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Prozesse der Selbstregulation

der Professionalisierung von Lehrkräften

3.3 Professionalisierung von Lehrkräften zur Umsetzung einer Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung

3.3.4 Prozesse der Selbstregulation

Attribution (Ursachenzuschreibung), Kontrollüberzeugungen und Selbstwirksam-keitserwartung von Lehrenden sind mit der motivationalen Orientierung stark ver-bunden. Sie beziehen sich auf „zentrale Merkmale der psychologischen Funktionsfä-higkeit einer handelnden Person“ (Baumert/Kunter 2006, S. 501) und beschreiben Prozesse der Selbstregulation.

1. Attribution beruht auf der Erkenntnis, dass Menschen dazu neigen, Umwelt-ereignisse sowie die Folgen des eigenen Verhaltens nicht nur zu registrieren, sondern auf bestimmte Ursachen oder Gründe zurückzuführen, d. h. zu attribu-ieren (vgl. Becker-Carus & Wendt, 2017, S. 529). Bei der erfolgreichen Umset-zung von BBnE-Unterricht z. B. ist ein Lehrender möglicherweise davon über-zeugt, dass die Ursache für den Erfolg aus der eigenen Anstrengung heraus resultiert. Hier hat er das erfolgreiche Handeln auf eine internale und kontrol-lierbare Ursache – die Anstregung – zurückgeführt.

2. Die Kontrollüberzeugung bezeichnet daran anschließend eine Grundeinstellung eines Menschen über die Einflussnahme auf die Ergebnisse eigenen Handelns.

So gibt es Rotter (1966) zufolge Personen, „die zu internal kontrollierbaren Ur-sachenzuschreibungen neigen, und Personen, die zu external unkontrollierba-ren Ursachenzuschreibungen neigen“ (Rudolph, 2013, S. 153). Erstere argumen-tieren häufig, dass jeder Einzelne trotz äußerer Widerstände etwas für eine nachhaltige Entwicklung tun kann. Die zweite Gruppe fühlt sich häufiger ohn-mächtig und äußert dementsprechend, dass sie als einzelne Person nichts ge-gen äußere Umstände (z. B. Klimawandel) ausrichten könne.

3. Die Überzeugung zu haben, in einer bestimmten Situation die angemessene Leistung erbringen zu können bzw. über die nötigen Kompetenzen zu verfü-gen, die in bestimmten Handlungssituationen zum Ziel führen – auch dann, wenn Hindernisse zu bewältigen sind, stehen wiederum in Zusammenhang mit positiv internalen Attribuierungsprozessen (vgl. Becker-Carus & Wendt, 2017, S. 530; Baumert & Kunter, 2006, S. 502). Diese werden als ein Gefühl der Selbstwirksamkeit („self-efficacy“) bezeichnet. Lehrende mit hohen Selbstwirk-samkeitserwartungen besitzen bspw. die Grundüberzeugung, dass sie die Kom-petenz besitzen, BBnE erfolgreich im eigenen Unterricht umsetzen zu können.

Sie führen den Erfolg dabei auf ihre eigene Begabung zurück, wohingegen sie einen Misserfolg auf die mangelnde Anstrengung ihrerseits beziehen würden (vgl. Becker-Carus & Wendt, 2017, S. 530).

Attribution, Kontrollüberzeugungen und Selbstwirksamkeitserwartungen spielen in-sofern eine Rolle für die Lehrenden, die BBnE im Unterricht umsetzen wollen, als dass sie ihre Zielerreichungsprozesse regulieren. Sie scheinen eine vor allem bezogen auf die Umsetzung von BBnE-orientierten Unterricht wesentliche psychologische Regulationsfunktion zu besitzen (vgl. Baumert & Kunter, 2006, S. 503). Besonders Innovations- und Lernprozesse in Bezug auf BBnE beruhen auf den Kontrollüber-zeugungen und den Selbstwirksamkeitserwartungen der Lehrenden. In diesem Sinne bilden sie eine wichtige Grundvoraussetzung für das Handeln der Lehrer:innen.

