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und 2) Praxisgestaltung bei gleichzeitiger Theoriebildung

und methodologische Grundlegung

Ad 1 und 2) Praxisgestaltung bei gleichzeitiger Theoriebildung

Entsprechend der gestaltungsorientierten Forschungsperspektive entfaltet sich die verzahnte Praxisgestaltung mit der Theoriebildung in einem gemeinsamen Prozess der Exploration, Gestaltung, Erprobung und Evaluation von Interventionen. Das In-teresse besteht demnach in der „Exploration bestehender Praktiken, der Eingren-zung des Gegenstandsbereiches, der Entwicklung und Erprobung eines Prototyps zur Untersuchung zugrundeliegender Entwicklungshypothesen sowie in der Ana-lyse und Erklärung der Wirkungsweise des didaktischen Designs“ (Raatz, 2016, S. 42 mit Bezug auf Allert & Richter, 2011, S. 8 ff.).

Der vorliegende Forschungsprozess folgt diesem Verständnis, indem zuerst über eine Umfragestudie Anhaltspunkte zur professionellen nachhaltigkeitsorientier-ten Handlungskompenachhaltigkeitsorientier-tenz von Berufsschullehrkräfnachhaltigkeitsorientier-ten sowie zu ihren bestehen-den Praktiken bei der Umsetzung von BBnE exploriert werbestehen-den. Die Ergebnisse der Umfrage sowie die Exploration der theoretischen Grundlagen zur Befähigung von Lehrkräften zur Umsetzung von BBnE legen eine erste vorläufige Eingren-zung des Gegenstandsbereiches fest. Auf dieser Grundlage wird ein Prototyp ei-nes Fortbildungskonzepts für Berufsschullehrkräfte entwickelt.27 Als innovatives Entwurfsmuster enthält es didaktisch-methodische Merkmale28 und erste Erneue-rungen in Form von neuen Produkten, Materialien, Tools, Aktivitätsstrukturen, etc. (vgl. Raatz, 2016, S. 40). Bevor der Prototyp in die Fortbildungspraxis in Ham-burg überführt wird, werden die innovativ angelegten Merkmale in einem siche-ren Umfeld getestet und erprobt. Erst wenn der Prototyp einigermaßen optimiert vorliegt, wird er im eigentlichen Untersuchungsfeld „ausgerollt“, erprobt und eva-luiert. Die innovativ angelegten Merkmale werden dann im realen Kontext erneut beobachtet, schrittweise verbessert, um sie letztlich kontextsensitiv verstehen zu können (vgl. Cobb, Confrey, diSessa, Lehrer, & Schauble, 2003, S. 10).

Besonders im DBR-Ansatz stehen die sogenannten Gestaltungsprinzipien29 (engl.

„Design Principles“) im Mittelpunkt der Forschung. Sie gehen als vorläufige prä-skriptive Aussagen theoriegeleiteter Annahmen über die Wirkungsweise didaktisch-methodischer Erneuerungen in den Forschungsprozess ein. Durch ihre kontextge-bundene Erprobung und Evaluation sollen daraus wiederum ausdifferenzierte Gestaltungsprinzipien resultieren, die kommunizierbare technologische Theorien darstellen (vgl. Raatz, 2016, S. 46). Gestaltungsprinzipien bilden zugleich

Ausgangs-27 Im Bildungsbereich können neben Weiterbildungsmaßnahmen auch Curricula, neue Lernkonzepte, Lernprogramme, Weiterbildungskonzepte u. v. m. als Prototypen ausgearbeitet werden (vgl. Sloane, 2014, S. 118).

28 Im Falle von Prototypen aus dem Bildungsbereich werden die innovativen Merkmale eines Prototyps als Design-Prin-ciples (Gestaltungsprinzipien) bezeichnet. In ihnen sind bestimmte „Design-Annahmen“ enthalten.

29 Gestaltungsprinzipien haben eine Doppelfunktion: „Sie formulieren wissenschaftliche Aussagen in einer mehr oder we-niger generellen Form. Als solche bieten sie für die didaktische Gestaltung von Lernumgebungen eine Orientierung, müssen jedoch auf die je spezifischen Gestaltungsbedingungen ausgelegt und angepasst werden. Zugleich bilden „De-sign-Principles“ die Struktur, in die Erkenntnisse aus Projekten im Rahmen eines DBR überführt werden können. Dies impliziert, dass zunächst situationsgebundene Erfahrungen in einem didaktischen Feld in einem angemessenen Maße generalisiert werden müssen“ (vgl. Euler, 2014a, S. 111).

und Endpunkt des Forschungsprozesses. Ihre Aufgabe ist es einerseits vorläufige di-daktisch-methodische Theorien für die praktische Anwendung vorzugeben und an-dererseits den Reflexionsrahmen für die Evaluation der didaktisch-methodischen Theorien bereitzustellen. Durch diese Doppelfunktion als Gestaltungsgrundlage für die Praxis wie auch als Ergebnis der Wissensgenerierung lässt sich ihre Wirkungs-weise im praktischen Kontext überprüfen (vgl. Raatz, 2016; Euler, 2014a, S. 107; Euler, 2017). Sie schlagen „eine Brücke zwischen den Ansprüchen der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung und der didaktischen Praxisgestaltung“ und verschränken Theorieanwendung und -überprüfung sowie Theorieentwicklung (vgl. Euler, 2014a, S. 105).

