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Pädagogische Fähigkeiten

der Professionalisierung von Lehrkräften

3.3 Professionalisierung von Lehrkräften zur Umsetzung einer Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung

3.3.1 Nachhaltigkeitsbezogene Handlungskompetenz

3.3.2.1 Pädagogische Fähigkeiten

Lehrkräfte mit umfangreichen pädagogischen Fähigkeiten (häufig nur mit pädagogi-schem Wissen (Pedagogical Knowledge (PK) bezeichnet) haben

1. ein konzeptuelles bildungswissenschaftliches Grundlagenwissen, das sich wie-derum aus den Grundlagen der Erziehungsphilosophie und der Bildungstheo-rie von Schule und Unterricht, der TheoBildungstheo-rie der Institution sowie der Psycholo-gie der menschlichen Entwicklung, des Lernens und der Motivation generiert.

2. ein fundiertes allgemeindidaktisches Konzeptions- und Planungswissen. Da-runter ist zu verstehen, dass die Lehrkräfte metatheoretische Modelle der

Unter-richtsplanung, fachübergreifende Prinzipien der Unterrichtsplanung (z. B. Er-kenntnisorientiertes Lernen nach Landwehr (2001)) und Unterrichtsmethoden im weiten Sinne (z. B. die Projektmethode, das Planspiel etc.) kennen und um-setzen können.

3. die Fähigkeit, Unterricht zu führen und Lerngelegenheiten zu orchestrieren.

Damit ist gemeint, dass die Lehrkraft Unterricht inszenieren, eine effektive Klassenführung („classroom management“) bewerkstelligen und eine konstruk-tiv-unterstützende Lernumgebung herstellen kann.

4. diagnostische und Beurteilungsfähigkeiten. Sie kennen sich mit der Prüfung und Bewertung von Lernenden aus (vgl. Baumert & Kunter, 2011b, S. 39 ff.).

Für die pädagogischen Fähigkeiten der Lehrkräfte im Kontext von BBnE bilden die ersten beiden Fähigkeitsbereiche den Ausgangspunkt, weil hier die hauptsächlichen Anpassungen für BBnE-spezifischen Unterricht vorzunehmen sind. Die als Drittes und Viertes genannten Fähigkeiten sind solche, die sich aufgrund des BBnE-An-spruchs nicht sonderlich verändern, weshalb sie hier nicht weiter ausgeführt werden.

Das konzeptionelle bildungswissenschaftliche Grundlagenwissen und das allge-meindidaktische Konzeptions- und Planungswissen der Lehrkräfte bedürfen aller-dings einer deutlichen Akzentuierung durch BBnE. Dies soll in den weiteren Ab-schnitten verdeutlicht werden.

Bildungstheoretische Legitimierung unter Berücksichtigung einer positiven Zukunftsvision

Das Konzept einer BBnE lässt sich bildungstheoretisch legitimieren. Auch wenn die kritisch-konstruktive Didaktik ein allgemeindidaktisches Konzept darstellt, so steht BBnE nicht nur in Verbindung mit ihr, weil sie den Begriff der „Bildung“ ebenfalls als leitende Zielkategorie in den Vordergrund didaktisch-pädagogischer Überlegun-gen stellt, sondern auch, weil BBnE durch einen weitestgehend übereinstimmenden Bildungsanspruch bestimmt wird. Einerseits ist der Bildungsbegriff also genauso wie in einer bildungstheoretischen Didaktik ein „zentrierendes, übergeordnetes Ori-entierungs- und Beurteilungskriterium für alle pädagogischen Einzelmaßnahmen“

(Klafki, 2007, S. 44). Andererseits entspricht die Förderung der Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit dem Ziel von BBnE (vgl. Kuhlmeier

& Vollmer, 2018, S. 135). Im Rahmen von BBnE gilt ein Individuum insofern auch als gebildet und fähig an der nachhaltigen Transformation der Gesellschaft teilzuha-ben, wenn es (vgl. Klafki, 2007, S. 52)

1. über die Fähigkeit zur Selbstbestimmung verfügt, d. h.es bestimmt selbst über seine individuellen Lebensbeziehungen und Sinndeutungen zwischenmensch-licher, berufzwischenmensch-licher, ethischer und religiöser Art,

2. zugleich über eine Mitbestimmungsfähigkeit verfügt, d. h. es übernimmt Ver-antwortung für die Gestaltung gemeinsamer kultureller, gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse und

3. eine Solidaritätsfähigkeit ausgebildet hat, insofern es den eigenen Anspruch auf Selbst- und Mitbestimmung gerechtfertigt nutzt, wenn es sich für diejenigen

einsetzt bzw. sich mit denjenigen zusammenschließt, denen Selbst- und Mitbe-stimmungsmöglichkeiten aufgrund gesellschaftlicher Verhältnisse, Unterprivi-legierung, politischer Einschränkungen oder Unterdrückung vorenthalten oder begrenzt wird.

