• Keine Ergebnisse gefunden

in der beruflichen Schule – eine neue Herausforderung für die Lehrkräfte“

4.1 Zielsetzung, Relevanz und Aufbau der Untersuchung

Im Zentrum des nächsten Kapitels steht eine Bestandsaufnahme von BBnE bei der Zielgruppe der Untersuchung. Die explorative quantitative Survey-Studie erfasst den

„Status quo“ von BBnE bei Berufsschullehrenden. Sie zielt dabei nicht nur auf rein deskriptive wissenschaftliche Zusammenhänge, sondern auch auf „theoretisch rele-vante“ Ansätze für die Weiterentwicklung von Theorie und Praxis Schnell, Hill, &

Esser, 2018, S. 3). Diesem Verständnis folgend hat die Survey-Studie nicht nur die Aufgabe, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, sondern zielt darüber hinaus auch auf eine Situationsverbesserung ab, welche die Trennung zwischen Grundlagenfor-schung, anwendungsbezogener Forschung und Praxis überwindet (vgl. BMBF, 2002, S. 12). Damit reiht sie sich in das wissenschaftstheoretische und methodologische Verständnis dieser Arbeit ein.

Das oberste Ziel dieser quantitativen Teilstudie ist es, erste Erkenntnisse zu ei-ner professionellen nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz von Lehren-den zu iLehren-dentifizieren, zu systematisieren und zu analysieren. Die empirischen Er-gebnisse sollen Aufschluss darüber geben, wie zusammen mit der theoretischen Herleitung BBnE-Qualifizierungsmaßnahmen verbessert werden können. Die Um-frage stellt wesentliche Informationen und Kenntnisse bereit, welche herangezogen werden können, um Berufsschullehrkräfte erfolgreich und wirksam zu qualifizieren.

In der Entwicklung, Erprobung und Evaluierung einer Fortbildungsreihe in Ham-burg wurden die Erkenntnisse vertiefend angewendet, weiterentwickelt und verdich-tet. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, BBnE in der schulischen Berufsbildung zu verankern sowie einen Beitrag zur Theorieentwicklung in der Berufspädagogik zu leisten. Im Zentrum dieser Verankerung stehen die Berufsschullehrkräfte. Die Deu-tungen zur nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz der Lehrenden geben Anhaltspunkte, wo angesetzt werden kann, um BBnE-spezifische Lehr-/Lernarrange-ments zu entwickeln.

Das Kapitel beantwortet eine doppelte Fragestellung:

• Welche Ausgangsbedingungen hinsichtlich einer professionellen nachhaltig-keitsorientierten Handlungskompetenz liegen bei den Berufsschullehrkräften vor?

• Welche Bedarfe haben Berufsschullehrkräfte, um eine professionelle nachhal-tigkeitsorientierte Handlungskompetenz zu entwickeln?

Es werden zuerst die methodischen Grundlagen der Umfrage dargestellt, indem der Erhebungsverlauf (Kapitel 4.2), das Erhebungsinstrument (Kapitel 4.3), die Auswer-tungsverfahren (Kapitel 4.4) und die Befragten (Kapitel 4.5) beschrieben werden.

Anschließend werden die Ergebnisse anhand der Reihenfolge der Fragenblöcke aus der Tabelle 13 dargelegt. Diese sind auf der Grundlage der Zielsetzung und dem theoretisch-normativen Modell der nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompe-tenz (s. Kapitel 3) folgendermaßen untergliedert:

Fragenblöcke der Umfrage mit der Zuordnung zum theoretisch-normativen Modell der profes-sionellen nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz von Berufsschullehrkräften

Tabelle 13:

Nr. Fragenblöcke Zuordnung zum Kompetenzmodell

1. Welches Verständnis haben die Lehrer:innen von Begriffen wie „Nachhaltigkeit“ bzw. „nachhaltiger Entwicklung“?

Verständnis von bzw. Wissen über Nachhaltigkeit

Teil1

2. Wie bewerten die Lehrer:innen anhand

ausgewähl-ter Aspekte die starke vs. schwache Nachhaltigkeit? Innere Einstellung, Überzeugung, Wertehaltung zur Nachhaltigkeit 3. Wie schätzen die Lehrer:innen die

Einflussmöglich-keiten der Erwerbstätigen auf eine nachhaltige Ent-wicklung in ihrem beruflichen Umfeld ein?

