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Bedeutung von Übergewicht bei Kindern

Unabhängig vom Alter sind Übergewicht und Adipositas einer der wichtigsten Modulatoren des Risikos für die klassischen chronischen Erkrankungen unserer modernen Gesellschaft (8). Es gibt keinen einzelnen Risikofaktor, durch den eine derartig grosse Vielzahl von anderen Risikofaktoren positiv resp. negativ beeinflusst wird. Übergewicht und Adipositas sind bereits im Kindesalter mit z.B. erhöhtem Blutdruck, Dyslipidämie, Glukoseintoleranz, Hyperkoaguabilität, erhöhtem C-Reaktivem Protein (CRP) u.a. assoziiert. Diese Risiken stel-len die wichtigen pathogenetischen Faktoren der chronischen Erkrankungen (Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2, koronare Herzkrank-heit) im Erwachsenenalter dar (8, 9). Aufgrund des so genannten «Trackings» des BMI (body mass index, kg/m2) (10) ins Erwachsenenalter ist das pathophysiologische Potential der Kinder-adipositas als Determinante des zukünftigen Risikos der Adipositas im Erwachsenenalter und das Risiko der chronischen Erkrankungen unbestritten (11–13).

Zurzeit werden im Besonderen die idealen Definitionskriterien für Übergewicht bei Kin-dern (6, 14), die Pathogenese des Übergewich-tes (Genetik vs. Umwelt/Lebensstil) (15) und die idealen präventiven als auch therapeu-tischen Massnahmen kontrovers diskutiert.

Diese Aspekte sollen in diesem Kapitel nicht näher erörtert werden und es sei auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen. Unter-schiedliche Definitionskriterien für den Körper-gewichtszustand führen per definitionem zu unterschiedlichen Prävalenzen (14, 16). Eine Definition, welche höhere oder tiefere

Präva-lenzen zeigt, ist jedoch nicht sine qua non

«besser» oder «schlechter» oder «geeigneter»

oder «weniger gut geeignet». In diesem Kapitel werden aus Gründen der Vergleichbarkeit, wenn immer möglich, die Definitionskriterien des Kinder-Übergewichtes und der -Adipositas nach der «International Obesity Task Force»

(IOTF) verwendet (17).

Auch in der Schweiz sind die Problematik von Übergewicht und Adipositas bei Kindern sowie mögliche Determinanten seit langem bekannt (18–20), erlangte jedoch in den letzten Jahren mehrheitlich mediales und weniger gesundheitspolitisches Interesse.

Epidemiologie

In diesem Abschnitt sollen verschiedene – mehrheitlich deskriptive – Daten aus schweize-rischen Studien zum Kinder-Übergewicht zu-sammengefasst werden, die Prävalenzdaten der wichtigsten neueren epidemiologischen Studien und Erhebungen aus der Schweiz sind in Tabelle 1 dargestellt. Ausserdem sollen einige Informationen zu den einzelnen Studien sowie ausgewählte Daten ergänzend zusammenge-fasst werden. Alle von der Forschungsgruppe des Autors dieses Kapitels durchgeführten Studien (Zuger Kindergarten-Studie, Zürich-see-Studie, Zürich-Oberland-Studie I, Ticino-Studie I & II, Kantonsschüler Aargau & St. Gal-len) wurden wie folgt durchgeführt: Bei einer zufällig ausgesuchten Kinder- resp. Schüler-population wurde das Körpergewicht und -grösse gemessen; in einigen der Studien wurden zusätzlich die Hautfaltendicke (an 4 Körperstellen je drei Messungen), das Fett-verteilungsmuster mittels Taillen- und

Hüft-umfang-Messungen und/oder die Körperzu-sammensetzung mittels Bioimpedanz erfasst.

Alle Messungen wurden durch geschulte Mit-arbeiter durchgeführt. Mit Hilfe eines Frage-bogens wurden unterschiedliche Lebensstilfak-toren (z.B. Essverhalten bezüglich Frühstücks-einnahme, Nahrungszusammensetzung, Lieb-lingsspeisen, Fast-Food-Konsum, TV-/Medien-konsum, Ausmass und Muster der körperlichen Aktivität u.a. mehr) erhoben. Der Fragebogen wurde in den meisten Studien in Form eines strukturierten Interviews ausgefüllt. In einigen Studien wurden auch Fragebögen an die Eltern abgegeben.