Um nachhaltigkeitsorientierte Lehr-/Lernprozesse zu gestalten, die das Bildungsziel einer Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit (Mündigkeit) befördern, ist es deshalb im Rahmen von BBnE ebenfalls unabdingbar, lernförder-liche epochaltypische Schlüsselprobleme zu identifizieren. Sämtlernförder-liche von Klafki (2007) genannten Beispiele, hier seien nur „die Friedensfrage“ und „die Umweltfrage“ zur Verdeutlichung genannt, lassen einen unmittelbaren Zusammenhang zu BBnE er-kennen. Mit der Auseinandersetzung und Lösung solcher oder ähnlicher Probleme ist es möglich ein verantwortungsvolles Nachhaltigkeitsbewusstsein bei den Lernen-den zu befördern. In diesem Sinne ist eine auf der kritisch-konstruktiven Didaktik beruhende Unterrichtsgestaltung für BBnE sinnvoll und bedeutend (vgl. Vollmer, 2019). Die Planung und Durchführung von berufsschulischen Unterrichtsvorhaben entsprechend der Leitidee der nachhaltigen Entwicklung bedarf deshalb einer didak-tischen Analyse, die begründet

• welche Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung das Thema Nachhaltigkeit für die Lernenden hat (vgl. Klafki, 2007, S. 271). Von den Lehrenden ist einerseits zu er-mitteln und zu begründen, welche betriebliche und persönliche Bedeutung be-stimmte Inhalte der nachhaltigen Entwicklung für die Auszubildenden haben bzw. haben sollten. Zusätzlich ist zu klären, welche der Inhalte einer nachhalti-gen Entwicklung von Bedeutung für die betriebliche, persönliche und gesell-schaftliche Zukunft der Auszubildenden sind.

• welche allgemeinen Sachverhalte bzw. exemplarische Bedeutungen das Thema für die Lernenden bereitstellt, d. h. welche allgemeinen Zusammenhänge, Be-ziehungen, Gesetzmäßigkeiten, Strukturen, Widersprüche, Handlungsmöglich-keiten lassen sich am Thema Nachhaltigkeit erarbeiten (vgl. Klafki, 2007). Es ist von den Lehrenden zu klären, welche Sachverhalte und Zusammenhänge mit dem Thema Nachhaltigkeit erschlossen werden können und welche fundamen-talen Einsichten die Auszubildenden dadurch gewinnen.

• welche Struktur den Nachhaltigkeitsinhalten bezogen auf die Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung der Lernenden unterliegt, d. h. auch, dass Lehrende nach-haltigkeitsorientierte Lernziele klären, um das im Lernprozess Angeeignete überprüfen zu können (vgl. Klafki, 2007). Um nachhaltigkeitsbezogene Lehr-/

Lernprozesse gestalten zu können, wird ein nachhaltigkeitsorientiertes Kompe-tenzverständnis der Lehrenden benötigt.

• wie die Zugänglichkeit zur Thematik Nachhaltigkeit über besondere Fälle, Phänomene, Situationen, Versuche interessant, fragwürdig, begreiflich und anschaulich gemacht werden kann (vgl. Klafki, 2007). Hierzu gehört, dass die Lehrenden über ein ausreichendes BBnE-Methoden- und Medienrepertoire (Planspiel, Dilemma-Diskussion, Zukunftswerkstatt etc.) verfügen.

• wie eine strukturierte Abfolge des Lehr-Lern-Prozesses unter Berücksichtigung der vorangegangenen Begründungen zu gestalten ist (vgl. Klafki, 2007). Diesbe-züglich sind Kenntnisse und Fähigkeiten zur Umsetzung von nachhaltigkeits-orientierten didaktischen Konzepten, wie bspw. den didaktischen Leitlinien von Kastrup et al. (2012) eine conditio sine qua non.