Selbstregulation, Kontrollüberzeugun-gen bzw. Verantwortungszuschreibung

4. Wie wichtig sind den Lehrer:innen Aspekte einer

Bildung für nachhaltige Entwicklung? Innere Einstellung und motivationale Orientierung

5. Inwieweit verfolgen die Lehrer:innen die

ganzheit-liche Förderung der Gestaltungskompetenz? Pädagogisches und fachdidaktisches Wissen bzw. motivationale Orientierung 6. Wo und wie wird nachhaltige Entwicklung in der

Berufsschule verankert? Fachliches und fachdidaktisches Wissen und Können

Teil2

7. Welches sind die thematischen Zusammenhänge? Fachliches und fachdidaktisches Wissen und Können

8. Wie wird der Unterricht didaktisch-methodisch

umgesetzt? Pädagogisches und fachdidaktisches

Wissen und Können 9. Welche Motive spielen eine Rolle, um

nach-haltigkeitsorientierte Themenfelder (nicht) zu unterrichten?

Motivationale Orientierung, eigene Bedürfnisse, Motive

10. Welches Interesse zeigen die Lehrer:innen an der Umsetzung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung?

Motivationale Orientierung

Die gesamte Beantwortung der Umfrage dauert in etwa 30 min., jeweils 15 min. für beide Teile. Aufgrund der Annahme, dass Lehrer:innen nicht bereit sind, an einer freiwilligen Umfrage länger als 15 Minuten teilzunehmen, wird den Befragten die Möglichkeit eingeräumt, vor dem zweiten Teil auszusteigen. Im ersten Teil werden die Ergebnisse zum Verständnis der Lehrenden zur BBnE, ihre innere Einstellung zur Nachhaltigkeit, ihre Bewertung der Handlungsspielräume von Erwerbstätigen, ihre Einschätzung zur Wichtigkeit der nachhaltigen Bewusstseinsförderung in

Hin-blick auf ökologische, soziale und ökonomische Aspekte sowie ihre Einschätzungen in Bezug auf die Berücksichtigung von nachhaltigkeitsbezogenen Kompetenzen in den eigenen Unterricht ausgewertet. Der zweite Teil der Untersuchung betrachtet die Ergebnisse des Gegenstandes der Untersuchung vertiefend, indem er auf die Ist-Situation der bisherigen Umsetzung von BBnE im Unterricht eingeht. Die Antwor-ten wurden in relevante nachhaltigkeitsorientierte Themenfelder untergliedert. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt in der Reihenfolge der Fragestellungen. Im Schlussteil dieses Kapitels werden die Ergebnisse in Bezug auf die zwei leitenden Fragestellungen verdichtet, um Empfehlungen für die Professionalisierung von Leh-renden zur Umsetzung von BBnE bzw. Hinweise für die Vertiefung des Forschungs-gegenstandes zu erhalten.

4.2 Vorgehensweise

Um eine angemessene und annähernd repräsentative Stichprobengröße zu erhalten, wurde eine bundesweite Online-Umfrage entwickelt. Zur Durchführung der Befra-gung von Lehrenden wurde in jedem der 16 Bundesländer eine GenehmiBefra-gung bean-tragt. Die teilweise mehrmonatigen Bearbeitungszeiten im Antragsstellungsverfah-ren zur Genehmigung der Umfrage sowie die Anpassung der Umfrage an die landesspezifischen Anforderungen waren außerordentlich arbeitsaufwendig und langwierig. Den zuständigen Ministerien mussten genaue Informationen zur Ziel-setzung, zum Gegenstand sowie sämtliche methodischen Grundlagen der Umfrage vorgelegt werden. Erst nach Erhalt der Genehmigung durften die ca. 500 ausgewähl-ten Berufsbildenden Schulen angeschrieben werden. Alle Genehmigungen hingen von der Bedingung ab, dass die Teilnahme der Lehrkräfte auf Freiwilligkeit beruhte.

Zusätzlich musste gewährleistet werden, dass die Teilnehmenden die Umfrage au-ßerhalb der eigentlichen Unterrichtszeit im privaten Bereich durchführen konnten.

Es wird deshalb davon ausgegangen, dass sich vorrangig die Lehrer:innen an der Umfrage beteiligten, die ohnehin schon dem Thema der Nachhaltigkeit zugewandt sind, bzw. diejenigen, die es ablehnen.