Zuger Kindergarten-Studie

In der Zuger Kindergarten-Studie (21) wurden in 2 grösseren Gemeinden im Kanton Zug 340 5- bis 6-jährige Kindergartenkinder (n = 465, Durchschnittsalter ±SD 5.8 ± 0.6 Jahre) und deren Eltern auf ihren Körpergewichtsstatus und ausgewählte Lebensstilfaktoren hin erfasst (Körpergewicht/-grösse wurde bei den Kindern gemessen, bei den Eltern in einem Fragebogen erfragt). Im Gesamtkollektiv waren 4.4% der Kinder übergewichtig und 0.6% adipös (siehe auch Tabelle 1 für geschlechtsspezifische Ra-ten). In einem Kinderfragebogen wurde durch die Kindergärtnerin bzw. den Kindergärtner Verhaltensweisen der Kinder (z.B. Znüni-Gewohnheiten, Ausmass der körperlichen Ak-tivität etc.) erfasst. In einem Elternfragebogen wurden vom Vater und der Mutter anthropo-metrische Informationen sowie Informationen bezüglich Lebensstilfaktoren der Eltern (Essen, TV-Konsum, Muster der körperlichen Aktivität etc.) sowie deren Kinder erfragt. 84.5% der Kinder nahmen täglich ein Frühstück ein, 13.3% lediglich ein Getränk und 2.2% gingen

ohne Frühstück in den Kindergarten. Der Körpergewichtsstatus zeigte in dieser Populati-on keine Beziehung zum Frühstücksverhalten.

Die Mehrheit der Kinder nahm vormittags eine Zwischenmahlzeit ein (99.7%). Mädchen (nicht jedoch Knaben) mit einer Zwischen-mahlzeit von höheren Fettgehalt wiesen einen höheren BMI auf (15.5 ± 0.4 vs. 14.6 ± 0.1 kg/

m2, p = 0.02). 42.7% der Kindergartenkinder besuchten 1- bis 2-mal pro Monat ein Fast-Food-Restaurant; 57.3% gaben an, nie in ein Schnellimbissrestaurant gegangen zu sein. Nur 3.8% der Population hatten keinen Fernseher zuhause. 70.3% der Kinder schauten weniger als 1h TV pro Tag, 23.9% 1 bis 2 h/d und 5.8%

mehr als 2 h/d. Die TV-Konsumdauer bei diesen Kindern ist vergleichsweise gering (siehe unten), was auf die wahrscheinlich in dieser Altersstufe noch ausgeprägtere Kontrolle durch die Eltern zurückzuführen ist. In dieser Popula-tion zeigte sich zwischen dem TV-Konsum und dem BMI der Kinder keine Beziehung, was wohl auf die verhältnismässig kurze TV-Kon-sumdauer zurückzuführen ist. Zwischen der Einschätzung des Ausmasses der körperlichen Aktivität der Kinder durch die Kindergärtnerin und/oder Eltern mittels visueller Analogskalen (VAS) und dem BMI zeigte sich eine signifi-kante Beziehung (r = 0.58, p < 0.001). Der BMI des Kindes korrelierte signifikant mit dem BMI der Eltern (r = 0.31, p < 0.001) resp. der Mutter (r = 0.28, p < 0.001) und dem Vater (r = 0.21, p = 0.002). Kinder, deren Mütter einen Fernsehkonsum von >3h/d aufwiesen, hatten einen höheren BMI (16.1 ± 0.5 vs. 14.7 ± 0.1 kg/m2, p = 0.01). Kinder deren Eltern kein Frühstück einnahmen, wiesen einen höheren BMI auf.

Zürichsee-Studie

Eine der ersten grossen neueren Studien über die Epidemiologie des Übergewichtes und der Adipositas bei Kindern in der Schweiz stellt die Zürichsee-Studie dar (Datenerhebung 1999) (22–24). In der Zürichsee-Studie waren 14.2%

der Knaben und 13.0% der Mädchen überge-wichtig, 2.8% und 2.2% adipös (23, 24).