Diese bildungstheoretisch legitimierte Unterrichtsgestaltung ist allerdings nicht hin-reichend, um – wie einige Experten fordern – eine positive Einstellung zur Gestalt-barkeit der Zukunft bei den Lernenden zu befördern (vgl. Künzli David, 2007, S. 65 ff.; Kuhlmeier & Vollmer, 2018, S. 147). So wird gefordert, dass BBnE sich an ei-nem Entwurf einer erwünschten Zukunft orientieren soll, um so einen positiven und optimistischen Zugang zu gesellschaftlichen Entwicklungen zu ermöglichen (vgl. Künzli David, 2007, S. 65). Demnach sind Bildungsprozesse im Rahmen von BBnE nicht auf die „Belehrung über die Übel dieser Welt, sondern um die Einübung in das Verhalten und die Mittel der Überwindung“ zu konzipieren (vgl. Hentig, 2003, S. 199). „Die Grundfrage lautet insgesamt nicht mehr ‚Was haben wir gegen-wärtig für Probleme und wie können wir diese lösen?‘, sondern ‚Wie wünschen wir uns unsere Zukunft in einem bestimmten Bereich, welche Zukunft ist möglich und wie können wir die erwünschte Zukunft erreichen?‘"(Künzli David, 2007, S. 65). Da-mit wird sich an einer positiven Zukunft orientiert, die als gestaltbar wahrgenom-men wird. Dies ist für Bildungsprozesse im Rahwahrgenom-men von BBnE relevant, da die be-gründete Annahme besteht, dass Individuen eher zur Mitgestaltung der Arbeit und Gesellschaft in sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung zu motivie-ren sind, wenn ihnen Möglichkeiten der positiven Einflussnahme deutlich gemacht werden.

In Bezug auf die pädagogischen Fähigkeiten lässt sich festhalten, dass BBnE von den Lehrenden erfordert, dass sie bildungstheoretisch legitimierte Lernprozesse unter Berücksichtigung einer positiven Zukunftsvision gestalten können. In der Konsequenz ist die pädagogische Fähigkeit dahingehend zu erweitern, dass Lehr-kräfte reaktives (kritisches, analytisches) und proaktives (kreatives, konstruktives) Denken bei Auszubildenden kombiniert befördern können (vgl. Künzli David, 2007, S. 65). Dementsprechend erfordert die Umsetzung von BBnE bildungstheo-retische Fähigkeiten, die zugleich die Fähigkeit einschließt, eine motivierende zu-kunftsgewandte Perspektive bei Auszubildenden erzeugen zu können. Parallel sind aus pädagogischer Sicht die Grenzen der Mitgestaltungsmöglichkeiten auf-zuzeigen, damit Auszubildende nicht mit Übereifer auf die betriebliche Praxis

„losgelassen“ werden, da dies im schlechtesten Fall zu möglichen Widerständen bzw. Frustrationen führen kann. Im Sinne einer „Empowerment“-Kompetenz sind die Auszubildenden deshalb bezüglich ihrer Mitgestaltungsmöglichkeiten zu befähigen, um damit selbstbestimmt und autonom Gestaltungsspielräume am Arbeitsplatz hinsichtlich Nachhaltigkeit zu erkennen und zu nutzen (vgl. Spreit-zer, 1995; Daily & Huang, 2001).

Lehr-/lerntheoretische Begründung im Kontext von BBnE

Ein Aspekt, der durch die bildungstheoretischen Ansätze nicht ausreichend entfaltet wird, ist die Methodik (vgl. Jank & Meyer, 2011, S. 238). Zwar wird auf die methodi-sche Strukturierung in abstrakter Weise verwiesen (s. o.), konkrete Hinweise zur Umsetzung der differenziert ausgearbeiteten Bildungsziele in die Unterrichtspraxis gibt es hingegen kaum (vgl. Jank & Meyer, 2011). Um diese Lücke zu schließen, sind ebenso lehr-/lerntheoretische Annahmen wichtig, die im Kern mit der Struktur- und Faktorenanalyse einhergehen (vgl. Heimann, Otto, & Schulz, 1979).