Der erste Kontakt wurde über die jeweiligen Sekretariate bzw. Schulleitungen der ausgewählten Berufsschulen hergestellt. Anschließend wurde mit den autorisier-ten Ansprechpartnern der jeweiligen Schule die weitere Vorgehensweise abgespro-chen. Bei Bedarf erhielten sie alle nötigen Informationen in Form eines Anschrei-bens an das Kollegium, die Beschreibung der Umfrage, die Genehmigung des Bundeslandes und eine schriftliche bzw. digitale Version des Fragebogens. Erst wenn die Verantwortlichen der Schulen ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der On-line-Umfrage bekundeten, wurden die Lehrer:innen über die Umfrage durch Weiter-leitung einer standardisierten Einladungsmail über den internen Verantwortlichen zur Teilnahme aufgefordert. Der Erhebungszeitraum an den Schulen betrug jeweils zwei Wochen. Durch eine Erinnerungsmail, welche nach der Hälfte des Erhebungs-zeitraums verschickt wurde, erhöhte sich die Rücklaufquote minimal.

Die Datenerhebung im gesamten Bundesgebiet wurde im Schuljahr 2014 bis 2015 durchgeführt. Die erste Erhebung startete im Bundesland Hamburg Ende Au-gust 2014 und die letzte endete in Berlin Anfang Juni 2015.

4.3 Erhebungsinstrument

Auf Grundlage der Zielsetzung der Befragung sowie des theoretisch-normativen Kompetenzrahmens ist zunächst ein vorläufiger Fragebogen konzipiert worden. Die-ser wurde vor der Haupterhebung von Experten aus dem Bereich der BBnE kommu-nikativ validiert. Nach mehreren Runden der kommukommu-nikativen Validierung wurde der Fragebogen in ein Online-Befragungssystem überführt. Der Online-Fragebogen wurde dann in einem Pretest von ausgewählten Lehrkräften, welche der Zielgruppe ähnlich sind, auf Verständnis und Plausibilität erprobt.

Der Aufbau des Fragebogens ergab sich aus der Reihenfolge der aufgelisteten Fragenblöcke im vorangegangenen Kapitel (vgl. Tabelle 13). Er bezieht sich auf per-sonenbezogene Anhaltspunkte, welche sich auf ein theoretisches Modell stützen, das das professionelle Handeln von Lehrkräften beschreibt (vgl. Baumert & Kunter, 2006). Zu den vier Modelldimensionen gehören das (Professions-)Wissen, die Über-zeugungen und Wertehaltungen, die Motivation sowie die Selbstregulation von Lehr-kräften zur BBnE. Neben anderen umweltbezogenen Merkmalen, wie z. B. die Be-reitstellung zeitlicher oder finanzieller Ressourcen, sind die personenbezogenen Dimensionen entscheidende Einflussmerkmale für die Implementierung einer In-novation (vgl. Goldenbaum, 2013, S. 150). Für einen erfolgreichen nachhaltigkeits-orientierten Unterrichtsprozess wird den Lehrkräften und damit ihrer professionel-len Handlungskompetenz eine Schlüsselfunktion zugesprochen. Explizit sei hier aber nochmals darauf hingewiesen, dass die Auswertung des Fragebogens keine konkreten, professionellen und nachhaltigkeitsorientierten Kompetenzen der Lehr-kräfte erfasst, sondern vielmehr Anhaltspunkte zum Wissen, zu den Überzeugun-gen und WertehaltunÜberzeugun-gen, den motivationalen und selbstregulativen OrientierunÜberzeugun-gen bei den Lehrkräften in Bezug auf die BBnE. Dazu wurden verschiedene Verfahren angewendet (vgl. Kapitel 4.4).

Konkret begann die Befragung mit der Erhebung von soziodemografischen Merkmalen der Befragten, um das Alter, das Geschlecht, die Dauer der Berufstätig-keit, die Schule, ihre Studienfächer sowie den fachbezogenen Unterrichteinsatz an der Schule auswerten zu können. Die Frage, ob die Lehrer:innen die Begriffe Nach-haltigkeit bzw. nachhaltige Entwicklung bereits gehört haben und was sie damit as-soziieren, führte inhaltlich in die Umfrage ein. Um mehr Assoziationen bei den Lehrkräften hervorzurufen, wurde der Begriff der Nachhaltigkeit, auch wenn sich dieser genau genommen von der Bedeutung der „nachhaltigen Entwicklung“ unter-scheidet, mit in die Fragestellung aufgenommen. Zudem ist er eingängiger und im täglichen Sprachgebrauch eingebunden. Es ging vorrangig darum die generellen subjektiven Konstrukte der Lehrkräfte hinter der Nachhaltigkeitsidee ausfindig zu