Zürich-Oberland-Studie I

In der Zürich-Oberland-Studie I wurden ver-schiedene anthropometrische Daten und Le-bensstilfaktoren bei Primarschülern (n = 657, Durchschnittsalter ±SD = 9.5 ± 1.8 Jahre, Da-tenerhebung 1999) in der Zürcher Oberland-Gemeinde Rüti erhoben (25). Die Prävalenz von Übergewicht bei den Knaben betrug 15.2%; 2.6% waren adipös. Bei den Mädchen waren die entsprechenden Raten 13.4% und 2.2%. 65.7% der Kinder waren Schweizer, die restlichen Kinder kamen mehrheitlich aus Ex-Jugoslawien (16.6%), Italien (9.3%) und der Türkei (3.5%). Die Raten sind in Abhän-gigkeit vom kulturellen Hintergrund, der kör-perlichen Aktivität (Abbildung 1) sowie dem durchschnittlichen Medienkonsum (siehe un-ten und Abbildung 2) unterschiedlich. In der Zürich-Oberland-Studie I konsumierten 75%

der Kinder ein Frühstück, 20% nahmen ledig-lich ein Getränk ein und nur 5% gaben an, kein Frühstück einzunehmen. In diesem Un-tersuchungskollektiv zeigte sich lediglich eine nicht-signifikante Tendenz für ein höheres Körpergewicht in Abhängigkeit von der feh-lenden Einnahme eines Frühstücks. Die Prä-valenz von Übergewicht und Adipositas war bei Mädchen (nicht bei den Jungen), welche die Zwischenmahlzeit von daheim mitgenom-men haben, signifikant geringer. Dies

unter-0%

5%

10%

15%

20%

25%

Prävalenz

Ausmass der körperlichen Aktivität (Knaben) Ausmass der körperlichen Aktivität (Mädchen)

hoch mittel gering 0%

5%

10%

15%

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25%

Prävalenz

hoch mittel gering

Abbildung 1: Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in Abhängigkeit vom Ausmass der körperlichen Akti-vität (Daten von der Zürich-Oberland-Studie I) bei Knaben (links) und Mädchen (n = 657 Primarschüler) (25)

Abbildung 2: Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in Abhängigkeit vom Ausmass des Medienkonsums (Daten von der Zürich-Oberland-Studie I) bei Knaben (links) und Mädchen (n = 657 Primarschüler) (25)

0%

5%

10%

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20%

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Prävalenz

Ausmass des Medienkonsums (Knaben) Ausmass des Medienkonsums (Mädchen)

gering mittel hoch 0%

5%

10%

15%

20%

25%

Prävalenz

gering mittel hoch

streicht das oftmals obesiogene Potential des Ausser-Haus-Verzehrs. Der Besuch von klas-sischen Fast-Food-Restaurants hatte keinen Effekt auf den Körpergewichtszustand. Nur 3% der Population gab an, kein TV-Gerät zu haben. Bei 16% der Kinder lief das TV-Gerät während der Mittagsmahlzeit, bei 18% wäh-rend der Abendmahlzeit. 46% der Kinder gab ein TV-Snacking-Verhalten an.

TICINO-I-Studie

Eine der grössten epidemiologischen Quer-schnittsuntersuchungen zum Kinder-Überge-wicht in der Schweiz ist die TICINO-I-Studie (Datenerhebung im Jahre 2000/2001) (26, 27).

In dieser Studie wurde eine repräsentative Stichprobe von 4875 Kindern aus 70 Schulen im Kanton Tessin anthropometrisch erfasst (Körpergewicht, -grösse, Taillen- und Hüftum-fang wurden gemessen) und mittels

Fragebo-gens über diverse Lebensstilfaktoren befragt.

Die Studienpopulation wurde zu gleichen An-teilen in städtischen und ländlichen Gebieten sowie in der Agglomeration rekrutiert. Die Prä-valenz des Übergewichtes und der Adipositas variierte je nach geographischer Region bei Knaben zwischen 10.6% und 15%, respektive 6.6% und 2.8% für die Adipositas. Die entspre-chenden Zahlen für die Mädchen betrugen 10.4%–12.7% und 1.8%–2.5%. Die Kombina-tion von hohem TV-Konsum zusammen mit geringer körperlicher Aktivität wirkte sich – wie in anderen Studien – besonders ungünstig auf verschiedene anthropometrische Parameter aus (z.B. BMI oder Taillenumfang) (Abbildung 3).