3.3.4.1 Attributionsstile

Weiner et al. (1971, 1972) erkannten bereits sehr früh, dass Personen erlebte Erfolge und Misserfolge des eigenen Handelns bestimmten Ursachen zuschreiben. Sie konnten vier Ursachenfaktoren begründen, die Menschen dem Erfolg oder Miss-erfolg ihrer Handlung beimessen (vgl. Becker-Carus & Wendt, 2017, S. 529 f.):

1. Die eigene Begabung bzw. Fähigkeit: Eine Lehrkraft führt in diesem Fall die er-folgreiche Umsetzung von BBnE im Wesentlichen auf ihre eigene Begabung zurück. Der Erfolg wird somit auf eine im Subjekt stabile Disposition wie bspw.

Talent zurückgeführt, was als stabile internale Ursachenzuschreibung verstan-den wird.

2. Die persönliche Anstrengung: Eine erfolgreiche Umsetzung von BBnE-Unter-richt wird vom Lehrenden auf die eigene Anstrengung zurückgeführt. Hier wird der Erfolg auf eine im Subjekt variable Fähigkeit begründet, weshalb die Ursachenzuschreibung als variable und internale bezeichnet wird.

3. Die Schwierigkeit der Aufgabe: Eine erfolgreiche Umsetzung führt ein Lehren-der auf den geringen Schwierigkeitsgrad Lehren-der Aufgabe zurück. In diesem Fall rechtfertigt sich der Erfolg aufgrund eines stabilen äußeren Umstandes und so-mit findet eine stabile externale Ursachenzuschreibung statt.

4. Der Zufall (Glück, Pech): Der Lehrende meint, dass die erfolgreiche Umsetzung zufällig geglückt ist. Der Erfolg rechtfertigt sich aufgrund eines variablen äuße-ren Umstandes, wodurch die Zuschreibung auf einer variablen externalen Ursa-che beruht.

Regelmäßig einseitige kognitive Attribuierung in Kombination mit persönlicher Nei-gung wirken sich auf die ÜberzeuNei-gungen, auf das zukünftige Handeln und die An-strengungen eines Lehrenden aus, die er unternehmen wird, um einen Zielzustand zu erreichen (vgl. Becker-Carus & Wendt, 2017, S. 530). Lehrende, die dazu neigen, ihren Misserfolg auf die eigenen Fähigkeiten oder die Schwierigkeit der Aufgabe zu-rückzuführen, wählen von Beginn an leichtere Aufgaben, resignieren bei Schwierig-keiten oder setzen sich generell bescheidenere Ziele (vgl. Becker-Carus & Wendt, 2017). Sie können als misserfolgsängstlich eingestuft werden. Lehrende, die hinge-gen eine misslunhinge-gene Leistung auf das Ergebnis eines unglücklichen Zufalls oder einer nicht ausreichenden Anstrengung zurückführen, sind motivierter, eine Auf-gabe erneut und verbessert durchzuführen (vgl. Becker-Carus & Wendt, 2017). Posi-tiv gewendet, führen diese erfolgsmoPosi-tivierten Personen ihre Erfolge auf internale Faktoren, also beispielsweise die eigenen Fähigkeiten zurück.

In Bezug auf die selbstregulativen Fähigkeiten lässt sich festhalten, dass Lehrende Erfolge und Misserfolge auf unterschiedliche Weise attribuieren. Eine positiv er-folgsmotivierte Selbstregulationsfähigkeit bei Lehrenden ist förderlich für die Umsetzung von BBnE, wohingegen Misserfolgsängstlichkeit hinderlich ist.

3.3.4.2 Kontrollüberzeugungen bzw. -vorstellungen

Schon in der umweltpädagogischen Diskussion wurde das Konzept der Kontroll-überzeugungen, dort mit Kontrollvorstellungen49 bezeichnet (Hoff, 1995, 1998, 1999), als relevant eingestuft (vgl. Möller, 2000, S. 150). Dabei wurden psychologische Er-kenntnisse um eine soziologische Perspektive erweitert und auf die Einflussnahme der ökologischen Problemlagen bezogen. In Hinblick auf Lernprozesse, die nachhal-tiges Denken und Handeln fördern wollen, ist insofern bedeutungsvoll, dass „davon ausgegangen wird, dass die Bereitschaft, sich für umwelt- [und nachhaltigkeitsbezo-gene] Verbesserungen einzusetzen und die damit verbundenen Herausforderungen, Unbequemlichkeiten und Konflikte auf sich zu nehmen, entscheidend von der sub-jektiven Gewißheit der Handelnden abhängt, dass sie mit ihrem Engagement und Handeln überhaupt einen Beitrag zur Gestaltung der Wirklichkeit erbringen kön-nen“ (Möller, 2000, S. 150). Demnach werden Lehrende Kontrollvorstellungen darü-ber besitzen, inwiefern sie Einfluss auf eine nachhaltige Entwicklung der Gesell-schaft im privatem wie im beruflichen Kontext haben. Die von Hoff (1995, 1998 und 1999) unterschiedenen Kontrollvorstellungen auf unterschiedlichen Niveaustufen lassen sich sehr gut anwenden, um die nachhaltigkeitsorientierten Kontrollüberzeu-gungen der Lehrenden einstufen und Hinweise zu ihrer Selbstregulationsfähigkeit im Rahmen von BBnE analysieren zu können (s. Tabelle 8).