Im Bedingungsfeld – dem ersten Feld – müssen zwei Aspekte analysiert wer-den: die anthropogenen und die sozial-kulturellen Voraussetzungen der Schüler:in-nen. Hierbei werden verschiedene Aspekte, wie Lernhintergrund, Entwicklungsstand, Einstellungen, Motivation etc. der Lernenden sowie die zeitlichen und räumlichen Bedingungen analysiert. Im Rahmen von BBnE sind bei der Prüfung und Berück-sichtigung anthropogener und sozial-kultureller Voraussetzungen zusätzlich zu den generellen Bedingungen (Alter, Interessen, Lebensbedingungen, institutionelle Rah-menbedingungen etc.) auch nachhaltigkeitsbezogene Aspekte herauszustellen: Zum Beispiel muss geklärt werden, über welches Nachhaltigkeitsbewusstsein die Auszu-bildenden verfügen, was die AuszuAuszu-bildenden im Bereich Nachhaltigkeit interessie-ren könnte oder wo Nachhaltigkeitsaspekte in die betrieblichen Arbeitsprozesse ein-gebunden werden können.

Im Entscheidungsfeld – dem zweiten Feld – sind vier Kategorien von den Leh-renden zu klären: die Intentionalität, die Thematik, die Methodik und die Medien-wahl. Es sind Entscheidungen bzgl. der Ziele, des Gegenstandes, der methodischen Umsetzung sowie der medialen Aufbereitung des Unterrichts zu treffen sowie di-daktisch-pädagogisch zu begründen. Alle Kategorien stehen dabei in einem interde-pendenten Abhängigkeitsverhältnis, was zur Konsequenz hat, dass die Entscheidun-gen in einer Kategorie zu VeränderunEntscheidun-gen in einer anderen Kategorie führen. Das heißt, wenn im Feld „Ziele“ die Entscheidung getroffen wird, das Nachhaltigkeitsbe-wusstsein bei den Auszubildenden zu befördern, muss diese in den anderen Fel-dern, wie bspw. der methodischen Umsetzung, auf Kohärenz überprüft werden.

Um dem Anspruch von BBnE gerecht werden zu können, bedarf es der beson-deren Betrachtung der methodischen Gestaltung von Unterricht. „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung stellt Anforderungen an Lehr-/Lernprozesse, die mit der Vermittlung fachlichen Wissens in den herkömmlichen Formen von schulischem Unterricht, beruflicher Ausbildung, akademischer Lehre und allgemeiner Weiterbil-dung nicht ohne weiteres zu erfüllen sind. Daher bedarf es vielfältiger innovativer Methoden (...)“ (BLK, 1998, S. 34; Schüßler, 2006, S. 9). Unterrichtsmethoden, wie z. B. Zukunftswerkstatt, Simulationen, Planspiele, Produktlinienanalyse etc. sind einzusetzen, da sie den Erwerb zukunftsbezogener Handlungskompetenz wesent-lich befördern können (vgl. De Haan, 2008, S. 33). Sie sind darüber hinaus mit einer Fachmethodik im Umfeld von Arbeit und Technik zu kombinieren. Aufgrund der Interdependenz der Methodik mit den fachlichen und überfachlichen Zielen, Inhal-ten sowie Medien müssen alle Entscheidungsfelder neu abgestimmt werden. Unter

der Berücksichtigung einer lehr-/lerntheoretischen Perspektive erhöht sich somit die Komplexität zur Gestaltung von beruflichem nachhaltigkeitsorientiertem Lernen.

Auf der Grundlage der Strukturanalyse, die die gefassten Entscheidungen klarlegt und die Bedingungen analysiert, baut die Faktorenanalyse auf (vgl. Jank

& Meyer, 2011, S. 270 ff.). Ihre Aufgabe ist es, die getroffenen Entscheidungen auf wissenschaftlicher Basis zu reflektieren. Heimann unterscheidet hierfür drei Grup-pen von Faktoren (vgl. Heimann, 1976, S. 162; Reich, 1977, S. 119; Jank & Meyer, 2011, S. 271):

1. die normbildenden Faktoren: Für den Unterricht ist von einer Lehrkraft zu klä-ren, auf welchen Normen und politisch-weltanschaulichen Annahmen ihre Ent-scheidungen beruhen. Damit wird eine Selbstdistanzierung und Ideologiekritik erwartet. Normen werden durch unterschiedliche Interessenvertreter, wie Staat, Wirtschaft, Kirche etc. in Schulgesetze, Ordnungsmittel, Schulbücher hineinge-tragen. Besonders in Bezug auf die Leitidee der nachhaltigen Entwicklung gilt es die Herkunft des Themas, die verschiedenen Interessen sowie die Veranke-rung des Themas in den Ordnungsmitteln distanziert zu analysieren und sie aufgeklärt in den Unterricht einfließen zu lassen.

