• Keine Ergebnisse gefunden

Handlungsmotivation und -volition (Rubikon-Modell)

der Professionalisierung von Lehrkräften

3.3 Professionalisierung von Lehrkräften zur Umsetzung einer Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung

3.3.3 Motivationale Orientierung hinsichtlich BBnE

3.3.3.2 Handlungsmotivation und -volition (Rubikon-Modell)

Für das Ziel, dass die Lehrkräfte wirklich nachhaltigkeitsorientierten Unterricht um-setzen – also ihr Handeln danach ausrichten –, lässt sich das Rubikon-Modell nach Heckhausen heranziehen. Anhand dieses Modells lässt sich beschreiben, welchen

48 Die integrierte Motivation lässt sich empirisch nicht von der identifizierten Motivation unterscheiden (vgl. Schiefele, 2009, S. 160). Der Vollständigkeit halber wurde sie hier dennoch mit aufgenommen.

Prozess Lehrkräfte durchlaufen werden, die einmal die Absicht getroffen haben, BBnE im eigenen Unterricht umsetzen zu wollen. Das Modell verbindet das Phäno-men des Motiviertseins mit einem Handlungsprozess zur Realisierung und Bewer-tung des Ziels. Es geht davon aus, dass sich der Prozess der „Zielsetzung“, welches hier durch die Selbstbestimmungstheorie beschrieben wurde, psychologisch von der Zielrealisierung unterscheidet (vgl. Achtziger & Gollwitzer, 2018, S. 357). Funktional sind Zielsetzung und -realisierung allerdings miteinander verbunden. Das Rubikon-Modell beschreibt einen Handlungsverlauf, der mit der Wahl eines Handlungsziels beginnt und mit der Bewertung der Zielerreichung abschließt (vgl. Achtziger & Goll-witzer, 2018, S. 357). Für die vorliegende Studie bildet es die theoretische Grundlage, um zu ergründen, wie (vgl. Achtziger & Gollwitzer, 2018, S. 357)

1. Die Lehrkräfte das Ziel der Umsetzung von BBnE auswählen?

2. Die Realisierung des Ziels geplant wird?

3. Die Pläne zur Umsetzung von BBnE durchgeführt werden?

4. Die Bemühungen und die Erreichung des Handlungsziels bewertet werden?

Die entscheidende Erklärungskraft dieses Motivationsmodells besteht also darin, dass es die Funktion der Motivation und Volition (Willensprozess, Durchhaltevermö-gen) berücksichtigt und zusammenbringt. Insgesamt beschreibt das Rubikon-Mo-dell vier Phasen, in denen unterschiedliche Aufgaben von einem Individuum bewäl-tigt werden müssen.

Mit diesem Modell lassen sich vier Phasen beschreiben, die von der Phase des Abwägens über den Wunsch BBnE im Unterricht umzusetzen und seinen positiven wie negativen Konsequenzen (prädezisionale Handlungsphase) über die Phase des Planens einer Strategie zur Umsetzung von BBnE (präaktionale/postdezisionale Phase) bis zu einer Phase der Durchführung der geplanten Strategie (aktionale Phase) sowie der Bewertung der Erreichung der vorgenommenen Handlungsziele (postaktionale Phase) reichen (vgl. Achtziger & Gollwitzer, 2018, S. 358).

Prädizisionale Handlungsphase

In dieser Phase wird sich ein Individuum auf der Grundlage seiner Bedürfnisse und Motive klar darüber, welche Wünsche und Anliegen es umsetzen möchte (vgl. Acht-ziger & Gollwitzer, 2018, S. 358). Das Individuum wägt zwischen den Vor- und Nach-teilen ab, die mit der Erreichung eines Handlungsziels verbunden sind, um zu einer für sich begründeten Entscheidung zu gelangen. Erwartungs-Wert-Modelle, die die Intensität der Motivation auf zwei Komponenten zurückführen, spielen bei der Ent-scheidung eine wesentliche Rolle (vgl. Schiefele, 2009, S. 151). Die Motivationsstärke der Lehrkräfte zur Umsetzung von BBnE ergibt sich aus dem Produkt der Erwar-tung (bzw. Wahrscheinlichkeit) eine Handlung erfolgreich durchführen zu können, zusammen mit dem Wert (bzw. die subjektive Bedeutsamkeit), die dieser Handlung und seinen Folgen zugesprochen wird. Das heißt, dass Lehrkräfte besonders moti-viert sind, wenn mit der Umsetzung von BBnE eine positive und hohe Erwartung verbunden ist, die mit einer hohen subjektiven Bedeutsamkeit für BBnE einhergeht.