Verschiedene Vertreter des DBR-Ansatzes haben sich deshalb mit der Frage auseinandergesetzt, wie diese Gestaltungsprinzipien zu strukturieren bzw. darzu-stellen sind. Auch wenn sie unterschiedliche Bezeichnungen verwenden30, beschäfti-gen sie sich alle damit, wie sich „präskriptive Aussabeschäfti-gen für das praktische Handeln in einem konkreten Untersuchungsfeld entwickeln, die sich zum einen auf den Ge-genstand der Intervention, zum anderen auf den Entwicklungsprozess beziehen“

(Raatz, 2016, S. 50 mit Bezug auf Euler, 2014a, S. 100). Damit erheben sie Anspruch auf zwei unterschiedliche Abstraktionsebenen: „Zum einen repräsentieren sie ver-breitete allgemeindidaktische Leitideen, zum anderen spezifische Gestaltungsregeln für einen konkreten Situationsrahmen“ (Euler, 2014a, S. 102). Bezugnehmend auf die verschiedenen Vertreter exploriert Euler (2014a) einen Rahmen für eine einheitliche Strukturierung von Gestaltungsprinzipien, der auf drei leitenden Aspekten aufbaut (vgl. Euler, 2014a, S. 100 ff.; s. auch Raatz, 2016, S. 45 ff.):

1. Gestaltungsprinzipien beziehen sich immer auf einen spezifischen Kontext.

Deshalb sind die zugrunde liegenden organisatorischen und sozialen Rahmen-bedingungen sowie individuellen Lernvoraussetzungen zu analysieren und dar-zustellen. Im Prozess der Erprobung und Evaluation werden die Bedingungen und Voraussetzungen schrittweise mit den theoretischen „Design-Annahmen“

sowie den empirisch untermauerten Erkenntnissen abgestimmt.

2. Gestaltungsprinzipien sind für die Intervention zielbezogen zu konkretisieren.

Sandoval (2004) schlägt dazu eine Systematik vor, die vier Schritte vorgibt: Der erste Schritt besteht darin, die vorläufig bestätigten, neuen, ausdifferenzierten bzw. theoriegeleiteten „Design-Annahmen“31 genauestens aufzuarbeiten. Im zweiten Schritt werden die „Design-Annahmen“ in „Design-Merkmalen“ veran-kert, die aus vorgedachten didaktisch-methodischen Produkten, Materialien, Tools und Aktivitätsstrukturen/Sozialformen bestehen. Im dritten Schritt wer-den aus wer-den „Design-Merkmalen“ unmittelbar beobachtbare Lehr-Lernhandlun-gen antizipiert. Denn aus ihnen können im vierten Schritt die angestrebten Lernziele der Innovation abgeleitet werden. Diese Systematik verfolgt das Ziel,

30 So beschreibt Sandoval (2004), wie „Embodied Conjectures“ entstehen und entwickelt werden können, Edelson (2002) befasst sich mit „Design Frameworks“ und van den Akker, Branch, Gustafson, Nieveen, und Plomp (1999) unterschei-den zwischen „substantiven“ und „proceduralen“ Gestaltungsprinzipien.

31 Bei Sandoval (2004) bestehen die Gestaltungsprinzipien aus sogenannten „Design-Annahmen“ (engl. „Conjectures“), die sich auf vorläufige empirische und theoretische Erkenntnisbestände beziehen.

rückwirkend aus den abgeleiteten Lernzielen über die unmittelbar beobachtba-ren Lehr-Lernhandlungen Schlussfolgerungen zur Optimierung der Design-Merkmale ziehen zu können und theoretische Erkenntnisse trotz der Komplexi-tät des Kontextes zu generieren.

3. In Anlehnung an van den Akker et al. (1999) lassen sich Gestaltungsprinzipien zwischen substanziellen („substantiven“) Leitprinzipien (Wie sollte eine Inter-vention aussehen?) und prozessbezogenen („procedural“) Umsetzungsprinzi-pien (Wie sollte die Intervention entwickelt werden?) differenzieren. Substan-zielle Leitprinzipien sind theoretisch oder empirisch untermauerte didaktische Leitideen, die in der Intervention angelegt werden (Euler, 2014a, S. 108). Prozess-bezogene Umsetzungsprinzipien geben die konkreten und prozessualen Aus-prägungen der durchgeführten Lehr-Lernumsetzung wieder. In ihnen kommt besonders die Verzahnung von Theorie und Praxis zum Ausdruck.

