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Übergeordnetes Forschungsdesign

und methodologische Grundlegung

Ad 4) Zirkulärer, iterativer Forschungsprozess

2.5 Übergeordnetes Forschungsdesign

Anknüpfend an die bestehenden Ausführungen zur wissenschaftstheoretischen und methodologischen Grundlegung folgt nachstehend die Beschreibung des übergrei-fenden Forschungsprozesses. Im Vordergrund steht die Darlegung der Zusammen-hänge zwischen drei Forschungsphasen (Ausgangserhebung, Fortbildungskonzept-Entwicklung und Evaluation) und ihre Bedeutungen für das Gesamtergebnis der Arbeit. Die drei Teilstudien haben jeweils ihren eigenen Forschungscharakter, sind aber durch eine gemeinsame Zielsetzung miteinander verknüpft (vgl. Wagner, Lüf-tenegger, Finsterwald, Schober, & Spiel, 2012, S. 197). Die folgenden Ausführungen begründen diese Verknüpfung durch die Annahmen des Mixed-Method-Ansatzes (Kuckartz, 2014a).

Abbildung 5 zeigt den prozessualen Ablauf, außerdem stellt sie den Zusam-menhang zwischen der theoretischen Exploration (Kapitel 3) und den empirischen Untersuchungen (Kapitel 4 und 5) dar. Im Mittelpunkt der Grafik wird das For-schungsdesign überblicksartig in seiner ganzen strukturellen und zeitlichen Reihen-folge visualisiert. Drei Phasen kennzeichnen den Forschungsprozess: Zunächst wird eine quantitativ orientierte Online-Umfrage bei Berufsschullehrkräften einerseits als Ausgangserhebung und andererseits zur Annäherung an das Untersuchungsfeld durchgeführt (Kapitel 4 ). Ihr Ziel besteht darin, erste Erkenntnisse über die Beschaf-fenheit der professionellen nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz bei Berufsschullehrkräften zu generieren sowie den „Status quo“ der Umsetzung von BBnE im Berufsschulunterricht zu untersuchen. Diese zweifache Zielsetzung wird auch in der zweiten Phase weitergeführt. Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus der Umfrage sowie der theoretischen Erkenntnisse wird eine erste Version des Fort-bildungskonzepts als Prototyp erstellt (Kapitel 5). Da das Hauptziel darin besteht, die berufliche nachhaltigkeitsorientierte Handlungskompetenz bei den Lehrkräften zu fördern, beinhaltet dieser zweite Prozessschrit die Entwicklung, Erprobung und Eva-luierung erster Entwurfslösungen bei gleichzeitiger Anpassung, Verfeinerung und Präzisierung von Gestaltungsprinzipien für das Konzept der Fortbildung. Am Ende

36 Between-Method-Triangulation: Kombination von verschiedenen Methoden, z. B. quantitative Umfrage mit qualitativen Interviews (vgl. Flick, 2015, S. 313). Als zweite Variante gibt es noch die Within-Method-Triangulation.

wurde ein stabiler und robuster „Fortbildungs-Prototyp“ im Untersuchungsfeld

„ausgerollt“ und formativ sowie summativ evaluiert. Die Evaluation soll die Wirk-samkeit, Effizienz und Zielerreichung aus Teilnehmendenperspektive überprüfen.

Im Anschluss des Feldtests werden qualitative Interviews mit den Fortbildungsteil-nehmenden durchgeführt, um die subjektiven Deutungen der Lehrkräfte zur Profes-sionalisierung im BBnE-Kontext abschließend und zusammenfassend zu erheben.

Ablauf des Forschungsprozesses im Zusammenwirken der theoretischen Exploration und der empirischen Untersuchungen

Der hier umgesetzte Ansatz kombiniert mehr als zwei Verfahren und verbindet im Sinne eines Mixed-Method-Designs sowohl quantitative als auch qualitative Erhe-bungs- und Analyseinstrumente miteinander. Generell besteht die Gefahr, dass den Mixed-Method-Designs eine willkürliche Zusammenstellung unterstellt wird. Aus diesem Grund wurden Kriterien zur Klassifikation und Systematisierung von Mixed-Method-Design entwickelt, die Klarheit und Stringenz in die Kombination bringen (vgl. Greene, Caracelli, & Graham, 1989; Greene, Caracelli, & Graham, 2008; Morse, 2008). Zwei Varianten der Klassifikation werden vorgestellt. Durch sie lässt sich das vorliegende Design als ein „Drei-Phasen-Vertiefungsdesign“ einordnen.