Da Erwartungen und Wertüberzeugungen wiederum mit den Zielen, dem Selbst-konzept und den Erfahrungen einer Person in Verbindung stehen, ist es besonders wichtig, nicht nur das Ziel für die Umsetzung von BBnE auszusprechen, sondern auch die damit verbundenen Erwartungen an die Realisierbarkeit und den Wert des erwarteten Handlungsergebnisses von BBnE-Unterricht herauszustellen und abzu-wägen.

Mit der Umsetzung von BBnE wägen Lehrkräfte möglicherweise folgende posi-tiven und negaposi-tiven Argumente ab:

Mögliche Erwartungen an die Realisierbarkeit:

• Die Ordnungsmittel bieten ausreichend Handlungsspielräume zur Umsetzung von BBnE (+).

• Die Schulleitung verwehrt ausreichende Unterstützung (‒).

• Es gibt umfangreiche Fortbildlungen zur BBnE, die erfolgreich zur Umsetzung befähigen (+).

• Die Implementierung von BBnE wird anstrengend und benötigt viel zu viel Zeit (‒).

Mögliche Werte des erwarteten Handlungsergebnisses:

• BBnE-Unterricht verbessert die Qualität des Unterrichts (+).

• BBnE-Unterricht ist zu unspezifisch für die Berufsschule (‒).

• Durch die Beschäftigung mit BBnE erweitern sich pädagogische Fähigkeiten der Lehrkraft (+).

• Fachliche Inhalte kommen im BBnE-Unterricht zu kurz (‒).

Lehrkräfte, die am Ende der Analyse weiterhin den Wunsch haben, BBnE umzuset-zen, weil sie sich beispielsweise mit der Thematik der BBnE umfänglich identifizie-ren, eine hohes Interesse an BBnE haben, den positiven kurzfristigen und langfristi-gen Nutzen der Umsetzung erkennen oder eine positive Bilanz im Aufwand zum Nutzen gezogen haben (vgl. Schiefele, 2009, S. 151), müssen aus dem Wunsch ein verbindliches Ziel ableiten, um zum Handeln zu gelangen. Der Übergang von Wunsch zum Ziel wird dabei als Rubikon bezeichnet. An diesem Punkt entwickelt sich eine Zielintention, die zu einer Selbstverpflichtung führt und ein Individuum dazu veranlasst, das Handlungsziel mit allen Konsequenzen zu verfolgen (vgl. Acht-ziger & Gollwitzer, 2018, S. 359). Auch wenn eine Lehrkraft damit den Rubikon über-schritten und den festen Entschluss gefasst hat, BBnE im Unterricht umzusetzen, wird sie dies noch nicht in konkretes Handeln umsetzen. Sie hat zwar ihre innere Haltung verändert, allerdings benötigt sie nun Willenskraft und Durchhaltevermö-gen (Volition), um BBnE tatsächlich umzusetzen.

Präaktionale/postdezisionale Phase

In dieser Phase geht es nicht mehr darum zu klären, warum ein Individuum ein Handlungsziel erreichen möchte, sondern es geht darum zu ergründen, wie das

In-dividuum den Zielzustand erreichen möchte. „Die Realisierung verbindlich gewor-dener Ziele mithilfe zielfördernder Handlungen“ steht im Mittelpunkt der Betrach-tung (Achtziger & Gollwitzer, 2018, S. 359), deshalb wird diese Phase auch als volitional gekennzeichnet. Der Handelnde entwirft in Form von Vorsätzen und Durchführungsintentionen Strategien, um das festgelegte Ziel und das erwartete Er-gebnis zu erreichen (vgl. Achtziger & Gollwitzer, 2018, S. 360). Erst durch die Festle-gung auf bestimmte Vorsätze ist das Individuum in diesem Modell in der Lage, die Umsetzungsschwierigkeiten überwinden zu können. Das heißt, dass sich Lehrkräfte genaue Gedanken machen müssen, wann, wo und auf welche Art und Weise sie BBnE im Unterricht umsetzen wollen (vgl. Achtziger & Gollwitzer, 2018, S. 359 f.).

Nur durch die konkrete Festlegung dieser Aspekte werden sie auch die Gelegenheit nutzen, BBnE tatsächlich im Unterricht umzusetzen. Zur Beschreibung, wie es dann tatsächlich zur Umsetzung kommt, liegt dem Modell das Konzept der Fiat-Ten-denz zugrunde. Danach wird die konkrete Handlung dann initiiert, wenn die Stärke der Verpflichtung zur Handlung auf eine günstige Gelegenheit bzw. Situation zur Verwirklichung des angestrebten Ziels trifft. Daraus ergibt sich, dass Lehrkräfte in dieser Situation hinterfragen werden, ob die eigene Motivation zur Umsetzung wei-terhin von Bestand ist und alle Rahmenbedingungen gegeben sind, ob z. B. genug Zeit für die Umsetzung vorhanden ist oder geeignete Unterrichtsmaterialien vorlie-gen etc. Wenn alles gegeben ist, wird die Lehrkraft in Aktion treten.