machen. Es sollten nicht ausschließlich das Begriffsverständnis, sondern vielmehr Indizien zum Nachhaltigkeitswissen bei den Lehrkräften ermittelt werden. Im nächsten Schritt wurden den Teilnehmenden sechs Items mit unterschiedlichen Schwerpunkten vorgelegt. Diese waren so konzipiert, dass sich die Lehrkräfte hin-sichtlich einer starken bzw. schwachen Nachhaltigkeitsausprägung entscheiden. Die Lehrkräfte waren gefordert sich entsprechend ihrer inneren Einstellungen zur Nach-haltigkeit zu positionieren. Die Einschätzung der Lehrenden zum Einfluss von Er-werbstätigen auf die Produkte und Dienstleistungen in ihrer jeweiligen beruflichen Fachrichtung erhob ein weiterer Fragenkomplex. Dieser soll Aufschluss über die Kontrollüberzeugungen bzw. Verantwortungszuschreibungen der Lehrkräfte geben.

Dahinter steht die Annahme, dass die Überzeugungen der Lehrenden zu den Hand-lungs- bzw. Einflussmöglichkeiten von Erwerbstätigen zum einen die Ausrichtung der Unterrichtsziele sowie zum anderen die Motivation zur Umsetzung eines nach-haltigkeitsbezogenen Unterrichts beeinflussen. Um in diesem Sinne weitere Daten zu erhalten, mussten die Befragten in den beiden nächsten Frageblöcken einschät-zen, wie wichtig ihnen eine Bewusstseinsentwicklung im Unterricht zu den drei Nachhaltigkeitsdimensionen ist und inwiefern sie ihren Unterricht auf die Förde-rung nachhaltigkeitsorientierter Handlungskompetenz ausrichten.

Aufgrund des bis hierhin erforderlichen Zeitbedarfs zur Beantwortung der Fra-gen wurde den Lehrenden an dieser Stelle mit dem Item „Bei Interesse für eine kon-krete Umsetzung von nachhaltiger Entwicklung freue ich mich, wenn Sie noch am zweiten Teil der Befragung teilnehmen“ die Möglichkeit eröffnet, die Befragung zu beenden, was im Falle der weniger interessierten bzw. geringer motivierten Lehr-kräfte vermutlich geschah. Damit verzweigte sich hier die Umfrage. Die „Abbrecher“

wurden automatisch zu den zwei abschließenden Fragen geleitet. Die interessierten bzw. besonders neugierigen Lehrer:innen wurden automatisch zu den vertiefenden Fragen des folgenden zweiten Abschnitts weitergeleitet. Dieser konzentrierte sich auf Fragen über das fachdidaktische und pädagogische „Wissen und Können“ der Lehrkräfte im Hinblick auf die Umsetzung einer BBnE. Dazu wurden ihnen 14 nach-haltigkeitsbezogene Themenfelder vorgegeben. Einführend sollten die Lehrkräfte die Relevanz der vorgelegten Themen für einen nachhaltigkeitsorientierten Unterricht bewerten. Parallel wurde abgefragt, welche der 14 nachhaltigkeitsbezogenen The-menfelder sie bereits im laufenden Schuljahr im Unterricht behandelt hatten. Mit dieser zusammenhängenden Erfassung von Relevanz und eigener Umsetzung der Themenfelder sollte bewusst eine kognitive Diskrepanz erzeugt werden, um sie zu den wesentlichen förderlichen bzw. hinderlichen Bedingungen befragen zu können.

Diese Fragestellung wurde am Ende des zweiten Abschnitts im Fragenblock 9 (s. Ta-belle 13) wieder aufgenommen. Vorher sollten sich die Befragten für maximal drei der 14 Themenfelder entscheiden, zu denen sie vertiefende Fragen beantworten woll-ten. Dieser Entscheidungsprozess wurde festgehalten, indem sie zusätzlich eine Be-gründung für die Auswahl der drei Themenfelder eintragen konnten. In jedem aus-gewählten Themenblock wurden sie dann zu genaueren Angaben zum Anlass, den konkreten Inhalten, dem fachlichen Bezug, den Zusammenhängen zur