Strukturniveaus der Kontrollvorstellungen (Hoff, 1995, S. 68; Hoff, 1999, S. 252) Tabelle 8:

Indifferentes Niveau: Stufe 1: nicht kausal (fatalistisch/external)

Niveau: Stufe 3: monokausal additiv (einseitig internal und external) Stufe 4: multikausal additiv (internal, external, kollektiv-kumulativ)

Niveau Stufe 5: einfach interaktionistisch (kollektiv-kooperativ)

Stufe 6: komplex interaktionistisch (kollektiv-kooperativ)

(Sicht von Handeln als Interaktion, kollektives Handeln als Kooperation) (Berücksichtigung von Interaktionen zwischen konkreten und globalen Handlungsebenen)

1. Auf einem indifferenten Niveau neigen Personen zu fatalistischen bzw. external unkontrollierbaren Ursachenzuschreibungen („Ich habe ja eh keinen Einfluss auf das Handeln meiner Schüler:innen im Sinne der Nachhaltigkeitsidee“

oder ,,Es hätte gar keinen Sinn, wenn ich als kleines Rädchen im Getriebe etwas für den Umweltschutz täte bzw. meinen Schüler:innen etwas über

Nachhaltig-49 Kontrollvorstellungen und Kontrollüberzeugungen werden hier synonym verwendet.

keit beibrächte“) oder in Grundzügen internal („Bei der Warenbeschaffung kann ich aufpassen, fair-gehandelte Waren zu kaufen“).

2. Auf einem deterministischen Niveau herrschen monokausale Denkfiguren vor.

Einseitig internale Kontrollüberzeugungen betreffen die Realisierbarkeit der na-hen und persönlicna-hen Umwelt. („Für mich und meine Familie kann ich Um-weltverschmutzungen vermeiden“). Auf allgemeinere Probleme, die räumlich und zeitlich distanziert sind, dominieren bei diesen Personen einseitig exter-nale Zuschreibungen („Gegen einen Klimawandel kann ich als Arbeitsnehmer nichts tun, da sind Politiker, die Wirtschaft oder der Gesetzgeber gefragt.“).

3. Auf einem interaktionistischen Niveau verstehen Personen ihr eigenes Handeln als systemischen Prozess, in dem eine Wechselwirkung zwischen internen und externen Faktoren besteht und die eigene Person immer zugleich Einfluss-nehmender und Beeinflusster zugleich ist. So argumentieren sie prototypisch

„In vielen ökologischen, [sozialen und ökonomisch] brisanten Bereichen kann ich trotz äußerer Widerstände etwas tun; und dort, wo ich als einzelner zu-nächst ohnmächtig erscheine, kann ich meine individuelle Energie in kollekti-ves Handeln einbringen“. Personen auf dem höchsten Niveau geht es „um zeit-räumlich koordiniertes, geplantes und inhaltlich aufeinander abgestimmtes (auch arbeitsteiliges) Handeln nach dem Motto: Es kommt darauf an, vereint und gemeinsam ökologisch aktiv zu werden“. Lehrende äußern auf diesem Ni-veau ihre Funktion als Multiplikatoren für eine kollektiv-kooperative Gesell-schaftsentwicklung.