Die erste Variante wurde von Greene et al. (1989; 2008) aufgestellt. Sie unter-scheiden fünf Designtypen aufgrund ihrer verschiedenen Aufgaben und Zielsetzun-gen:

1. Ein Triangulation-Design zielt darauf ab, konvergente bzw. übereinstimmende Ergebnisse zu generieren.

2. Ein Komplementaritäts-Design verfolgt das Ziel durch mindestens zwei unter-schiedliche Methoden elaboriertere und bessere Ergebnisse zu erhalten.

3. Ein Entwicklungsdesign ist so angelegt, dass die Ergebnisse einer ersten Studie die Entwicklung einer Folgestudie beeinflusst.

Abbildung 5:

4. Ein Initiationsdesign versucht durch die Einbeziehung unterschiedlicher Me-thoden verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen, um Widersprüche sowie paradoxe Ergebnisse zu untersuchen.

5. Ein Expansionsdesign zielt darauf ab, die inhaltliche Breite und Reichweite zu erweitern, indem verschiedene Methoden miteinander kombiniert werden.

Da die vorrangige Aufgabe der Ausgangserhebung (Phase 1) darin bestand, erste Ergebnisse zu erheben, auf deren Grundlage die zwei folgenden Studien weiterent-wickelt wurden, lässt sich das vorliegende Design als Entwicklungsdesign klassifizie-ren. Die Ergebnisse der Umfrage werden benutzt um die Methodik der Prototypen-entwicklung und der formativen bzw. summativen Evaluation im Feldtest (Phase 2) sowie die Erhebung und Auswertung der Einzelinterviews (Phase 3) zu verbessern.

Ein weiteres Klassifikationsschema beruht auf vier Dimensionen, das im Ge-gensatz zur oben beschriebenen Variante die zu tätigenden Entscheidungen bei der Gestaltung von Designs zugrunde legt (vgl. Kuckartz, 2014a, S. 65 mit Bezug auf Creswell, 2003, S. 211). Diesem Schema folgend müssen vier Entscheidungen getrof-fen werden: (1.) Wie wird bei der Implementation vorgegangen, (2.) auf welchem Untersuchungstyp liegt die Priorität, (3) wann werden die Teilstudien miteinander integriert und (4.) inwieweit bestimmt der theoretische Rahmen den Forschungspro-zess mit. Für jede Dimension sind mehrere Ausprägungen möglich, die das metho-dische Vorgehen der Forschung konzeptualisieren (s. Tabelle 4).

Dimensionen und Ausprägungen eines Mixed-Method-Designs (vgl. Kuckartz, 2014a, S. 66; Cres-well, Plano Clark, Gutman, & Hanson, 2003, S. 218)

Tabelle 4:

Kriterium Ausprägungsmöglichkeiten

• Bei der Implementationsentscheidung wird über die Reihenfolge qualitativer und quantitati-ver Erhebung entschieden.

• keine Reihenfolge, gleichzeitig

• sequenziell: qualitativ zuerst

• sequenziell: quantitativ zuerst

• Die Prioritätsentscheidung beruht darauf, welchem Untersuchungstyp Vorrang einge-räumt wird.

• gleichwertig

• qualitativ

• quantitativ

• Durch die Integration wird entschieden, wann im Forschungsprozess die quantitativen und qualitativen Daten und Ergebnisse miteinander verbunden werden.

• bei der Datenerhebung

• bei der Datenanalyse

• bei der Dateninterpretation

• zu mehreren Zeitpunkten

• Die letzte Entscheidung betrifft die Rolle des theoretischen Rahmens und inwieweit er den Forschungsprozess mitbestimmt.