2. Die konditionierenden Faktoren: Um BBnE-Unterricht durchführen zu können, sind die personellen, materiellen und institutionellen u. a. Rahmenbedingun-gen durch wissenschaftlich belegte Wirkzusammenhänge von den Lehrenden aufzuklären. Erst auf dieser Grundlage kann Unterricht rational geplant, durch-geführt und reflektiert werden.

3. Die organisierenden Faktoren: Lehrende sind dazu angewiesen, die im Unter-richt eingesetzten Verfahren, Methoden und Organisationsstrukturen zu unter-suchen. Als Bewertungskriterien gelten die historische Bedeutung sowie die Effektivität der Unterrichtsmethoden. Für BBnE spielt dieser Faktor eine ent-scheidende Rolle, weil BBnE vielfältiger innovativer Unterrichtsmethoden be-darf (vgl. Schüßler, 2006), deren Effektivität bisher noch nicht ermittelt wurde.

Daher ergibt sich, dass Lehrende offen für die Erprobung und Evaluation von

„neuen“ bzw. innovativen Unterrichtsmethoden sein sollten.

In Bezug auf die pädagogischen Fähigkeiten lässt sich festhalten, dass BBnE von den Lehrenden erfordert, dass sie Lernprozesse im Kontext von BBnE lehr-/lern-theoretisch begründet gestalten können. Dazu ist erforderlich, dass das Bedin-gungs- und Entscheidungsfeld von den Lehrenden hinsichtlich eines BBnE-An-spruches zu analysieren ist. Im Einklang mit der bildungstheoretischen Didaktik, die vorrangig den Bildungsinhalt und -gehalt von BBnE klärt, sind Lehrende durch die Perspektive einer lehr-/lerntheoretischen Didaktik aufgefordert, eine umfassende Analyse der Unterrichtswirklichkeit im Rahmen von BBnE zu fokus-sieren (vgl. Jank & Meyer, 2011). Insgesamt muss es den Lehrenden gelingen ei-nen nachhaltigkeitsorientierten Unterricht konzipieren zu könei-nen, der nicht nur bildungstheoretisch legitimiert ist, sondern auch den unterrichtlichen

Wirklich-keitsanspruch berücksichtigt. Nachhaltigkeitsorientierter Unterricht beinhaltet die Umsetzung von innovativen Unterrichtsmethoden, die teilweise über den fachlichen Horizont hinausgehen und dadurch die Komplexität des interdepen-denten Verhältnisses zwischen der Methodik, der Intentionalität, der Thematik und der Medienwahl steigern. Dabei ist es erforderlich, dass die Lehrenden den eigenen Lehrstil passend zur eigenen Haltung und Persönlichkeit entwickeln (vgl.

Jank & Meyer, 2011, S. 272).

Nachhaltigkeitsorientierte Lernhandlungen unter Berücksichtigung lernpsychologischer Grundlagen

Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass noch „richtige“ lerntheoretische Bezüge fehlen (vgl. Jank & Meyer, 2011, S. 273), die besagen, wie Menschen lernen und wie Lernen im Kontext von BBnE zu gestalten ist. Da BBnE auf die Weiterentwicklung der Handlungsfähigkeit bzw. Handlungskompetenz abzielt, hat sie einen starken Be-zug zu handlungs- und kognitionspsychologischen Lerntheorien, die Lernen grund-sätzlich als Handeln zweiter Dimension verstehen. Lernen im Rahmen von BBnE hat die unmittelbare bzw. mittelbare Verbesserung des praktischen Handelns durch eine Kompetenzerweiterung zum Ziel (vgl. Volpert, 1983, S. 106), nicht nur die Er-weiterung von nachhaltigkeitsorientiertem Wissen. In diesem Sinne besteht laut Kuhlmeier & Vollmer (2018) das Ziel von beruflich-nachhaltigkeitsorientierten Lern-prozessen darin, dass Auszubildende eine berufliche Handlungskompetenz erlan-gen sollen, die sie dazu befähigt, die Arbeitswelt und die Gesellschaft in sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung mitgestalten zu können. Schon die Vertreter der Umweltbildung sind zu der Erkenntnis gelangt, dass die Vermittlung von Wissen nicht ausreicht, sondern Handlungskompetenzen nötig sind.