Diese Assoziationen zeigten sich in allen drei geographischen Regionen. In dieser Studie zeigte sich die höchste Prävalenz von Überge-wicht in den städtischen Gebieten mit dem wohl «obesiogensten» Lebensstil.

Ein «obesiogener» Lebensstil ist u.a. charak-terisiert durch körperliche Inaktivität, höheren Medienkonsum und eine höhere Energie-zufuhr (28). In der TICINO-I-Studie war die körperliche Aktivität (Tage, an denen nach der Schule Sport getrieben wurde, resp. Stunden körperlicher Aktivität) in der Stadt geringer als in der ländlichen Region und/oder Agglome-ration. Die unterschiedliche Prävalenz des Übergewichtes nach geographischer Region zeigt die grosse Bedeutung des Lebensstils und lässt mögliche primäre genetische Faktoren in den Hintergrund rücken. Es ist anzunehmen, dass der genetische Hintergrund in allen Regio-nen vergleichbar war. Vielmehr scheint hier nach der Thrifty-Gene-Theorie eine vorliegen-de Prädisposition erst durch das Vorhanvorliegen-densein von exogenen Risikofaktoren phänotypisch exprimiert zu werden (15). In einer Studie im Kanton Graubünden zeigten sich keine ein-deutigen Unterschiede zwischen Stadt (Chur) und verschiedenen ländlichen Gemeinden des Kantons (29) (in dieser Studie war es allerdings schwierig, «abgelegene ländliche» Orte zu identifizieren, zumal der Tourismus in dieser Landesregion weit verbreitet ist).

TICINO-II-Studie

In der TICINO-II-Studie, einer Querschnittsun-tersuchung in der Primar- sowie Sekundar-schule in zwei Vorortgemeinden von Lugano, wurden bei 1177 Schülern (Alter 11.5 ± 2.6 Jahre, Mittelwert ± SD) diverse anthropometri-sche Parameter (u.a. auch die Körperzusam-mensetzung mittels Bioimpedanz) und Lebens-stilfaktoren durch einen Fragebogen erfasst (30). Die Prävalenz von Übergewicht und Adi-positas bei den Knaben betrug 15.4% und 6.5%. Die entsprechenden Zahlen für die

Mäd-chen betrugen 15.9% und 3.4%. Im Median betrieb die TICINO-II-Studienpopulation ledig-lich an 2 Tagen Sport bzw. andere körperledig-liche Aktivitäten nach der Schule. Knapp 25% gaben an, ausserhalb der Schule überhaupt keinen Sport zu treiben. Bei den Knaben trieben in der Primarschule 30.5% Sport ausserhalb der Schule, in der Sekundarstufe gaben dies nur noch 19.6% an. Ob der Abfall der ausserschuli-schen sportlichen Aktivität durch einen ver-mehrten Aufwand für die Schule oder Verlage-rung der Interessen zurückzuführen ist, lässt sich aufgrund der Erhebung nicht beantworten.

Der Medienkonsum bei den Sekundarschülern war häufiger und ausgeprägter (ca. 4 Stunden mehr pro Woche) als bei den Primarschülern.

Der mediane TV- und Medienkonsum betrug 3h. 9.7% der Knaben und 14.2% der Mädchen konsumierten kein Frühstück. 12.8% der Kna-ben und 18.8% der Mädchen nahmen zum Frühstück nur ein Getränk ein. Die Mehrheit der Knaben und Mädchen nimmt sowohl das Mittag- als auch das Abendessen daheim ein.

34.3% der Knaben und 29.9% der Mädchen gaben an, dass der Fernseher daheim während des Mittagessens lief. 42.2% der Knaben und 41.2% der Mädchen gaben an, dass beim Abendessen daheim der Fernseher ebenfalls angestellt war. Das TV-Verhalten in Bezug auf die Hauptmahlzeiten war bei Primar- und Se-kundarschülern ähnlich. Der Anteil an Kindern resp. Familien, bei denen der Fernseher wäh-rend des Essens läuft, ist ähnlich wie in Deutsch-land oder anderen Studien aus der Schweiz (siehe unten). Es scheint, dass auch in der Schweiz das Fernsehgerät und andere Medien die klassische Familienstruktur auflösen und die Kommunikation zwischen Familienmit-gliedern beeinträchtigt und auch die Eltern-Abbildung 3: Beziehung zwischen dem Ausmass der körperlichen Aktivität und dem TV-/Medienkonsum

und dem BMI (kg/m2) sowie dem Taillenumfang (Waist circumference) bei Knaben der Ticino-I-Studie (n = 2370 Knaben) (bei Mädchen zeigt sich dieselbe Konstellation auf tieferem Niveau, Daten nicht dargestellt) (ANOVA für beide Parameter p <0.001) (26, 27)

