyle-Faktoren» von Männern und Frauen der Jahrgänge 1913–1918 aus neun europäischen Untersuchungszentren der Basisstudie 1989. SENECA-Studie 1989–1999

«Lifestyle-Faktor» Männer Frauen

Zentren Zentren

CH 1 Nord 2 Süd 3 CH 1 Nord 2 Süd 3

(n) (117) (273) (241) (125) (267) (258)

Selbsteinschätzung Gesundheit

Gut % 84 73 54 77 69 38

Raucher % 28 41 25 5 12 7

Exraucher % 45 39 50 11 13 5

Aktivitätsscore

Mittelwert 19.3 17.3 21.6 13.8 11.2 13.7

Haushaltscore 1.2 1.1 0.7 1.8 1.7 1.6

Sportscore 0.7 0.6 0.4 0.6 0.4 0.2

Freizeitscore 17.4 15.6 20.5 11.4 9.1 11.9

«Mediterranean diet score»

Mittelwert 3.2 2.8 4.3 4.1 3.3 4.6

Gemüse / Früchte

Portionen/Tag (n) (166) (168) (141) (171) (147) (123)

2 und weniger: % 51 56 17 41 52 14

5 und mehr: % 11 13 20 20 10 35

1 Yverdon/CH, Burgdorf/CH, Bellinzona/CH

2 Hamme/B, Roskilde/DK, Culemborg/NL

3 Padua/I, Romans/F, Betanzos/E (Gemüse Früchte-Portionen nur Padua/I und Romans/F) gut/sehr gut n = 283 Todesfälle 90

mittel n = 71 Todesfälle 37 schlecht n = 15 Todesfälle 8

Der Mediterranean Diet Score schätzt den Annäherungsgrad der Ernährung an die mediterrane Kost und zählt die Anzahl Kriteri-en, die den Cut-off-Wert erreichen. In An-lehnung an Trichopolou et al. (7) haben van Staveren et al. (8) die mediterrane Kost anhand von sieben Kriterien definiert: das Verhältnis einfach-ungesättigter zu gesättigten Fettsäuren, Alkohol, Hülsenfrüchte, Cerealien, Früchte und Gemüse, Fleischprodukte, Milchprodukte.

Als Cut-off-Werte wurden Medianwerte (für Milch- und Fleischprodukte Werte zwischen der 25. und der 75. Percentile) adaptiert an 10.5 MJ für Männer und 8.4 MJ für Frauen verwen-det.

Dieser «Lifestyle Score» wurde parallel zu den von Haveman-Nies et al. (6) an allen

SENE-CA-Probanden erstellten Analysen auch für die Betagten der schweizerischen Zentren berech-net. Aus Abb. 2 und 3 ist zu erkennen, dass in Kaplan-Meier-Überlebenskurven trotz der sehr kleinen Zahlen die Männer mit Lifestyle Score 0 eine erhöhte, die Frauen mit Lifestyle Score 3 eine geringere Sterblichkeit aufweisen.

Männer und Frauen in den schweizerischen Zentren rauchten weniger häufig als in den nördlicheren und etwa gleich häufig wie in den südlicheren Zentren (Tabelle 2). Nach dieser Tabelle waren die Schweizer Männer mit einem mittleren «Activity Score» von 19.3 aktiver als die Männer der nördlichen Zentren, aber weni-ger aktiv als diejenigen der südlicheren Zen-tren, bei denen vor allem Freizeitaktivitäten (Spazieren, Velofahren, Gärtnern,

Reparatur-arbeiten etc.) häufiger waren. Auch die Schweizer Frauen waren mit einem mittleren Score von 13.8 aktiver als die Frauen der nörd-lichen Zentren, entsprachen in ihrer Aktivität im Mittel aber den südlichen Zentren.

Der mittlere «Mediterranean Diet Score be-trug bei den Schweizer Männern 3.2 und bei den Schweizer Frauen 4.1 und lag damit höher als bei den Betagten aus den nördlichen, aber tiefer als bei denjenigen aus den südlichen Zen-tren. Die höheren Scores in den südlicheren Zentren erklären sich u.a. durch den häufige-ren Verzehr von Gemüse und Früchten, von denen bis zu dreimal mehr Portionen als in den nördlichen Zentren konsumiert wurden (8).