Diese drei Aspekte führt Euler (2014a, S. 107) in einem Bezugsrahmen zusammen (s.

Tabelle 2). Dieser gibt eine Grundstruktur für die Aufbereitung von Gestaltungs-prinzipien vor und ist in der Lage, die zweifache Zielsetzung eines gestaltungsorien-tierten Forschungsvorhabens zu verbinden, indem einerseits generalisierte wissen-schaftliche Aussagen formuliert werden und sich andererseits die Ergebnisse aus dem „DBR-Projekt“ in die Struktur übertragen lassen (vgl. Sloane, 2014, S. 126).

Grundstruktur von Gestaltungsprinzipien („Design-Principles) nach Euler (2014a, S. 107) Tabelle 2:

Kontexte:

Organisationale und soziale Rahmenbedingungen Individuelle Lernvoraussetzungen

Angestrebte Lernergebnisse (Lernziele):

Intervention (syn.: Lernumgebung, Konzept) Leitprinzipien (DP: „substantive emphasis“) (z. B. Leitideen, lehr-/lerntheoretische Annahmen, Auslegung didaktischer Theorien auf den Anwen-dungskontext)

Umsetzungsprinzipien (DP: „procedural emphasis“) (z. B. Hinweise über Ausprägung wesentlicher Lehr-Lernaktivitäten; Erfahrungen aus der Erprobung)

Begründung

Ausweisung von verwendeten theoretischen Referenzen, empirischen Befunden, Plausibilitäts-annahmen, etc. Ggf. Erläuterung der Auswahlent-scheidungen

Begründung

Hinweis auf die verwendeten Methoden bei der Erkenntnisgewinnung (z. B. Beobachtungen, Dokumentenauswertung, qualitative oder quanti-tative Befragung)

Das vorliegende Forschungsvorhaben wird das Konzept der Fortbildung in Gestal-tungsprinzipien entsprechend der Grundstruktur nach Euler (2014a) aufbereiten.

Dadurch soll die Verbindung zwischen den wissenschaftlichen Aussagen zur Be-fähigung der Lehrkräfte zur Umsetzung von BBnE mit den praktischen Ergebnis-sen bei der Umsetzung des Fortbildungskonzepts hergestellt werden.

Durch die strukturelle Aufarbeitung der Gestaltungsprinzipien wird aber nur „deut-lich, wie sie wirken, nicht wie sie entstehen“ (Sloane, 2014, S. 126). Es bleibt offen, wie die methodische Gewinnung von Gestaltungsprinzipien erfolgt (vgl. Euler, 2014a, S. 111). Aus diesem Grund schlägt Sloane eine phänomenologische Vorgehensweise vor, die auf der Grundlage von Textsortengenese und -produktion sowie Textsorten-interpretation beruht (vgl. Sloane, 2014, S. 125 ff.). Eulers Vorschlag hingegen bezieht sich eher auf ein induktives Vorgehen: In komparativen Analysen von Einzelfällen ergründen sich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede, aus denen sich theoretisch-verallgemeinerbare Erkenntnisse mittlerer Reichweite ableiten lassen (vgl. Kelle &

Kluge, 2010; Euler, 2014a, S. 105). Ein überlegenes systematisches Verfahren konnte bisher nicht herausgestellt werden und für Euler stellt dies auch „kein spezifisches Desiderat für DBR dar, denn auch in der empirisch-analytischen Lehr-Lernforschung bleiben viele Schritte im Prozess der Datenerhebung und -auswertung implizit und daher nur begrenzt nachvollziehbar“ (2014a, S. 111). In Anlehnung an den Pragmatis-mus können im Sinne der Abduktion allerdings Situationen geschaffen werden, in denen es häufiger zu neuen Erkenntnissen kommt (vgl. Reichertz, 2015, S. 283). Er-kenntnisse gehen hiernach in erster Linie von überraschenden Ereignissen aus, in denen versucht wird, eine passende Erklärung für einen überraschenden Moment zu finden. Die eingenommene Forschungshaltung unterstützt die Ermittlung solcher Momente entscheidend. Dementsprechend nimmt der Forschende die ermittelten Daten „extrem ernst“ und klammert die Gültigkeit des bislang erarbeiteten Wissens ein (vgl. Reichertz, 2015, S. 284). Dadurch wird eine explizite Gegenüberstellung von Daten zum eigenen Wissen herbeigeführt (vgl. Reichertz, 2015). Um Erklärungen für das Überraschende in dieser Situationen zu finden, bedarf es dann kreativer und origineller Überlegungen und im besten Falle muss neues Handlungswissen er-zeugt werden (Kuckartz, 2014a, S. 41 f.).

Im Forschungsprozess wird besonders auf die überraschenden Momente geachtet und die ermittelten Daten werden vorerst ernst genommen, um sie später mit dem erarbeiteten Wissen abzugleichen.

Ad 3) Unterschiedliche Lebenswelten unter Beachtung besonderer Feldnähe