19

BMI (kg/m2) Taillenumfang (cm)

gering

funktion mehrheitlich durch den Fernseher

«ersetzt» wird (31). Diese Entwicklungen ha-ben fatale Auswirkungen auf das Essverhalten, die Kommunikation innerhalb einer Familie und schlussendlich der ganzen Gesellschaft (31). Auch in dieser Population zeigte sich eine ausgeprägte Beziehung zwischen dem Ausmass der körperlichen Aktivität und/oder dem Aus-mass des Medienkonsums und verschiedenen anthropometrischen Parametern (BMI, Fett-masse, Taillenumfang, Hüftumfang). Kinder mit geringer körperlicher Aktivität hatten eine Fettmasse von 18.6%±0.6%, jene mit einem hohen Mass an körperlicher Aktivität 12.3 ± 0.3%; Kinder in der mittleren Terzentile der körperlichen Aktivitätskategorie hatten eine Fettmasse von 14.5 ± 0.5% (ANOVA p < 0.001).

Für die Waist/Hip-Ratio (W/H-Ratio) zeigte sich dieselbe Konstellation, d.h. Kinder mit der höchsten Aktivität wiesen die kleinste W/H-Ratio auf, ähnlich wie in der TICINO-I-Studie (Abbildung 3).

ETH-Studien

In einer Studie der ETH Zürich (ETH-Studie I) wurden in 30 Schulen aus verschiedenen geographischen Regionen der Schweiz 595 Kinder (6–12 Jahre alt) erfasst (32). Unter Ver-wendung der amerikanischen BMI-Perzentilen waren in Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht zwischen 19.2% und 27.4% der Kinder übergewichtig (entsprechend der 85.

US-Perzentile) und 5.6% und 16.3% der Kin-der adipös (entsprechend Kin-der 95. Perzentile).

Unter Verwendung der Definitionskriterien basierend auf der 1. Züricher Longitudinal-studie waren sogar 34% der Mädchen und Knaben übergewichtig (d.h. >90. Perzentile) und ca. 16% adipös (d.h. >97. Perzentile) (32).

Die Prävalenz der Adipositas variiert je nach verwendeten Definitionskriterien und entspre-chend müssen diese Daten mit Vorsicht inter-pretiert werden und können nicht mit den anderen Studien verglichen werden. In dieser Studie gaben 17% der 9- bis 10-jährigen und 33% der 11- bis 12-jährigen Mädchen an, zu dick zu sein. Ähnlich hohe Anteile gaben an,

«ihr Gewicht» reduzieren zu wollen. Knapp 8% der Mädchen und 3% der Knaben gaben an, Mahlzeiten auszulassen (32). Eine weitere Studie (16) unter Verwendung der ITFO Defi-nitionskriterien (17) zeigte deutlich tiefere Prävalenzen: Im Gesamtkollektiv (2600 Kinder im Alter von 6–12 Jahren) betrug die Prävalenz von Übergewicht bei den Knaben 16.1 ± 1.1%, bei den Mädchen 19.1 ± 1.1%. Die Prävalenz für die Adipositas betrug bei den Knaben 3.85 ± 0.56% und für die Mädchen 3.72 ± 0.54%. Die Raten in den einzelnen Altersstufen sind in der Tabelle 1 aufgeführt. In dieser ETH- Studie wurde eine Cluster-Sampling-Technik verwendet und die Kinder wurden in 60 zufäl-lig ausgewählten Gemeinden und Schulen der Schweiz rekrutiert. In dieser Studie wurden auch die Hautfalten an 4 Lokalisationen gemes-sen und damit die Fettmasse unter Verwen-dung einer Formel berechnet (16). Zwischen dem BMI und der prozentualen Fettmasse ba-sierend auf Hautfaltenmessung zeigte sich erwartungsgemäss eine gute Assoziation und 74% der Variabilität der Fettmasse konnte bei beiden Geschlechtern durch den BMI erklärt werden. Zusätzlich berechneten die Autoren die Prävalenz von Übergewicht (>85. Perzenti-le) und Adipositas (>95. PerzentiPerzenti-le) unter Ver-wendung der amerikanischen Wachstumskur-ven der Centers of Disease Control and PreWachstumskur-ven- Preven-tion (CDC). Mit diesen DefiniPreven-tionskriterien