Atherogene Blutfaktoren

In den beiden vorangehenden schweizerischen Ernährungsberichten haben wir darauf hinge-wiesen, dass die Cholesterinwerte der schwei-zerischen Betagten hoch waren. Die Mittelwer-te der schweizerischen Zentren gehörMittelwer-ten zum obersten Drittel aller in der SENECA-Studie beobachteten Mittelwerte (3, 5). Umgekehrt lagen die HDL-Cholesterinwerte im Mittel in der unteren Hälfte der beobachteten Werte und entsprechend tief waren auch die Mittelwerte für das Verhältnis HDL/Gesamtcholesterin.

Diese Werte sind in Tabelle 3 für 11 nach Nord-Süd-Gradient geordnete SENECA-Zentren noch einmal aufgeführt, zusammen mit inzwi-schen publizierten Werten für Serum-APO-B-Lipoproteinen (11) und Homocystein (15). In

Abbildung 3: Kaplan-Meier-Überlebenskurven: Frauen, Jahrgang 1913–1918 aus drei schweizerischen SENECA-Zentren nach «Healthy Lifestyle Scores» 0–3 (Ernährung, Aktivität, Rauchen). SENECA-Studie 1989–1999

Survival time (days) Lifestyle Score Männer

Survival fraction

1.0 0.9 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1

0.0 0 1000 2000 3000 4000

Abbildung 2: Kaplan-Meier-Überlebenskurven: Männer, Jahrgang 1913–1918 aus drei schweizerischen SENECA-Zentren nach «Healthy Lifestyle Scores 0–3» (Ernährung, Aktivität, Rauchen). SENECA-Studie 1989–1999

Survival time (days) Lifestyle Score Frauen

Survival fraction

1.0 0.9 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1

0.0 0 1000 2000 3000 4000

Score 3 n = 14 Todesfälle 7 Score 2 n = 83 Todesfälle 33 Score 1 n = 64 Todesfälle 32 Score 0 n = 21 Todesfälle 14

Score 3 n = 50 Todesfälle 7 Score 2 n = 97 Todesfälle 26 Score 1 n = 34 Todesfälle 12 Score 0 n = 5 Todesfälle 2

den schweizerischen Zentren im Mittel wurden auch die höchsten Lipoprotein-APO-B-Werte gemessen, wobei die Werte in Bellinzona be-sonders hoch waren. Die Frauen in Bellinzona wiesen auch den höchsten bei Frauen über-haupt gemessenen Mittelwert für Homocystein auf und alle in den schweizerischen Zentren errechneten Mittelwerte lagen zwischen 15.5 und 17.8 µmol/l und damit weit über dem von den Autoren als Hochrisiko bezeichneten Wert von 14.0 µmol/l.

Nord-Süd-Gradienten

Eine Beobachtung, auf die in der SENECA-Studie verschiedentlich hingewiesen wird, sind die signifikanten Unterschiede zwischen den

nördlichen und den südlichen Zentren, was sowohl die Nahrung als auch die Blutwerte betrifft. Es handelt sich dabei um geographisch kaum 1500 km von einander entfernte Regio-nen. Im Vergleich zu den Verhältnissen in den USA sind derartige Unterschiede bemerkens-wert.

Die Werte der Betagten in den schweizeri-schen Zentren lassen sich aber nicht immer in einen Nord-Süd-Gradienten einordnen. Die im Norden höheren Werte als im Süden bei Se-rumlipiden, Lipoproteinen und Homocystein sind in Tabelle 3 dargestellt. Contois et al. 2000 (11) errechneten hohe Signifikanzen für die Nord-Süd-Differenzen bei den Lipoproteinen.

Die höchsten Mittelwerte fanden sich aber in

den schweizerischen Zentren. Dasselbe gilt für die Nord-Süd-Unterschiede in der Mortalität, für die Amorim Cruz et al. 2002 (17) eine Signi-fikanz von <0.0001 errechneten, obgleich die Schweizer Männer niedrigere Werte als ver-schiedene südlichere Zentren aufwiesen (vgl.

Tabelle 1). In Bezug auf die Vitamin-D-Werte im Blut fanden sich hohe Mittelwerte im Nor-den und niedrige Mittelwerte im SüNor-den (16), der höchste Mittelwert stammt allerdings aus Burgdorf/CH.