In Bezug auf die selbstregulativen Fähigkeiten lässt sich festhalten, dass Lehrende möglichst ein interaktionistisches Niveau erreicht haben sollten. Das heißt, dass sie davon überzeugt sein sollten, dass eine nachhaltige Entwicklung vor allem umgesetzt wird, wenn Handlungen zeiträumlich koordiniert und inhaltlich abge-stimmt werden. Hoff (1995) empfiehlt daher, kritische Handlungssituationen zu ermöglichen, in denen positive Kontrollüberzeugungen erfahrbar gemacht wer-den können (vgl. Möller, 2000, S. 154). In Fort- und Weiterbildungen sind dem-entsprechend Situationen zu erzeugen, in denen die Lehrenden

• die Grenzen und Barrieren ihres persönlichen Handelns praktisch erfahren.

• Widerstände, Dilemmata und Konflikte als überwindbar und ermutigend er-leben.

• Spielräume für individuelles Handeln erhalten und ausleben dürfen.

• Ansätze für nachhaltig kollektive Kooperationen erkennen können (Möller, 2000, S. 154).

Ausbildungs- und Unterrichtsverfahren im Lernbereich „Arbeit und Technik“

(vgl. Pahl, 2013, S. 331 ff.), die sich mit vorwiegend allgemeinen Zielsetzung be-schäftigen (z. B. Simulationsspiel, Fallstudien, Planspiele etc.), sind dafür überaus gut geeignet.

Zu Bedenken gilt, dass die im Rahmen von Nachhaltigkeitsfortbildungen vermit-telten Auffassungen über die individuellen Mitgestaltungs- und Kontrollmöglich-keiten der Lehrenden auf die Realität treffen, in der sich das Angeeignete zu be-währen hat. In einem langfristigen Prozess der Wechselwirkung zwischen Gelerntem und der Realität wird sich für ein Individuum zeigen, was umsetzbar ist. Dabei wird es individuell bewerten. Eine Fokussierung beispielsweise auf das gesinnungsethische Leitmotiv „Jeder kann etwas tun“ kann kontraproduktiv sein, wenn Lernende täglich das Gegenteil erfahren (vgl. Möller, 2000, S. 154). Dadurch würden Kontrollvorstellungen entwickelt, die eine Negation der Einflussmöglich-keiten befördern und Selbstwirksamkeitserwartungen herabsetzen.

3.3.4.3 Selbstwirksamkeitserwartung

Positive internale Kontrollüberzeugungen gehen mit hoher Selbstwirksamkeits-erwartung einher. Das heißt dass Lehrende, deren Kontrollüberzeugungen auf ei-nem interaktionistischen Niveau angesiedelt sind, auch von ihren eigenen Kompe-tenzen überzeugt sind und sich somit in der Lage fühlen, etwas für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung tun zu können. Diese hohe Selbstwirksamkeitserwartung wirkt sich im Sinne einer „Self fulfilling Prophecy“ positiv auf die eigentliche Leis-tung aus (vgl. Becker-Carus & Wendt, 2017, S. 530). Sie besitzen demnach ein Ver-trauen in die eigenen Fähigkeiten, die schwierige Handlungen anschieben und be-enden lassen. Lehrende mit hohen Selbstwirksamkeitserwartungen in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung würden sich prototypisch folgendermaßen äußern:

„Ich bin sicher, dass ich durch meinen Unterricht einen positiven Einfluss auf das nachhaltige Verhalten der Schüler:innen nehme, auch wenn dort Widerstände zu er-warten sind.“ oder „Ich bin sicher, dass ich die Kompetenz habe, meine Kollegen von der Wichtigkeit der nachhaltigen Entwicklung zu überzeugen“. Lehrende mit diesen Erwartungen werden im beruflichen und privaten Kontext bessere Leistungen erzie-len und sich als nachhaltigkeitsorientierte Multiplikatoren verstehen.

In Bezug auf die selbstregulativen Fähigkeiten lässt sich festhalten, dass Lehrende eine möglichst hohe Selbstwirksamkeit von sich hinsichtlich der Umsetzung von BBnE erwarten sollten. Nur wenn die Lehrenden von internal kontrollierbaren Ur-sachen ausgehen und selbst davon überzeugt sind, die nötigen Kompetenzen für die Umsetzung von BBnE im Unterricht zu besitzen, werden sie dies auch tun (vgl. Schwarzer & Warner, 2014, S. 672). Ihnen sollte die Herausforderung als be-wältigbar erscheinen, bei den Auszubildenden einen positiven mentalen Wandel hervorrufen zu können.