fanden die Autoren deutlich höhere Prävalen-zen. Bei dieser vom statistisch-mathematischen Standpunkt aus interessanten Arbeit wurden des Weiteren die BMI-Kriterien gemäss der IOTF- und CDC-Definition mit der auf Hautfal-tenmessungen basierenden Fettmasse zur Identifizierung von Übergewicht verglichen.

Erwartungsgemäss zeigten sich bei Verwen-dung der unterschiedlichen Definitionskriteri-en (14), und dem Vergleich mit einer für die Fragestellung wahrscheinlich nicht idealen Methode zur Erfassung der Fettmasse, signifi-kante Unterschiede. Die Autoren schliessen daraus, dass die IOTF-Kriterien für die Schweiz insensitiv sind und 40–50% der adipösen Kin-der in Kin-der Studienpopulation nicht erfasst wür-den (16). Die Problematik betreffend der idea-len Definitionskriterien wurde oben bereits an-gesprochen und soll im Rahmen dieser Arbeit nicht näher erläutert werden.

SMASH-2002-Studie

Im Jahre 2002 wurde im Rahmen der so ge-nannten SMASH-2002-Studie (Swiss Multi-center Adolescent Survey on Health) das Ge-sundheitsverhalten und Verhaltensweisen bei 16- bis 20-Jährigen in der Schweiz erfasst (33).

Aufgrund des Studiendesigns wurden das Körpergewicht und die Körpergrösse lediglich erfragt. Der Anteil an übergewichtigen Jugend-lichen (BMI 25.0–29.9 kg/m2) lag in Abhängig-keit vom Geschlecht und Ausbildungssituation zwischen 4 und 11% (33). Lehrlinge gaben sig-nifikant häufiger ein Körpergewicht und/oder eine Körpergrösse an, die einem BMI >25 kg/

m2 entsprechen als Schüler und Schülerinnen gleichen Alters. Die Autoren führen dies einer-seits auf einen häufigeren Ausser-Haus-Ver-zehr der Hauptmahlzeiten bei den Lehrlingen

zurück, andererseits auch auf eine kürzere Mit-tagspause, welche scheinbar keine gewichts-freundliche Lebensmittelauswahl erlaubt (33).

Untergewichtigkeit wird in einem anderen Ka-pitel diskutiert, hier sei lediglich erwähnt, dass in der SMASH-2002-Studie ca. 20% der Mäd-chen untergewichtig waren (i.e. BMI <18.5 kg/

m2). 60% der in SMASH 2002 erfassten Jungen gaben an, mit ihrem Gewicht zufrieden zu sein, bei den Mädchen waren dies 40%. Etwas mehr als die Hälfte der Mädchen gaben an, zu dick zu sein (33). In der SMASH-1993-Studie gaben lediglich 37% der Mädchen an, dass sie sich zu dick fühlen (33). Bei den Jungen stieg der An-teil an Teilnehmern, welche sich als zu dick einschätzen, von 12% im Jahre 1993 auf 20%

an. Im Jahre 1993 gaben 55% der Mädchen an, ihr Gewicht verändern zu wollen; in SMASH 2002 waren dies bereits 70%. 63.6% der Mäd-chen und 70% der Jungen, die ihr Gewicht re-duzieren wollten, gaben an, dies durch ver-mehrte sportliche Aktivität erreichen zu wollen (im Jahre 1993 betrug der entsprechende Pro-zentsatz bei den Jungen lediglich 38%) (33). In SMASH 2002 erklärten allerdings auch 45%