Abnehmend von nördlichen Zentren zu süd-lichen Zentren waren ausserdem die Körper-grösse (2), die Selbsteinschätzung der Gesund-heit (2), die Anzahl Raucher unter den Frauen (2) sowie der Vitamin-A-Gehalt in der Nahrung

(2). Zunehmend von Norden nach Süden war die Nahrungsaufnahme an ungesättigten Fett-säuren, -Carotin, Vitamin C und Alkohol (2).

Im Vierten Schweizerischen Ernährungsbericht (5) haben wir zudem detailliert beschrieben, wie die von Norden nach Süden zunehmende Anzahl warmer Mittagessen als Hauptmahl-zeiten zusammenhängt mit weniger Zwischen-mahlzeiten und einer geringeren Gesamt-energiemenge. In einer späteren Analyse konnte auch gezeigt werden, dass ein warmes Mittagessen als Hauptmahlzeit mit mehr Portionen von Früchten und Gemüse/Tag asso-ziiert ist (8).

Für alle Studienzentren der SENECA-Studie wurde zudem ein Index für den Antioxidanti-en-Status durch Addition der Rankordnungen von Plasmawerten für Retinol, -Carotin,

-Tocopherol und Vitamin B6 berechnet (18).

Gemäss diesem Index sind die Betagten aus den Zentren in der Alpenregion (Yverdon/CH, Burgdorf/CH, Bellinzona/CH, Padua/I, Romans/

F) besser mit Antioxidantien versorgt als die Betagten aus den nördlicheren oder südliche-ren Zentsüdliche-ren.

Diskussion

Es gehört zur SENECA-Tradition, in jeder Publikation darauf hinzuweisen, dass die Ergeb-nisse aus den Untersuchungszentren nicht für das Land als solches stehen. Ausserdem ge-hören 1913–1918 geborene Menschen einer Generation an, die bis ins Erwachsenenalter ohne Antibiotika auskommen musste, die ihre jungen Erwachsenenjahre in der Depression der 30er Jahre und im Zweitem Weltkrieg ver-brachte, anschliessend aber in den Jahren der Tabelle 3: Atherogene Blutfaktoren nach Nord-Süd-Gradient. Mittelwerte (SD). SENECA-Studie 1989–1999

SENECA

Zentrum Nördlicher

Breitengrad Gesamtcholesterol

mmol/l (1) HDL/

Cholesterol (1) APO B g/l (2) Homocystein (3)

µmol/l

Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen

Roskilde/DK 56 6.09 (1.0) 6.97 (1.3) .21 (.05) .22 (.06) 1.23 (.29) 1.33 (.29) 14.6 (4.7) 14.5 (5.1)

Culemborg/NL 52 6.10 (1.0) 6.73 (1.3) .19 (.06) .21 (.06) 1.24 (.26) 1.30 (.29) 17.4 (7.2) 14.6 (4.2)

Hamme/B 51 6.19 (1.2) 6.74 (1.4) .20 (.06) .21 (.06)

Burgdorf/CH 47 5.98 (1.2) 6.81 (1.4) .20 (.05) .22 (.08) 1.20 (.25) 1.29 (.30) 17.0 (8.3) 15.6 (5.2)

Yverdon/CH 47 6.31 (.90) 7.07 (1.4) .20 (.05) .22 (.07) 1.27 (.18) 1.33 (.28) 16.3 (4.7) 15.5 (3.9)

Bellinzona/CH 46 6.56 (0.7) 6.78 (1.1) .17 (.04) .19 (.06) 1.36 (.15) 1.39 (.32) 17.8 (6.1) 16.9 (5.9)

Padua/I 46 6.01 (1.0) 6.54 (1.1) .23 (.07) .25 (.07) 1.20 (.23) 1.24 (.25) 17.9 (7.7) 14.2 (5.7)

Romans/F 45 6.14 (1.0) 6.80 (0.9) .21 (.06) .23 (.06) 1.19 (.23) 1.23 (.22) 15.4 (4.6) 13.2 (3.4)

Betanzos/E 43 5.87 (1.1) 6.59 (1.3) .22 (.07) .23 (.07) 1.22 (.03) 1.28 (.29) 16.4 (6.5) 12.5 (3.3)

Villa Franca de Xira/P 39 5.81 (1.0) 6.36 (1.2) .21 (.07) .20 (.06) 1.13 (.26) 1.21 (.28) 14.8 (6.2) 11.7 (4.6)