• explizit

• implizit

Bei der Reihenfolge der qualitativen und quantitativen Erhebung wird sich für ein sequenzielles Vorgehen entschieden, das zuerst durch eine quantitative Erhebung bestimmt ist. Dadurch handelt es sich bei diesem Design um ein Vertiefungsmodell

„explanatory design“ (vgl. Kuckartz, 2014a; Mayring, 2001, S. 78 f.). Diesem Design entsprechend wird zunächst eine quantitative Erhebung durchgeführt, die durch

eine qualitative Studie ergänzt wird. Durch die Resultate der quantitativen Erhebung zur nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz und dem Status quo zur Um-setzung von BBnE soll die anschließende qualitative Studie ein vertiefendes Ver-ständnis zur Befähigung der Lehrkräfte zur Umsetzung von BBnE ermöglichen. Im Gegensatz zu einem „normalen“ Vertiefungsmodell liegt die Priorität bei dem vor-liegenden Modell auf der qualitativen Studie, weil es vor allem auf die subjektiven Deutungen der Lehrkräfte ankommt. Die Umfrage hat somit die Funktion einer Vor-studie. Die qualitative Studie teilt sich wiederum in zwei Phasen auf: (1.) in die Entwicklung, Erprobung und Evaluation eines Fortbildungskonzepts und (2.) in die Erhebung und Auswertung von qualitativen Interviews mit ausgewählten Fortbil-dungsteilnehmenden. Damit entsteht ein Design, das aus drei Phasen besteht. Bei der Evaluation des Fortbildungskonzepts wird parallel zur qualitativen eine quantita-tive Erhebung durchgeführt. In Kombination sollen die quantitaquantita-tive und qualitaquantita-tive Befragung vertiefende Ergebnisse über die Einschätzung der Lehrkräfte zur Umset-zung der Fortbildung liefern. Den Abschluss bildet eine qualitative Interviewstudie.

Dazu werden zwölf ausgewählte Teilnehmende der Fortbildung zu ihrer Einstellung und Überzeugung, ihrem Wissen und ihrer Selbstwirksamkeitserwartung befragt.

Die Integration der quantitativen in die qualitativen Daten findet vorrangig vor der Erhebung der qualitativen Studien statt. Die Rolle der theoretischen Perspektive wird explizit aufgenommen. Aus diesen Ausführungen lässt sich im Sinne der Basisnota-tion37 von Mixed-Method-Designs folgendes Schema ableiten, das die Entwicklung vom Zwei-Phasen- zum Drei-Phasen-Vertiefungsdesign darstellt:

Forschungsdesign der vorliegenden Studie als komplexes Drei-Phasen-Entwicklungsdesign in Basisnotation eines Mixed-Method-Ansatzes

Abbildung 6:

37 Basisnotation (vgl. Kuckartz, 2014a, S. 59): Quant und quant stehen für quantitative Forschung; Qual und qual für qua-litative Forschung; Die Großschreibung bedeutet, dass jeweils auf diesen Teil im Forschungsprozess die Priorität lag;

die Kleinschreibung, dass darauf jeweils weniger Priorität gelegt wurde; „->“ bedeutet, dass es sich um ein sequenziel-les Vorgehen handelt; „+“ würde bedeuten, dass es sich um ein parallesequenziel-les Design handelt.

Damit kann das für diese Studie entwickelte Design als komplexes „Drei-Phasen-Vertiefungsdesign“ beschrieben werden (vgl. Kuckartz, 2014a, S. 90 f.). Einbettung und Ausgestaltung der konkret verwendeten Forschungsmethoden innerhalb der einzelnen Phasen werden in dem jeweiligen Teil beschrieben, da es sinnvoll ist, diese in den entsprechenden Zusammenhang des einzelnen Teilprozesses einzube-ziehen.

2.6 Zwischenfazit

In den vorangegangenen Ausführungen wurde die Arbeit wissenschaftstheoretisch in der pragmatischen Systemtheorie verortet, die methodologischen Annahmen ei-ner innovativ-responsiven Gestaltungsforschung herausgearbeitet und daran an-knüpfend das übergreifende Forschungsdesign aufgestellt. Im Sinne eines „aufge-klärten Eklektizismus“ wurde stets darauf geachtet, dass die aufeinander bezogenen Theoriebereiche paradigmatisch stimmig sind. Mit Blick auf das Forschungsvorha-ben wurde damit eine wesentliche Grundlage für das weitere Vorgehen gelegt. Zu-sammengefasst stellt sich diese wie folgt dar:

• Die vorliegende Forschung zielt darauf ab, die Professionalisierung von Berufs-schullehrkräften im Kontext von BBnE zu analysieren, um die Praxis der Wei-terbildungsqualifizierung mit dem Schwerpunkt BBnE mitzugestalten und zu verbessern. In diesem Sinne wird eine technologische Theoriebildung verfolgt, die Erkenntnisse zur Professionalisierung von Berufsschullehrkräften im Kon-text von BBnE liefert (theoretischer Output). Diese Erkenntnisse haben eine praktische Funktion, nämlich die Weiterbildungsqualifizierung von Berufs-schullehrkräften weiterzuentwickeln (praktischer Output).