BBnE sollte deshalb eine Lerntheorie zugrunde gelegt werden, die interaktionis-tisch ist. Danach entwickelt sich „das Denken, das Wissen und das Können aus dem praktischen Handeln und dem Wahrnehmen heraus“ und hat sich wiederum „im praktischen Handeln und in der deutenden Wahrnehmung der Welt zu bewähren“

(Tramm & Naeve-Stoß, 2007, S. 4). Hier besteht auch ein Schulterschluss zur lehr-/

lerntheoretischen Didaktik von Heimann et al. (1979), wonach der Lernende für sie ein Handelnder ist (vgl. Jank & Meyer, 2011, S. 277). Auch mit dem gängigen Para-digma der Handlungsorientierung in der Berufsbildung ist dieses Lernverständnis kompatibel. In sämtlichen Ordnungsmitteln spiegelt sich wider, dass berufliche Bil-dungsprozesse auf die Erlangung beruflicher Handlungskompetenz auszurichten sind und ein „Lernen für und durch Handeln“ stattfinden soll. Das Resultat eines Lernprozesses besteht also in der Erweiterung der eigenen Handlungskompetenz, um die Handlungsmöglichkeiten eines Individuums im beruflichen wie privaten Umfeld zu vergrößern. BBnE benötigt folglich ein lernpsychologisches Kernkonzept, das ein Arbeitshandeln (Inhaltsbezug) und Lernhandeln (Aneignungsbezug) als Pro-zesse des Kompetenzerwerbs in den Mittelpunkt der unterrichtlichen Lernprozess-gestaltung rückt (vgl. Tramm & Naeve-Stoß, 2007, S. 3).

Nachhaltigkeitsorientiertes Handeln basiert, genauso wie eine „normale“ Hand-lung, auf zwei Annahmen: Zum einen handeln Individuen zweckgerichtet, motiviert und bewusst und haben somit ein konkretes Ziel „im Kopf“; zum anderen besteht ein Rückkoppelungsmechanismus, welcher die Handlung in Form einer hierar-chisch strukturierten Informationsverarbeitung kognitiv steuert bzw. reguliert (vgl.

Tramm & Naeve-Stoß, 2007, S. 4; Nerdinger, Blickle, & Schaper, 2014, S. 332). „In sei-nem Handeln setzt der Mensch seine gedanklich vorweggenommenen Vorstellun-gen tätig um, er wirkt durch sein konkretes Tun auf seine Umwelt ein und erfährt über die wahrgenommenen Effekte seines Agierens etwas darüber, ob seine Annah-men und Vorstellungen über die Welt und ihre Veränderbarkeit tragfähig und ob seine Annahmen und Vorstellungen über seine eigenen Fähigkeiten und Einwir-kungsmöglichkeiten auf die Umwelt realistisch waren“ (Tramm & Naeve-Stoß, 2007, S. 4). Die Handlungstheorie schließt hiermit eine Lücke zwischen Kognition und äu-ßerer Aktivität (vgl. Nerdinger et al., 2014, S. 332). In einer Wechselwirkungsbezie-hung verändert der Mensch die Umwelt sowie sich selbst (vgl. Tramm & Naeve-Stoß, 2007, S. 4). Leontjew (1977) bringt diese Mensch-Umwelt-Interaktion in seiner Ring-struktur der menschlichen Tätigkeit zum Ausdruck. Abbildung 13 akzentuiert sein Modell im Zusammenhang mit nachhaltigkeitsorientiertem Handeln.

Mensch-Umwelt-Interaktion im nachhaltigkeitsorientierten Handeln (in Anlehnung an Leont-jew, 1977)

Lernhandeln baut zwar auf die Mensch-Umwelt-Interaktion auf, es rückt allerdings das gegenständliche Handlungsziel in den Hintergrund und stellt die Aneignung von Handlungskompetenzen voran (vgl. Tramm & Naeve-Stoß, 2007, S. 9). Um be-rufliche handlungsorientierte Lehr-/Lernprozesse zu gestalten, müssen gegenständ-liches Handlungsziel und intendierte Kompetenzerweiterung abgestimmt werden.