Anogia/Archanes/GR 35 5.76 (0.9) 5.86 (1.1) .21 (.05) .21 (.05) 1.18 (.21) 1.21 (.24) 13.4 (5.9) 13.0 (7.3)

(1) De Groot et al .1991 (2) (2) Contios et al. (11) (3) Varela-Moreiras (15)

Hochkonjunktur ein verhältnismässig geregel-tes Dasein führen konnte. Dies drückte sich in der Schweiz nicht nur in relativem Wohlstand und festen Arbeitsbedingungen aus, sondern unter anderem auch darin, dass die untersuch-ten Männer und Frauen fast ausnahmslos ihre Hauptmahlzeit zur Mittagszeit einnahmen mit all den beschriebenen Vorteilen einer warmen Mittagsmahlzeit (geringere Energieaufnahme pro Tag, weniger Zwischenmahlzeiten, mehr Gemüse und Obst (5, 8).

Die Schweiz gehört mit Schweden, Island und Spanien europaweit, mit Japan auch welt-weit, zu den Ländern mit der höchsten Lebens-erwartung. Deshalb stellen die hohen Überle-bensraten in den schweizerischen SENECA-Zentren keine Überraschung dar. Auch ist die Zahl der 1913–1918 geborenen Männer und Frauen, die 1989 noch lebten, in der Schweiz höher als in den übrigen europäischen Ländern.

Verschont von den Weltkriegen führte ein Leben unter den besten ökonomischen Um-ständen zu geringerer Existenzangst und einem weniger stressigen Überlebensmuster. Die Ausgangslage ist also nicht dieselbe und regio-nale Unterschiede in den Mortalitätsraten sind – nicht nur wegen der kleinen Zahlen – zurückhaltend zu beurteilen.

In der Hoffnung, Unterschiede innerhalb der Schweiz herausarbeiten zu können, haben wir 1989 bewusst Zentren aus den drei Sprach-gebieten gewählt. Unterschiede in Lebensstil, Blutwerten und Zusammensetzung der Nah-rung wurden in den vorausgegangenen Publi-kationen (3, 5) festgehalten. Unterschiede in der Lebenserwartung, insbesondere die höhere Sterberate der Frauen in Bellinzona können wegen der geringen Zahlen nicht statistisch ausgewertet werden. Leider war es 1989 aus

finanziellen und personellen Gründen nicht möglich, auch in Burgdorf und Bellinzona grössere Stichproben zu erfassen.

Trotz diesen Enwänden steht fest, dass die Überlebensrate in den schweizerischen Zentren hoch war und es ist interessant, dass dies nicht mit besonders vorteilhaften «healthy lifestyle scores» der Betagten erklärt werden kann.

Die Häufigkeit von Nichtrauchern, körperlich aktiven Betagten wie auch der Grad der An-näherung der Nahrung an die mediterrane Kost war vergleichbar mit den Daten in den anderen Zentren (Tabelle 2). Andererseits wirkte sich ein hoher «healthy lifestyle score» innerhalb der schweizerischen Zentren positiv auf die in-dividuelle Lebenserwartung aus (Abb. 2 u. 3).

Für die SENECA-Population insgesamt errech-neten Haveman-Nies et al. (6) ein für Männer um 3.5 (3.9 für Frauen) erhöhtes Sterberisiko, wenn alle drei «healthy lifestyle factors»

(Nichtrauchen, Aktivität, Annäherung an mediterrane Kost) fehlen. Wenn nur einer dieser Faktoren fehlte, fanden sich Hazardrisi-ken zwischen 1.2 und 2.1. Mit anderen Worten, eine gesunde Lebensführung im siebten und achten Lebensjahrzehnt ist mit einer geringe-ren Sterblichkeit assoziiert. Ob dies auf eine gesunde Lebensführung schon in früheren Jahren zurückzuführen ist, lässt sich anhand der SENECA-Daten nicht beurteilen. Ebenso fehlen Analysen zur Frage, ob gewisse Krank-heiten eine gesunde Lebensführung, z.B.

eine angemessene Aktivität verhindern. Trotz diesen Einwänden sind die für die Gesamtheit der SENECA-Probanden berechneten Hazard Ratios (6) so überzeugend, dass am HALE Workshop vom 1. Oktober 2003 im National Institute for Food and Nutrition in Rom be-schlossen wurde, die entsprechende Graphik in

den «Action Plan for Food and Nutrition Poli-cy» der WHO European Region 2000–2005 zu übernehmen.