• Die Erkenntnisse sind grundsätzlich kontextsensitiv, wodurch ihre Generalisier-barkeit begrenzt bleibt. Gleichwohl sind sie wissenschaftlich fundiert und kön-nen relevante Anregungen für andere Weiterbildungsqualifizierungen geben.

• Weiterhin verdeutlichen die zugrunde liegenden Annahmen zum Wissen-schaftsverständnis, dass die Professionalisierung der Lehrkräfte zur Umsetzung von BBnE den zentralen Bezugspunkt der theoretischen Modellierung darstellt und demzufolge in den konkreten Untersuchungen berücksichtigt werden muss.

• Zum einen stehen die Ebene der Erfahrungen und Handlungen der Berufs-schullehrkräfte zum Innovationsgegenstand BBnE und zum anderen die Prinzi-pien der Gestaltung von BBnE-Weiterbildungsmaßnahmen im Mittelpunkt der Interpretationen. Demnach sind einerseits die subjektiven Theorien der Lehr-kräfte zur Umsetzung von BBnE unter Berücksichtigung eines systemischen Zusammenhangs zu erfassen und andererseits Gestaltungsprinzipien für die Entwicklung von Weiterbildungsmaßnahmen zu erforschen.

Auf dieser Grundlage wurde ein übergreifendes „Mixed-Method-Forschungsdesign“

entwickelt mit der Intention, die doppelte Zielstellung der vorliegenden Arbeit zu er-reichen: zum einen die Professionalisierung der Lehrkräfte zur Umsetzung von BBnE mit Bezug auf einen theoretisch-normativen Rahmen zu beschreiben, zu ana-lysieren und zu systematisieren; und zum anderen Anknüpfungspunkte für die Ent-wicklung von Fortbildungen für Berufsschullehrkräfte mit dem Schwerpunkt BBnE zu generieren. Dem übergreifenden Forschungsdesign entsprechend folgt daraus das weitere Vorgehen, dass sich auch konsequenterweise im Aufbau der Arbeit wi-derspiegelt. In den nächsten Schritten werden die folgenden Punkte ausgearbeitet.

Es werden

1. die Befähigung der Umsetzung von BBnE unter besonderer Berücksichtigung ihrer professionellen nachhaltigkeitsorientierten Handlungskompetenz theore-tisch exploriert und damit der theoretheore-tisch-normative Rahmen bzw. das Vorver-ständnis verdeutlicht (Kapitel 3);

2. Anhaltspunkte zur Ausgangssituation der professionellen nachhaltigkeitsorien-tierten Handlungskompetenz bei Berufsschullehrkräften sowie der „Status quo“

der Umsetzung von BBnE im Berufsschulunterricht untersucht (Kapitel 4);

3. ein konkretes Fortbildungskonzept zur Befähigung der Berufsschullehrkräfte im BBnE-Kontext entwickelt, erprobt und evaluiert, um Gestaltungsprinzipien zur Entwicklung von Fortbildungen zu erforschen (Kapitel 5);

4. die individuellen Wahrnehmungen, Erfahrungen und Interpretationen der betei-ligten Fortbildungsteilnehmer:innen qualitativ untersucht, um einerseits vertie-fende Erkenntnisse über die Professionalisierung von Lehrkräften zu gewinnen und andererseits wichtige konkrete Anknüpfungspunkte zur Weiterentwicklung des Fortbildungskonzeptes liefern zu können (Kapitel 5).

Im Folgenden wird also der theoretische Referenzrahmen für die Beschreibung und Analyse der Befähigung von Lehrkräften im Kontext von BBnE geschaffen. Daran schließen die Beschreibungen der drei Untersuchungskapitel an, in denen jeweils die konkreten Erhebungs- bzw. Auswertungsmethoden, die Entscheidungen und Probleme sowie alle Deutungen und Interpretationen entsprechend des vorliegen-den Wissenschaftsverständnisses im Detail begründet wervorliegen-den.