der Jungen und 20% der Mädchen, die gerne zunehmen möchten, dies mit Sport erreichen zu wollen. Letztere Konstellation ist interessant und kann nicht genau interpretiert werden, es erscheint jedoch durchaus möglich, dass es sich auch um eine Fehlinterpretation der Bedeu-tung von «sportlicher Aktivität» handeln könnte, zumal Sport heute «in» ist und Sport-accessoires einen hohen modischen Stellen-wert haben und zwar mehrheitlich unabhängig von deren praktischen Anwendung. 30.6% der Mädchen und 20% der Jungen, welche ihr Ge-wicht reduzieren wollen, gaben an, dies durch eine Diät zu machen (33). 36.4% der Lehrlinge

und 27.3% der Schülerinnen berichteten, in ihrem Leben bereits einmal eine Diät gemacht zu haben. Im SMASH-2002-Bericht schreiben die Autoren, dass ca. ein Drittel der Mädchen, die gerne abnehmen möchten, diesbezüglich keine konkreten Aktivitäten verfolgen. Letzte-res wird auch als Hinweis auf eine «hilflose Unzufriedenheit» interpretiert (33) und unter-streicht die Bedeutung der Ernährungs- und Lifestyle-Erziehung. Es sei hier bemerkt, dass in der SMASH-Studie der Gesundheitszustand von 16- bis 20-Jährigen untersucht wurde. Die scheinbar weitverbreitete Hilflosigkeit in dieser Altersgruppe deutet einerseits auf einen Man-gel an Erziehungsarbeit im präventivmedizini-schen Bereich im jüngeren Alterssegment hin und unterstreicht die Bedeutung von Erziehungsarbeit, möglichst früh im Leben, und andererseits z.T. auch auf eine Orientie-rungslosigkeit der Eltern.

ISPA-Befragung

In der ISPA-Befragung zum Gesundheitsver-halten von 11- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schülern gaben 68.1% der Jungen und 52.5% der Mädchen an, ein gerade richtiges Körpergewicht zu haben (34). 12.8% der Jun-gen und 22.2% der Mädchen gaben an, dass sie eigentlich abnehmen müssten. 9% der Jungen und 17.5% der Mädchen gaben an, zurzeit eine Abmagerungskur durchzuführen (34).

Studie bei Kantonsschülern im Kanton Aargau In einer Studie bei Kantonsschülern im Kanton Aargau (n = 437, Durchschnittsalter SD = 17.9

± 1.3 Jahre) waren 4.8% der Schüler überge-wichtig, 1.2% adipös (35). Die entsprechenden Zahlen der Mädchen waren 6.1% für Überge-wicht und 0% für die Adipositas. In dieser

Stu-die wurde u.a. Stu-die Körperzusammensetzung mittels Bioimpedanz gemessen. Rund 3% der Schüler hatten einen Fettanteil von >20%, 17% der Schülerinnen hatten einen Fettanteil von mehr als 30%. Die übergewichtigen Schü-ler hatten einen Fettanteil von 21.3 ± 4.8%, die normalgewichtigen 10.1 ± 2.9%. Bei den über-gewichtigen Schülerinnen betrug der Fettanteil 33.8 ± 2.5% und bei den normalgewichtigen 22.7 ± 6%. Aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungsstufen und Alterseffekte, der feh-lenden Standards und Validierung bei Kindern müssen diese BIA-Daten über die Körperzu-sammensetzung jedoch vorsichtig interpretiert werden. Aus Platzgründen können hier nicht spezifischere Daten dargestellt und diskutiert werden. Auch wenn Übergewicht ein zuneh-mendes Problem darstellt, darf auch das unter-schiedlich hohe Vorkommen von Untergewicht nicht unterschätzt werden.

Die Selbst- und Fremdeinschätzung der körperlichen Aktivität korrelierte invers mit dem Fettanteil (35). Beinahe 20% der Kantons-schüler nahmen regelmässig Vitaminsupple-mente ein. Eine interessante Beobachtung sei hier am Rande vermerkt: Über 75% der

Die Selbst- und Fremdeinschätzung der körperlichen Aktivität korrelierte invers mit dem Fettanteil (35). Beinahe 20% der Kantons-schüler nahmen regelmässig Vitaminsupple-mente ein. Eine interessante Beobachtung sei hier am Rande vermerkt: Über 75% der