Die vielen Betagten in den schweizerischen Zentren, die ihre Gesundheit als gut oder sehr gut einschätzten, sind ein Zeichen dafür, dass die Lebensqualität dieser Jahre als gut und die Jahre als wertvoll empfunden wurden. Zu Überlegungen regt dagegen die Tatsache an, dass die schweizerischen Betagten im Vergleich zu den anderen SENECA-Zentren zwar hohe Überlebensraten und eine gute Selbsteinschät-zung ihrer Gesundheit aufwiesen, aber gleich-zeitig auch höhere Werte für Homocystein und Plasmalipide, insbesondere Gesamtcholesterin, d.h. zwei Blutmerkmale, die gemeinhin als Risikofaktoren anerkannt sind.

Ein gutes sozioökonomisches Umfeld, wie es in der Schweiz in der grossen Mehrheit besteht – schon gar für eine Generation, deren Erwach-senendasein sich fast ganz in der Zeit der Hoch-konjunktur abspielte – trägt sicherlich zu einer hohen Lebenserwartung bei. Kompetente Schulung und ein hoher Ausbildungsgrad för-dern die Anwendung präventiver Massnah-men, gesicherte Arbeitsbedingungen bewahren vor vorzeitigem körperlichem Verschleiss, rela-tive Sicherheit in finanzieller Hinsicht garan-tiert ein gutes Umfeld und regelmässige medizi-nische Betreuung.

Ob allerdings diese Mechanismen indirekt auch die negativen Auswirkungen der hohen Lipid- und Homocysteinwerte neutralisieren oder ob gezielte Schutzmechanismen bestehen, bleibt eine offene Frage. Schon im Vierten Schweizerischen Ernährungsbericht (5) wiesen wir darauf hin, dass der Alkoholkonsum, der in Anlehnung an das «französische Paradoxon»

zur Erklärung herangezogen werden könnte,

sich bei den in der Schweiz untersuchten Betagten in bescheidenem Rahmen hielt (5).

Auch wurde damals schon eine mögliche Schutzwirkung von Antioxidantien diskutiert, nachdem die Plasmawerte für Tocopherol und Retinol in den schweizerischen Zentren höher waren als in den anderen Zentren. Eine in Arbeit befindliche Analyse der gesamten SENECA-Population (12) konnte nachweisen, dass bei nicht rauchenden Betagten ein hoher Plasma-Carotin-Wert mit einem verminderten Risiko für Tod durch Schlaganfall (wie früher schon in der Basler Studie (13) beobachtet) assoziiert war. Es fand sich keine Assoziation mit Todesfällen auf Grund von koronaren Krankheiten, dagegen häufigere Todesfälle auf Grund von Neoplasmen. Die von Gey (14) be-rechnete protektive Wirkung einer Tocopherol/

Cholesterol Ratio von mehr als 5.2 konnte nicht nachgewiesen werden. Aus statistischen Gründen ist es nicht möglich, derartige Analy-sen für einzelne Zentren durchzuführen.

Von unvermindertem Interesse erscheint uns aber die Beobachtung von Haller (18), dass es die in Mitteleuropa in der Alpenregion liegen-den Zentren, d.h. neben liegen-den drei schweizeri-schen Zentren noch Padua/I und Romans/F, sind, die die höchsten antioxidativen Indizes aufwiesen. In diesen Zentren fanden sich auch die höchsten Überlebensraten. Die Vorteile die-ser geographischen Situation in der Mitte zwi-schen den nördlichen und südlichen Regionen Europas lägen im gemässigten Klima und in der Möglichkeit, südliche (Gemüse, Früchte, Wein) wie auch nördliche (Milchprodukte) Lebens-mittel kombinieren zu können. Es ist nicht im-mer einfach, diese in mancher Beziehung privi-legierte Mittelstellung bei der Bewertung von Nord-Süd-Gradienten erfolgreich einzuordnen.

Gespannt wird man schliesslich auf die Ergebnisse der in Arbeit befindlichen Analysen

Gespannt wird man schliesslich auf die Ergebnisse der in Arbeit befindlichen Analysen