Jede Lehrkraft, die erfolgreiche Lernprozesse im Rahmen von BBnE initiieren will, sollte sich dieses Zusammenhangs bewusst sein, denn es impliziert Anforderungen an kompetentes Lehrhandeln. Um ein nachhaltigkeitsorientiertes Lernhandeln zu erzeugen und neues Wissen sowie Können bei den Lernenden hinsichtlich einer nachhaltigen Entwicklung zu initiieren, müssen Ziele, Lernaufgaben sowie die

Lern-Abbildung 13:

umgebung nachhaltigkeitsorientiert ausgerichtet werden (vgl. Casper & Tramm, 2018, S. 105). Über die Erreichung eines externen Handlungsergebnisses lassen sich Lernaktivitäten initiieren, die einen Lernprozess bewirken. Jedes Lernhandeln er-zeugt einen Lerneffekt hinsichtlich des Wissens, Könnens und Wollens bei den Ler-nenden. Lernende werden sich dieses Effekts nicht notwendigerweise in und nach der konkreten Bewältigung einer Lernhandlung bewusst, noch kann der tatsächlich intendierte Lerneffekt erreicht worden sein. Um den Kompetenzerwerb deshalb be-wusst zu machen, werden eine Dezentrierung, ein Standpunktwechsel, gedankliche Variation, Feedback o. Ä. benötigt, die „neue Aspekte zur Überwindung meiner Fest-gefahrenheit abzugewinnen“ vermögen (Holzkamp, 1995, S. 184). Die Bewusstwer-dung des eigenen Kompetenzzuwachses bedarf dementsprechend der mentalen Re-flexion des Lernhandelns.

In diesem Zusammenhang sind zwei in der Psychologie verschiedene Verarbei-tungsmodi des kognitiv arbeitenden Systems Mensch wichtig: das reflektierende System und das intuitive System (Chaiken & Trope, 1999; Haidt, 2001; Kahneman, 2015; Evans & Stanovich, 2013). Diese Unterscheidung ist besonders wichtig, denn viele unsere Handlungen beruhen auf dem intuitiven System und laufen daher schnell, mühelos und automatisiert ab, ohne dass sie einer großen Aufmerksamkeit des Individuums bedürfen und immer bewusst werden. Sie beruhen vorrangig auf gelerntem Wissen und Können, das routiniert und unbewusst abläuft. Außerdem ist davon auszugehen, dass viele dieser Handlungen häufig nicht nachhaltigkeitskon-form sind. Dagegen ist das reflektierende System langsam, beabsichtigt und kontrol-liert. Es bedarf einer hohen Aufmerksamkeit, die Anstrengung erzeugt und damit nur vorübergehend zur Verfügung steht. Um effektives und nachhaltiges Lernen für und durch Handeln zu gestalten, muss daher das reflektierende System aktiviert werden, welches fähig ist, die intuitiven Verhaltensweisen hinterfragen zu können.

Denn der Lerneffekt ist gering, wenn ausschließlich das intuitive System im Han-deln aktiv ist, da lediglich die Ergebnisse ins Bewusstsein des Menschen gelangen, da das Handeln routiniert vollzogen wird. Nach der Devise: „Kurz innehalten und über das eigene Handeln nachdenken“ ist entscheidend für nachhaltigkeitsorientier-tes Lernhandeln. Nur so kann das Individuum für sich klären, inwiefern es den in-tendierten Kompetenzzuwachs erreicht hat und ob die anvisierten Kompetenzziele erworben wurden. Der wirkliche Kompetenzzuwachs lässt sich nur an den veränder-ten Handlungsweisen des Individuums in zukünftigen Situationen festmachen.

Dies ist aber nicht so einfach, da die Fähigkeit der Informationsaufnahme wahr-genommener Reize sowie die Reflexionsfähigkeit des eigenen Handelns subjektiv geprägt sind. Wie gezeigt, ist der Mensch und seine Handlung in einem Kreislauf eingebunden (s. Abbildung 15). Er ist zugleich Gestalter und Beeinflusster seiner

Dies ist aber nicht so einfach, da die Fähigkeit der Informationsaufnahme wahr-genommener Reize sowie die Reflexionsfähigkeit des eigenen Handelns subjektiv geprägt sind. Wie gezeigt, ist der Mensch und seine Handlung in einem Kreislauf eingebunden (s. Abbildung 15). Er ist zugleich Gestalter und Beeinflusster seiner