Aktionale Phase

Nach der Initiierung der Intention wird der Handelnde die geplanten zielfördernden Handlungen tatsächlich durchführen und versuchen sie zu einem erfolgreichen Ab-schluss zu bringen (vgl. Achtziger & Gollwitzer, 2018, S. 360). Lehrkräfte werden BBnE-Unterricht in dieser Phase umsetzen. „Dies wird am besten durch ein beharr-liches Verfolgen der Zielrealisierung ermöglicht, was eine Anstrengungssteigerung angesichts von Schwierigkeiten impliziert sowie die konsequente Wiederaufnahme unterbrochener Zielhandlungen erfordert. Die Handlungsdurchführung wird von der Volitionsstärke des Ziels bestimmt“ (Achtziger & Gollwitzer, 2018, S. 360). Bei der Umsetzung von BBnE werden die Lehrkräfte mit Sicherheit auf Schwierigkeiten treffen, wie z. B. bei der Durchführung neuer Unterrichtsmethoden. In diesem Falle muss sich eine Lehrkraft besonders anstrengen und reflektieren, woran die Durch-führung scheitert. Erst wenn sie eine Lösung ausfindig gemacht hat, kann sie die weiteren Zielhandlungen aufnehmen. Hilfreich ist, wenn ein Lehrender das ange-strebte Handlungsziel mental antizipiert, dadurch wird er seine Anstrengungsbereit-schaft erhöhen können.

Postaktionale Phase

Nach der Durchführung der Handlung wird eine Lehrkraft die Umsetzung von BBnE bewerten und das Handlungsergebnis überprüfen. In dieser Phase spielen wieder motivationale Aspekte eine entscheidende Rolle. Im Modell wird

angenom-men, dass sich ein Handelnder folgende Fragen beantwortet, um das Ziel und die geplante Strategie zu überprüfen (Achtziger & Gollwitzer, 2018, S. 360):

• „Wie gut habe ich es geschafft, dieses Ziel zu erreichen?

• Sind die erhofften positiven Konsequenzen meines Handelns auch wirklich ein-getroffen?

• Kann ich meine Handlungsintention nun als erledigt betrachten?

• Ist es notwendig, bei Nichterreichen des Ziels dieses weiterhin und möglicher-weise mit anderen Mitteln zu verfolgen?“

Der Handelnde blickt dabei nicht nur auf die durchgeführte Handlung zurück, son-dern richtet seinen Blick auf zukünftiges Handeln. Dieser Abwägungsprozess kann zu zwei unterschiedlichen Ergebnissen führen, auf die unterschiedliche Konsequen-zen folgen können.

1. Das Handlungsergebnis, also die Durchführung von BBnE im Unterricht ent-spricht den Vorstellungen der Lehrkraft. In diesem Falle werden das Ziel deakti-viert und neue Ziele entwickelt.

2. Die Umsetzung von BBnE entspricht nicht den Vorstellungen und Wünschen einer Lehrkraft. Einerseits kann daraus resultieren, dass die Wünschbarkeit des Ziels zu positiv eingeschätzt wurde, was durch eine Anpassung des Anspruchs-niveaus des Ziels die erneute Durchführung initiieren könnte. Andererseits kann das eigentliche Ziel beibehalten werden, allerdings müssen neue verbes-serte Handlungen aufgenommen werden, um den erwünschen Zielzustand doch noch zu erreichen.

In Bezug auf die motivationale Orientierung der Lehrenden lässt sich festhalten, dass es nicht ausreicht, zu einem bestimmten Zeitpunkt motiviert zu sein. Moti-viertes Handeln umfasst vier Prozessschritte, die zur erfolgreichen Umsetzung von BBnE zu beachten sind:

1. Die Lehrenden müssen positive Erwartungen an die Umsetzung von BBnE entwickelt haben.

2. Die Lehrenden müssen einen festen Entschluss zur Umsetzung von BBnE gefasst haben.

3. Die Lehrenden benötigen ausreichend Willensstärke, Durchhaltevermögen und Beharrlichkeit bei der Planung und Durchführung zur Umsetzung von BBnE.

4. Die Lehrenden müssen bereit sein, die Umsetzung reflektieren zu wollen, um daraus die nötigen Konsequenzen für das weitere Vorgehen planen zu können.

Eine Fort- und Weiterbildung muss den Lehrenden Unterstützungsmaßnahmen bereitstellen, damit sie diese vier Handlungsphasen erfolgreich bewältigen kön-nen.